systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

20. Juni 2007
von Tom Levold
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Kommentar zur „Lehrbuch“-Diskussion

Nachdem am Sonntag eine weitere kritische Rezension zu Schweitzers und Schlippes„Lehrbuch II“ im systemagazin erschienen ist, gibt es nun einen Kommentar zur Stellungnahme von Michael Schlicksbier-Hepp, der nicht im Kommentarfensterchen verschmoren sollte. Vielleicht wird damit ja eine Diskussion angestoßen, die das Buch zum Anlass nimmt, über Sinn oder Unsinn der Störungsorientierung in der Systemischen Therapie öffentlich nachzudenken. Das systemagazin bietet sich gerne als Forum für eine solche Diskussion an. Lothar Eder aus Mannheim schreibt:„Als einer der im Beitrag des Kollegen Schlicksbier-Hepp apostrophierten ‚Mitautoren‘ und damit durchaus auch„Mitträger“ der Ideen und Intentionen des Buches von Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer verfolge ich in den letzten Wochen aufmerksam die Rezensionen und bin teilweise doch sehr erstaunt über die Heftigkeit der Reaktionen. Scheinbar stellt das Buch für manche einen ‚Sündenfall‘ dar, einen Bruch mit der systemischen Tradition.
Eines vorweg: ich sehe das nicht so, vielmehr erkennt das Buch an, was schon lange der Fall ist – daß nämlich systemische Psychotherapeuten in der Regelversorgung arbeiten und dies nolens volens entlang der Leitlinien u.a. des ICD 10.
Schlicksbier-Hepp schreibt, es sei eine Grundannahme systemischen Denkens, keine Expertenwertung von außen einzunehmen. Ich möchte an dieser Stelle fragen: geht das überhaupt? Wenn ja, hätte der Kollege den Status fortgeschrittener buddhistischer Praxis erreicht, nämlich nur noch wahrzunehmen und nicht mehr zu werten. Ist es in Wahrheit nicht so: wir werten fortwährend und Aufgabe des Therapeuten ist es (dies wiederum in systemischer Manier) diese Wertungen kommunikativ-polylogisch mit den Kunden zu dialogisieren und zu verhandeln?
Auch die soziologischen Unterscheidungen sind durchaus kritikwürdig: hic die ‚Traditionalisten‘ (Psa, TP, VT), hic fortschrittliche (?) Systemiker. Das klingt doch sehr nach Null-eins-Logik.
Es ist ein gutes Ziel, systemisches Denken und Handeln in den Chor der Psychotherapieverfahren einzubringen. Wenn wir allerdings mitsingen wollen, müssen wir die Aufnahme in den Chor beantragen. Was Schlicksbier-Hepp und alle anderen Rezensionen, die mir bislang bekannt
sind (Tom Levold, Wolfgang Loth) m.E. zu wenig berücksichtigen, ist die (lösungsorientierte) Frage, inwieweit der ICD, de-ontologisch aufgefaßt, ein guter Leitfaden sein kann, Störungen (wiederum im
de-ontologischen Sinn) zu verstehen und zu kategorisieren. Meine These: er kann. Allerdings mit deutlichen Einschränkungen. Ein systemisches Verständnis z.B. von Angst, das sich auf die Organisationsformen der ‚Störung‘ bezieht, kann gegenüber dem ICD hermeneutische Türen aufstoßen, die geradezu revolutionär sind.
Treffend finde ich den Vergleich mit der Leitunterscheidung Allopathie / Homöopathie. Die ST, auch wenn die systemische Community diese Sichtweise im Mainstream nicht schätzt, weist mit ihren Denkfiguren von Selbstorganisation und Selbstregulation erstaunliche Parallelen zu traditionellen antiken Medizin- und Anthropologiekonzepten (z.B: den chinesischen) auf (u.a. Capra hat darauf hingewiesen).
Lothar Eder

