systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

10. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 10. Clemens Lücke

„Es lebe der Unterschied!“ – Dies ist mein Leitsatz, seitdem ich systemisch denken kann (habe ich bei Haja Molter und Gisela Osterhold ab 1990 gelernt).

Im Beruf als Berater, Therapeut, Supervisor und Coach öffnet der Satz vom Unterschied die Tür zu einer Welt der Kreativität und Möglichkeiten. 

Zurücklassen können wir die Welt der gefundenen und auch verkündeten Wahrheit. 

Im Unterschied liegen die Farben und Formen. 

Zurück bleibt das Starre. 

Der Unterschied macht klar, dass jeder von uns Einzigartig ist. Allein diese Tatsache hilft, immer weiter nach Lösungen zu suchen und diese auch zu finden.

Aktuell in unsere Zeit gedacht: Unterschiede betonen und die anderen achten, könnte den Frieden bringen.

(Foto: C. Lücke: gesehen auf dem Kristberg im Montafon)

9. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 09. Sabine Klar

Wir müssen uns unterscheiden, um nicht der Angst zu erliegen

Wie Menschen zum Leben, zur Welt, zu anderen, zu sich selbst stehen, ist geprägt von ihren Erwartungen und Vorstellungen. Die Identifikation mit bestimmten Gedanken und Erzählungen erzeugt einen Verstehens- und Bewertungsrahmen für Urteile und erschafft eine geistige Welt, die etwas schützen und erhalten will. Immer wieder behindern diese Interpretationsweisen die eigene Entwicklung oder das Erreichen selbstgewählter Ziele. Sie sind mit wichtigen Bezugspersonen inkompatibel und bestärken Wahrnehmungen, Gefühle und Beschreibungen, die Probleme schaffen. Dann kann es wichtig sein, sie zu verändern. 

Unsere Zeit ist bestimmt von angstmachenden Diskursen – wir erfahren von lokalen und globalen Bedrohungen, hören überall Stimmen, die von dräuenden Gefahren berichten. Die in der Gegenwart empfundene Angst wird damit begründet und ergänzt durch diverse schreckliche Zukunftsperspektiven. Solche Sorgegeschichten werden in bestimmten sozialen Kontexten geteilt – um sich zugehörig und damit sicherer zu fühlen und sich von anderen sozialen Kontexten absetzen zu können. All das dient auch der Vereinnahmung für bestimmte politische Zwecke und dem Machterhalt gesellschaftlicher Gruppierungen und Strukturen, die Interesse an den Angstdynamiken von Menschen haben.

Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Klarheit im Denken etwas Wichtiges ist, weil es die Auseinandersetzungen auf das Wesentliche konzentriert, einen Fokus für das Wollen und Handeln schafft und zu einem besseren Selbstverhältnis beiträgt. Gerade in angst-erregenden Lebenslagen scheint vernünftiges Denken und Sprechen hilfreich zu sein. Dann können diffuse Emotionen und Empfindungen mit neuen Bildern und Texten versehen werden – man kann der Angst einen Namen geben, ein Gesicht. Man kann mit ihr in Kontakt treten. Man kann Körperempfindungen und Gefühle von mitredenden Gedanken und den Stimmen der Umgebung unterscheiden. Dadurch werden Emotionen bewusster und distanzierter erlebt. Wenn etwas begriffen wurde, ermöglicht das Orientierung und befreit aus dem Teufelskreis der Gedankenschleifen, Lügengeschichten, falschen Hoffnungen und Manipulationen. Es kann dabei helfen, Erwartungen und Hoffnungen auf Erreichbares zu richten, Berichte über Tatsachen von solchen über Unwahrheiten zu unterscheiden und daraus Selbstpositionierung bzw. Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit zu gewinnen. Dann ist es trotz allem Beängstigenden noch möglich, der Mensch zu sein, der man sein möchte.

Wenn ich mich als menschliches Lebewesen trotz aller sozialen Einbindung und relational entwickelten Identiät eigenständig erleben und positionieren möchte, muss ich mich von dem diversen inneren und äußeren Gerede unterscheiden, von dem ich beeinflusst werde. Ich möchte nicht alles als akzeptables Konstrukt betrachten, über das mir berichtet wird. Ich möchte mich dem, was über mich erzählt wird, auch widersetzen können. Und dazu brauche ich mich selbst als Individuum bzw. als Person – auch wenn diese Idee bloß ein Konstrukt sein sollte.

8. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 08. Margret Omlin


Worte machen den Unterschied. Auch einzelne Buchstaben, Silben: Glück/Unglück. –  Meint tiefe Empathie viel oder wenig? Und wenn wir bei viel sind: macht jemand etwas mit viel Herzblut…. Oder einfach mit Herzblut?
Nun zu SEIN und SCHEIN: Realität oder Illusion? Wahrheit oder Trugbild? Es kann wunderbar sein, dem Sein – Werten, Idealen, Ideen – eine Gestalt zu geben. Sichtbarkeit erinnert uns im Alltag. 

Was passiert, wenn Substanz und Inszenierung auseinanderfallen, haben wir in den vergangenen Monaten erlebt. Wer nur am Image feilt, muss scheitern.

