Die„Psychotherapie im Dialog“ erscheint nun im 14. Jahrgang als Zeitschrift für„Psychodynamische Therapie [jetzt nicht mehr Psychoanalyse, T.L.], Systemische Therapie, Verhaltenstherapie, Humanistische Therapien“, ein Grund für den Verlag, Marktforschung zu betreiben, weil sich offenbar die„Leserwünsche verändert“ haben. Das Eingangseditorial von Michael Broda beginnt mit dem Spruch„Nicht, was der Zeit widersteht, ist dauerhaft, sondern das, was sich klugerweise mit ihr ändert“. Das hört sich ein bisschen nach Notwehr an. Hat die Redaktion womöglich ein Angebot bekommen, das sie nicht ablehnen konnte?
Als Leserwünsche werden„mehr Themenvielfalt“ und„Leserfreundlichkeit“ genannt. Themenvielfalt soll offenbar durch einen neuen Mantel gewährleistet werden, der – in Rosa (mit leserfreundlicher Rosa Schrift auf weißem Grund) gehalten – den klassischen Themenmantel (leserfreundlich in noch hellgrünerer Schrift als bisher auf weißen bzw. etwas noch hellgrünerem Hintergrund) einbindet. In Rosa gibt es zukünftig neue Rubriken, z.B. Zusammenfassungen von wissenschaftlichen Studien (wer wählt die aus? Und nach welchen Kriterien?), Rechtstipps, aber auch Filmbesprechungen, alles mit großen Stock-Fotos aufgepeppt.
In der Mitte des Heftes finden wir dann den gewohnten Themenkern. Hier wird die Drohung im Editorial, dass„ab diesem Heft (
) alle Texte nicht nur redaktionell, wie bisher, sondern auch sprachlich überarbeitet und im neuen Layout gesetzt“ werden, wahr gemacht. Zunächst wundert sich der Leser natürlich, der bislang unter einer redaktionellen selbstverständlich auch eine sprachliche Überarbeitung verstanden hat. Nun lässt sich der sprachliche Eingriff nicht überprüfen, wenn die ursprünglichen Manuskripte nicht vorliegen. Feststellen lässt sich aber, dass alle Texte nun in eine Form gepresst werden, die schon bemerkenswert ist. Wer früher dachte, dass die PID mit ihren vielen kurzen dreispaltigen Texten, die durch viele Zwischenüberschriften untergliedert wurden, schon den Gipfel der Magazinhaftigkeit erreicht hätte, wird nun eines besseren belehrt. Mehr Magazin geht nicht. Dem Leser wird nun grundsätzlich nicht mehr zugetraut, mehr als zwei Absätze ohne Zwischenüberschrift zu lesen. Die Lesefreundlichkeit wird auch dadurch gesteigert, dass aus den schwarzen bzw. dunkelgrünen Zwischenüberschriften der früheren Hefte nun einheitlich hellgrüne Zwischenüberschriften geworden sind, immerhin eine Möglichkeit, das Kontrastauflösungsvermögen der eigenen Augen zu überprüfen. Damit man nicht bei soviel Übersichtlichkeit verloren geht, werden vermeintlich besonders wichtige Aussagen noch einmal in fett und hellgrün in den Text hineingesetzt, eingerahmt in hellgrüne Linien. An Kästchen, Einrahmungen usw., kurz: der ganzen Layout-Pest, mit der man heutzutage zugemüllt wird, ist also kein Mangel. Wer sich mit dem Fließtext, der bei allem Layout noch übrig geblieben ist, immer noch überfordert fühlt, kann dann auf Spiegelstriche rechnen. Ich habe mir mal den Spaß gemacht und alle Spiegelstriche der beiden letzten Hefte zusammengezählt. Während das Heft 4/2012 (Sucht) insgesamt auf 68 Spiegelstriche kommt, sind die in der aktuellen Ausgabe schon auf Seite 29 erreicht. Insgesamt habe ich sage und schreibe 425 Spiegelstriche gefunden, also eine Steigerung um 525 %!
