9. August 2019
von Tom Levold
Keine Kommentare
Im Carl-Auer-Verlag ist im vergangenen Jahr Bruno Hildenbrands „Genogrammarbeit für Fortgeschrittene. Vom Vorgegebenen zum Aufgegebenen“ erschienen. Hartwig Hansen hat es rezensiert. Sein Fazit: „Fazit: Der »neue Hildenbrand« ist für alle Genogramm-Fans eine ebenso anspruchsvolle wie kurzweilige Lektüre eines vor Ideen sprühenden Tausendsassas mit langjähriger Erfahrung!“
Hartwig Hansen, Hamburg
»Ich selbst bin ein Erstgeborener mit einer neun Jahre jüngeren Schwester. Wenn mich jemand sensu König etikettieren würde, hätte er mit ernsthaften Schwierigkeiten zu rechnen.«
Bei dieser Fußnote 110 (von insgesamt 135) musste ich schmunzeln – wie im- mer wieder bei der Lektüre »des neuen Hildenbrands«. An dieser Fußnote lässt sich einiges in Bezug auf den Geist dieses Buches ablesen:
- Der Autor scheut sich nicht, seinen persönlichen Hintergrund einzubringen. Im Gegenteil.
- Er verwahrt sich energisch gegen zu plumpe und rasche Zuschreibungen und Interpretationen. Denn: »Es kommt, wie immer, auf den Einzelfall und damit auf den Kontext an.« (91)
- Vom »König-Sein« will er (trotz seiner unbestrittenen Verdienste in diesem Feld) nichts wissen.
- Und er droht (eventuell doch im Sinne eines erstgeborenen großen Bruders und das noch als 70-Jähriger) humorvoll »eine blaue Nase« an.
Der Autor mag mir diese persönliche Deutung verzeihen, denn er schreibt selbst: »In der menschlichen Welt kann das Deuten nicht eliminiert werden.« (63)
Neben der stattlichen Zahl an Fußnoten – wohl dem am Ende des Buches erwähnten »Stapel der Notizen aus den letzten Jahren« geschuldet – gibt es unter den sechs Kapitelüberschriften 1. Einführung, 2. Vornamen als Deutungsressourcen, 3. Geschwisterbeziehungen, 4. Weiterentwicklungen in der Genogrammarbeit, 5. Integrative Darstellung und 6. Immer wieder gestellte Fragen, ungefähr hundert Unterüberschriften auf 212 Buchseiten.
Das macht das Lesevergnügen einerseits kleinteilig und andererseits komplex. Der Autor bekennt als emeritierter Professor für Sozialisationstheorie und Mikrosoziologie: »Es ist meine Sache nicht, dem süßen Gift der Vereinfachung zu erliegen …« (196) Das Buch wendet sich also im doppelten Sinne an »Fortgeschrittene«.
Hildenbrand geht in seiner Arbeit von den ältesten verfügbaren Daten der (Index-)Familie aus und rekonstruiert sequentiell Generation um Generation – siehe seine »Einführung in die Genogrammarbeit« von 2005, dessen Lektüre durch sein hier vorgestelltes Buch nicht ersetzt werden kann, wie er schreibt. Er sagt: »Mich interessiert der Prozess des Werdens. Ich möchte nicht anfangen mit dem, was ist, sondern rekonstruieren, was wird.« (186)
Weiterlesen →