Advent ist ein Anfang fürs Sein, die Kerze das Symbol, der Schein. Allen Kulturchristen und der Kirche beste Wünsche für den Jahresausklang.

7. Dezember 2023
von Tom Levold
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Der Adventskalender ist gefüllt!

Liebes systemagazin-Publikum!

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für die große Resonanz bedanken, die das diesjährige Kalenderthema hervorgerufen hat. Schon bis heute sind genug Beiträge eingetroffen, um den Kalender zu füllen. Dafür ganz herzlichen Dank! Ich wünsche Ihnen allen viel Freude beim lesen und eine hoffentlich friedliche und entspannte Vorweihnachtszeit.

Herzliche Grüße

Tom Levold

Herausgeber systemagazin

7. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 07. Dennis Gildehaus

Als ich den Aufruf zum diesjährigen Adventskalender las, habe ich mich wieder sofort angesprochen gefühlt und bekam einen Impuls, meinen kleinen Beitrag zu leisten, der ein wenig aufmuntern soll. Er stellt einen Unterschied dar in Anbetracht zu den Grausamkeiten, die momentan allgegenwärtig und sehr präsent sind.

Ich transkribiere meine erste „Klientin-Therapeuten-Begegnung“ vor fast genau 18 Jahren, als ich vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit wechselte. 

Ich nenne die Begegnung – „Der Kochtopf“ 

Damals kam ich von einem Fortbildungskurs in „Impact-Techniken für die Psychotherapie nach Dani Beaulieu und wollte diese Methode auch in die Erstsitzung implementieren.

Aus der Anmelde-E-Mail der Klienten ging hervor, dass sie unter extrem Druck stehen würde und sich ein Ventil erhoffe, damit dieser Druck nachlässt. Dieses Thema wollte ich in die Sitzung einfließen lassen. Aber es kam ganz anders…

…es begann an der Praxistür

Ich höre die Klingel der Praxis und gehe sehr motiviert und leicht aufgeregt zur Tür, sehe die Klienten (vom Alter her hätte sie meine Großmutter sein können) und öffne die Tür…

Klientin:      Hallo, ich wollte zu Herrn Gildehaus.

D.G.:          (Völlig verwirrt) Oh, okay… Haben Sie mit Herrn Gildehaus heute einen Termin vereinbart?

Klientin:      Ja, ganz sicher! Ich kann Ihnen die E-Mail zeigen, da wurde mir der Termin von ihrem Vater mitgeteilt.

D.G.:          Ähm, dass ist ja seltsam. Kommen Sie erstmal rein. Ich bringe Sie schon einmal ins Zimmer und schaue dann, wo mein Vater sich aufhält.

Klientin:      (Folgt mir ohne Worte ins Zimmer.)

D.G.:          Nehmen Sie doch schon einmal Platz. Wollen Sie etwas zu trinken? Wasser oder Tee? Kaffee? 

Klientin:      (freundlich) Nein danke, ich habe meine eigene Wasserflasche dabei.

D.G.:          Okay, super. Dann schaue ich mal nach, wo sich mein Dad aufhält. 

Klientin:      Alles klar.

D.G.:          (total unsicher aber irgendwie auch kindlich motiviert rufend) Papa? Hallo? Bist du hier? Komisch, vorhin habe ich ihn doch gesehen. 

                  (wieder auf dem Weg ins Therapiezimmer) Haben Sie denn heute wirklich einen Termin mit meinem Vater?

Klientin:      Ja, definitiv! (leicht aufgebracht)

D.G.:          Das ist wirklich seltsam und ich glaube, dass ist noch nie vorgekommen. Zumindest hoffe ich, dass es noch nie vorgekommen ist (verzweifelnd schauend).

Klientin:      Was machen wir denn jetzt?

D.G.:          Wissen Sie was, ich habe eine Idee. Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch Erbanlagen meines Vaters inne habe… darüber hinaus habe ich viel von ihm gelernt, weil er mir viel erzählt hat in all den Jahren. Was halten Sie davon, wenn ich ausnahmsweise die heutige Erststunde führe? Im Anschluss werde ich meinem Vater alle Details mitgeben und ihn natürlich rügen, dass er den Termin mit Ihnen scheinbar verpennt hat.

Klientin:      (lachend) Okay, können Sie mich denn wirklich behandeln?

D.G.:          Naja, Sie können natürlich auch wieder gehen und vereinbaren einen neuen Termin. Es hat für mich aber einen faden Beigeschmack, wenn ich Ihnen nicht das Angebot unterbreiten würde, in den Genuss des Juniors zu kommen. (lächelnd)

Klientin:      (lächelnd) Das ist total witzig… aber in Ordnung, dann machen wir es so.

D.G.:          Gut, danke für Ihr Vertrauen. Was halten Sie davon, wenn wir ein kleines Experiment machen (lächelnd)?

Klientin:      Kommt drauf an (leicht irritiert).

D.G.:          Wir beide tauschen jetzt einfach mal die Plätze und somit auch die Rollen, okay? 

Klientin:      Wie jetzt? (irritiert)

D.G.:          Naja, Sie setzen sich auf dem Platz meines Vaters und ich setze mich auf Ihren Platz. Dann tun wir beide so, als seien Sie mein Vater und ich tue so, als sei ich Sie, okay?

