systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

9. März 2007
von Tom Levold
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Ein sozialkonstruktionistischer Ansatz in der Arbeit mit Alleinerziehenden

Joan D. Atwood, Direktorin des„Graduate Programs in Marriage and Family Therapy“ an der Hofstra University in Hempstead, New York, und Autorin zahlreicher familientherapeutischer Veröffentlichungen und Arbeiten zur Script-Theorie, setzt sich mit einem Beitrag mit der Therapie von Ein-Eltern-Familien aus sozialkonstruktionistischer Perspekte auseinander, die aus ihrer Sicht die jeweils einseitigen normativen Ansätze traditioneller Therapierichtungen einerseits (die sich auf„normale Familienmodelle“ beziehen) und des lösungsorientierten Ansatzes andererseits transzendiert, der die Ressourcen zu Lasten der Probleme betont, die die Klienten überhaupt erst in Therapie gebracht haben:„Traditional models of therapy, based on modernist assumptions, embrace a position of certainty in that there is a model of normalcy, to which the therapist then compares the person/family in therapy. In so doing, s/he focuses on how different the family is from the norm, i.e. deficit focus, and decides which interventions are needed to bring the family closer to the norm. Solution focused therapy, although accepting of post-modernist assumptions, in many ways is a therapy of certainty in that there is a focus on the competencies, resources, and strengths to the exclusion in some cases of the reason why the person/family came to therapy in the first place. As such, both models represent a one sided view of the phenomena they study. Although there is much overlap, it is the contention of this paper to state that these models- the traditional psychotherapies and the solution focused therapies- operate from a position of certainty and thus are representative of an either/or perspective in that they tend to leave out the other half of the picture. This paper presents a six stage social constructionist therapeutic model which takes into account both the trauma/problem and its effects and the competencies and the strengths of the clients, assisting the client to expand their reality rather than assisting them to replace their problem reality with the flip side-the competencies and strengths. The model is then explored and applied to the single parent household“
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8. März 2007
von Tom Levold
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Respektspersonen

Das Wort Respekt hat bei aller mitschwingenden Ambivalenz ungebrochene Hochkonjunktur, sei es im öffentlichen Leben, in der Jugendszene oder der bei der Mafia. Womöglich handelt es sich hier mittlerweile um ein leeres Konzept, das immer weniger in der Lage ist, in sozialen Zusammenhängen Verbindung zu stiften. Zumindest scheint die personale Attribuierung auf Respektspersonen nicht mehr so einfach möglich zu sein. Hartwig Hansen beklagt jedenfalls in seiner Glosse das Verschwinden von Respektpersonen in der Öffentlichkeit:„Irgendwann und irgendwie hat das aufgehört mit den ,Respektspersonen‘. Nach meinem Eindruck hielten sich die Medien ehedem noch eher an die gemeinsame Etikette, Politiker und Prominente nicht bloßzustellen. Heute in Zeiten des Auflagen- und Quotenkrieges und der ,Jedermann-Paparazzi‘ scheint die ,Richter-Skala‘ des Respekts nach oben offen zu sein – oder sagen wir lieber nach unten“
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7. März 2007
von Tom Levold
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Der französische Soziologe Jean Baudrillard ist gestorben

„Als der amerikanische Physiker Alan Sokal 1996 mit einer fulminanten Wissenschaftsparodie Sprache und Metaphorik der modernen Geistes- und Gesellschaftswissenschaften aufs Korn nahm (ihr folgte 1998 das mit Jean Bricmont verfasste Pamphlet «Fashionable Nonsense»), stand Jean Baudrillard in der ersten Reihe der zum Abschuss freigegebenen Denker. Er fand sich dabei in prominenter Gesellschaft. Gemeinsam etwa mit François Lyotard, Gilles Deleuze oder Jacques Derrida galt er dem New Yorker Professor als einer jener ganz speziellen «french intellectuals», die angeblich ausser heisser Luft und gehörig viel Metaphernstaub nicht viel bewegen“ So beginnt ein schöner Nachruf auf Jean Baudrillard (Foto: Wikipedia), der heute in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen ist. Ein Interview mit Baudrillard, der im Alter von 77 Jahren in Paris starb, ist am 24.11.2005 in der Süddeutschen Zeitung erschienen („Kein Mensch braucht französische Theorien“). Und wer Baudrillard zum Abschied im Original lesen möchte, findet hier einen Link zu seinem Text über Madonna: The Madonna Deconnection

7. März 2007
von Tom Levold
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Sinn als Grundbegriff bei Niklas Luhmann

