systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

30. März 2007
von Tom Levold
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Gesellschaft als subjektive Erfahrung

Auf der Website von Siegfried J. Schmidt ist ein Beitrag von Ernst von Glasersfeld zu lesen, der sich mit dem Gesellschaftsbegriff befasst. von Glasersfeld wendet sich hier insbesondere gegen die Position des Sozialen Konstruktionismus von Kenneth Gergen, dass sich die Festlegung von Bedeutung primär erst in der sprachlichen Interaktion vollzieht:„Was Gergen übergeht, ist der Begriff der Viabilität, der in meinem Kognitionsmodell nicht nur die Konstruktion von Begriffen einschränkt, sondern auch die Bedeutungen von Wörtern. Die ersten Assoziationen von Wortlauten und Erfahrungsgegenständen, die das Kleinkind bildet, sind vom Standpunkt der Erwachsenen oft fehlerhaft oder ungenau. Erst im Lauf der Verwendung lernt es, sie an den gängigen Sprachgebrauch anzupassen – nicht durch Vereinbarung, sondern dadurch, daß idiosynkratische Wörter den erwarteten Dienst nicht leisten und eben nicht »viabel« sind“. Zum Begriff der Gesellschaft schreibt er:„An dieser Stelle möchte ich wiederholen, daß der radikale Konstruktivismus nicht eine reale Welt zu beschreiben vorgibt, sondern lediglich ein Modell vorschlägt, wie man sich den Aufbau von Wissen vorstellen kann. Zu diesem Aufbau gehört nun selbstverständlich auch der Begriff der Gesellschaft. Ebenso wie Wortbedeutungen von Heranwachsenden nur aus ihren eigenen Erfahrungen und der Interpretation gehörter und gelesener Wörter abstrahiert werden können, muß der Begriff »Gesellschaft« von jedem Einzelnen auf Grund eigener Erfahrungen und Verallgemeinerungen gebildet werden. Dabei ist es gleichgültig, ob man glaubt, die Gesellschaft existiere als solche oder nicht – ein Wissen von ihr kann man nur aus eigenem Erleben bilden. Das gilt nicht nur für Kinder und unbelastete Erwachsene, sondern auch für Soziologen. Vereinfacht – und darum zweifellos etwas naiv betrachtet – ist das, was als wissenschaftliche Soziologie geschrieben und verkündet wird, die Summe dessen, was ein aufmerksamer Beobachter mit Hilfe von mehr oder weniger anerkannten Methoden aus seinen Erlebnissen, Experimenten, statistischen Untersuchungen, usw., herauskristallisiert und so formuliert, daß eine Anzahl von Berufskollegen es auf eine sie befriedigenden Weise interpretieren können. Gleichgültig, wie groß die Zahl der Zustimmenden auch sein mag, das Begriffsgebäude, das ihnen gemeinsamer Besitz zu sein scheint, ist nicht die Beschreibung einer »objektiven« Sachlage, sondern ein Komplex von individuellen Interpretationen, der im Laufe von Diskussionen, gegenseitiger Kritik und anderen Unterhandlungen schließlich für alle Beteiligten eine gewisse Viabilität gewonnen hat“
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29. März 2007
von Tom Levold
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Qualität und Evaluation in der Beratungspraxis

Wolfgang Schrödter, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle Höchst und Privatdozent an der J.W.-Goethe-Universität Frankfurt, beschäftigt sich seit langem mit Qualitativer Beratungsforschung. In einem Aufsatz, der erstmals 1999 in System Familie erschienen ist, setzt er sich mit„Qualität und Evaluation in der Beratungspraxis“ auseinander:„Den Bezugspunkt für alle vorgestellten Überlegungen gibt die institutionelle Beratungspraxis ab, wie sie im Modell der ,staatlich anerkannten Erziehungsberatungsstelle‘ etabliert ist. Dieses spezielle Feld therapeutischer Praxis wurde im Verlaufe der letzten Jahre systematisch in die Diskussion um Qualität und ihre Entwicklung einbezogen; was weniger fachliche als wirtschaftliche und administrative Gründe hat. Im Anschluss an die Behandlung der Frage, was eigentlich die Qualität sozialen Handelns in Beratung und Therapie spezifiziert, werden die eingebürgerten Weisen der Begleitforschung kritisch untersucht. Ihr Nutzen für die unmittelbare Praxis finden sich ebenso in Frage gestellt wie ihre Bedeutung für den Erhalt von Einrichtungen. Anhand der empirisch-qualitativen Studie ,Psychotherapeutische Beratung im kirchlichen Auftrag‘ sollen andere, neue Gesichtspunkte und Beobachtungen ihren Platz finden, insbesondere der soziale Rahmen der Praxis. Wir behaupten, dass Prozesse der Team- und Organisationsentwicklung, der internen und externen Kommunikation, als ,Wirkfaktoren‘ zu betrachten sind. Dies zu untersuchen erfordert selbstkritische Offenheit, neue Methoden und Formen der Kooperation zwischen Praxis und Wissenschaft“
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28. März 2007
von Tom Levold
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Kleiner Lehrgang des Küssens

