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Ressourcenaktivierung als Wirkfaktor

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Einerseits hat sich mittlerweile eine Art von Ressourcenrhetorik etabliert, die sich wie ein roter Faden durch Konzepte professioneller psychosozialer und therapeutischer Hilfen zieht. Andererseits zeigen sich im Kontext von Anerkennungsdebatten und –bemühungen solche Argumente als besonders robust, die auf störungsspezifische Power bestimmter Verfahren und Methoden abheben. Das kann unter Umständen Glaubenskämpfe nähren, kann jedoch auch Anlass zu neugierig-differenziertem Nachspüren sein. Zu letzterem dürfte die Dissertation von Lisa Johanna Groß gehören, die sie im Jahr 2013 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorlegte. Der Titel ihrer Arbeit: „Ressourcenaktivierung als Wirkfaktor in der stationären und teilstationären psychosomatischen Behandlung“. In dieser empirischen Arbeit setzt Groß einen ressourcenorientierten Akzent im Unterschied zum aktuellen Mainstream in der Forschungslandschaft, der auf Materialgewinnung zu Gunsten „evidenzbasierter störungsspezifischer Behandlungsmethoden und daran orientierte Manuale“ zielt. Groß stellt dem empirischen Teil eine sehr gut lesbare, sehr informative Zusammenstellung der neueren und neuesten Befunde zur Wirksamkeitsforschung voraus, mit den Arbeiten von und nach Grawe, Lambert, Duncan und Miller, sowie Wampold als tragenden Säulen. Wer sich über den Stand der Dinge zur Diskussion um allgemeine Wirkfaktoren und um kontextuelle Wirksamkeitsmodelle, sowie um „Effektstärken und Varianzaufklärung verschiedener therapeutischer Aspekte“ kundig machen möchte, ist hier sehr gut bedient. In ihrer empirischen Untersuchung konzentriert sich Groß auf „die Bedeutung von Ressourcenrealisierung und Ressourcenaktivierung für den Therapieerfolg in der stationären und teilstationären psychosomatischen Behandlung“. Die Autorin skizziert das Anliegen ihrer Arbeit: „Dabei werden die Konzepte Ressourcenrealisierung und Ressourcenaktivierung im Hinblick auf ihre Relevanz für die psychosomatische Behandlung untersucht und mit verschiedenen Maßen des Wohlbefindens und der psychischen Belastung sowie mit dem Therapieerfolg in Zusammenhang gebracht. Zusätzlich werden Zusammenhänge zwischen wertschätzendem Therapeutenverhalten und dem Ausmaß der Ressourcenaktivierung sowie dem Therapieerfolg betrachtet. Darüber hinaus wird die Rolle von Bewältigungserfahrungen als potentieller Mediator des Einflusses der Ressourcenaktivierung auf den Therapieerfolg untersucht“ (S.3). Die Materialien, die Groß für ihre Untersuchung verwendet (z.B. Fragebögen) illustrieren die theoretisch erörterten Positionen umfänglich und differenziert. Wer sich weniger für die typischen und spezifischen Details der Untersuchung selbst interessiert, kann sich gegen Ende der Arbeit wieder in die „Abschließende Diskussion“ einklinken. Die Ergebnisse werden übersichtlich gebündelt und plausibel dargestellt. Hier heißt es u.a.: „Insgesamt sprechen die Ergebnisse deshalb in hohem Maße dafür, Klienten als aktive Mitgestalter des psychotherapeutischen Prozesses zu konzeptionalisieren (…) und ihre Fähigkeiten und Stärken verstärkt in den psychotherapeutischen Prozess mit einzubeziehen. Aktuell sind ein derartiger Ressourcenfokus und eine derartige Haltung in der Psychosomatik noch nicht selbstverständlich.  (…) Eine weitere Entwicklung in Richtung eines verstärkten Fokus auf Klientenressourcen sowie eines verstärkten Respekts vor Beiträgen der Klienten zum Gelingen der Therapie stellt eine wünschenswerte Entwicklung in der stationären und teilstationären psychosomatischen Therapie
dar“ (S.155).
Als Zugabe gibt es am Ende noch einen im Jahr 2012 publizierten Text von L. J. Groß, M. Stemmler und M. de Zwaan über „Ressourcenaktivierung in der klinischen Psychologie und Psychotherapie: Überblick über theoretische Hintergründe und aktuelle Forschungsansätze“ (S.228ff.).
Zum Volltext von Dissertation und publiziertem Artikel geht es hier…

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