Klientin:      Na gut, wenn Sie meinen (lachend).

D.G.           Ja, lassen Sie es uns versuchen. 

Klientin:      (setzt sich auf meinen Platz)

D.G.:          Ich setze mich auf den Platz der Klientin und warte kurz ab.

Klientin:      Und jetzt? (leicht unsicher)

D.G.           Jetzt würde ich einfach mal anfangen, okay?

Klientin:      Ich bin gespannt.

D.G.:          Hallo Herr Gildehaus, ich glaube, dass ich Ihnen eine E-Mail zukommen lassen habe mit meinen Beweggründen, Sie aufzusuchen. Haben Sie die E-Mail erhalten?

Klientin:      (leicht irritiert) Ja, ich habe sie bekommen.

D.G.:          Super! Dann wissen Sie ja, dass ich momentan total überfordert bin mit meiner Rolle als Mutter, Ehefrau, Angestellte und Hausfrau, oder?

Klientin:      Ja, das haben Sie mir geschrieben. (selbstsicher)

D.G.:          Und ich habe Ihnen geschrieben, dass ich unter extremen Druck stehe und dass sich unbedingt etwas ändern muss, stimmt´s?

Klientin:      Ja, genau! So haben Sie mir Ihre Situation beschrieben.

D.G.:          Dann bin ich ja beruhigt, dass alles angekommen ist und Sie mich verstehen. Da Sie ja der Fachmann sind, brauche ich jetzt auch dringend (mit den Händen fuchtelnd) Ihre Hilfe. Ich fühle mich wirklich so, als wäre ich ein Kochtopf, der voll unter Druck steht. Das ist wirklich nicht mehr witzig und ich halte es auch nicht mehr lange aus! (ich schaue die Klientin verzweifelt an) Was soll ich denn jetzt nur machen? (verzweifelte Blicke)

Klientin:      Hören Sie mal, wie wäre es, wenn Sie den Personen, die die Schalter des Herdes betätigen und hochdrehen, mal gehörig auf die Flossen hauen!?

D.G.:          (völlig irritiert) Wie bitte?

Klientin:      Hören Sie endlich auf, sich alles gefallen zu lassen! (voller Überzeugung)

D.G.:          Okay, okay! Wahnsinn! Aber wie mache ich es denn genau?

Klientin:      Es ist doch ganz einfach! Sie fangen langsam an, den Mund aufzumachen und den Leuten auf die Finger zu hauen, okay?

D.G.:          Von Gewalt halte ich eigentlich nichts. (leicht verunsichert schauend)

Klientin:      Es geht doch nicht darum, dass Sie den Leuten wirklich auf die Finger hauen…Sie sollen einfach anfangen, Ihre Meinung kundzutun.

D.G.:          Wow, so habe ich das noch nie gesehen! (voller Freude)

Klientin:      Sag ich doch. (voller Freude)

D.G.:          Gut, ich werde es versuchen.

Klientin:      Sie machen Sich mal Gedanken dazu, wie Sie es schaffen können und dann sprechen wir nächstes Mal wieder, in Ordnung?

D.G.:          Ja klar, aber nächstes Mal wird Sie mein Vater behandeln und ich denke, wir sollten die Rollen jetzt wieder wechseln, okay?

Klientin:      Mh, ich fand es eigentlich richtig klasse, ich glaube, ich habe den falschen Job! (lachend) Das war wirklich richtig cool! (Freude)

D.G.:          Darf ich Sie noch zur Tür begleiten?

Klientin:      Natürlich dürfen Sie.

D.G.:          Okay, mein Vater wird sich schnellstmöglich bei Ihnen melden und einen neuen Termin mit Ihnen vereinbaren, okay?

Klientin:      Gerne! (lächelnd)

D.G.:          Ich bin ja mal gespannt, wie mein Vater reagieren wird, wenn ich ihm berichte, dass ich das Erstgespräch geführt habe. Er wird sicherlich aus allen Wolken fallen.

Klientin:      Grüßen Sie ihn mal von mir. (lachend) Sie haben das wirklich gut gemacht! Vielleicht sollten Sie auch Psychotherapeut werden? (lachend)

D.G.:          (lachend) Mal schauen, was die Zukunft bringt.

Noch am selben Abend bekam ich eine Nachricht der Klientin via E-Mail, dass  sie im Internet recherchiert habe und dann erst verstanden hat, worum ging.  Sie war total beeindruckt, dass ich „Das Experiment“ mit ihre gemacht habe und nicht von meinem Standpunkt weggerückt sei, dass ich der Junior sei. Am besten empfand sie aber die Idee mit dem Kochtopf und sie würde jetzt beginnen, nicht mehr alles in sich hineinzufressen. Stattdessen würde sie jetzt ihre Meinung sagen und diese auch verteidigen – ohne WENN und ABER!