Küssen ist eine äußerst voraussetzungsreiche interpersonale Kommunikation, die hohe Anforderung an die Feinsteuerung im Abstimmungsverhalten stellt. Für alle diejenigen, die sich selbst nicht für eine Naturbegabung halten, gibt es hier eine brauchbare Hilfestellung zum Erlernen verschiedener Kusstechniken:

28. März 2007
von Tom Levold
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Pannen-TÜV für laufende Supervisionsprozesse

Haja Molter und Hans Schindler, Lehrtherapeuten und Lehrende Supervisoren des Instituts für Familientherapie Weinheim bzw. des Bremer Instituts für systemische Therapie haben für systemagazin eine kurze Checkliste zum Thema„Pannen und Fallen in der Teamsupervision“ zusammengestellt. Es werden 15 verschiedene Probleme benannt, die im Supervisionsprozess auftauchen können, zu jedem Problem werden stichwortartig Hypothesen in Bezug auf damit verbundene Teamschwierigkeiten skizziert, zudem werden jeweils in knapper Form Fokussierungs- bzw. Interventionsideen unterbreitet.
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27. März 2007
von Tom Levold
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Erstes Heiratsangebot für Brigitte Mohnhaupt

Lieber F.J. Wagner, Schlingel und Bewährungshelfer der Nation,
heute haben Sie in der Bild-Online einen Brief an Brigitte Mohnhaupt geschrieben, den ich an dieser Stelle einmal wiedergeben darf:
“Liebe Brigitte Mohnhaupt,
Ihr 3. Tag in Freiheit. Gutes Frühstück gehabt? Rührei oder geköpftes Ei? Ist Ihr Haar schon trocken, das Sie sich mit dem Badetuch gerubbelt haben? Na, dann nichts wie raus ins Leben. Menschen gucken ist herrlich und dabei einen Latte macchiato trinken. Die Menschen, die Sie ermordet haben, gucken sich die Radieschen von unten an. Es ist schön, in der Sonne zu sitzen, nicht wahr? Mittags unbedingt Sushi essen, das ist japanisch, roher Fisch, köstlich, gab es zu Ihrer Zeit nicht. Haben Sie schon ein Handy? Sie brauchen unbedingt eins, es ist so wahnsinnig bequem. Zu Ihrer Zeit, im Untergrund, musste man noch zur Telefonzelle. Wie so viel einfacher ist das Leben geworden.
Es ist Ihr 3. Tag in Freiheit und die verwundbare Stelle jeder Frau, auch einer Ex-Mörderin, sind ein neues Paar Schuhe. Frauen sind auf Schuhe verrückt. Die meisten Frauen von heute zahlen mit Kreditkarte. Sie, Ex-Mörderin, brauchen also Amex, EC, Master, Visa. Was brauchen Sie noch – natürlich einen Internet-Anschluss. Per Internet können Sie mit Freunden surfen, in Sekundenschnelle Botschaften schicken.
Wahrscheinlich sind Sie jetzt müde, Frau Mohnhaupt. Zu viele Eindrücke auf einmal.
Es ist unfassbar, dass eine Mörderin in unserem Land die Chance hat, glücklich zu werden.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner”

