systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

13. August 2006
von Tom Levold
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Neuere Entwicklungen in der Psychiatrie

Thomas Keller, Abteilungsarzt an den Rheinischen Kliniken Langenfeld und Lehrtherapeut der Systemischen Gesellschaft, fungiert nach 35 Berufsjahren in der„institutionalisierten Psychiatrie“ erneut als Gastherausgeber der Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung“ (ZSTB) zum Thema„Neuere Entwicklungen“ in der Psychiatrie. Unter anderem präsentiert er den letzten Artikel des im Februar 2004 bei einem Autounfall tödlich verunglückten Gianfranco Cecchin, den dieser gemeinsam mit Gerry Lane und Wendel A. Ray verfasst hat:„Exzentrizität und Intoleranz: Eine systemische Kritik“. Sein eigener Beitrag gilt der„Entfaltung systemischer Ideen und Arbeitsformen in der Praxis psychiatrischer Institutionen“, bei der vor allem dem Begriff der„Kooperation“ eine zentrale Bedeutung zukommt. Eine Autorengruppe um Jochen Schweitzer aus Heidelberg gibt einen Überblick über Praxis und Umsetzung der multiprofessionellen, klinikübergreifenden SYMPA-Weiterbildung als Teil des multizentrischen SYMPA-Projekts („Systemtherapeutische Methoden in der Psychiatrischen Akutversorgung“), das für Keller„zweifellos … derzeit wichtigste systemische Projekt in der Psychiatrie unseres Landes“. Der Beitrag von Jaakko Seikkula und Mary E. Olson stellt Arbeitsformen und Ergebnisse eines äußerst erfolgreichen netzwerkbasierten Modells flächendeckender gemeindepsychiatrischer Arbeit in Finnland dar. Schließlich berichtet Antja Müllenmeister aus ihrer eingehenden Erfahrung in der Enthospitalisierung von Psychiatrie-Veteranen.
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12. August 2006
von Tom Levold
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Entwicklung des Emotionswissens bei Kindern

In einer Rezension des Forschungsberichtes von Bettina Janke schreibt Dieter Irblich:„Leider liefert das Buch keine Hinweise darauf, welchen Nutzen die Befunde für den Umgang mit Kindern, noch dazu im beraterischen und klinischen Kontext haben. Für die Praxis wäre es aber von besonderem Interesse, Hinweise zu erhalten, wie sich das Emotionswissen außerhalb fiktiver Ereignisse aktualisiert, also dann, wenn Kinder sich in realen, emotionsauslösenden Situationen befinden, und inwieweit tatsächliche Verhaltensweisen dadurch beeinflusst werden können. Sinnvoll erschiene auch, das hier referierte ,experimentelle‘ Emotionswissen in Beziehung zu setzen mit mehr oder weniger fachlich fundierten therapeutischen und beraterischen Interventionen bei Kindern und ihren Familien, die der Emotionsregulation und der Bewältigung belastender Erfahrungen dienen. Auch wenn anwendungsbezogene Aspekte in dem Buch von Janke keine Rolle spielen, ergeben sich hier doch einige Denkanstöße zur Reflexion praktischer Handlungskonzepte z. B. im Hinblick auf ängstliche Kinder oder Kinder mit aggressiven Verhaltensweisen“

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11. August 2006
von Tom Levold
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Systemische Seelsorge


