Wolfgang Loth (Bergisch Gladbach):
Roland Schleiffer hat sich einen Namen gemacht mit seinen Publikationen zu einer systemtheoretischen Entwicklungspsychopathologie und zur funktionalen Analyse von Verhaltensauffälligkeiten. Vor kurzem hat er seine Arbeiten dazu in zwei bemerkenswerten Bänden aktualisiert und gebündelt (1). Mit dem nun vorliegenden Buch „Fremdplatzierung und Bindungstheorie“ geht er einem Themenbereich nach, der mit den vorher genannten korrespondiert, jedoch ein eigenes Profil gewinnt. Mit der Bindungstheorie wählt er einen zentralen entwicklungspsychologischen Bezugsrahmen und mit Fremdplatzierung denjenigen Bereich der Jugendhilfe, der zu den bindungstheoretischen Assoziationen am stärksten kontrastiert und darüber hinaus den höchsten Aufwand erfordert. Dies schließt ein, dass sich damit die am weitesten gehenden Anforderungen an alle Beteiligten verknüpfen. Das Thema ist also wichtig. Orientierung tut not, weit über alle rechtlichen und verfahrenstechnischen Vorgaben hinaus.
Der Autor geht sein Thema mit geradezu akribischer Sorgfalt an, diskutiert entwicklungspsychologische, sozialpädagogische, juristische und gesellschaftliche Aspekte und streut dabei immer wieder systemtheoretische Querverbindungen Luhmannscher Provenienz ein. Das Material gliedert Schleiffer in sechs inhaltlichen Kapiteln.

In den beiden ersten legt er die bindungstheoretischen Grundlagen dar und setzt sie in Beziehung zur Situation und zur Vielfalt der heutigen Familien. Auch wenn die Form des vorliegenden Buches letztlich nur eine Skizzierung dieser Thematik erlaubt, so wirkt diese Skizze doch wie aus einem Guss und überzeugt sowohl durch Differenziertheit als auch durch die Souveränität ihrer Darstellung. Die Entwicklungslinie von den biologischen Grundlagen des Bindungsverhaltenssystems hin zur kommunikativ und lebensweltlich moderierten Ausprägung wird deutlich, ebenso Formen intergenerationaler Weitergabe und beziehungsspezifischer Konstellationen (Peers, Freundschaften, Liebesbeziehungen). Weiterlesen →

Bevor das erste Heft der Zeitschrift „Systeme“ des Jahrgangs 2016 an den Start geht, möchte ich noch auf die ertragreichen beiden Hefte des vergangenen Jahrgangs hinweisen. In Heft 1 fragt Hans Lieb „Was muss eine Systemtherapie im Gesundheitswesen bewältigen, um eine Systemtherapie im Gesundheitswesen zu bleiben?“, eine Frage, die die Systemische Therapie in den kommenden Jahren noch verstärkt umtreiben wird. Ein weiterer Text von Sybille Vosberg befasst sich mit dem „weitgehend unbestellten Feld“ der systemisch-lösungsorientierten Begutachtung in familiengerichtlichen Verfahren. Ein ziemlich gewagter Artikel von Simon Springmann versucht, „mögliche Anknüpfungspunkte zwischen Nietzsches perspektivischem Denken und dem systemlschen Ansatz“ zu finden. In Heft 2 fordert Klaus Ottomeyer, angesichts der kapitalistischen Krise in Zeiten des Neoliberalismus Individuen als „Arbeitende, als Liebende und als Kämpfende eine je spezifische soziale Anerkennung“ zuteil werden zu lassen. Ulrike Borst macht einem sehr verbreitenswerten Text über „Ethik in der Psychotherapie aus systemischer Perspektive“ klar, das „Nicht alles geht“! Zwei weitere Texte beziehen sich auf die Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen aus entwicklungspsychologischer Sicht (Fabienne Becker-Stoll) und auf Kriegsenkel in Therapie und Beratung (Ingrid Meyer-Legrand). Schließlich ist noch ein Tagungsbericht zur SG-Jahrestagung 2015 in München zu erwähnen (Florian Wiedemann), die ganz dem Change-Management-Ansatz von Otto Scharmer („Theorie U“) gewidmet war. Als schöner Kontrast schließt das aktuelle Heft mit einer sehr lesenswerten Kritik der Theorie U ab, die Stefan Kühl auf der Tagung vortrug und die erfreulicherweise mit diesem Heft auch einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Darüber hinaus enthält der Jahrgang auch wieder zahlreiche gehaltvolle Rezensionen (die meisten vom Rezensionsaltmeister und systeme-Spiritus Rector Wolfgang Loth) und leistet damit auch wieder einen wunderbaren Beitrag gegen den Niedergang der Rezensionskultur in unseren Breitengraden.

Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) und die Systemische Gesellschaft (SG) vergeben erstmals gemeinsam einen systemischen Forschungspreis. Der mit 3000 Euro dotierte Preis wird auf einer internationalen systemischen Forschungstagung im März 2017 verliehen. Bewerbungen sind ab sofort möglich.
Der Preis ist als Förderpreis konzipiert. Angenommen werden Masterarbeiten, Dissertationen, Habilitationen oder Forschungsarbeiten aus einem Projekt, das in oder auch außerhalb der Hochschule durchgeführt wurde. Erwünscht sind aktuelle Forschungsarbeiten, die nicht oder bei Einreichung nicht länger als ein Jahr veröffentlicht sind.


Erika Gollor, erfahrene Lehrerin an einer Montessori-Grundschule, und NLP-Practitioner mit einer Ausbildung in Systemischer Pädagogik, hat 2015 im Carl-Auer-Verlag ein Buch über Systemische Pädagogik in der Grundschule mit dem Titel „Hier fühle ich mich wohl“ veröffentlicht. Susanne Steinebrunner aus Köln hat es gelesen und empfiehlt es als „ein Buch aus der Praxis für die Praxis!“. Aber lesen Sie selbst…