Ich höre schon Ihre Gegner schimpfen: Dreckschleuder, Stürmerhetze, Gröschmaz (größter Schmierfink aller Zeiten) usw. Und zugegeben, wenn ich Ihr Feind wäre, würde ich sicher auch so reden. Allerdings haben alle Ihre Kritiker wahrscheinlich Ihren Brief gar nicht genau genug gelesen. Sie halten für Zynismus, was eigentlich nur wahre Liebe ist. Es geht schließlich darum, dass jede Wahrheit einen Mutigen braucht, der sie ausspricht. Männer wie Sie zum Beispiel – oder meinetwegen auch Ihr Chef, wie heißt er doch gleich. Und das ist schon mutig, wie Sie sich an die gefährlichste Frau Deutschlands ranmachen. Einfach so. Der Wahrheit zuliebe. Wahre Liebe sozusagen. Toll. Und wie Sie sofort und ohne Umstände in die verwundbare Stelle von Ex-Mörderinnen treffen: Schuhe. Eine hinreißende Anmache. Auch das mit dem geköpften (!) Ei, ein herrlich subtiler Insider-Scherz. F.-J., geben Sie’s zu: Sie wissen genau, dass die meisten Frauen von heute statt einer Kreditkarte noch lieber einen Mann haben, der ihnen – nach einem Sushi macchiato – mit Amex, EC, Master oder Visa die Schuhe bezahlt, aus eigener Tasche. Ich wette, Sie haben damit Erfahrung! Und schon ganz andere Bräute abgeschleppt. So schlecht sehen Sie doch schließlich gar nicht aus. Und zwei Handys haben Sie doch sicher auch schon längst? Wie man mit Freunden surft und in Sekundenschnelle Botschaften schickt, wer sollte es Brigitte Mohnhaupt nach all diesen Jahren beibringen, wenn nicht Sie? Ihr Satz “Es ist unfassbar, dass eine Mörderin in unserem Land die Chance hat, glücklich zu werden” ist das schönste Heiratsangebot, das ich je gelesen habe. Und noch unfassbarer ist, dass so ein toller Mann wie Sie, F.J. Wagner, Frau Mohnhaupt glücklich machen will.
Aber bevor ich Sie frage, ob Frau Mohnhaupt denn schon auf Ihr Angebot geantwortet hat, merke ich, wie ich müde werde. Zu viele Eindrücke auf einmal.
Viel Glück wünscht dennoch herzlich
Ihr Tom Levold

27. März 2007
von Tom Levold
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Zukunft der Familie

Während gegenwärtig mit Frau von der Leyen ausgerechnet eine CDU-Ministerin mit ihren familienpolitischen Initiativen dafür sorgt, dass Familienpolitik zu einem„heißen“ gesellschaftlichen Thema wird (wann hat es das zuletzt gegeben?), stellt sich doch die Frage, ob diese Familienpolitik wirklich in der Lage ist, der gegenwärtigen„strukturellen Rücksichtslosigkeit“ gegenüber Familie jenseits aller ideologischen Absichtserklärungen etwas Substanzielles entgegenzusetzen – zu wünschen wäre es. Für eine Familien- und Sozialpolitik, die diese strukturelle Rücksichtslosigkeit, deren Pendant in gewisser Weise die„Politikresistenz“ der Familie darstellt, zum Ansatzpunkt macht, plädiert der bekannte (emeritierte) Familiensoziologe Franz Xaver Kaufmann in seinen zahlreichen Arbeiten. Das Buch„Zukunft der Familie im vereinten Deutschland“, das 1995 als Neubearbeitung seines Werkes„Zukunft der Familie“ von 1990 erschien, welches er noch vor der Maueröffnung verfasst hatte, ist mittlerweile über 10 Jahre alt. Insofern kann nicht von einer„Neuvorstellung“ gesprochen werden. Allerdings hat es an Aktualität nicht verloren, auch wenn es mittlerweile nur noch antiquarisch zu beziehen ist. Oliver König hat 1997 eine lesenswerte Rezension für die„Familiendynamik“ verfasst, die heute im systemagazin zu lesen ist.
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26. März 2007
von Tom Levold
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Zeitschrift für Ideengeschichte