Die neue Ausgabe der Familiendynamik (alte Abb.), die – das sei hier einmal angemerkt – vor 30 Jahren unter der Herausgeberschaft von Helm Stierlin und Josef Duss von Werth das Licht der Welt erblickte (einen herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle), beschäftigt sich mit dem Thema der Systemischen Seelsorge, als das erste Heft einer Zeitschrift im deutschen Sprachraum überhaupt, wie im Editorial stolz vermerkt wird. Aus dem Editorial:
„Passen konstruktivistische Ideen und Glaubensüberzeugungen überhaupt zusammen? Die Tatsache, dass Seelsorge systemisch praktiziert wird und nicht als teuflisch ausgeschlossen wird, lässt schließen, das es geht – dass es ‚irgendwie‘ gehen muss. Aber wie genau sieht es aus?… Martin Ferel beschreibt eine Seelsorge, die sich dezidiert von Problem- und Lösungsorientierung abhebt. Die Fragen nach Anliegen und Auftrag aus systemischer Sicht zeigen gerade, dass Seelsorge noch ganz andere Zugänge und Themen suchen kann, mit den sie wohlwollende Wirkung hinterlässt. … Rita Schaab gibt Einblick in den Mikrokosmos einer dörflichen Kirchengemeinde. … Heike Knögel beschreibt, wie die Organisation ‚Krankenhaus‘ die seelsorgerische Arbeit formt, Themen schafft, Krisen zeitigt, Lösungen im Rahmen der Organisation ermöglicht. … Christoph Morgenthaler entwickelt systemische Ideen zu einem Thema, das in Religionen einen zentralen Platz hat: Tod und Trauer. Günther Emlein zeigt mit Hilfe der Systemtheorie Unterschiede zwischen Seelsorge und anderer systemischer Praxis auf. Das Religion dort eine Rolle spielt, ist zu erwarten, aber was heißt dies für Kommunikation?“
Das Heft wird abgerundet durch einen Übersichts-Beitrag über den gegenwärtigen Stand der Reproduktionsmedizin sowie einen Aufsatz der Herausgeber mit Arnold Retzer über die Frage:„Wann endet eine Therapie?“
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10. August 2006
von Tom Levold
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Luhmann und die Kulturtheorie

Andreas Reckwitz hat seit diesem Jahr eine Professur für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie an der Universität Konstanz. Auf seiner Website stellt er zahlreiche seiner Texte frei zur Verfügung. Ein empfehlenswerter Aufsatz befasst sich mit den Differenzen einer kulturtheoretisch fundierten Sozialtheorie und der Luhmannschen Theorie sozialer Systeme, die sich in Bezug auf eine heutige Lektüre gewissermaßen wechselseitig kontextualisieren:„Die Spezifika von Luhmanns Theorieprogramm werden deutlich, setzt man es genauer in Beziehung zu jenem disparaten Feld der Kulturtheorien, die einen Großteil der zeitgenössischen Theorielandschaft ausmachen. Umgekehrt zeichnen sich die Konturen des kulturtheoretischen Programmes schärfer ab, betrachtet man es vor der Hintergrundfolie der Luhmannschen Theorieoptionen“
Spannend ist vor allem, wie Reckwitz das normative Motiv der Trennung des Sozialen von allen anderen phänomenologischen Sphären bei Luhmann herausarbeitet, während die kulturtheoretisch orientierten Sozialtheorien sich gerade die Grenzüberschreitung zwischen diesen Sphären zum Programm gemacht haben:
„Während Luhmanns Theorie des Sozialen auf einer grundbegrifflichen Separierung von sozialen, psychischen, organischen und mechanischen Systemen, damit auf einer Situierung des Sozialen außerhalb der Körper, des Bewußtseins und der Artefakte basiert, ist für das ‚praxeologische‘ Denken der Kulturtheorien eine Situierung des Sozialen und der Kultur in den Bewußtseinen, Körpern und Artefakten, mithin eine Grenzüberschreitung zwischen dem Kulturell-Symbolischen und den scheinbar asozialen Sphären des Körpers, der Psyche und der Materialität zentral. Wo in Luhmanns Gesellschaftstheorie die Moderne ihre Einheit im Prinzip funktionaler Differenzierung, in den eindeutigen Grenzen zwischen Subsystemen findet, arbeiten die Kulturtheoretiker den konflikthaften, uneinheitlichen Charakter der Moderne angesichts verschiedener kultureller, historischer, klassenspezifischer und geographischer Logiken heraus: Auch hier torpedieren sie die Logik der Grenzerhaltung durch den Verweis auf eine Logik von Grenzüberschreitungen. Es wird sich herausstellen, daß die unterschiedlichen Theorieentscheidungen bei Niklas Luhmann und den Kulturtheoretikern von verschiedenen normativen Grundüberzeugungen motiviert sind, auch wenn die Autoren selbst ihre normativen Motive selten explizit offenlegen“
Der Aufsatz ist 2004 im von Günter Burkart herausgegebenen Sammelband„Niklas Luhmann und die Kulturtheorie“ bei Suhrkamp erschienen und hier online als PDF zu lesen.

