systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

22. Juni 2015
von Tom Levold
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Ethnopsychoanalytische und systemische Aspekte der Biografieforschung

Almute Nischak

Normalerweise denken wir bei Migration an Ein- und Zuwanderer, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und hier mit den entsprechenden Herausforderungen, die mit einer Eingliederung verbunden sind, zu kämpfen haben. Daneben gibt es aber auch noch ganz andere Formen der Migration. Almute Nischak (Foto: www.nischak.com), Ethnologin und Systemische Therapeutin hat sich in einer Forschungsarbeit mit der  Migration von Deutschen, Schweizern und Österreichern nach Italien beschäftigt – diese „unterscheidet sich dabei von der Arbeits- und Armutsmigration in Himmelsrichtung, Triebkraft und Motivation der Menschen. Die alternative Migration, wie ich diese Form der Auswanderung bezeichne, führt dabei von einem Land des Wohlstands in ein anderes Land des Wohlstands“. Migration ist immer eine Entscheidung, die sowohl vor einem individuell-biografischen wie vor einem mehrgenerationalen Hintergrund betrachtet und verstanden werden kann. Im Editorial ihres Artikels, der 2003 in der Zeitschrift systhema erschienen ist, schreibt Nischak: „Ausgangspunkt dieses Artikels ist eine ethnologische Forschung in der ,endlos weiten Wunschlandschaft’ der Toskana. Ich wollte ergründen, weshalb Menschen dorthin auswandern und ob zwischen den Migrationserfahrungen der Groß- und Urgroßeltern und dem Integrationsverhalten der Kinder dieser Familien ein Zusammenhang besteht. Dazu habe ich das ,Konzept der (um die Herkunftsfamilie) erweiterten Biografie’ entwickelt, das auf einer generationenübergreifenden biografischen Perspektive basiert. Drei ausgewählte Lebensgeschichten zeigen, dass das Bewältigen von Migration und Integration für das Individuum – betrachtet man es im Spannungsbogen zwischen Familie und Kultur – auf den Weltbildern von Generationen aufbaut“. Den vollständigen Artikel können Sie hier lesen…

21. Juni 2015
von Tom Levold
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Qualität in der Aufstellungsleitung

kontext-2015-02

Das aktuelle Heft des Kontext ist unter der Gastherausgeberschaft von Kirsten Nazarkiewicz und Kerstin Kuschik zum Thema Evaluation und Aufstellungsarbeit erschienen. Neben einem ausführlichen Editorial gibt es vier inhaltliche Beiträge zum Thema sowie Rezensionen zu Titeln, die sich mit der Arbeit mit Aufstellungen in unterschiedlichen Kontexten beschäftigten. Im Editorial heißt es: „Für dieses Heft haben wir uns für Beiträge entschieden, die vor allem der Zielgruppe des Verbandes [DGSF; T.L.]– ob mit Aufstellungen arbeitend oder nicht – Information, Überblick, Praxisbericht und Einblick in verbandseigene Qualitätspraxis geben. Die Beiträge sollen den fokussierten Austausch anregen, verschiedene Herangehensweisen zu diesem Thema würdigen und aktuelle Antworten zusammentragen. Fallbeispiele und Beschreibungen konkreter Vorgehensweisen können Hinweise liefern, was genau die Aufstellungsarbeit an welcher Stelle leisten kann, warum sie methodisch gewählt wurde, was schief gehen kann, was man daraus lernen kann und was es braucht, damit die Methode qualitätsvoll praktiziert wird.“ Zum vollständigen Inhaltsverzeichnis und den abstracts geht es hier…

