Heinz Kersting, der vorgestern vor sechs Jahren im Alter von 68 Jahren gestorben ist, hat viele Menschen zu systemischen Ideen inspiriert, so auch systemagazin-Autor Ulrich Schlingensiepen, der heute für Heinz ein Kalendertürchen öffnet:
„1992 besuchte ich ein Seminar des IBS Aachen zum Thema Teamsupervision. In meiner Supervisorenausbildung kam dieses Beratungssetting eher zu kurz und so war ich froh über diese Gelegenheit. Heinz Kersting und Barbara Hamann leiteten diesen Workshop in irgendeiner evangelischen Bildungsstätte in Niedersachsen. Großer Saal, riesige festverankerte Garderobenkonstruktionen mit vorgebautem Tresen, deftige Brauntöne in der Luft. Sicher als Multifunktionsraum gedacht für was auch immer, hier war alles möglich.
Ich hatte Wochen vorher Das gepfefferte Ferkel in die Hände bekommen, ein Lesebuch für Sozialarbeiter und Konstruktivisten, herausgegeben von Heinz Kersting, Christoph Vogel und Theo Bardmann. Ein völlig anderes Buch, verrückt, unterhaltsam und irritierend.
Und dieses Buch hatte einen Beipackzettel mit wunderbaren Verordnungen, es so oder so zu lesen oder es auch ganz anders zu tun, nichts zu glauben sondern auszuprobieren, Spaß an zusammengewürfelten Texten und Comics zu haben und für den Sinn und Unsinn des Ganzen sich schließlich selbst verantwortlich zu fühlen.
Paradise lost! Am Anfang eines konstruktivistischen Denkens steht die Ent-täuschung, die Erfahrung, dass die bisherigen Vorstellungen und Bilder, die man sich von der Welt, von sich und den Mitmenschen gemacht hatte, nicht mehr brauchbar sind, dass man mit den gewohnten Unterscheidungen und Beschreibungen in der Wirklichkeit nicht mehr zurecht kommt. Man erfährt, dass man umbauen muss, dass neue Konstruktionen erforderlich sind. (Das gepfefferte Ferkel).
Heinz Kersting hat diesen Beipackzettel für mich lebendig gemacht und vorgelebt, es war die reine Freude und Überraschung! Systemische Beratungen sind Provokationssysteme, ermöglichen Umdeutung, sind Irritationen nach Plan und das alles mit einem ordentlichen Schuss Liebe zur Profession. Ob wir auch über Teams und Teamsupervisionen geredet haben? Vielleicht und wenn ja, bestimmt anders. In jedem Falle haben wir mit Beobachtungen 2.Ordnung und Unterscheidungen experimentiert, dass selbst dem ordentlich evangelischen Saal die Luft weg blieb“