9. August 2006
von Tom Levold
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Familienaufstellung zwischen dem Sakralen und dem Profanen

In der Systemischen Bibliothek erscheint heute ein Aufsatz von Rudolf Klein aus dem Jahre 1998, in dem dieser anhand der Auseinandersetzung mit Familienaufstellungen Psychotherapie als Übergangsritual und (im Rückgriff auf Mircea Eliade) als Verbindungsmöglichkeit des Profanen mit dem Sakralen:„Oft wird die Unterscheidung sakral – profan mit der Differenz von real – irreal bzw. pseudoreal gleichgesetzt. Es handelt sich jedoch vielmehr um zwei Arten des In-der-Welt-Seins. …
Die radikal konstruktivistische Sicht definiert die Welterfahrung als eine kontextgebundene, dynamische, konsensuell konstruierte Beziehungswirklichkeit und betont die Gestaltungs- und Veränderungsmöglichkeiten des Einzelnen. Sie stellt damit m.E. eine profane Weltsicht des modernen Menschen in Reinform dar. Familienaufstellungen dagegen befassen sich zu einem großen Teil mit horizontalen und v.a. vertikalen Verwandtschaftslinien und den damit zusammenhängenden Themen wie Tod und Zugehörigkeit zu einer Sippe. Diesen Themen wird der Status nicht zu leugnender Gegebenheiten und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Anerkennung dieser Fakten zugeordnet. Sie stellen damit der radikal-konstruktivistischen Weltsicht eine andere, das Sakrale repräsentierende Sichtweise ergänzend gegenüber. Sakral insofern, da ‚es sich als etwas vom Profanen völlig verschiedenes zeigt.‘ Wichtig scheint mir die Unterscheidung zwischen dem Sakralen und dem Religiösen. Das wesentliche Merkmal des Sakralen besteht darin, nicht in Frage gestellt werden zu dürfen – die Realität zu sein. In diesem Sinne bedeutet das Sakrale dann ’soviel wie Kraft und letztlich Realität schlechthin. Das Heilige ist gesättigt mit Sein.‘ (Eliade)“
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7. August 2006
von Tom Levold
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Taking Positions

Tom Levold stellt ein interessantes Buch von Davic Campbell und Marianne Marianne Grønbæk vor, in dem beide über ihre Arbeit mit einem Beratungstool berichten, den„semantischen Polaritäten“, eine Variante aus dem Bereich der Skalierungstechniken:„Wie bei allen Methoden, hängt auch bei diesem Modell der erfolgreiche Einsatz ganz vom umsichtigen und besonnenen Vorgehen der Berater ab, die ein ausreichendes Gefühl für den Kontext, gutes Timing und eine angemessene affektive Rahmung besitzen müssen. Wie die zahlreichen Fallbeispiele aus der Praxis beider Autoren zeigen, handelt es sich um ein außerordentlich breit einsetzbares Beratungs-Instrument mit minimalen technischen Voraussetzungen, dass in der Hand von erfahrenen Beratern schnell und effektiv zu kreativen Problemlösungen beitragen kann. Die scheinbare Simplizität dieses Tools täuscht allerdings leicht darüber hinweg, dass die zugrundeliegenden Fragestellungen erst einmal erfahren, verstanden und neu konzeptualisiert werden müssen“
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6. August 2006
von Tom Levold
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Anlassfreie Beratungsarbeit oder klare Zielverfolgung?