Keine leichte Kost auch für Luhmann-Fans, aber lohnende Lektüre für alle, die sich für die Bedeutung des Sinnbegriffs und seine Verwendung im Werk von Niklas Luhmann interessieren. Thomas Krumm schreibt in seiner Kritik: „Schützeichel unternimmt in seiner akribischen Rekonstruktion der Luhmann’schen Systemtheorie als Sinntheorie nun keinen strukturgenetischen Rekonstruktionsversuch des Sinnbegriffs, sondern er rekonstruiert theorieimmanent. Der Vorteil einer solchen kohärenztheoretischen Methode liege in der Betonung des Netzwerkcharakters von Theorien, in der Verknüpfung theoretischer Fragen mit methodologischen und explanativen Fragen. … Schützeichels kohärenztheoretischer Rekonstruktionsversuch argumentiert mit Luhmann gegen Luhmann, er versucht, die Systemtheorie gegen sich selbst auszuspielen. In dieser Vorgehensweise liegt sowohl die Stärke wie auch die Schwäche des Unternehmens. Einerseits gelingt es ihm auf diese Weise, Brüche in der Architektur der Theorie sichtbar zu machen, andererseits bleibt er zu sehr jenem Ausdrucksstil verhaftet, der so typisch für systemtheoretisches Argumentieren ist: eine Art hermetischer Abkapselung bzw. Segmentierung der Theorie, eine narzisstische Selbstbeobachtung bis hin zur Selbstverfangenheit ist die Folge. Man hat trotz der kritischen Einwände Schützeichels den Eindruck, dass externe Vergleiche der Theorie vernachlässigt werden, um interne Konsistenzansprüche erhöhen zu können“
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6. März 2007
von Tom Levold
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Planet der Slums


So heißt ein Buch des amerikanischen Sozialhistorikers Mike Davis, das im Februar im Verlag Assoziation A erschienen ist und eine„Kopernikanische Wende“ der menschlichen Siedlungsgeschichte konstatiert.„Denn nie zuvor überstieg der Anteil der Stadtbevölkerung den Anteil der auf dem Land Wohnenden und nie zuvor sah sich eine ungeheure Anzahl von über einer Milliarde Menschen gezwungen, ihr Überleben in Armut, im Schmutz der Müllhalden, ohne (sauberes) Wasser, ohne Toiletten, ohne irgendeine Art der Gesundheits- oder Sozialversorgung zu organisieren. Die Megaslums des ‚Südens‘ sind Ausdruck einer im höchsten Maße ungleichen und instabilen urbanen Welt. Hier treffen die sozialen Fronten der Globalisierung in radikaler Weise aufeinander“
Telepolis bringt ein aufschlussreiches und ausführliches Interview mit dem Autor:„Es ist schon erstaunlich, dass die klassische Gesellschaftstheorie, ob nun Marx, Weber oder gar die Modernisierungstheorie des Kalten Krieges, nicht antizipiert hat, was mit der Stadt in den letzten 30 oder 40 Jahren passiert ist. Niemand hat die Entstehung einer riesigen Klasse vorhergesehen, die hauptsächlich aus jungen Menschen besteht, die in Städten leben, keine formelle Verbindung zur Weltwirtschaft haben und auch chancenlos sind, jemals eine zu bekommen. Diese informelle Arbeiterklasse ist nicht das Marxsche Lumpenproletariat, und sie ist nicht der„Slum der Hoffnung“, wie man ihn sich vor 20 oder 30 Jahren vorgestellt hat – voller Menschen, die schließlich in die formelle Ökonomie aufsteigen werden. Diese an die Ränder der Städte verbannte, informelle globale Arbeiterklasse hat normalerweise wenig Zugang zur traditionellen Kultur der Städte, und sie stellt eine beispiellose Entwicklung dar, die in der Theorie nicht vorhergesehen wurde. … Nach der konservativen Rechnung des Berichtes leben gegenwärtig eine Milliarde Menschen in Slums und mehr als eine Milliarde kämpfen als informelle Arbeiter um ihr Überleben. Diese mögen Straßenhändler, Tagelöhner, Kindermädchen, Prostituierte oder gar Menschen sein, die ihre Organe für Transplantationen verkaufen. Die Zahlen sind erschreckend, zumal erst unsere Kinder und Enkel die größte Bevölkerungszahl der Menschheit erleben werden. (…) 95 Prozent dieses Wachstums wird in den Städten des Südens stattfinden. … Die klassische Urbanisierung nach dem Muster von Manchester, Chicago, Berlin oder Petersburg findet man heute noch in China und an einigen wenigen anderen Orten. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass die städtische industrielle Revolution in China ähnliche Entwicklungen andernorts ausschließt, denn sie saugt alle Produktionskapazitäten für Konsumgüter – und zunehmend alles andere – auf. Aber in China und ein paar angrenzenden Ökonomien ist noch städtisches Wachstum zu beobachten, das von einem Prozess der Industrialisierung angetrieben wird. Überall sonst wachsen Städte weitgehend ohne Industrialisierung, oftmals sogar, was noch erschreckender ist, ohne jegliche Entwicklung. Überdies haben Städte wie Johannesburg, Sao Paulo, Mumbai, Belo Horizonte oder Buenos Aires, vormals die großen Industriestädte des Südens, in den letzten 20 Jahren eine massive Deindustrialisierung erlitten“
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6. März 2007
von Tom Levold
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Orientierungsqualität als Maßstab bei der Evaluierung sozialer Einrichtungen