19. Juni 2007
von Tom Levold
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Wann ist zu Ende therapiert?

Eine Frage, die nicht so leicht zu beantworten ist. Das war auch der Ausgangspunkt der Herausgeber des aktuellen Heftes von„Psychotherapie im Dialog“, Bettina Wilms und Michael Broda:„Die Frage, wann denn zu Ende therapiert sei, ließ sich erwartbar nicht nach schulenspezifischen Erwägungen trennscharf beantworten. Vielmehr wurde in der Diskussion schon deutlich, dass es auch eigentlich kurzzeitverliebte Systemiker teilweise durchaus lange mit Klienten aushalten und die Befürworter langfristiger therapeutischer Beziehungen dies nicht in jedem Fall für indiziert halten. Also wurde schnell klar, dass dieses Thema nahezu gemacht ist für eine Zeitschrift, die eine schulenübergreifende Sichtweise auf die Psychotherapie als wesentliches Anliegen vertritt. Dann jedoch konkret Menschen zu finden, die sich mit dieser Thematik systematisch beschäftigen, darüber publiziert haben und bereit wären, einen Beitrag zu verfassen, gestaltete sich schwieriger als zunächst gedacht. Eine Menge von Gründen hierzu findet sich im Standpunkte-Beitrag von Rieber-Hunscha: Verglichen mit anderen Themen, scheint das Therapieende eher ein vernachlässigtes Terrain in der publizierten Diskussion zu sein. Darüber hinaus ist in Ausbildungscurricula recht wenig zur Frage, wann zu Ende therapiert sei, zu erfahren, geschweige denn, wie es gelingt, dieses Ende einzuleiten und zu gestalten“
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17. Juni 2007
von Tom Levold
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Lehrbuch der Systemischen Therapie II

Ende Februar wurde im systemagazin das„Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II. Das störungsspezifische Wissen“ von Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe vorgestellt, verbunden mit der Einladung zur gründlichen Diskussion. Wie man mittlerweile sehen kann, wurde das Buch höchst kontrovers aufgenommen. Michael Schlicksbier-Hepp, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Oberarzt an der KJPP Wilhelmshaven und ausgebildeter systemischer Familientherapeut (übrigens mit einem eigenen Internet-Forum), hat nun eine ausführliche Stellungnahme zum Buch verfasst, die im systemagazin veröffentlicht wird:„Natürlich wird man Schweitzer und von Schlippe zu Gute halten dürfen, dass die diagnosezentrierte Ausrichtung ihres zweiten Lehrbuchbandes eine Realität antizipiert und reflektiert, in der systemisch ausgerichtete Therapeuten bereits faktisch Teil des„faustischen Paktes“ über die Abrechnung mit den Kostenträgern, den Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen sind. Ihre Zusammenarbeit mit dem Patienten vergüten diese Systeme nur nach der Aushändigung einer Diagnose mit dem derzeitig aktuellen ICD-10-Schlüssel, der„internationalen Klassifikation psychischer Störungen“. Dabei dürfte mancher Therapeut nicht nur danach fragen, welche Diagnose dem Patienten nützt oder schadet, sondern auch danach, welche ihm selbst nützt, seinen Aufwand entschädigt zu bekommen. Es stellt sich für mich allerdings die Frage, ob die Vertreter des systemischen Denkens diesen„faustischen Pakt“ nicht eher beklagen, als sich ihm anpassen, ja anbiedern sollten? Sollten Schweitzer und von Schlippe der Idee anhängen, dass es mit ihrem Weg gelingen könnte, die Traditionalisten auf dem Psychotherapiemarkt zu unterwandern und sie infiltrativ mit systemischen Ideen zu impfen, sollten sie sich auch das Gesetz der Wechselwirkungen vor Augen halten, nach dem die Diffusion in beiden Richtungen möglich ist“
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16. Juni 2007
von Tom Levold
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Die Konstruktion der systemischen Sozialarbeit