Das Thema der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift OSC („Organisationsberatung, Supervision, Coaching“, im Foto leider noch die Ausgabe 01/06) ist dem Thema„Lernen im Coaching, Lernen fürs Coaching“ gewidmet. Interessant ist dabei ein kurzer Aufsatz von Altmeister Wolfgang Looss, in dem dieser als Alternative zum„problemorientierten Coaching“ für eine„anlassfreie Beratungsarbeit über längere Zeit“ plädiert:„Die Erfahrung, sich auch ohne akuten äußeren Problemdruck tastend, unsicher, fragend und zweifelnd erleben zu dürfen, wird von Klienten als extrem produktiv und schon deswegen kostbar beschrieben. Da es keine Not-Wendigkeit gibt, fehlt auch ein Ziel, man kann auf vorgedacht Anzustrebendes verzichten. Und erst dadurch wird es dem Klienten möglich, seine gewohnte Realität behutsam zu dekonstruieren und sich der ‚Krise im Container‘ auszusetzen, wie das in der Dialogarbeit heißt“ (123).
Auch Klaus Eiderschink spricht sich – bei allem Respekt – für eine Relativierung der unbedingten Lösungsorientierung aus:„Insbesondere dienen die im Coaching eingebrachten Ziele häufig dazu, unangenehme Selbstwahrnehmungen besser ausschließen und verdrängen zu können“ (157). In ihrem – im übrigen eher langweiligen Aufsatz – halten Sabine Dembkowski und Fiona Eldridge dagegen:„Es gibt kein Coaching ohne systematisches Vorgehen und klare Zielverfolgung“ (169). Die Frage wäre ein eigenes Themenheft wert.
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5. August 2006
von Tom Levold
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USA: Massenhaft

Wie ein Beitrag des französisch-amerikanischen Soziologen Loïc Wacquant im online-Magazin Telepolis auf eindrucksvoll-bedrückende Weise deutlich macht, vollzieht sich in den USA eine Hyperinflation der Gefängnisse mit einer Vervierfachung der Gefängnispopulation im Laufe von 25 Jahren. Mit 740 Häftlingen pro 100.000 Einwohner und sechs- bis zwölfmal so viel wie in allen anderen Industrieländern nehmen die USA den unangefochtenen Spitzenplatz bei Inhaftierungen ein.
Insgesamt sind heute 6,5 Millionen (meist schwarze) Amerikaner unter Aufsicht der Strafjustiz. Während im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich systematisch gekürzt wird, ist der Strafvollzug zum drittgrößten Arbeitgeber der Nation avanciert, die Justiz wird zur entscheidenden Größe bei der Bekämpfung der Armutsproblematik. Davon profitiert eine immer stärker werdende private Gefängnisindustrie, die nun auch international aggressiv expandiert.
Da das System teuer ist, wird zunehmend versucht, die finanziellen Lasten des Strafvollzuges auf die Häftlinge und ihre Familien abzuwälzen, einschließlich der gerichtlichen Eintreibung der Schulden, die die Häftlinge bei ihrem unfreiwilligen Aufenthalt hinter Gittern angehäuft haben. Der Beitrag ist ein Kapitel aus dem Buch von Loïc Wacquant: „Das Janusgesicht des Ghettos und andere Essays“, das als Band 134 der Reihe Bauwelt Fundamente im Birkhäuser Verlag erschienen ist. Loïc Wacquant ist Professor für Soziologie am Institute for Legal Research der University of California at Berkeley.