14. Juni 2015
von Tom Levold
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Die Fee, das Tier und der Freund

Agnes Kaiser Rekkas: Die Fee, das Tier und der Freund

Agnes Kaiser Rekkas:
Die Fee, das Tier und der Freund

Unter diesem Titel ist ein 2010 Buch der Hypnotherapeutin Agnes Kaiser Rekkas zur „Hypnotherapie in der Psychosomatik“ im Carl-Auer-Verlag erschienen, das 2014 bereits in die vierte Auflage gegangen ist. In der Verlagsankündigung heißt es: „Die Hypnotherapie offeriert dem psychosomatisch erkrankten Menschen eine Palette wirkungsvoller Techniken. Beginnend mit der hypnotischen Tiefenrelaxation, dem therapeutischen Visualisieren und dem Training in Selbsthypnose, kann mit der eleganten Methode der ideomotorischen Signale, mit metaphorischen Phantasiereisen bis über direkte psychotherapeutische Arbeit sowohl auf der somatischen Ebene gesundheitliche Stärkung als auch psychisch Neuorientierung und Entfaltung unterstützt werden.“ Peter Stimpfle hat das Buch für systemagazin rezensiert – und wünscht ihm noch viele weitere Auflagen…

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13. Juni 2015
von Tom Levold
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Sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen: interdisziplinär erfolgreich

DGSF-Pressemitteilung vom 12.6.2015: „Wenn Kinder oder Jugendliche psychische Auffälligkeiten zeigen, ist eine multidisziplinäre und vernetzte Versorgung sinnvoll, wie sie in ambulanten Arzt-Praxen geleistet wird, die nach der „Sozialpsychiatrie-Vereinbarung (SPV)“ arbeiten. Dort arbeiten neben Kinder- und Jugendpsychiatern vor allem Sozial- oder Heilpädagogen sowie Psychologen und Psychotherapeuten, die häufig eine systemische Weiterbildung absolviert haben. Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) begrüßt, dass diese sozialpsychiatrische Arbeit jetzt evaluiert und als sehr erfolgreich bewertet wurde.
,Interdisziplinäres und vernetztes Arbeiten in den Sozialpsychiatrie-Praxen wird sowohl von den leitenden Ärzten wie von den Patientinnen und Patienten sehr positiv beurteilt’, kommentiert DGSF-Vorsitzender Dr. Björn Enno Hermans die im Juni vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) vorgelegte Studie. In diesen Praxen seien viele systemisch weitergebildete Mitarbeiter tätig. Die Einbeziehung der Familie und des weiteren Umfeldes sei für systemisch Weitergebildete selbstverständlich. ,Wir freuen uns, dass Systemische Familientherapie über die Sozialpsychiatrie-Vereinbarung schon heute einen wichtigen Beitrag in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen und deren Familien leistet’, so Hermans. Gleichzeitig erwartet der DGSF-Vorsitzende, dass Systemische Psychotherapie künftig im Gesundheitswesen eine stärkere Rolle spielen wird in der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen sowie von Erwachsenen. Für die Zulassung als sogenanntes Richtlinienverfahren – neben der Verhaltenstherapie und den psychodynamischen Verfahren – wird die Systemische Therapie derzeit vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geprüft. Nach einer Zulassung kann Systemische Therapie auch in psychotherapeutischen Praxen als Leistung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden.
Die Evaluationsstudie des Zi ist im Internet veröffentlicht unter: http://www.kbv.de/media/sp/SPV_Abschlussbericht_2014.pdf
Quelle:
Sozialpsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen: interdisziplinär erfolgreich — DGSF e. V.

12. Juni 2015
von Tom Levold
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Die System-Umwelt-Theorie und der Capability-Approach: Synergien für eine Theorie der Lebensführung in der Sozialen Arbeit