Bei C.H. Beck hat ein neues intellektuelles Zeitschriftenprojekt die Welt erblickt, das sich nicht den großen Theorieentwürfen der Vergangenheit und Gegenwart verpflichtet fühlt, sondern der Geschichte der unterschiedlichen Ideen nachspüren möchte, die sich in diesen Entwürfen finden lassen, immer wieder erneuten Transformationen ausgesetzt sind und unsere politische und kulturelle Gegenwart nachhaltig prägen. Ihr Programm umreißen die Herausgeber Ulrich Raulff, Helwig Schmidt-Glintzer und Hellmut Th. Seemann (vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Klassik Stiftung Weimar) in ihrer Einleitung folgendermaßen:„Vierzig, fünfzig Jahre lang jagten sich die historischen Synthesebegriffe, die «Paradigmenwechsel» und die «turns» der Geisteswissenschaften, bis diese selbst, soziologisch aufgeklärt und kulturalistisch weise geworden, nicht mehr so heißen wollten. Eine gleichsam spätantike Religionenkonkurrenz interpretatorischer Moden und Methoden verdunkelte die Szene. Doch die damals aufgerichteten Bilder sind zerfallen. Die Schlagwortstürme haben sich gelegt. Geblieben ist der Begriff der Ideengeschichte – und der Erkenntniswille, solche oft komplizierten Zusammenhänge sorgfältig zu rekonstruieren: Polemische und irenische Geschichten kommen zutage, Skizzen von Wanderwegen, Berichte von schwierigen Überlieferungen und unerhörten Wirkungen. Geblieben ist die Notwendigkeit, die langen Linien des Ideenverkehrs zu erforschen, die Rezeptionen und Transformationen, die Abbrüche und Neuaufnahmen. Geblieben ist der Wunsch nach Neuansätzen aus profunder Kenntnis des Archivs: Wie sich die Kunst aus dem Rekurs auf ältere Kunst erneuert, erprobt sich neues Denken im Angesicht des schon Gedachten“
Das erste Heft, das auch als kostenloses Leseexemplar angefordert werden kann, bietet in attraktiver und augenfreundlicher Aufmachung Beiträge über das Schicksal der Entfremdungs-Idee, das Konzept der Coolness (hinter dem sich eine Geschichte der Distanzierung verbirgt) und ein (auch online zu lesender) Aufsatz von Helmuth Lethen über den„Untergrund“, die Idee der Tiefe, die gerade auf deutsche Philosophen und Intellektuelle immer wieder große Faszination ausgeübt hat.
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25. März 2007
von Tom Levold
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Biografie-Arbeit

Das aktuelle Heft von systhema (1/2007) widmet sich dem Thema Biografie-Arbeit. Die Beiträge entstammen der Zusammenarbeit einer Gruppe von FamilientherapeutInnen, die sich 2004 anlässlich des 60. Geburtstages von Gesa Jürgens erstmals traf und seitdem mit diesem Thema beschäftigt ist. Almute Nischak beschreibt in einem Vorwort die Arbeit dieser Gruppe:„Zu Beginn näherte sich die Projektgruppe dem Thema ,Biografiearbeit‘ vorwiegend aus Sicht von Profession und Wissenschaftlichkeit. Doch im Laufe der meist mehrtägigen Projekttreffen … veränderte sich der Charakter unserer Zusammenkünfte erheblich. Zur professionellen Auseinandersetzung kam ganz allmählich die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und Herkunft hinzu. Die Verbindung von Profession und Person fiel den einen leichter, anderen um so schwerer, forderte dieser Perspektivwechsel doch von jedem Gruppenmitglied die Bereitschaft, das Subjektive der eigenen Herkunft einzubringen und gleichzeitig den Anspruch, wissenschaftlich zu arbeiten, aufrechtzuhalten. Wir ließen uns schließlich alle auf Erinnerungsprozesse ein, die auch den Besuch realer Orte und Personen mit einbezog. So fuhren vier Mitglieder der 6-köpfigen Gruppe nach Polen und besuchten, teils mit ihrer Herkunftsfamilie, teils ohne, bedeutsame Orte, die ihnen oder ihren Eltern einst Heimat bzwe wichtige Station gewesen waren. Eine andere Teilnehmerin der Gruppe reiste auf ihrer Spurensuche mehrfach nach Ostdeutschland und erkundete dort das Wirken ihres Großvaters. Diese Spurensuche nahm auf das persönliche Leben und in einigen Fällen auch auf die Geschwister oder Eltern der Autorinnen Einfluss. Die Erfahrungen aus diesem offenen Pro-
zess flossen in die Gestaltung der Beiträge ebenso ein wie in das gegenwärtige, alltägliche Leben als FamilientherapeutInnen. Ein Resultat war neben der Verknüpfung von persönlicher und beruflicher Identität die Entmythologisierung von Familien- und sozialer Herkunftsgeschichte und von Orten“
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24. März 2007
von Tom Levold
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Impact-Techniken für die Psychotherapie

