14. November 2007
von Tom Levold
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Das Management Zentrum Witten um die Gründer Dirk Baecker, Fritz B. Simon und Rudolf Wimmer hat sich in den letzten Jahren neben seinen wissenschaftlichen und beraterischen Tätigkeiten auch mit Büchern und Tagungen um die Verbreitung systemischen Denkens in Organisationen verdient gemacht. So startet z.B. morgen in Berlin die zweite X-Organisationen-Tagung des MZW, die wie auch schon ihr Vorgänger ebenso von inhaltlichen Komplexitätszumutungen wie ausgefeilter ästhetischer Präsentation gleichermaßen geprägt sein wird. Die neueste Schöpfung des Hauses MZW ist eine großformatige Zeitschrift, für die das Gleiche gesagt werden kann, eine aufwändig gestaltete„revue für postheroisches management“, die in einer mutigen 5000er-Auflage zweimal jährlich erscheinen soll. Dem Formbewusstsein, das die Einheit von Form und Inhalt im Blick hat, ist nicht nur ein ansprechendes, für ausgezeichnete Lesbarkeit sorgendes Design sowie eine entsprechend gestaltete website geschuldet (auf der auch einige Beiträge als PDFs zu lesen sind), sondern auch die jeweilige Vorstellung des (wir dürfen vermuten: postheroischen) künstlerischen Werkes eines„featured artists“, das mit ganzseitigen Abbildungen den Texten einen visuellen Kontrast verschafft. Den Anfang macht in der Startnummer Annett Zinsmeister mit (oft erst auf den zweiten Blick, dann aber sicher) atemraubenden Fotos/Montagen von Plattenbau-Fassaden, die den Betrachter auf eine Weise in visuelle Paradoxien von Oberfläche und Tiefe verstricken, als ob sie gemacht worden seien, um das Anliegen der Herausgeber zu verbildlichen.
Dieses Anliegen bestimmt Dirk Baecker in seinem Editorial folgendermaßen:„Eine Zeitschrift, die sich als Revue bezeichnet, rechnet nicht damit, mit neuen Erkenntnissen überraschen zu können. Im Gegenteil, was man hier zu lesen und zu sehen bekommt, hat man alles schon einmal gesehen. Wir möchten dazu einladen, noch einmal hinzuschauen, getreu der Aufforderung von Heinz von Foerster: »Bitte nie zu sagen, das ist langweilig, das kenne ich schon. Das ist die größte Katastrophe! Immer wieder sagen, ich habe keine Ahnung, ich möchte das noch einmal erleben.« Wir möchten dazu einladen, noch einmal hinzuschauen und dieses Mal sorgfältiger als bisher die Effekte der Organisation, des Managements und der Gesellschaft miteinander zu verrechnen. Unser Ausgangspunkt ist ein systemischer: Wer glaubt, die Sachverhalte voneinander trennen zu können, irrt; wer sie miteinander vermischt, allerdings erst recht. Wir laden mit dieser Zeitschrift dazu ein, die Differenzen bei der Arbeit zu beobachten. Das gilt für unsere Ausgangsdifferenz zwischen Organisation, Management und Gesellschaft, aber auch für alle anderen Differenzen, die uns interessieren, weil sie einen Beitrag dazu leisten können, dieser (für diese Zeitschrift) ersten Differenz auf die Spur zu kommen.
Vom postheroischen Management sprechen wir, weil das Heroische darin bestand, zugunsten des Gewinns von Tragik und von Komik an den einmal gesetzten Unterschieden festzuhalten. Held ist, wer entweder beeindrucken triumphiert oder großartig scheitert. Alle anderen sind bloß Beobachter, die dem Weltenlauf nichts hinzuzufügen haben, sondern allenfalls die anfallenden Arbeiten erledigen. Im postheroischen Management werden die Beobachter aus ihrer passiven Rolle befreit. Sie werden zu Akteuren. Jeder ihrer Arbeitsschritte ist eine Entscheidung. Helden stören dabei nur. Helden sind Leute, die den Blick für die Gegenwart scheuen und sich stattdessen auf ihre Zukunft, ihre glorreiche Zukunft, konzentrieren. Wir interessieren uns in dieser Revue für die Ressourcen der Beobachtung, um zu besseren Entscheidungen zu kommen. Wir suchen nach einem Management, das in der Lage ist, der Gegenwart und ihren strategischen Möglichkeiten nicht auszuweichen, sondern sich ihr zu stellen. Wir wissen, dass die Praxis des Managements vielfach besser ist als sein, des Managements, Ruf. Wir wissen aber auch, dass Selbstverständnis und Selbstbeschreibung dieser Praxis nur selten gewachsen sind. Mit anderen Worten, wir handeln intelligenter, als wir reden. Unter dem Stichwort des postheroischen Managements versuchen wir, die Managementlehre, das Reden über das Management, auf die Höhe seiner eigenen Praxis zu bringen“
Gut gebrüllt, Löwe! In der ersten Ausgabe findet das Reden über Management neben klugen und theoretischen Erwägungen über die Praxis von Organisationen vorwiegend in Interviews statt, die sich als Revue-Form bestens eignen. Die Lektüre ist anspruchsvoll und vergnüglich zugleich. Möge das Wagnis, in diesen Zeiten ein neues Print-Medium ohne massive Werbeunterstützung der üblichen Verdächtigen auf den Markt zu werfen, von Erfolg gekrönt sein (zumal das Jahresabonnement für ein Magazin dieser Machart mit 40,- lachhaft günstig ist). systemagazin wird auf die Inhalte der jeweils neuesten Ausgabe aufmerksam machen.
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