Unter dem Titel „Erzeugung und Konstruktion Systemischer Sozialarbeit“ fand auf dem Kongress „Creating Futures – Systemische Dialoge in Europa“, der vom 29. September bis zum 2. Oktober 2004 in Berlin stattfand, ein Subplenum statt, in dem unter der Leitung von Johannes Herwig-Lempp verschiedene RednerInnen mit ihren Vorträgen aufzeigten, dass sich systemisches Denken und Handeln auf spezifische Weise für die Soziale Arbeit (und nicht nur für Therapie und Beratung) eignet. Einige dieser Beiträge erschienen 2005 in einem Themenheft des Kontext, u.a. auch der vorliegende Artikel von Johannes Herwig Lempp, der in der Zusammenfassung schreibt:„ Von der Sozialen Arbeit zur systemischen Therapie und wieder zurück: Sozialarbeit ist von ihrer Grundstruktur her systemisch. Nicht nur kommen viele Mütter und Väter der Familientherapie ursprünglich aus der Sozialen Arbeit, auch hat diese als Königdisziplin im psychosozialen Feld die systemischen Ideen und Methoden begierig aufgenommen und weiter entwickelt. Es wird Zeit, diese Ansätze zu eigenständigen Konzepten einer Systemischen Sozialarbeit zu konstruieren“
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15. Juni 2007
von Tom Levold
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Einführung in die systemische Soziale Arbeit mit Familien

„Klein aber fein – so kann man das gelungene Werk von Wolf Ritscher in der Reihe ,Compact‘ des Carl Auer Verlages kennzeichnen. Es eignet sich vor allem für die Vorbereitung von Prüfungen und Kolloquien für alle die, die im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums einen zusammenfassenden Überblick über die systemischen Ansätze der Sozialen Arbeit mit Familien gewinnen wollen“, so urteilt Rezensent Georg Singe über den Einführungsband von Wolf Ritscher, Professor für Psychologie an der Hochschule für Sozialwesen in Esslingen und systemisch arbeitender Therapeut, über die systemische Soziale Arbeit mit Familien.
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14. Juni 2007
von Tom Levold
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Was sollten Familientherapeuten lernen?

Im Australian and New Zealand Journal of Family Therapy (ANZJFT) ist in Heft 3(2002) eine interessante Diskussion von systemischen LehrtherapeutInnen über die Frage veröffentlicht worden, was die Schlüsselkonzepte bzw. die zentralen Lerninhalte sein sollten, die in familientherapeutischen Weiterbildungen vermittelt werden sollten. Fünf erfahrene LehrtherapeutInnen aus Australien und Neuseeland und einige Kommentatoren (Glenn Larner, Chris Lobsinger, Malise Arnstein, Amaryll Perlesz, Bruce McNatty, Kerry James, Jenny Brown und Sophie Holmes) diskutierten den Nutzen von„Shopping Lists“ von Kernkonzepten, die Bedeutung des Kontextes von Lehrtherapeuten und Weiterbildungsteilnehmern für die Herausbildung ihrer jeweiligen Werte, Haltungen und Perspektiven sowie die besondere Rolle der Arbeit an der Herkunftsfamilie in der Weiterbildung. Dieser Beitrag ist auch online erschienen und
vollständig unter diesem Link zu finden…