Zum Schluss ergänzte sie noch: „Hätten Sie diesen Einstieg nicht gewählt, kann ich Ihnen versichern, dass ich wieder gegangen wäre. Ich empfand Sie wirklich als zu jung. Aber jetzt ist alles gut. Bitte schicken Sie mir Terminvorschläge.“ 

6. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 06. Sandra Burgstaller

Ich beschäftige mich schon seit geraumer Zeit mit Psychotherapie im palliativen Setting – also der Arbeit mit Menschen, die sich aufgrund schwerer Erkrankungen in ihrem letzten Lebensabschnitt befinden. Sehr schnell landen wir dann bei Bezeichnungen wie „Sterbebegleitung“ oder „Sterbende“.  Ohne entsprechender kontextueller Einrahmung fokussieren diese Begrifflichkeiten doch nur einen Schwerpunkt dieses vielfältigen Tätigkeitsfeldes bzw. eine Seite unserer Klient*innen. Psychotherapie am Lebensende bedeutet mehr als Sterbe- und Trauerbegleitung – wahrscheinlich ist in dieser letzten Lebenszeit mehr L E B E N spürbar als in den meisten anderen Lebensphasen.

Gerne spreche ich von „Menschen in ihrer letzten Lebenszeit“ (die übrigens auch mehrere Jahre andauern kann). Worte schaffen Realität – öffnen oder verschließen – verbinden oder trennen. Es liegt in unserer Verantwortung, sensibel mit unserer Sprache umzugehen, die Menschen selbst in den Vordergrund zu rücken und ihnen damit neue Möglichkeitsräume zu eröffnen. Vielleicht können wir dadurch Unterschiede bewirken, die tatsächlich auch Unterschiede machen.

5. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 05. Martin Rufer

Ein Unterschied ist ein Unterschied, der (k)einen Unterschied macht

Dass ich immer mal wieder für systematische Therapie angefragt werde, ist das eine. Aber was, wenn der legendäre Satz von Gregory Bateson falsch geschrieben würde? Was wäre dann, wenn so Gelesenes einen Unterschied macht und so in unser Denken und Handeln einfliesst? Wären  mit einer solchen Um-Schreibung die eigene Identität und Haltung dann in Frage gestellt? Oder könnten wir  im Gegenteil Betroffenheit mit all unsern Sinnen wahrnehmen, Stellung beziehen, ohne Angst vor  Polarisierung und dem Vorwurf fehlender Kontextualisierung, denn an grausamen Ekstasen der Gewalt, am Eindringen in die Intimsphäre ändert der Blick auf den Kontext nichts…? Was, wenn wir uns auf Verbindendes, das Gemeinsame, ausrichten, anstatt vorschnell abgrenzend Unterschiede zu betonen? Und schliesslich: könnten ideell hoch gehaltene Unterschiede, die einen Unterschied machen, einem gesellschafts- und berufspolitischen Praxistest überhaupt standhalten?

Wie hat doch Tucholsky einmal gesagt: „Dies ist, glaube ich, die Fundamentalregel allen Seins: Das Leben ist gar nicht so. Es ist ganz anders.“ Davon sind auch wir Systemiker nicht ausgenommen. Darum mein frommer Adventswunsch: lasst uns in gutem Vertrauen, selbstkritisch und skeptisch bleiben und uns nicht vorschnell hinter Glaubenssätzen verstecken, aus welchen Gründen auch immer..

4. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 04. Hartwig Hansen

Wellenwriter und -reiterinnen

Wie fange ich an?

Schön weit weg – das wird ein „Überblicksartikel“: auf dem Mars und auf der Venus.

Ich bin nämlich „ein Kind der Unterschiedsliteratur“, oder sagen wir besser: Ich ging in die Paartherapeuten-Lehre, als Dr. John Gray aus Kalifornien mit seinem Bestseller auch bei uns Furore machte. Und das mit einer Binsenweisheit, die lautet: Männer sind anders, Frauen auch. Das war der Haupttitel. Aha, das ist ja ’n Ding! Untertitel der damaligen „Pflichtlektüre“: Männer sind vom Mars. Frauen von der Venus. (Also ganz schön weit voneinander getrennt …)

Und weil diese Metapher der verschiedenen Planeten offenbar eine „Erklärungslücke“ schloss, kam natürlich bald danach das praktische Handbuch dazu: Mars, Venus und Partnerschaft mit so wertvollen Tipps wie: Wie er lernt, ihr zuzuhören, ohne aus der Haut zu fahren bzw. Was sie tun muss, damit er ihr zuhört oder Warum Männer so vergesslich sind und Frauen sich an alles erinnern.

Hoch lebe die vereinfachende Schubladen-Welterklärung! Alle Beziehungsprobleme lassen sich lösen, wenn man die Unterschiede kennt, die Frauen und Männer von wo auch immer – sicher schon seit der Steinzeit – mitbringen.

Aber, ich gestehe: Irgendwie hatte das was. Endlich mal ein konkretes Pack-an, warum das oft so kompliziert ist mit der Verständigung zwischen den Geschlechtern. Ich war doch gerade wild entschlossen, als Paar- und Familientherapeut zu eben dieser Verständigung positiv-aufklärend beizutragen. Darüber musste ich doch Bescheid wissen.

Nach oder mit Dr. Gray ging es dann Schlag auf Schlag – ein Markt war gefunden und wurde systematisch erschlossen. Wer will denn nicht wissen, wie sein Mann bzw. seine Frau „wirklich tickt“. Der Alltag ist ja schon anstrengend genug …

Das australische Ehepaar Allan und Barbara Pease – laut Klappentext gehören sie zu den führenden Kommunikationstrainern der Welt – schenkten uns als schnelle Taschenbuch-Lektüre Ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Beziehungen. (Auf einer Bahnfahrt Hamburg-Köln durchzuarbeiten!) Der entsprechende Haupttitel aus der legendär gewordenen „Warum-Sparte“ lautete: Warum Männer lügen und Frauen immer Schuhe kaufen.