4. August 2006
von Tom Levold
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Systemische Soziale Arbeit II

Nachdem gestern die neue Ausgabe des„Kontext“ zur Systemischen Sozialen Arbeit vorgestellt worden ist, folgt nun in der Systemischen Bibliothek ein Beitrag von Johannes Herwig-Lempp (Foto) und Mathias Schwabe über„Soziale Arbeit“. Zunächst wird Sozialarbeit in einigen ihrer zentralen Bestimmungsstücke umrissen (1). In einem zweiten Schritt werden Überschneidungsfelder und Trennlinien zwischen Beratung im Kontext von Sozialer Arbeit und (Familien-)Therapie anhand einiger Grafiken erläutert. Dabei entwickeln die Autoren eine eigenständige systemische Beratungs-Konzeption für die Soziale Arbeit (2). Anschließend schildern sie einige der zentralen Grundhaltungen und theoretischen Prämissen des systemischen Ansatzes und zeigen anhand einiger Methoden exemplarisch, wie diese im Kontext der Sozialen Arbeit angewandt werden (3). In einem Exkurs werden Chancen und Risiken des konstruktivistischen Ansatzes in der Sozialen Arbeit (4) geschildert und zum Schluss thematisiert, was die Sozialarbeit, gewissermaßen im Tausch, der Paar- und Familientherapie zurückgeben kann (5).
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3. August 2006
von Tom Levold
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Systemische Soziale Arbeit

In Heft 2/2006 des„Kontext“ geht erneut um systemische Perspektiven in der Sozialen Arbeit, nachdem schon im Juni letzen Jahres hierzu ein Themenheft unter dem Titel „Sozialarbeit als systemische Praxis“ veröffentlicht hat. Mit dieser kurzen Aufeinanderfolge von zwei Heften zum selben Schwerpunktthema soll der zunehmenden Bedeutung des systemischen Ansatzes in der Sozialen Arbeit Rechnung getragen werden. Er hat sich hier inzwischen als sehr anschlussfähig erwiesen, wie Bücher, Zeitschriften, Tagungen und Vorlesungsverzeichnisse zeigen.
Das aktuelle Heft führt wieder theoretische und praktische Perspektiven zusammen. Björn Kraus beschäftigt sich mit dem Lebensweltbegriff und seinen systemischen Implikationen. Ludger Kühling vergleicht mehrere Konzepte zur „Systemischen Sozialen Arbeit“, die in den letzten Jahren entstanden sind und bringt die zentrale Frage ins Spiel: Was haben die Praktiker/innen davon? Elisabeth Stindl-Nemec beschäftigt sich mit der Frage, wie manchmal im psychiatrischen Kontext (und nicht nur hier) die für Systemiker/innen wichtige Eigenverantwortung der Klientinnen und Klienten für ihr „selbstemergentes“ Verhalten von Professionellen kurzfristig übernommen werden muss, um Selbst- und Fremdschädigungen zu vermeiden. Jürgen Armbruster berichtet über ein Fallreflexions- und Selbstevaluationsprojekt in einem gemeindepsychiatrischen Zentrum der Ev. Gesellschaft Stuttgart in Stuttgart-Freiberg und dessen Ergebnisse. In einem von Wolf Ritscher moderierten Interview mit Martin Fehrenbach, Renate Flügler, Gerhard Hammer, Thomas Kaiser, Gisal Wnuk-Gette und Werner P. Wnuk wird die Geschichte und das Konzept eines innovativen und nachahmenswerten Projektes in der Jugendhilfe nachgezeichnet – und zwar von denjenigen die es konzipiert haben und es umsetzen. Dieses Projekt verknüpft die Praxis des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) – im Ortenaukreis Kommunaler Sozialdienst (KSD) genannt – und familientherapeutische Hilfen und lässt doch beiden Bereichen ihren eigenen Raum. Die Arbeit des KSD/ASD wird dadurch notwendigerweise familienorientiert und systemisch, die Arbeit der Familientherapeutinnen bezieht sich nun auf den besonderen Kontext der Sozialen Arbeit, der auch ganz eigene Konzepte, Methoden, Leitlinien und Kooperationsformen erforderlich macht. Marie-Luise Conen unterzieht den schon alten Mythos von der „Therapeutisierung der Sozialen Arbeit“ vor dem Hintergrund der neuen Entwicklungen im psychosozialen Bereich einer heftigen Kritik, von der auch die Weiterbildungsinstitute, Fachhochschulen und Fachverbände nicht ausgenommen werden.
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2. August 2006
von Tom Levold
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Körper und Leib in der Soziologie