Johannes Ewald Brunner betont in einem Beitrag für„System Familie“ aus dem Jahre 1999 den Vorrang von Selbstevaluation sozialer Einrichtungen gegenüber Fremdevaluationen und schlägt den Begriff einer„Orientierungsqualität“ als Ergänzung zu den vorfindlichen Kategorien von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität vor:„Die Fähigkeit einer sozialen Einrichtung, sich des eigenen Handelns bewusst zu sein und die eigenen Aktivitäten zu reflektieren, bezeichne ich summarisch mit dem Begriff ‚Orientierungsqualität.‘ Neben den vielzitierten Kategorien der ‚Strukturqualität‘, ‚Prozeßqualität‘ und ‚Ergebnisqualität‘ halte ich die Kategorie ‚Orientierungsqualität‘ für zentral. Die Qualität einer sozialen Einrichtung ist daran festzumachen, welche Reflexionskultur sie aufweist“
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5. März 2007
von Tom Levold
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Klient, Therapeut und das unbekannte Dritte

Nadine Reiband hat unter diesem Titel (und dem Untertitel:„Placeboeffekte in der Psychotherapie und was wirklich wirkt“) ihre Diplom-Arbeit im Carl-Auer-Verlag veröffentlichen können. Bernhard Trenkle hat ein Vorwort beigesteuert:„Im Mai 2005 weilte ich in Südafrika. Eines Morgens lud ich die E-Mails auf meinen Laptop. Das Herunterladen einer Mail dauerte über die langsame Datenleitung ungewöhnlich lange. Es war die fertige Diplomarbeit von Nadine Reiband. Eigentlich hatte ich an diesem Vormittag touristische Pläne und wollte nur kurz in meine E- Mails
schauen. Am Ende hatte ich diese Diplomarbeit aber dann komplett gelesen und die Reize von Südafrika vergessen. Nadine Reiband zeigt in der Diplomarbeit auf, dass die Manualtreue und spezifische Therapiemethode nur eine sehr geringe Rolle bezüglich der Wirksamkeit einer Therapie spielt. Die Überzeugtheit des Therapeuten von seiner Methode spielt dagegen eine entscheidende Rolle. Nicht die spezifische Technik scheint wichtig, sondern die Person des Therapeuten“ Und Wolfgang Loth äußert sich in seiner Rezension ebenfalls wohlwollend:„
Im Kern diskutiert die Autorin ihr Thema auf der Grundlage eines positiven Bias für ein kontextbezogenes Modell der Psychotherapie im Unterschied zu einem medizinischen. Insbesondere die Arbeit von Jerome Frank bildet die Grundlage. Im Zusammenhang mit einer zwar kappen, aber fundierten Auseinadersetzung mit Forschungsfragen und den sich daraus ergebenden Friktionen unterstreicht die Autorin das Dilemma, dass die Placebofrage im Bereich der Psychotherapie nicht im strengen Sinne bearbeitet werden kann: In der Psychotherapie könne kein spezifischer Inhalt verabreicht werden, ohne dass auch ein zufälliger Inhalt mitgeliefert werde …, und ein psychotherapeutisches Placebo beinhalte immer einen ‚Wirkstoff‘, der notwendig sei für eine hilfreiche Behandlung …. Daher: ‚Die Bedingung, dass der Therapeut nicht weiß, ob er Placebo oder Wirkstoff verabreicht, ist in der Psychotherapie unmöglich. Das bedeutet, dass immer der Faktor ‚Erwartung‘ mit dabei ist und wirkt’“.
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4. März 2007
von Tom Levold
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Wurzeln der Mediation