(Man achte auf das immer im Titel. Laut Manfred Priors MiniMax-Intervention Nummer 4 stimmt Immer in Verbindung mit einem Symptom nie!) 

Der erste „Aufklärungs-Knüller“ des Ehepaar Pease half uns schon mit Antworten auf die Frage: Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken: Ein Kasten-Zitat von Seite 232: Ganze Männer weinen auch, allerdings nur, wenn ihr Gefühlssegment in der rechten Gehirnhälfte aktiviert ist. Genau, ahnte ich es doch! Bin ich denn wirklich (schon) ein ganzer Mann?

Oder auf Seite 251 – Achtung Kalauer: Was ist der Unterschied (sic! Anm. d. A.) zwischen einem Mann in der Midlife-Krise und einem Zirkusclown? Antwort: Der Zirkusclown weiß, dass er komische Klamottem anhat … (Okay, ausgesprochen müder Publikums-Applaus!)

Passend zu der aufkommenden „Simplify“-Mode warf auch die amerikanische Seminarleiterin Cris Evatt ihren Hut in den Ring der Unterschiedsliteratur. Laut Klappentext lernt man bei ihr, wie man sich das Leben leichter macht („Simply Organized!).

So bringt sie naturgemäß ebenso bahnbrechende wie simple Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf den Punkt: Respektiert werden ist für Männer wichtiger als für Frauen. (Überschrift auf Seite 46 – Das Zitat zeige ich meiner Frau lieber nicht …) oder auf Seite 82: Recht haben ist Männern wichtiger als Frauen (nach 25 Jahren Paarberatung bin ich da nicht so sicher …).

Ach, das bringt Spaß, die alten Unterschieds-Schinken noch einmal aus dem Regal zu klauben und durchzublättern. Hier ein Schmunzeln, hier ein Kopfschütteln, und dann doch eher der Impuls: Schnell wieder zurück ins Regal!

Damals fand ich das hoch spannend, vor allem weil ich mich und meine Verflossenen tatsächlich immer mal wieder in diesen Simplify-Schubladen wiederentdeckte.

Wir gingen in die Broadway-Theater-Klassiker Caveman und Cavewoman und ich merkte mir zum Beispiel den Unterschieds-Satz vom Kollegen Michael Mary aus seinem Ratgeber Schluss mit dem Beziehungskrampf: Männer leiden in Beziehungen eher unter der Enge, Frauen eher unter dem Mangel.

Den fand ich brauchbar griffig, um ihn in Beratungen im Hinterkopf zu behalten.

Dann betrat auch noch der schreibende Chaot (Selbstbeschreibung in der Buchwidmung) Mario Barth aus Berlin die (Comedy)Bühne. Ich zitiere hier (laut Wikipedia-Eintrag) die Titel seiner Soloprogramme, mit denen er Stadien füllte: 2001: Männer sind Schweine, Frauen aber auch! 2006: Männer sind primitiv, aber glücklich! 2009: Männer sind peinlich, Frauen manchmal auch! 2012: Männer sind schuld, sagen die Frauen! 2015: Männer sind bekloppt, aber sexy! 2018: Männer sind faul, sagen die Frauen! 2022: Männer sind Frauen, manchmal aber auch … vielleicht!

Geht’s denn noch konsequenter (und ermüdender) mit der Schubladen-Zuschreibung?!

Sein Langenscheidt-Bestseller Deutsch-Frau, Frau-Deutsch versprach zudem folgerichtig Schnelle Hilfe für den ratlosen Mann, ein genialer Marketing-Coup. Ich verweigere Ihnen an dieser Stelle die „Erleuchtung“ durch illustre Zitate aus dieser Macho-Fibel (oder -Bibel?). 

Als das „Umsatz-Pferd der Unterschiedsliteratur“ zu lahmen begann, weil es – übermäßig beansprucht – schon fast totgeritten worden war, kam eine neue Welle, und die ließ sich mit dem Titel des Mega-Sellers von Beziehungs- und Karrierecoach Eva-Maria Zurhorst auf den Punkt bringen: Liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest. Wer hat sich wohl diesen koketten, im Grunde völlig bescheuerten Titel ausgedacht?

Die nächste Stufe wurde gezündet: Unterschiede zwischen Frauen und Männern? Egal, Hauptsache, du weißt, wer du bist und was du willst!

Getoppt dann in den letzten Jahren noch durch die zahlreichen Erfolgs-Titel von Stefanie Stahl unter dem programmatischen Motto: Das Kind in dir muss Heimat finden.

Über die (vermeintlich nachweisbaren oder auch nur vermuteten) Unterschiede zwischen Frauen und Männern war das Publikum jetzt offenbar ausreichend aufgeklärt, jetzt wurde die „persönliche Reise nach innen bzw. in die eigene Kindheit“ (wieder) das Gebot der Stunde.