13. Juni 2007
von Tom Levold
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Geschlecht und Männlichkeit

„Endlich! Auch die Männer bekommen in der Soziologie ein Geschlecht, und zwar durch einen Mann. Und dies erweist sich zudem als habilitationsfähig. Die in Bremen von Rüdiger Lautmann betreute Arbeit ist meines Wissens die erste ihrer Art im deutschsprachigen Raum, während in der englischen und amerikanischen Soziologie schon einige ernstzunehmende Arbeiten vorliegen, auf die sich Meuser daher auch stark bezieht“ So schreibt Oliver König 1999 in seiner Rezension des Buches„Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster“ des Soziologen Michael Meuser. Im vergangenen Jahr ist das Buch in einer überarbeiteten und aktualisierten 2. Auflage im Verlag für Sozialwissenschaften neu herausgekommen. Meuser behandelt nicht nur den theoretischen Stellenwert der Positionierung der Männer als Geschlecht in der Geschichte der Soziologie, sondern untersucht auch in einer eigenen empirischen Studie das Bild, das Männer unterschiedlicher Milieus heute von sich selbst haben. König verweist in seiner Rezension auf den dabei bedeutsamen Unterschied zwischen Diskurs und Praxis:„Der modernisierungstheoretische Ansatz, dem auch Meuser weitgehend folgt, ist durch seine Ergebnisse stärker in Frage gestellt, als er das selber zaghaft formuliert. Der modernisierungstheoretische Glaube an die reflexive Entzauberung aller Selbstverständlichkeiten hat auch etwas von einer Größenphantasie. Empirisch beschränkt sich diese reflexive Moderne zudem nur auf eine kleine akademisch gebildete Schicht von Männern, und ist auch dort sicherlich mehr Idee als Praxis. Vor allem aber sind es nach Meusers Analyse gerade die pragmatisch ausgerichteten jungen Facharbeiter, denen es gelingt, eine ansatzweise andere Form von Männlichkeit zu leben, anscheinend gerade weil sie sich nicht in eine Dauerreflexion über sich als Männer hineinbegeben. Wenn Geschlecht eine derart identitätsrelevante Kategorie darstellt, wie dies auch Meuser konstatiert, dann mag sie zwar im Diskurs wie Knetgummi zu behandeln sein, das gelebte Leben scheint sich aber nur bedingt danach zu richten“
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11. Juni 2007
von Tom Levold
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Mit den Armen nackt wie ihr Gewissen

Mit den Armen nackt, wie ihr Gewissen,
Liegt die Liebste in den Kissen, in den weißen.
Frühling hat die Fenster aufgerissen,
Sonne rollt den Leib den frühlingsheißen.
Mit der Lust von schönen wilden Tieren
Kommt die Sonne breit auf allen Vieren,
Sonne hat für meine Liebste Zeit;
Wie die Katzen liegen sie beisammen,
Wie die Katzen, deren Haare Funken flammen.

Max Dauthendey (1867-1918, Foto: Wikipedia)

10. Juni 2007
von Tom Levold
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Treibhäuser der Zukunft


Das ist ein kurzer, bei youtube.com eingestellter Ausschnitt aus einer wunderbaren DVD-Edition des Journalisten Reinhard Kahl, die belegt, dass eine andere Schule nicht nur schon jetzt machbar ist, sondern dass sie bereits auch schon existiert. Die DVDs mit Filmen über einen anderen Unterricht, eine andere Schulorganisation und mit vielen Interviews mit Pädagogen und anderen ExpertInnen rüttelt auf, macht wach und nachdenklich. Björn Enno Hermans, der die Filme für systemagazin betrachtet hat, resümiert: „Und auch wenn für einen selbst Schule und die Bildungsthematik nicht zu den ureigensten Interessen gehört, so gibt es doch zahlreiche Hinweise und Verbindungen zu den Themenfeldern Beratung und Therapie bzw. zu einer Grundhaltung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gegenüber. Aus meiner Sicht kann man, ohne dass dies wahrscheinlich beabsichtigt war, durchaus von einem systemischen Film sprechen, der sich durch die Würdigung von Unterschieden, Erweiterung von Möglichkeiten, Wertschätzung, Lösungs- und Ressourcenorientierung, genau wie die dargestellten Modelle von Schule auszeichnet“
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9. Juni 2007
von Tom Levold
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Krankenhaus