Die Ausgabe 4/2006 der Zeitschrift„Perspektive Mediation“ ist keinem spezifischen Konfliktthema gewidmet, sondern hat sich vorgenommen, den geschichtlichen, philosophischen und religiösen Ursprüngen der Mediation nachzuspüren. So finden sich Aufsätze über den antiken Ursprung der Bezeichnung Mediation (nämlich als Vermittlung zwischen Gott und dem Menschlichen!), über Pioniere des Dialogs wie Sokrates, Buber und David Bohm, eine Arbeit von Leo Montada über Gerechtigkeit und normative Kraft von Mediation, ein Text von Johan Galtung über Buddhismus und den Weltfrieden sowie Beiträge über die Herstellung von Frieden und Gerechtigkeit bei indigenen Völkern: insgesamt ein buntes und differenziertes Bild – ergänzt durch eine Arbeit über Handlungsstrategien und Erfahrungen bzgl. Mobbing am Arbeitsplatz und Vorstellung einiger Bücher.
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3. März 2007
von Tom Levold
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Zum Realitätsbegriff im Konstruktivismus

Kersten Reich, Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Köln und ausgewiesener Experte für die Nutzbarmachung konstruktivistischer Erkenntnistheorie in der Pädagogik befasst sich in einem Text von 2002 auf seiner website mit dem – schon häufig behandelten – Problem der Konstruktion von Wirklichkeiten und ihrem Verhältnis zu einer – wie auch immer gefassten -„Realität“ außerhalb dieser Konstruktionen.„Ein wesentliches Problem, einer der wichtigsten Streitpunkte, liegt darin, dass wir zwar einerseits als Konstruktivisten behaupten, dass die Menschen die Erfinder ihrer Wirklichkeit sind, dass wir andererseits aber offenbar nicht alle Realität erfinden können. Wir sind zwar, um mit Nelson Goodman zu sprechen, in der Lage, verschiedene Weisen der Welterzeugung zu konstruieren, also z.B. die Newton’sche Realität der mechanischen Bewegungen oder die Einstein’sche Welt der relativen Bewegungen usw., wobei wir verschiedene Versionen von Welt erzeugen, die jeweils unterschiedlich zu unseren Bedürfnissen passen. Aber wir müssen offensichtlich zugleich zugestehen, dass nicht immer alles passt. Es erscheint öfter als genug etwas aus der Realität, was wir zuächst nicht konstruiert haben – z.B. Naturkatastrophen, ungeahnte Folgen unserer Experimente und Techniken, etwas nicht Vorhergesehenes usw. -, das also außerhalb unserer konstruktiven Mächtigkeit steht und erst im Nachhinein von uns symbolisch bearbeitet und damit in Vorhersehbares verwandelt werden kann“
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2. März 2007
von Tom Levold
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Zur Psychopathologie des Anfangs: Autismus als Störung der Wahrnehmung von Kommunikation

Nur wenige Menschen in unserem Feld verstehen die Kunst, klinische Expertise und systemtheoretische Konzepte in der Darstellung von Problemlagen zu einem höchst praxisrelevanten und zugleich theoretisch befriedigenden Bild zusammenzufügen, so gut wie Roland Schleiffer, Kinder- und Jugendpsychiater und Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie und Psychotherapie in der Heilpädagogik der Universität zu Köln. In der Systemischen Bibliothek ist bereits ein ausgezeichneter Artikel von ihm über die Funktion selbstverletzenden Verhaltens aus systemischer Sicht zu finden.
Nun legt er eine umfassende und hervorragend angelegte Studie über den Autismus vor. systemagazin freut sich umso mehr, diese bislang noch nicht veröffentlichte Arbeit erstmals einer breiteren Leserschaft vorstellen zu können. Roland Schleiffer macht einen eindrucksvollen Vorschlag, wie sich die Luhmannsche Theorie psychischer und sozialer Systeme ganz allgemein mit den Befunden der Säuglings- und Affektforschung zu einer Theorie der Einführung in soziale Kommunikation verbinden lässt und zeigt auf, dass autistische Kinder aufgrund ihrer fehlenden Möglichkeiten, den Mitteilungscharakter (im Unterschied zum Sachaspekt) von Kommunikation zu entschlüsseln, nicht ausreichend von der Komplexität des sozialen Systems profitieren können, was gravierende Konsequenzen für seine weitere psychosoziale Entwicklung nach sich zieht. Gerade wegen seiner Dichte und überzeugenden theoretischen Stringenz ist der Aufsatz nicht immer leicht zu lesen, aber seine Lektüre unbedingt zu empfehlen.
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1. März 2007
von Tom Levold
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Aschermittwoch nachgeholt