Jetzt sollte man in seinen Beziehungen selbst „einen Unterschied machen, der einen Unterschied macht“, indem man sich mit den Licht- und Schatten-Erfahrungen der eigenen Vergangenheit konfrontierte. In der Hoffnung, dass es die Partnerin bzw. der Partner auch tun möge.

Da kann ich durchaus mitgehen, dass ist sicher hilfreich für eine verständnisvollere Kommunikation in Beziehungen, wenn ich über mich und meine Prägungen Bescheid weiß.

Aber warum muss das alles immer so kategorisch, ausschließlich, imperativ daherkommen?

Nach der Maxime: Kauf dieses Buch und befolge meine Ratschläge! Dann wirst du (endlich) beziehungsfähig, erfolgreich, zufrieden, glücklich … (Aufzählung bitte selbst fortsetzen)! 

Aber auch nur so!

Was kommt wohl als Nächstes? Man darf gespannt sein. Oder auch nicht. (Wählen Sie bitte selbst.)

Ich stelle während dieser reflektierenden Regal-Reise für mich fest: In meinem Hirn-Depot haben sich im Laufe der Jahre durchaus einige „Erkenntnisse aus der Unterschiedsliteratur“ angesammelt, nicht zuletzt u.v.a. auch aus den Büchern von John M. Gottman, Gary Chapmann und David Schnarch, die ich hier natürlich nicht unerwähnt lassen kann. Ich nahm mir vor, sie „privat“ als Optionen abzulegen und sie den ratsuchenden Paaren nicht plump als „empirische Wahrheiten“ auf dem Beratungs-Tablett zu servieren. Immer unter dem Fragen-Motto: Was halten Sie zum Beispiel von der These, dass Frauen und Männer unterschiedlich denken, fühlen, lieben, streiten, trauern? Dass sie Unterschiedliches brauchen, wünschen, anstreben und dass sie dabei unterschiedlich vorgehen? Wie erleben Sie das in Ihrer Beziehung?

Und schon kommt man ins Gespräch, nicht allgemein-vereinfachend, sondern konkret persönlich erlebt und jetzt im gemeinsamen Reflexions-Fokus. 

Ein mir eindrücklich erinnnerbares Unterschieds-Beispiel zum Schluss:

Frau A. formuliert in der dritten Beratungssitzung, sie leide sehr darunter, dass sie sich von ihrem Mann nicht ausreichend unterstützt fühle, wenn sie belastet und erschöpft sei. Auch bei der Betreuung ihrer zwei kleinen Kinder, immer sei sie so alleine zu Hause … Ihr kommen die Tränen. Herr A. schaut betroffen auf seine Fußspitzen.

Mein Hirn-Depot liefert mir einen Info-Impuls aus der Vorgeschichte: War da nicht was in der Familie von Herrn A.?

Beide sind bereit, auf mein Angebot einzugehen, die Familiengenogramme aufzumalen.

Und Herr A., 35 Jahre, erzählt: „Ich bin ja der Älteste von drei Geschwistern. Meine kleine Schwester Marie ist sechs Jahre jünger und mein mittlerer Bruder Michael ist zwei Jahre nach mir geboren.“ Pause. „Und Michael ist seit damals behindert geblieben, da ist nach der Geburt was Gravierendes schiefgelaufen im Krankenhaus. Meine Mutter hat ihn achtzehn Jahre zu Hause gepflegt. Vor fünfzehn Jahren ist er dann gestorben.“ Pause. „Das war sehr schwer für meine Mutter.“

Ich frage vorsichtig nach: „Und für Sie?“ 

Herr A. schaut auf den aufgemalten Genogrammbeginn, dann sagt er zögernd: „Ich glaube, es war gut, dass meine Mutter entlastet wurde …“

„Entlastet …“, wiederhole ich.

„Ja, das war eigentlich zu viel für Mama, achtzehn Jahre Sorge und kein Ende in Sicht … Das war schon sehr schwer für sie.“

Ich schaue zu Frau A., sie weint erneut.

Vielleicht ist es zu früh, aber ich versuche, eine Brücke zu schlagen, indem ich mich an Herrn A. wende: „Was meinen Sie? Kann es sein, dass Ihre Erfahrungen von klein auf an, mit Michael, Marie und Ihrer Mutter – und was hat Ihre Mutter alles geleistet –, dass das alles auch Auswirkungen auf Ihre heutige Beziehung hat?“

Herr A. schaut mich an, dann lange zu seiner Frau, dann wieder auf die ersten Genogramm-Symbole. Schließlich sagt er: „Wahrscheinlich schon – sicher!“

Pause. Ein Anfang ist gemacht.

In der Folgesitzung berichtet das Ehepaar A. von weiteren guten Gesprächen über ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit Erschöpfung, Hilflosigkeit und gefühlter Aussichtslosigkeit. Frau A. zeigt sich erleichtert.

Mein Ausbilder Martin Kirschenbaum (1928 – 2012) fasste die Sache mit den Unterschieden wie folgt zusammen: Natürlich geht es in Paarberatungen immer (!) darum, wie die Beteiligten mit den Unterschieden ihrer Prägungen, ihrer Herkünfte, ihrer Wünsche, Erwartungen, Zielen und ihrem unschiedlichem Kommunikations- und Lösungs-Know-how umgehen. Konfrontativ und in Streitschleifen ums Rechthaben gefangen („Mach es doch endlich, wie ich es gewohnt bin!“), oder wohlwollend, respektvoll und mit dem anhaltenden Zugang zu liebenden Gefühlen („Okay, du bist anders, erzähl mir bitte mehr darüber …“).

