Schon im Mai 2021 hat der Soziologe und Systemtheoretiker Rudolf Stichweh im Rahmen einer digitalen Ringvorlesung der Kieler Universität zum Thema der Coronavirus-Pandemie und ihren Folgen einen Vortrag gehalten, in dem er die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltgesellschaft als Kommunikationszusammenhang und ihren Funktionssystemen untersuchte. Die Schriftfassung, die auf diesen Vortrag folgte, ist auch auf academia.edu bzw. bei researchgate.net zu finden. In seiner Einleitung schreibt er: „Zum Titel: ,Resonanz auf das Virus’ ist der erste Teil des Titels. (…) er gefällt mir gut, weil er das trifft, was ich sagen möchte: Resonanz ist eine Beziehung zwischen zwei Systemen. Die Schwingungen des einen Systems lösen Schwingungen im anderen System aus. Wichtig ist beim ersten System die Diskontinuität dieser Schwingungen. Diese sind periodisch oder verändern sich mit der Zeit. Ich will hier nicht versuchen, zu exakt zu sein, weil es mir eher um eine Metapher als um eine exakte Analogie geht. Die sich in der Zeit verändernden Schwingungen des einen Systems lösen die Schwingungen des anderen Systems aus. Die Schwingungen des ersten Systems können durchaus problematisch, womöglich katastrophal, für das andere System sein. Sie können eine ernsthafte Disturbance (Störung) bedeuten. Genau damit haben wir hier offensichtlich zu tun. Das eine System ist das, was mit dem Virus und der viralen Evolution zu tun hat, und das andere System ist das der Gesellschaft. Und von Resonanz kann hier nicht physikalisch exakt, aber in einer vielleicht instruktiven Metapher die Rede sein. Deswegen passt der Titel gut. Der Untertitel ist eine Erläuterung des Titels und eine Hypothese, für die ich im Folgenden argumentieren möchte. Die These lautet ganz einfach: Die Corona-Pandemie ist die Pandemie einer kommunikationsbasierten Weltgesellschaft. Sie ist wohl zum ersten Mal eine Pandemie, die sich in ihren Strukturen sehr genau an die Strukturen einer kommunikationsbasierten Weltgesellschaft anpasst, diese wiederholt und auch dadurch ihre Brisanz und ihre Wirkungsstärke hat. Für diese These werde ich im Folgenden ein paar Argumente zusammentragen.“