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
so geht’s nicht weiter und zwar ab sofort! Und immer immer wieder geht die Sonne auf. Ja, wer hält das auf die Dauer aus, das frag ich Sie! Und was macht die Große Koalition? Sie ist untätig, wie immer! Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen. Ja, das kennen wir doch auch seit Jahren! Nicht einmal das Ozonloch hat substantiell etwas daran geändert! Ich bitte Sie, welche Visionen, welche Neuerungen schlagen die Parteien in dieser Frage vor? Wo ist bitteschön das Modell, das Ökotrophologie und Ösophagitis endlich miteinander vereinbart, statt nur in starren Gegensätzen zu verharren?
Zur einzig wahren und gültigen Aschermittwochsrede von Lothar Eder gehts hier lang…

1. März 2007
von Tom Levold
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Folter und professionelle Ethik

Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass an den Folterungen und systematischen Quälereien von Gefangenen in Guantanamo nicht nur Soldaten beteiligt sind, sondern auch Ärzte, Psychiater und Psychologen.„The American Journal of Bioethics“ veröffentlicht in seiner ersten Ausgabe 2007 einen online frei zugänglichen Artikel, in dem ein ausführliches Fallbeispiel präsentiert wird, nämlich die gewaltsamen Verhöre des Gefangenen 063, Mohammed al-Qahtani, in Guantanamo, die durch Ermittlungen des FBI aufgedeckt werden konnten. Im abstract heißt es:„The controversy over abusive interrogations of prisoners during the war against terrorism spotlights the need for clear ethics norms requiring physicians and other clinicians to prevent the mistreatment of prisoners. Although policies and general descriptions pertaining to clinical oversight of interrogations in United States’ war on terror prisons have come to light, there are few public records detailing the clinical oversight of an interrogation. A complaint by the Federal Bureau of Investigation (FBI) led to an Army investigation of an interrogation at the United States prison at Guantanamo Bay. The declassified Army investigation and the corresponding interrogation log show clinical supervision, monitoring and treatment during an interrogation that employed dogs, prolonged sleep deprivation, humiliation, restraint, hypothermia and compulsory intravenous infusions. The interrogation and the involvement of a psychologist, physician and medics violate international and medical norms for the treatment of prisoners“
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28. Februar 2007
von Tom Levold
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Störungsspezifisches Wissen

Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe haben im Herbst ein umfangreiches Buch herausgebracht, das eine breit angelegte und materialreiche Übersicht über das störungsspezifische Wissen der Systemischen Therapie anbietet. Als„Lehrbuch II“ soll es offensichtlich die Rolle eines Anschlussbandes zum Erfolgstitel der Autoren„Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung“ einnehmen, der vor 10 Jahren veröffentlicht wurde. Allerdings stellt sich sogleich die Frage nach dem konzeptuellen und curricularen Stellenwert eines Lehrbuchs innerhalb der systemischen Feldes, das einen„Brückenschlag zwischen dem kontext- und lösungsbezogenen Denken der systemischen Therapie und dem störungsbezogenen Denken der evidenzbasierten Medizin und Psychotherapie“ zum Ziel hat. Tom Levold schreibt in seiner Rezension:„Insgesamt bleibt ein ambivalenter Eindruck: Das Buch verfügt über eine erhebliche Substanz, bietet ein breites Wissensspektrum dar und gehört keinesfalls zu den Titeln, die man nur einmal in die Hand nimmt und danach für immer ins Regal stellt. Dafür bürgt schon die Kompetenz und fachliche Reichweite der Autoren. Auf der anderen Seite gewinnt man aber doch den Eindruck einer – eher beiläufig daherkommenden, aber bedeutsamen – Fokusverschiebung im systemischen Diskurs immerhin durch zwei führende Persönlichkeiten der systemischen Szene, die von ihnen weder wirklich theoretisch ausgewiesen noch ausreichend deutlich markiert wird. Das pragmatische Motiv einer Verbesserung der Ausgangslage der Systemischen Therapie im Prozess der Anerkennung als wissenschaftlich begründetes Verfahren ist dabei nachvollziehbar – allerdings bleibt die Frage offen, welche Bedeutung dieser Pragmatismus für diejenigen identitätsstiftenden Konzepte des systemischen Ansatzes haben wird, die keineswegs als Komplementärperspektive zum gegenwärtigen Selbstverständnis einer evidenzbasierten Psychotherapie gedacht werden können. Auch wenn es noch nicht an der Zeit ist, dass sich der Pulverdampf der psychotherapiepolitischen Auseinandersetzungen, die zweifellos tagespolitischer Rücksichtnahmen bedarf, legen kann, scheint eine gründlichere inhaltliche Debatte dieser Fragen doch in der nächsten Zeit angesagt zu sein. Dieser Band könnte einen Anlass dazu bieten“
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