Also: Die Welt ist Unterschied, Unterschiede sind die Welt.

Da muss ich nicht auf den Mars fliegen, das merke ich schon bei uns im Wohnzimmer. Und im Schlafzimmer. Ach ja, Moment – ich glaube, auch in der Küche … Und beim Autofahren … Und …

Hartwig Hansen, Hamburg

www.beratung-supervision-hamburg.de

2. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 02. Barbara Kuchler

Wo finde ich im sozialen Leben Unterschiede (zwischen Menschen), die einen Unterschied machen, die irgendetwas in mir bewegen, die meinen inneren Zustand ändern, die dem Ideenmix in meinem Hirn einen neuen Anstoß gebe? 

Wir sehen es mit Besorgnis – als gute Systemiker und Gutmenschen und Linksliberale –, wenn Trump-Fans und Neue Rechte und Coronaschwurbler sich nur in ihren eigenen Blasen aufhalten und nichts von außerhalb an sich heranlassen. Aber ich halte mich auch 95% der Zeit in Blasen auf, zum Beispiel in der Systemikerblase, die auch eine Blase ist, oder in der Universitätsblase, die auch eine Blase ist. 

Mir hat mal ein kluger Mensch gesagt, der in einer internationalen Forschungsgruppe in der Pharmaforschung arbeitet: Wenn ein Außenstehender einen oberflächlichen Blick in ihr Labor werfen würde, wäre er beeindruckt, wie divers und gemischt und global es da zugeht, mit Leuten aus Indien und Finnland und den USA, die alle zusammen an denselben Projekten arbeiten. Aber wenn man genauer hinschaut, ist es die totale Blase von Leuten, die alle ähnlich ticken, auch wenn sie aus verschiedenen Ecken der Welt kommen. Es sammeln sich dort nämlich Leute, die das Profil des „nerdigen Naturwissenschaftlers“ erfüllen, oder des spezialbegabten Dorfkindes, das von irgendeinem Lehrer oder Stipendiumprogramm entdeckt wird und es aus dem indischen Dorf in die internationale Pharmaforschung schafft. Und im Labor sind sie dann alle zusammen und sprechen vielleicht verschiedene Sprachen, aber sie ticken alle gleich. 

Ein anderer kluger Mensch hat mir gesagt, dass sogar New York, eine Stadt mit besonders vielen diversen und bunten Menschen, in gewisser Weise eine Blase ist. Es ist nämlich eine Blase von Leuten, die dort, wo sie herkommen, jeweils der „bunteste Hund“ im Ort waren, die es gewöhnt sind, in ihrer Umwelt die jeweils Verrücktesten, Ehrgeizigsten, Krassesten, Besondersten zu sein. Die sind es nämlich, die dann nach New York ziehen, (in Deutschland: nach Berlin), und dort treffen sie sich dann und steigern sich aneinander nochmal hoch in ihrer Bunter-Hund-Heit, und deshalb ist das Leben dort so überdreht und anstrengend. Ich kenne New York nicht, aber es klang einleuchtend.

Wenn das so ist, wo ist man dann eigentlich nicht in einer Blase? Ich finde: am ehesten in Freizeitorganisationen, also dort, wo Menschen mit einem Teil ihrer selbst sind, der nicht „sie“ in ihrer Existenz, in ihrem Kern definiert, in ihrer ganzen Lebensweise oder Selbstdefinition. Für mich ist das zum Beispiel meine Samba-Band. Dort treffen sich Leute, die gern sehr laute Rhythmen auf sehr großen Trommeln spielen, aber ansonsten so gut wie gar nichts gemeinsam haben. Sie kommen aus allen Altersgruppen, allen Berufsgruppen, allen Milieus, (nicht unbedingt allen politischen Überzeugungsgruppen, muss ich zugeben). Das ist keine Blase, das ist eine entschiedene Nicht-Blase, und es ist eine Gruppe, die mir entschieden gut tut. Man kann dort viel lernen darüber, wie andere Menschen die Welt sehen, und man kann sehen, wie man selbst mit seinen Ansichten ankommt bei Leuten, die nicht apriori eh schon so denken wie man selbst. Und manchmal freut man sich dann, wenn man dort einen Menschen trifft, der auch so tickt wie man selbst, der dieselbe Sprache spricht, zum Beispiel die Systemikersprache. Das ist dann eine besondere Freude und nicht der selbstverständlich anzunehmende Normalzustand. 

Ein zweiter Raum, wo man Menschen außerhalb der eigenen Blase treffen kann, ist übrigens die Familie, im Sinn der erweiterten Familie. Auch dort gibt es in den meisten Fällen Menschen, die ganz anders ticken und ganz andere Leben leben als man selbst. Das Vergnügen ist dort allerdings meist gemischter, weil nicht nur die Heimeligkeit der Blase fehlt, sondern auch noch der selbstgewählte Verbindungspunkt der Neigungsgruppe, mal abgesehen davon, dass es emotionale Altlasten geben kann. Ich jedenfalls sehne mich dann doch schnell wieder in meine Blasen zurück, wo niemand einen Unterschied macht und ich in beruhigender, wohliger Unterschiedslosigkeit aufgehen kann. 