Danie Beaulieu präsentiert in ihrem Buch Techniken, wie Psychotherapeuten unter Zuhilfenahme von Objekten, Stühlen, Bewegung und anderen nicht-sprachlichen Mitteln Veränderungen bei Klienten anstoßen und die damit verbundenen Erfahrungen besser als bei rein sprachlichen Interventionen verankern können. Dennis Bohlken ist von diesem Buch angetan:„Das vorliegende Buch ist m.E. besonders für diejenigen geeignet, die auf der Suche nach verschiedenen praktischen Methoden unterschiedlicher Therapieschulen sind und ihr Methodenrepertoire erweitern wollen. Danie Beaulieu zeigt in ihrem Buch anhand von Fallbeispielen zahlreiche Impact-Techniken auf, die sich hervorragend und fast 1:1 in die Praxis umsetzen lassen. Rund um ein hervorragendes Praxiswerk!“
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23. März 2007
von Tom Levold
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Zur sogenannten Wissenschaftlichen Anerkennung von Psychotherapieverfahren

Nachdem der„Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie“ einen Entwurf der Neufassung der Verfahrensregeln zur Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung von Methoden und Verfahren der Psychotherapie („Methodenpapier“) vorgelegt hat, ist von der DGPT eine Stellungnahme veröffentlicht worden, die von Wolfgang Mertens, Professor für klinische Psychologie und Psychoanalyse und Psychologe an der Universität München, verfasst wurde. Auch wenn seine Kritik – wohl aus berufspolitischen Gründen – eher vorsichtig formuliert ist, greifen seine Aussagen im Kern eindeutig das neopositivistische, pseudo-naturwissenschaftliche Wissenschaftsverständnis des Wissenschaftlichen Beirates an, der das Heil der Psychotherapieforschung nach wie vor in RCT-Studien sucht, also in randomisierten Untersuchungen, die den subjektiven Faktor im Forschungsprozess eliminieren sollen:„Üblicherweise wird eine Randomisierung angewandt, um akzessorische Effekte wie Placebowirkungen, suggestive Wirkungen durch die Überzeugtheit eines Arztes von einem Medikament auszuschließen. Es geht also darum, die Wirkung des Verum – also die reine Substanzwirkung zu isolieren. In den psychodynamischen Psychotherapieverfahren ist aber gerade das, was über die Randomisierung ausgeschlossen werden soll, nämlich die Wirkung der persönlichen Beziehung, das Verum. Die Zufallszuweisung von Patienten zu Behandlungs- und Kontrollgruppen widerspricht allen Erkenntnissen von der Wichtigkeit einer freien Therapeutenwahl, bei der zumeist schon in den ersten Minuten eine mehr oder weniger gute Passung zwischen Patienten und Therapeuten zustande kommt, die als eine wichtige prognostische Variable gilt“.
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22. März 2007
von Tom Levold
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bush: sofortiger Abzug aller Truppen aus Irak

Wie die amerikanische Zeitschrift„The Onion“ am 21.3.2007 berichtete, hat der amerikanische Präsident (Foto: White House Gift Shop) den sofortigen Abzug aller Truppen aus dem Irak angeordnet: Über den Iran. Dieser überraschende, strategisch brilliante Schachzug befreit den Präsidenten aus der Defensive, in die er durch die Kongress- und Senatswahlen geraten ist und bietet Aussichten, auch die Krise im Nahen Osten endgültig zu meistern.„Bush said the U.S. Army, which deposed Iran’s longtime enemy Saddam Hussein, should be welcomed with open arms by the Islamic-fundamentalist state. ,And Iran’s so nearby,‘ Bush said. ,It’s only a hop, skip, and a jump to the east.'“ Der Plan, der mit großer Zustimmung rechnen kann, sieht zudem„a minor stopover for refueling and provisional replenishment in Syria“ vor, wie General George Casey ergänzte. Die Reaktionen des Iran werden mit Spannung erwartet.