Die Zeitschrift brand eins hat für die Unternehmensberatung McKinsey & Company ein Magazinformat namens McK Wissen entwickelt, das mittlerweile 20 Ausgaben umfasst und„das Know-how der renommiertesten Consulting-Firma der Welt transportieren“ soll – und zwar„in ungewöhnlichem Layout auf hohem journalistischen und gestalterischen Niveau“. Das Heft Nr. 19 befasst sich mit dem Thema Krankenhaus. In kaum einem Bereich werden gegenwärtig Organisationen so gründlich umgekrempelt wie im Gesundheitsbereich. Das Heft liefert Zahlen und Fakten zum gegenwärtigen Krankenhaussystem, Beispiele für erfolgreiche Klinik-Reorganisationen und Privatisierungen, Berichte über den unbefriedigenden Stand der Qualitätsberichterstattung der Kliniken, kreative Dienstplangestaltung für ärztliches Personal, Entwicklung von Behandlungspfaden, politische Schwierigkeiten bei der Fusionierung von Krankhenhäusern u.v.a.m.
Wer im engeren oder weiteren Sinne im Gesundheitsbereich tätig ist, wird in diesem Heft interessante und gut geschriebene Beiträge finden, die freilich durchgängig die McKinsey-Perspektive aufweisen, von der Schattenseite gegenwärtiger Veränderungsprozesse ist eher nicht die Regel. Vor allem erstaunt die Ineinssetzung von Krankhaus mit den somatischen Kliniken, von psychiatrischen, psychosomatischen oder Suchtkliniken ist überhaupt nicht die Rede. Das ist umso verwunderlicher, bedenkt man, dass psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch Alkohol als Indikation für einen vollstationären Krankenhausaufenthalt im Jahre 2005 an dritter Stelle standen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass in diesem Bereich Rationalisierungen nicht mehr wirklich sexy sind.
Was das ästhetisch hochattraktive Layout betrifft, ist nur die Idee der Designer zu bemängeln, das gesamte Heft (Din A-4 auf schwerem Hochglanzpapier) im Querformat zu gestalten, was nicht nur ein Angriff gegen alle Lesegewohnheiten des Abendlandes bedeutet, sondern auch dafür sorgt, dass eine längere Lektüre nicht ohne dicke Daumen zu haben ist, die unvermeidlich sind, wenn man das Heft aufgeschlagen halten möchte. Das Heft ist für 15 € hier zu bestellen, auf der gleichen website kann man die einzelnen Texte auch als PDF herunterladen.

8. Juni 2007
von Tom Levold
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Evaluation als Wissens- und Machtform

Der Gießener Erziehungswissenschaftler Thomas Höhne (Foto: www.qineb.de) hat sich in einem sehr kritischen Aufsatz mit dem gegenwärtigen Evaluationswahn beschäftigt, den er in Anlehnung an Foucault als Beispiel neoliberaler Gouvernementalitäts-Praktiken untersucht:„Im vorliegenden Papier wird Evaluation als ein komplexes Kontrollwissen aufgefasst, dessen zentrale Funktion in der Optimierung von Steuerungsleistungen liegt. Dies beinhaltet vor allem die Kontrolle von Kausalzusammenhängen, die aber – so die konstruktivistische These – erst durch das Instrument Evaluation hergestellt werden. Kontrolle wird dabei als ein wesentlicher Faktor von Macht in Informations- bzw. Wissensgesellschaften aufgefasst. Jede Gesellschaft entwickelt historisch ihre eigenen Kontrollmittel für ein geeignetes soziales Kausalitätsmanagement zur Systemsteuerung. ‚Evaluation’ stellt dabei ein Steuerungsinstrument dar, das im Kontext des Taylorismus und der positivistisch orientierten Testpsychologie zuerst in den USA entwickelt wurde und sich als tayloristisches Steuerungsinstrument in den 60er Jahren gesellschaftlich verallgemeinerte. In vier Phasen wird der Evaluationsdiskurs rekonstruiert und es wird danach gefragt, welche Funktion das tayloristische Steuerungsmittel Evaluation heute in Zeiten eines neoliberalisierten Postfordismus besitzt. So lässt sich am Beispiel von Evaluation zeigen, dass die neoliberale Transformation des Staates im Kern mit der weitreichenden Durchsetzung repressiv-restriktiver Mittel des Ausschlusses und der rigiden Standardisierung zum Zweck der Selektion einhergeht. Was Evaluation betrifft, so besteht der Wandel darin, dass es sich von einem politischen Mittel, das ehemals zur Bewertung von Sozialprogrammen im politischen und pädagogischen Bereich (Aufhebung von Bildungsungleichheit) eingesetzt wurde, hin zu einem reinen Ökonomisierungs- und Standardisierungsinstrument entwickelt hat. Als zweites wichtiges Element lässt sich beobachten, dass Evaluation tief in sozialen Praktiken der Subjekte verankert ist und dort ‚Haltungen’ kreiert, durch welche die Subjekte sich permanent selbst evaluieren und sich unter Selbstbeobachtung stellen. Ganz im Sinne der Foucaultschen Analysen zur Gouvernementalität zeigt sich hier eine Koformierung öffentlichstaatlicher Praktiken und Subjektivierungsweisen im Neoliberalismus“
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5. Juni 2007
von Tom Levold
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ZUM Glück. Wissen und Wundern in der systemischen Praxis

