Ein sehr schöner Text des Organisationssoziologen Stefan Kühl, der als„Arbeitsfassung“ im Internet zu finden ist, befasst sich mit der„Rationalitätslücke“ in Organisationen und ihrer Bedeutung für eine systemisch-soziologische Fundierung von Beratung. Diese Rationalitätslücke besteht darin, dass Organisationen in ihrer Selbstdarstellung dazu neigen, Entwicklungs- und Veränderungsprozesse als Ergebnisse planmäßiger, durchdachter und zweckrationaler Anstrengungen darzustellen, während die tatsächliche Praxis vor allem von der Existenz von Hindernissen, Widerständen, Unwägbarkeiten und Unvorhergesehenem geprägt ist. Klassische Berater docken an den Rationalitätswünschen der Organisationen mit einer„Ästhetisierungsstrategie“ an, in dem ein schönes und konsistentes Zukunftsbild der Organisation seitens der Berater entworfen wird, dessen Umsetzung aber ebenfalls der genannten Rationalitätslücke anheimfällt. Neben vielen anderen Aspekten ist für eine systemische Organisationsberatung der Umgang mit Latenzen interessant:“Für ein soziologisches Beratungsverständnis ist es deswegen notwendig mit einer doppelten Perspektive an eine Organisation heranzugehen. Der erste Blick ist darauf gerichtet zu verstehen, welche Latenzen in einer Organisation vorhanden sind. Hier würde von einer Fremdbeobachtungsperspektive geschaut werden, welche Aspekte in der Organisation nicht (oder nur sehr eingeschränkt) wahrgenommen werden. Es geht ganz im Sinne der systemischen Beratung darum zu beobachten, welche dominanten Muster die Organisation zur Konstruktion ihrer Realität aufgebaut hat, mit welchen Differenzen primär operiert wird, was sie mit Hilfe der Differenz zu sehen bekommt und was nicht, welche spezifischen Blindheiten sie ausbildet und welche Konsequenzen sich daraus für sie ergeben. (
). Der zweite Blick wäre darauf gerichtet zu schauen, welche Funktion die latenten Strukturen in einer Organisation haben. Hier müsste von Beratern herausgearbeitet werden, ob die latenten Struktur so stark ausgeprägt sind, dass ein Arbeiten an ihnen die gesamte Organisation verunsichern würde. Die Aussage über die Funktion der latenten Strukturen gibt dem Berater Aufschluss, wie stark er diese latenten Strukturen ins Gespräch bringen kann“
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Sozialwissenschaftliche Beratung von Organisationen
18. November 2007 | Keine Kommentare