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systemagazin Adventskalender 2025 – 21. Jan Bleckwedel

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Elefanten im Advent 

Unsere Fähigkeit mit Ambivalenzen, Ambiguitäten und Unterschieden angemessen umzugehen, können wir trainieren wie einen Muskel. Toleranz tut gut, hält gesund und macht schön. Auch zu Weihnachten. Doch 2025 gibt es einen Elefanten im Advent. Es ist der aufkeimende Faschismus. Gegenüber dem Faschismus kann es keine Toleranz geben, sondern nur rote Linien. Die Höckes und Weidels können sagen, was sie wollen, wir müssen es ertragen, auch wenn es schwerfällt.  Darin besteht unsere Freiheit. Aber wir sollten alles tun, um diese Kamarilla des Schreckens von den Hebeln der Macht fernzuhalten. Das gebietet die Verfassung dieses Landes: sie fordert alle Patrioten auf, die Feinde der Freiheit und die Freunde der Menschenverachtung zu bekämpfen. Die neuen Nazis hassen unsere Werte, sie wollen die Freiheit zerstören, und sie entwürdigen und entmenschlichen schon heute andere Menschen in unserer Mitte. Dieser Angriff auf die Würde des Menschen, die allen Menschen gilt, ist nicht hinnehmbar – er markiert im politischen Raum einen unüberbrückbaren Unterschied.

In unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft gelten unterschiedliche Formen des angemessenen Umgangs mit Unterschieden. Im Bereich der Therapie gelten andere Regeln als im Bereich der Politik. Klare Kante im Bereich der Politik wünscht sich zu Weihnachten,

3 Kommentare

  1. Stefan Beher sagt:

    Lieber Jan Bleckwedel,

    vielen Dank für Ihren Adventskalender-Beitrag, der zum Nachdenken anregt – gerade weil er so direkt Position bezieht. Gleichzeitig möchte ich ein paar konstruktivistische Rückfragen stellen, die mir beim Lesen gekommen sind.

    Sie schreiben über den „aufkeimenden Faschismus“ und fordern „rote Linien“ und „klare Kante“. Aus systemtheoretischer Perspektive stellt sich zunächst die Beobachterfrage: Wer bestimmt eigentlich, was Faschismus ist und wer als Faschist zu gelten hat? Schon ob Frau Weidel und Herr Höcke hier in dieselbe Kategorie fallen, mag bezweifeln, wer sich trotz Nichtwählens ihrer Partei noch einen einigermaßen kühlen Kopf bewahrt. Ihre Beschreibung mag moralisch eindeutig erscheinen, ist aber als sozialwissenschaftliche Kategorie hochgradig beobachterabhängig. Und verdeckt möglicherweise relevante Differenzen innerhalb des beschriebenen Spektrums, die für unterschiedliche Interventionsmöglichkeiten durchaus bedeutsam sein könnten.

    Interessanter noch ist die zirkuläre Dimension: Könnte es sein, dass gerade solche moralisierenden Zuschreibungen der AfD objektiv nutzen? Empirisch lässt sich beobachten, dass diese Partei von Empörungsspiralen profitiert. Wer sich auf die Homepage Zirkularität und Beobachtung zweiter Ordnung schreibt, müsste eigentlich auch die unbeabsichtigten Effekte der eigenen Kommunikation in den Blick nehmen. Eine Logik erster Ordnung („Die sind böse, wir sind gut“) erzeugt oft genau jene Muster, die sie bekämpfen will – und trägt so zur Stärkung dessen bei, was sie verhindern möchte.

    Wichtig ist mir auch eine Unterscheidung, die Sie selbst andeuten: Politik und Therapie folgen verschiedenen Logiken. In der Therapie gibt es keinen „politischen Elefanten im Raum“ – da geht es in aller Regel um ganz andere Dinge. Aber auch in der Politik ist „klare Kante“ nur dort möglich, wo unterkomplex gedacht wird – auf welcher Seite auch immer. Komplexe Probleme lassen sich nicht durch moralische Vereindeutigung lösen, sondern erfordern differenzierte Analysen und Interventionen.

    Und noch eine Beobachtung am Rande: Im systemisch-therapeutischen Feld scheint mir eher das umgekehrte Problem zu bestehen – nämlich eine recht breite Unterstützung für linkspopulistische Positionen, die ebenfalls komplexe Probleme auf moralische Gut-Böse-Schemata reduzieren. Auch das löst keine Probleme, sondern stabilisiert Polarisierung, auch wenn – und gerade weil! – man sich damit als ambivalenzfrei „besserer Mensch“ profilieren mag.

    Vielleicht wäre ein systemischer Adventskalender-Beitrag auch gerade die Einladung, die blinden Flecken des eigenen Felds zu beleuchten – statt die von anderen?

    Mit kollegialen Grüßen

    Stefan Beher

  2. Dr. Sabine Hedwig Klar sagt:

    Danke – ich wünsche mir diese Klarheit eben auch. Konstruktivistische Positionen sind hilfreich für den therapeutischen Kontext – als Weltanschauung über diesen Kontext hinaus missverstanden
    öffnen sie Tür und Tor für eine diffuse Verwaschenheit gegenüber menschenverachtenden und demokratiefeindlichen politischen Richtungen. Alles Liebe Sabine Klar

    • Stefan Beher sagt:

      Liebe Frau Klar,

      ich erinnere mich gut an Ihren eigenen Adventskalender-Beitrag, der in die gleiche Kerbe schlägt wie dieser Beitrag und „Klarheit“ einfordert. So weit, Klarheit bezüglich meiner Rückfragen herzustellen, wollten Sie dann aber offensichtlich auch nicht gehen.

      Interessant finde ich, dass Sie hier nun wiederum „Klarheit“ einfordern, während Sie konstruktivistische Positionen als „diffuse Verwaschenheit“ beschreiben. Gerade umgekehrt ließe sich ja argumentieren: Dass moralische Eindeutigkeit („klare Kante“) oft die diffuseste Form des Denkens ist – weil sie Komplexität durch Empörung ersetzt.
      Die Frage bleibt: Wer bestimmt, was „menschenverachtend“ ist? Wer zieht wo die Grenze? Und was folgt daraus konkret? Wenn Sie schon eine politische Diskussion in ein politikfremdes, und dann auch noch ausgerechnet therapeutisches Feld importieren möchten, müssten Sie derlei Fragen eben auch beantworten, anstatt in „diffuser Verwaschenheit“ anderen Menschenverachtung und Demokratiefeindlichkeit zu unterstellen. Denn damit machen Sie sich nur selbst zu einem Teil dessen, was Sie zu bekämpfen vorgeben.

      Viele Grüße
      Stefan Beher

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