Die Lesefreundlichkeit soll auch durch eine andere Schrift und einen größeren Zeilenabstand hergestellt werden. Die neue Schrift hat schmalere Buchstaben, was m.E. den Lesefluss nicht verbessert, statt 62 Zeilen finden sich nun 51 Zeilen in einer Spalte (nicht so einfach, eine Spalte ohne Zergliederung zu finden, bei der man das zählen kann). Da der Umfang des gesamten Heftes konstant geblieben ist, bedeutet das weniger Inhalt, vor allem (aufgrund der Einführung des Mantels) im Themenbereich. Hatte dieser in Heft 4/2012 noch 98 Seiten á 3 Spalten á 62 Zeilen, so besteht er im aktuellen Heft aus 84 Seiten á 3 Spalten á 51 Zeilen – das sind 12.000 Zeilen gegen 18.000, der Platzverlust durch Layout-Klimbim noch gar nicht eingerechnet. Der Thieme-Verlag ist ein Medizinverlag, so verwundert nicht, dass die PID sich nun der Anmutung einer der vielen Arztzeitschriften immer weiter nähert.
Der web-Auftritt bei thieme-connect.de wirkt genauso hell und luftig wie die Printausgabe, ist aber wenig funktional. Um sich Kurzinformationen über die einzelnen Artikel zu verschaffen, muss man nun für jeden Artikel einen Link anklicken, ansonsten bekommt man nur Autorennamen und Überschriften (das war früher sehr viel besser!). Will man die Daten in eine Literaturdatenbank einpflegen, ist das mit jeder Menge lästiger Arbeit verbunden. Schlampig an der aktuellen Ausgabe ist, dass ein Text von Martin Sack und Barbara Gromes im Online-Inhaltsverzeichnis einfach vergessen wurde und daher auch nicht heruntergeladen werden kann. Das größte Ärgernis der vergangenen Ausgaben, der stärkste Angriff auf die Leserfreundlichkeit ist aber immer noch nicht behoben, nämlich die Praxis, im Text angegebene Literaturquellen (bei damit verbundenem Seitenumbruch) nicht am Ende des Textes abzudrucken, sondern auf eine Datei im Internet zu verweisen, die noch nicht einmal physisch mit dem PDF des jeweiligen Artikels verbunden ist. Im Unterschied zu früher sind die Quellen noch nicht einmal als HTML-Datei direkt zu sehen, man muss eine PDF-Datei laden. Mit ist bis heute nicht klar, warum die Herausgeber diese einmalige Missachtung von Autoren wie Lesern dulden. Der Verlag teilte mir auf Anfrage dazu übrigens mit:„Der wissenschaftlich lesend und arbeitenden Abonnent unserer Zeitschriften bewegt sich den ganzen Tag im Internet, so dass de Hürde des Medienwechsels nicht mehr als solche wahrnehmbar ist, wie es vielleicht vor 5 Jahren noch der Fall war. Es gibt übrigens auch Journals, bei denen die kompletten Literaturverzeichnisse nur im Internet stehen und gar nicht mehr in der Print-Fassung abgedruckt sind. Soweit wollen wir bei der PiD aber vorerst nicht gehen“.
Das aktuelle Thema lautet„Resilienz und Ressourcen“. Auch hier gibt es wieder eine bunte Mischung aus Beiträgen von Vertretern der verschiedenen Therapierichtungen. In den letzten Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass womöglich langsam die Themen ausgehen. Nachdem die meisten Störungsbilder als Themen vorgekommen sind, kommen manche nun in eine zweite Runde. Daneben gab es in letzter Zeit viele Hefte, in denen in erster Linie (wissenswerte) Informationen vermittelt wurden, die sicherlich für Psychotherapeuten auch relevant sind (Psychokardiologie, Anfälle, Schlaf, Patientenautonomie etc.). Die spannende Frage aber ist, ob irgendwann auch noch einmal damit zu rechnen ist, dass die Zeitschrift ihrem Titel gerecht wird und – anstatt nur additiv schulenspezifische Texte nebeneinander zu stellen – Psychotherapie in einen Dialog bringt. Oder gibt es da etwa gar nichts mehr zu diskutieren?
Sich„klugerweise“ mit der Zeit zu ändern, mag vielleicht zu mehr Dauer führen, ob das auch zu einer Verbesserung führt, bleibt abzuwarten. Etwas mehr Gedanken und etwas weniger Checklisten tätig sicher gut.
Zu den vollständigen abstracts der aktuellen Ausgabe
Psychotherapie im Dialog?
6. April 2013 | Keine Kommentare