Lothar Eder, Mannheim: Als der Schmetterling meiner (systemischen) Träume einmal an einem Mittwochvormittag in meiner Kassentherapiestube landete
Schon seit Kindertagen liebe ich das Träumen, Sinnieren, Erspüren, den gedehnten Blick, das Lauschen. Im Zwischenraum der Worte, in den Tagtraumrefugien fand ich Anschluß an eine Welt jenseits der vordergründig realen Gegebenheiten. Ein Studium der Seelenkunde war die logische Folge, hielt aber in seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Orientierung an der Universität doch einige Enttäuschungen bereit. Die Wahrheit ist eben auf dem Platz, wie man im Fußball sagt. Diese Neigung aber macht es mir auch heute relativ leicht, mir Szenarien vorzustellen, seien es befürchtete oder erwünschte.
Toms Impuls für den heurigen Adventskalender aktivierte den Schmetterling meiner Träume. Er heißt so nach einer Textzeile eines lateinamerikanischen Liedes, in der vom „mariposa de mis sueños“, also dem „Schmetterling meiner Träume“ die Rede ist. Nun dachte ich, ich lasse mich einfach vom Schmetterling meiner systemischen Wunschträume ins Jahr 2028 entführen, denn am liebsten mag ich schöne Vorstellungen. Gleich wollte ich eine erste Erkundung vornehmen, die ich später aufschreiben wollte. Im Nu befand ich mich auf einer Art Konvent, wohl einem systemischen Kongreß und natürlich war alles, wie in der Traumwelt üblich, mehr von Stimmungen und Bildern getragen, die Zeit mal verlangsamt, die Bilder eindrücklicher als in der Alltagsrealität, die Orts- und Perspektivwechsel teils wie im Flug, eben so wie wenn man mit einem Schmetterling unterwegs ist. Ei, war das schön und erstaunlich. Den Hauptvortrag hielt der Ehrenvorsitzende Kurt Ludewig, er trug den Titel „Das Wesen des Menschen liegt jenseits des Sprachlichen – zur Revision von Humberto Maturanas Anthropologie im Kontext systemischen Denkens“. Ich war tief beeindruckt und erfreut. Endlich, dachte ich, wird begriffen, dass das Wesentliche im Menschlichen jenseits der Worte liegt. Ich sah, dass ein weiterer Hauptvortrag angekündigt war. Welch Freude, Byung-Chul Han würde über „Depression und Burnout als seelische Infarkte der späten Moderne“ sprechen und damit, so las ich in der Zusammenfassung „die entscheidende Schnittstelle zwischen Seele und Gesellschaft sowie die innerseelische Dynamik der Depression“ thematisieren. Hui, da ist aber was passiert in den letzten 10 Jahren, dachte ich, das systemische Feld läßt Sprachregelungen zu, in denen diagnostische Kategorien vorkommen und die sich auf typische seelische Dynamiken beziehen!
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