Jan V. Wirth

Jan V. Wirth

In der Neuen Praxis 6/2014 ist ein Artikel von Jan V. Wirth (Foto: Wikipedia) über die Frage der für Soziale Arbeit bedeutsamen Formen von Hilfsbedürftigkeit erschienen, in dem er für eine Theorie der „Lebensführung unter den Bedingungen der modernen, primär funktional differenzierten Gesellschaft“ plädiert. Im abstract heißt es: „Der Beitrag schließt an die systemtheoretische Bestimmung an, dass Soziale Arbeit als gesellschaftliche Reaktion auf Probleme der Lebensführung in der funktional differenzierten Gesellschaft verstanden werden kann. Davon ausgehend werden zentrale Annahmen einer Systemtheorie der Lebensführung skizziert. Lebensführung wird konkretisiert als sinnhaftes Arrangieren von Inklusions- und Exklusionschancen, wobei im zeitlichen Verlauf des Lebens Inklusion Exklusion vorausgeht. Mit Hilfe des Begriffes Hyperinklusion rücken vier gesellschaftliche Teilsysteme bezüglich der Genese von Hilfsbedürftigkeit in den Fokus: Familie, Erziehung und Bildung, Wirtschaft und das Gesundheitssystem. Der Autor argumentiert anschließend, dass das Schweigen der Systemtheorie Luhmanns zu Fragen der Normativität für eine Theorie der Sozialen Arbeit (im Unterschied zu einer Soziologie der Sozialen Arbeit) nicht hinnehmbar ist. Vor diesem Hintergrund wird aufgezeigt, dass zwischen dem Capability- Approach und einer Systemtheorie der Lebensführung substanzielle Übereinstimmungen bestehen, die es ermöglichen, den Capability-Approach als normativem Horizont einer systemtheoretisch fundierten Theorie der Lebensführung zu beanspruchen.“ Das Manuskript des Textes ist auf der website des Autors zu lesen, und zwar hier…

9. Juni 2015
von Tom Levold
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Symptom – Bindeglied einer „klinischen“ Beziehung

kurt ludewigIn einem frühen Text von 1984, der bislang außer auf der Website des Autors nicht veröffentlicht worden ist und der einen Vortrag auf den 20. Hamburger psychiatrisch-medizinischen Gesprächen zur Grundlage hat, setzt sich Kurt Ludewig mit der Problematik des Symptombegriffs in der Diagnostik auseinander und versucht eine Umdeutung: In der Einleitung heißt es: „Die Bedeutung von Verhaltensweisen entsteht bekanntlich in sozialen Kontexten, und zwar je nachdem, wie diese von den Beteiligten wahrgenommen und eingeschätzt werden. Umdeuten heißt hingegen, die kontextuellen Bedingungen, unter denen gedeutet wird, zu verändern. Denn, in einen neuen Kontext eingebettet, wird eine bis dahin geltende Bedeutung zunächst verstört und alsdann von einer anderen abgelöst. In meinem Versuch, den Begriff Symptom umzudeuten, werde ich diesen in einen anderen als den bislang üblichen psychopathologischen Kontext einbetten. Symptome, die immer soziale Deutungen sind, werden mit Blick auf die soziale Interaktion betrachtet und daher in den sozialen Kontext eingebettet, in dem sie entstehen, nämlich in „klinischen“ Beziehungen, d.h. in solchen Beziehungen, in denen diagnostisch und therapeutisch gearbeitet wird.“
Der Text ist nun auch in der Systemischen Bibliothek im systemagazin zu lesen, und zwar hier…

7. Juni 2015
von Tom Levold
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Peter Kruse (30.1.1955 – 1.6.2015)

Am 1.6. ist Peter Kruse völlig unerwartet im Alter von 60 Jahren an einem Herzversagen gestorben. Peter Kruse hatte sich als Psychologe schon seit Ende der 80er Jahre an der Universität Bremen (gemeinsam mit Michael Stadler) mit der Selbstorganisation neuronaler Prozesse beschäftigt und ist hierdurch auch einem größeren systemischen Publikum bekannt geworden. In den 90er Jahren wandte er sich dann als einer der ersten aus dem systemischen Feld dem Bereich der Unternehmensberatung zu und gründet mit nextpractice eine eigene Firma, die schnell mit ihrem Schwerpunkt der Anwendung und praxisnahen Übertragung von Selbstorganisationskonzepten auf unternehmerische Fragestellungen bekannt wurde. Mit Peter Kruses Tod hat das systemische Denken eine große Persönlichkeit verloren. In diesem Video vom Zukunftskongress sehen wir noch einmal ein Interview mit ihm, in dem er seine Abkehr von der Einpersonen-Psychologie hin zu einer aggregierten Netzwerk-Kultur-Theorie beschreibt.