Wer will, kann insofern die Familientreffen aus weihnachtlichen und sonstigen Anlässen nicht nur als Fest der Gemeinsamkeit, sondern auch als Fest der Unterschiede begehen.

1. Dezember 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – 01. Wolfgang Loth

Liebes systemagazin-Publikum,

wie in den vergangenen Jahren gibt es im systemagazin einen Adventskalender, der mit Beiträgen aus Ihrer Mitte bestückt ist. Dieses Jahr wurde dazu eingeladen, Gedanken, Geschichten, Bilder usw. zum Thema „Unterschiede, die einen Unterschied machen“ als Kalendertürchen einzureichen. Den Start macht heute Wolfgang Loth. Ich wünsche Ihnen allen eine hoffentlich gesunde und friedliche Adventszeit.
Herzliche Grüße, Tom Levold (Herausgeber systemagazin)

Wolfgang Loth, Niederzissen: Batesons Walden


Eines Tages kam unerwartet Besuch. Heraklit stand vor der Tür. Bateson freute sich, zeigte Heraklit seine Hütte und das umgebende Land: „Mein Kontext!“. Heraklit zögerte einen Moment, dann fast beiläufig: „Wie wäre es mit kontexten, Gregorios?“. Bateson nickte: „Ich weiß, alles fließt…“. „Wenn das alles wäre“, brummte Heraklit, „als ob das die Information wäre! Ich habe doch immer wieder gesagt…“. Bateson unterbrach ihn, „Was soll’s! Kein Grund, gleich den Blues zu kriegen. C’est la vie“. Heraklit stimmte zu: „Ja, besser, dann lieber Rhythm and Blues“. Und dann beinahe heiter, der Gedanke schien ihm zu gefallen: „Das wär’s doch, Gregorios, der Rhythmus macht den Unterschied, Rhythmós, das Fließen…!“. Die beiden verschwanden in der Hütte, nur noch undeutlich war etwas zu hören von einem Bit, manche glaubten auch, Malcolm gehört zu haben, aber sicher war sich da keiner. Mehr ist im Übrigen von dieser Begegnung nicht überliefert.

27. November 2023
von Tom Levold
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Vom Nutzen systemischen Denkens für die Supervision

Kurt Buchinger

Heute wäre der österreichische systemische Organisationsberater, Supervisor, Gruppenanalytiker und Psychoanalytiker Kurt Buchinger (1943-2017) 80 Jahre alt geworden. An der Universität Kassel hatte er eine Professur für Supervision und Organisationsberatung, an der Entwicklung einer spezifischen systemischen Perspektive auf Supervision hatte er einen bedeutsamen Anteil. Gemeinsam mit Susanne Ehmer formulierte er einige Gedanken zum Nutzen systemischen Gedenkens für die Supervision, die 2004 in der Verbandszeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Supervision DGSv Aktuell erschienen. Darin heißt es: „Wenn wir in der Folge von systemischen Konzepten sprechen, so beziehen wir uns weniger auf die Schulen systemischer Beratung mit ihrem ausgearbeiteten Repertoire an Methoden. Wir beziehen uns vielmehr auf einen grundlegenden Zugang zu sozialen Sachverhalten, auf eine Haltung, welche die Konzeption, Wahrnehmung, Beobachtung sozialer Systeme und die Kommunikation über sie bestimmt.

Es geht uns also um systemisches Denken in seinem eminenten Praxisbezug. Wir glauben, dass man sich als Therapeut, Berater, Supervisor – ganz besonders als Supervisor – in der Auswahl der Methoden auch dann weiterhin frei fühlen kann, wenn man systemtheoretisch denkt und dieses Denken die Grundlage professionellen Handelns in den genannten Beratungsformen darstellt. Mehr noch, wir glauben, dass die Freiheit in der Auswahl der Methoden, die ja gerade für die Supervision charakteristisch ist, durch systemisches Denken erhöht wird. Systemisches Denken limitiert den Profi einer der genannten Beratungsformen nicht auf den Einsatz von Interventionen, die sich in Abgrenzung von anderen Schulen als systemische bezeichnen. Ganz im Gegenteil.

In diesem Sinne glauben wir, dass systemtheoretisches Denken der Supervision nicht nur nützlich ist, sondern ihr mehr als jede andere Denkrichtung entspricht. Denn es ist ein Denken in Zusammenhängen, das besser als jede andere theoretische Ausrichtung der Komplexität des Gegenstandes der Supervision gerecht wird.“

Der Text ist hier auch im Netz zu finden…

26. November 2023
von Tom Levold
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systemagazin Adventskalender 2023 – Reminder

Liebes systemagazin-Publikum,

ein kleiner Reminder: Am kommenden Freitag startet der systemagazin-Adventskalender und auch wenn schon einige schöne Beiträge eingetrudelt sind, möchte ich Sie an dieser Stelle noch einmal herzlich einladen, mit einem kleinen Beitrag dafür zu sorgen, dass der Kalender wie in den vergangenen Jahren voll wird. Worum es in diesem Jahr geht, lesen Sie hier…