Oliver König stellt das Buch„Der Körper, der Leib und die Soziologie. Entwurf einer Theorie der Inkorporierung“ von Ulle Jäger vor und schreibt:„Die Arbeit von Ulle Jäger, als Promotion an der Uni Frankfurt entstanden, liefert einen theoretischen Entwurf, der eine Thematisierung des Körpers in der Soziologie ermöglicht, ohne ihn völlig in Diskursen aufzulösen und damit in seiner Materialität und seiner subjektiven leiblichen Gegebenheit gleich wieder zu verabschieden, aber auch ohne ihn zu renaturalisieren. Ihr anspruchsvolles Ziel ist es, „ein theoretisches Konzept dafür auszuarbeiten, wie der Körper als sozialwissenschaftlicher Gegenstand begrifflich und konzeptionell in der Gleichzeitigkeit von (diskursivem) Körperwissen einerseits und gelebter (leiblicher) Erfahrung andererseits gedacht werden kann“ (11). Die Idee von der Inkorporierung sozialer Ordnung, die in den Arbeiten von Pierre Bourdieu eine so prominente Rolle spielt, bleibt eine Metapher, solange nicht verdeutlicht werden kann, wie diese Inkorporierung auch und gerade in ihren materiellen Aspekten soziologisch zu denken wäre. … Wie geschaffen für eine solche Forschung, aber bislang kaum angegangen, wäre der Bereich der Psychosomatik, bzw. die Psychotherapie insgesamt. Auch die neuen Bio- und Lebenswissenschaften, Gentechnologie, Reproduktionsmedizin, Hirnforschung wären mögliche Forschungsfelder. Gerade in dem Moment, in dem die soziale Gestaltung der naturalen Grundlage des Menschen durch die Biowissenschaften einen neuen Schub bekommt, sollte die Soziologie sich einmischen, und dies nicht allein der Psychologie und Philosophie überlassen. Das theoretische Rüstzeug dazu hat sie, bzw. lässt sich entwickeln. Die Arbeit von Jäger liefert einen gelungenen Beitrag dazu“
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1. August 2006
von Tom Levold
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Pierre Bourdieu: 1.8.1930 – 23.1.2002

Heute vor 76 Jahren wurde Pierre Bourdieu geboren, einer der bedeutendsten europäischen Soziologen, der am 23. Januar 2002 verstarb. Während seines Aufenthaltes in Algerien als Soldat im französischen Algerienkrieg begann Bourdieu, der ein Philosophiestudium abgeschlossen hatte, sich mit ethnologischen und soziologischen Studien über die Kabylen zu befassen, die die Grundlage für sein weiteres, epochales Werk legten. Derzeit werden in Hamburg Fotos von Bourdieu gezeigt, die dieser in Algerien aufgenommen hat. Ein Interview mit dem Leiter der Hamburger Deichtor-Hallen Robert Fleck über die (politische) Bedeutung der Fotografien von Bourdieu und der Fotografie allgemein im Algerienkrieg in der TAZ vom 22.6. beleuchtet die Rezeption dieser Bilder.
In dem gemeinschaftlichen Internet-Projekt zahlreicher europäischer kultureller und politischer Zeitschriften„Eurozine“ wurde ein bislang unveröffentlichtes Gespräch von Pierre Bourdieu mit Franz Schultheis unter dem Titel„In Algerien: Lehrjahre in einem soziologischen Laboratorium“ veröffentlicht, das am 26. September 1999 im Collège de France in Paris stattfand.
Zum vollständigen Text (PDF) geht es hier lang