 

3. Juni 2015
von Tom Levold
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Gangsterläufer

Hannah Eller macht auf ihrer SystemVIBES-Website auf einen interessanten Dokumentarfilm aufmerksam, der auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) im Rahmen eines Dossiers zu sehen ist: „Yehya gilt mit 17 Jahren bereits als ,Intensivstraftäter’. Christian Stahl begleitet ihn und seine Familie vor und während seiner Haft und beleuchtet die Welt, um die sich die Intergrationsdebatte kreist. Yehyas Familie steht stellvertretend für zahlreiche Menschen (2014 waren es mehr als 100 000), die als sogenannte ,Kettengeduldete’ in Deutschland leben. Yehya erlebt diesen Zustand als ,verordnete Perspektivlosigkeit’. Die Filmwebsite schreibt: ,GANGSTERLÄUFER zeichnet das eindrückliche Porträt eines „Intensivstraftäters“, dessen Charme, kriminelle Energie und Reflektionsvermögen verblüffen und schockieren. Zwischen muslimischer Tradition und Gangsterträumen, Macho-Image und Moschee, dem allgegenwärtigen Krieg in der fremden Heimat der Eltern und dem Überleben in Europa.’” Den Film gibt es hier zu sehen, und hier schon mal der Trailer zum Interesse wecken:

1. Juni 2015
von Tom Levold
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Zitat des Tages: „Möglichkeiten sind umfassender als Lösungen“

Jürgen Hargens: Bill, wenn ich Deiner Antwort zuhöre, denke ich, daß viel von dem, was Du sagst, auch von jeder lösungsorientierten TherapeutIn hätte gesagt werden können. Finde heraus, was die Person von der Konsultation will; Ziele; was funktioniert und was funktioniert nicht. Fragen nach Gefühlen könnten anders sein, obwohl man sagen könnte, nun ja, das gehört zu der Frage, ob die Person bekommen hat, was sie wollte. Du hast vorhin gesagt, Du würdest jederzeit Haltungen Methoden vorziehen.
Deshalb noch einmal – wie würdest Du den Unterschied zwischen Möglichkeiten-Therapie und lösungs-orientierter Therapie beschreiben und definieren – in Bezug auf Haltungen, in bezug auf Methoden, in Bezug auf …?

Bill O’Hanlon: Flexibilität, kein so enger Fokus, Bereitschaft, die Person zu behandeln, die keine klaren Ziele hat, Bereitschaft, Langzeit-Therapie zu machen, Loyalität der KlientIn und nicht der Theorie gegenüber, willens sein, als Person aufzutreten und nicht nur als Fragesteller, um die KlientIn kennenzulernen, das Einbeziehen spiritueller oder politischer Aspekte, die Bereitschaft, Methoden anderer Theorien zu benutzen (wie Verhaltenstherapie, kognitive Methoden, Gestalt, Ericksonian usf.), die Bereitschaft, anderen therapeutischen Vorgehensweisen und anderen Theorien das Verdienst in der Therapie zuzubilligen, die die Entwicklung meiner Arbeit beeinflusst haben undsoweiter. Ist das jetzt genug?“

Aus: „Möglichkeiten sind umfassender als Lösungen: ,… würde ich jederzeit Haltungen Methoden vorziehen’. Ein Interview mit William (Bill) H. O’Hanlon von Jürgen Hargens“. In: Familiendynamik 24(3), 1999, S. 345