Ursprünglich bedeutete das lateinische Wort „Advent“ (bzw. griechisch „Epiphaneia“: Erscheinung) die Ankunft, Anwesenheit bzw. der Besuch eines Amtsträgers, insbesondere die Ankunft von Königen oder Kaisern. Im Christentum wurde dann ab dem vierten Jahrhundert der Begriff auf die Ankunft bzw. die Erwartung der Wiederkunft Jesu Christi bezogen. Wie man am öffentlichen Rummel der Adventszeit sehen kann, ist der historische und religiöse Ursprung des Begriffs zumindest hierzulande für die meisten Menschen nicht mehr von großer Bedeutung. Gleichwohl ist der Aspekt der freudigen, wenngleich maximal kommerzialisierten Erwartung der kommenden Feiertage für die anstehenden Wochen ebenso prägend wie die Wünsche nach Zeit für eine Besinnung auf wesentliche Fragen unseres Lebens uns unserer Existenz.
Welche Art der „Ankunft“ und „Erscheinung“ erwartet uns in der kommenden Zeit? Die eines „Erlösers“ wohl sicher nicht. Die Riege der Amtsträger, deren Ankunft man freudig entgegen blickt, ist übersichtlich. Die Wahlergebnisse in den USA hatte ich erwartet, wenngleich nicht in dieser Höhe. Angesichts der Tatsache, dass sich weltweit faschistische und autoritative Kräfte immer mehr auch in den (mehr oder weniger) demokratischen Ländern breit machen und viele zivilgesellschaftlichen Errungenschaften unter diesem Druck (von außen wie von innen) immer weiter geschleift werden, überfielen mich eher dystopische als zuversichtliche oder erwartungsfreudige Gedanken. Einer der ersten war, dass es dieses Mal vielleicht keinen Adventskalender im systemagazin geben sollte, weil sich das für mich nicht passend zur Zeit anfühlte.
Aber wahrscheinlich ist es gerade in solch unsicheren und wenig Zuversicht vermittelnden Zeiten wichtig, Traditionen und Rituale aufrechtzuerhalten, die ein Gefühl des Miteinander trotz aller Differenzen herstellen können. Auch wenn sich systemische Ideen für gute und bekömmliche (also friedliche und nachhaltige) Lösungen offensichtlich in der aktuellen globalen geopolitischen Situation nicht durchsetzen, lohnt es sich dennoch, uns mit ihrer Hilfe weiter für die Entwicklung besserer Bedingungen für das Leben auf unserer Erde einzusetzen, in welchem Maßstab auch immer.
Deshalb möchte ich auch in diesem Jahr wieder einen systemagazin-Adventskalender mit Ihren Beiträgen gestalten und Sie herzlich zur Mitwirkung einladen.
Ein besonderes „Thema“ für den Adventskalender hat sich für mich allerdings bislang nicht ergeben. Stattdessen fiel mir meine Einladung zum Kalender von 2015 wieder ein, die mir ganz gut auch für diese Adventszeit zu passen scheint, und die ich deshalb hier erneut ausspreche:
Unter dem Motto „Open Doors“ können Sie alles hinter ein Kalendertürchen legen, was Sie gerne mit der systemischen Community teilen möchten: Eine persönliche Geschichte oder Begegnung, die uns als Systemiker zu denken geben kann, Beobachtungen oder Einschätzungen zu gesellschaftlichen, politischen oder fachlichen Themen, mit denen sich unsere Gesellschaft, aber vor allem auch das Systemische Feld auseinandersetzen sollte, Konzepte und Modelle, die Sie für sich als nützlich entdeckt haben und einem größeren Kreis zugänglich machen wollen oder einfach ein paar Zeilen, was es für Sie bedeutet, sich als SystemikerIn zu verstehen und wie sich das auf Ihr Leben und Ihre Arbeit auswirkt.
Was auch immer, den vielfältigen Möglichkeiten von Inhalt und Form sind keine Grenzen gesetzt – je bunter der Kalender dadurch wird, desto besser. Vielleicht finden Sie ja in den kommenden Novemberwochen einen Moment der Ruhe für einen kürzeren oder auch längeren Text oder eine andere Mitteilungsform, die zum Format des Adventskalenders passen.
Ich freue mich über Ihre Einsendungen an levold@systemagazin.com und bin gespannt auf das Ergebnis.
Mit herzlichen Grüßen
Tom Levold
Herausgeber systemagazin