Vom 17. – 19. Mai fand in Mainz die diesjährige Fachtagung der Systemischen Gesellschaft (SG) statt, ausgerichtet vom Institut für Familientherapie Weinheim. Tagungsthema war „Zum Glück. Wissen und Wundern in der systemischen Praxis“. Helga Brüggemann aus Düsseldorf schreibt in ihrem Tagungbericht: An drei Tagen … konnte man im Mainzer Schloss mannigfaltige Zugänge zu dem Thema ,Glück‘ finden. Das Symposion bewegte die Teilnehmer alleine schon durch wechselnde Tagungsformate von Plenarvorträgen und Teilplenen über Workshops, der Methodeninseln, dem Rahmenprogramm bis hin zu Abendveranstaltungen. Auf dem Symposion wurde das Gücks-Kaleidoskop in vielfältiger Weise gedreht, beispielsweise aus systemischer, psychotherapeutischer, hirnphysiologischer, ökonomischer, konstruktivistischer, medizinischer, existenzanalytischer, kabarettistischer, multimedialer und musikalischer Perspektive. Der Tagungsteilnehmer hatte reichlich Gelegenheit, das Thema seiner Schwerpunktinteressen und Arbeitsbereiche entsprechend zu vertiefen. Ein Kaleidoskop des Glücks eröffnete sich bezogen auf nahezu alle Lebensbereiche, von der Geburt bis zum Tod“ Wer neugierig geworden ist, findet hier
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4. Juni 2007
von Tom Levold
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Family Process 2/07

Die aktuelle Ausgabe der Family Process ist ganz dem Anfang des Jahres verstorbenen Familientherapie-Pionier und ehemaligem Herausgeber der Zeitschrift, Lyman C. Wynne, gewidmet (Das Editorial ist hier online zu lesen). Altmeister Carlos Sluzki geht ausführlich auf die Verdienste Wynnes bei der Entwicklung eines familienorientierten Verständnisses der Schizophrenie ein, Susan McDaniel beschreibt ihre Erfahrungen mit Wynne als persönlichem Mentor, mit dem sie eine lange Zusammenarbeit verband und Don Bloch, ebenfalls Family Process-Urgestein erinnert an Wynnes Tätigkeit für die Zeitschrift. Im September 20005 wurde an der University of Rochester School of Medicine, der Heimat des Wynne Center for Family Research, eine Tagung zu Ehren von Lyman Wynne abgehalten. Vier der Vorträge auf dieser Tagung finden sich im aktuellen Heft wieder, darunter zwei Beiträge von Celia Falicov und Carlos E. Sluzki, die die Zukunft der Familientherapie beleuchten. Falicov betont die Bedeutung familienbezogener und gemeinwesenorientierter Programme für die immer wichtiger werdende Arbeit an Migrationsproblemen, Sluzki beschäftigt sich mit der Interaktion von biologischen, psychischen und sozialen Phänomenen und rückt die Bedeutung der interaktiven„Interfaces“ in den Vordergrund.
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