22. März 2007
von Tom Levold
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Kriegsjournalismus – Friedensjournalismus

Wenn es keine objektive Berichterstattung geben kann, muss man davon ausgehen, dass die Berichterstattung über Konflikte selbst als Teil des Konfliktszenarios wirken und wahrgenommen werden kann. Wilhelm Kempf, Psychologieprofessor und Leiter der Projektgruppe Friedensforschung an der Universität Konstanz, beschäftigt sich in einem Artikel mit dieser Fragestellung:„Friedensjournalismus ist ein relativ junges Forschungsfeld der Psychologie, das sich erst im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts herauskristallisiert hat. Aufbauend auf Ergebnissen der Sozialpsychologie (Gruppenprozesse, Sozialer Einfluss, Konfliktforschung, Einstellungsveränderung), der Propaganda- und Feindbildforschung sowie auf Modellen des Konfliktmanagements und der konstruktiven Transformation von Konflikten, wird untersucht, welche Einflussfaktoren den eskalationsorientierten Bias herkömmlicher Kriegsberichterstattung bedingen und wie dieser in eine de-eskalations- bzw. friedensorientierten Konfliktberichterstattung transformiert werden kann. Der vorliegende Aufsatz skizziert dieses Forschungs- und Entwicklungsprogramm in sechs Abschnitten: (1) Erkenntnisinteresse, (2) Aufgabenstellung, (3) Theoretische Grundannahmen (4) Kriegsdiskurse vs. Friedensdiskurse, (5) Ein Zwei-Stufen-Modell, und (6) Journalistentrainings“
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21. März 2007
von Tom Levold
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Paar- und Familientherapie

Mit diesem schlichten Titel kommt ein groß angelegter, von Michael Wirschung und Peter Scheib herausgegebener Band daher, der 2002 im Springer-Verlag erschienen ist und über„den heutigen Stand paar- und familientherapeutischen Denkens und Handelns“ umfassend informieren möchte:„die Paar- und Familientherapie hat einen Stand fortgeschrittender Professionalisierung erreicht. Sie ist lehr- und lernbar geworden und dazu tragen differenzierte theoretische und methodische Grundlagen sowie eine verbindende (integrative) Praxis bei. Gerade dies soll und muss im Mittelpunkt eines Lehrbuches stehen“ (aus der Einleitung).
Die Rezensenten Bernd Reiners und Wolfgang Loth sind etwas unterschiedlich in ihrer Bewertung dieses Bandes. Reiners betont:„Mit diesem Lehrbuch setzen die Herausgeber nicht nur im Ausmaß (709 Seiten, Großformat) neue Maßstäbe. Zwar scheinen andere Bücher, z. B. das ,Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung‘ von v. Schlippe und Schweitzer dasselbe Thema zu behandeln; tatsächlich verfolgt das hier Beschriebene aber einen vollständig (anderen und) neuen Ansatz: Es wird schulenübergreifend – also nicht allein systemisch – die Paar- und Familientherapie beschrieben, auch um die weitere Zersplitterung der ,Szene‘ zu vermeiden. Hochaktuell und ausschließlich von deutschsprachigen Autoren verfasst gibt es den derzeit besten Überblick
über die Familientherapie“ Für Wolfgang Loth kommt jedoch die Systemische Therapie dennoch ein wenig zu kurz:„Angesichts der fortgeschrittenen Entwicklung ,Von der Familientherapie zur systemischen Perspektive‘ wirkt es dann jedoch etwas irritierend, wenn der Abschnitt ,Praxis‘ nur aus einem einzigen Kapitel besteht (,Vom Erstkontakt zum Behandlungsabschluss‘), in dem die beiden Herausgeber das Konzept des Freiburger Familientherapeutischen Arbeitskreises vorstellen und illustrieren. Nichts gegen diese Konzept, es hat Hand und Fuß, ist seriös, praxistauglich, überprüfbar und überprüft und außerdem sehr anschaulich, umfassend-informativ und anregend beschrieben. Welch schöne Möglichkeit, dies mit anderen Konzepten zu vergleichen. Da jedoch kein anderes Konzept in diesem Kapitel vorkommt, ist diese Möglichkeit hier nicht gegeben. So könnte aus den oben genannten Gründen ein schiefer Eindruck entstehen“
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