systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

5. Dezember 2007
von Tom Levold
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Jeder dritte Zettel eine Überraschung!

Im Juni war an dieser Stelle ein Video zu sehen, dass Niklas Luhmann bei der Vorführung seines Zettelkastens zeigte. Nun gibt es Neuigkeiten. Die Soziologen André Kiesering und Rudolf Stichweh, Jürgen Kaube von der FAZ, Bettina Heintz und die Luhmann-Tochter Veronika haben nach einem langen Rechtsstreit, während dessen der Zettelkasten nicht mehr zugänglich war, Einblick nehmen können. In einem Interview mit dem Deutschland-Radio schildert Andrè Kieserling die Umstände und die Ergebnisse der Besichtigung. Die handschriftlich verfassten Zettel sind gut lesbar, viele sind wie Manuskripte zu lesen, also keinesfalls nur Stichwortsammlungen, eine Rekonstruktion der Zettel könnte einen guten Zugang zum Aufbau und zur historischen Entwicklung der Luhmannschen Theoriearchitektur geben. Die ersten Zettel dürfte Luhmann schon mit 28 Jahren angelegt haben. Aufgrund ihres Alters kann natürlich nicht mit den Originalzetteln gearbeitet werden, die zunächst eingescannt und aufbereitet werden müssen. Auf eine Edition des Zettelkastens dürfen Systemtheoretiker und ihre Rezipienten gespannt sein.
Das volle Kieserling-Interview ist hier zu hören…

4. Dezember 2007
von Tom Levold
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Bitte nachmachen!


Forscher des Primaten-Forschungsinstitutes der Kyoto-Universität konnten zeigen, dass ein junger Schimpanse in der Lage ist, Universitäts-Studenten bei der Bewältigung einer Testaufgabe zu schlagen, bei der es um den Einsatz des sogenannten„Arbeitsgedächtnisses“ geht (working memory). Im Video ist zu sehen, wie der Schimpanse Zahlen in der richtigen Reihenfolge antippt, die nur für einen Bruchteil von Sekunden zu sehen waren. Chapeau!
Zum Blog mit genaueren Informationen…

4. Dezember 2007
von Tom Levold
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Systemagazin Adventskalender: Kongressgeschichten

Luigi Boscolo hat als Mitglied des„Mailänder Teams“ um Mara Selvini Palazzoli und später mit Gianfranco Cecchin auf unzähligen Tagungen und in noch unzähligeren Workshops und Seminaren die Vorstellungen vieler Systemischer TherapeutInnen der ersten und zweiten Generation über die Arbeit mit psychiatrisch diagnostizierten Indexpatienten nachhaltig geprägt. Im heutigen Adventskalender berichten Thomas Keller aus Köln und Ulrike Borst von Erlebnissen anlässlich einer Live-Demonstration von Luigi Boscolo, die ihren eigenen professionellen Entwicklungen eine nachhaltige Veränderung beschert haben. Thomas Keller fand Ende der 70er Jahre, wonach er die ganze Zeit gesucht hat, bei Ulrike Borst blieb kein Stein auf dem anderen:„Die folgenden fast zwei Jahrzehnte lang bemühte ich mich – mit Erfolg, wie ich glaube – darum, die scheinbar unvereinbaren Positionen der verhaltenstherapeutischen und der systemischen Variante der Familientherapie unter einen Hut zu bekommen. Für die Verhaltenstherapie als ,Schule‘ war ich allerdings verloren und machte eine systemische Weiterbildung“.
Zum Adventskalender…

3. Dezember 2007
von Tom Levold
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Family Process 4/2007

Die aktuelle Ausgabe ist in erster Linie Forschungsarbeiten zu Themen internationaler und multi-ethnischer Kontexte der Theorie von Paar- und Famiienbeziehungen gewidmet. Darüber hinaus gibt es einen theoretischen Beitrag von C. Christian Beels über Psychotherapie als Übergangsritus, eine Arbeit über die Funktion einer Mentorengruppe in der Ausbildung farbiger TherapeutInnen sowie einen Aufsatz über die Misshandlung und Vernachlässigung von älteren Menschen in Latino-Familien. Im Editorial gibt Herausgeberin Evan Imber-Black bekannt, dass Family Process ab sofort vermehrt Anstrengungen unternehmen wird,„truly international“ zu werden. Ein erster Schritt ist die Bereitstellung aller abstracts auch in Spanisch und Mandarin (Chinesisch) ab 2008. Immerhin stammt die Hälfte aller Abbonnenten nicht aus den USA. Dennoch wird es auf lange Sicht nicht zu erwarten sein, dass die abstracts auch in Deutsch übersetzt werden, was die Motivation fördern sollte, englische Texte auch im Original zu studieren. Der Abschluss des Heftes ist ein Nachruf auf Tom Andersen, verfasst von Harlene Anderson und Lynn Hoffman. Außerdem sind jetzt alle bibliografischen Angaben des Jahrgangs 2003 von Family Process ebenfalls im Zeitschriften-Archiv von systemagazin zu finden.
Zu den vollständigen abstracts…

3. Dezember 2007
von Tom Levold
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systemagazin adventskalender: Kongressgeschichten

Dörte Foertsch vom Berliner Institut für Familientherapie steuert eine kleine Erinnerung an eine Tagung mit Tom Andersen bei, der in Osnabrück vor 300 TeilnehmerInnen eine Life-Konsultation mit einer Familie und ihrem Therapeuten durchführte und dabei einen bleibenden Eindruck hinsichtlich der praktischen Wirksamkeit des Konzeptes des„reflecting Teams“ bei der Autorin hinterlassen hat.
systemagazin Adventskalender…

2. Dezember 2007
von Tom Levold
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Jürgen Hargens wird 60

Heute wird Jürgen Hargens 60 Jahre alt. Dazu möchte ich ihm an dieser Stelle von ganzem Herzen gratulieren und muss gleich dazu sagen, dass ich, wie wohl auch viele andere, von seinem Geburtstag erst durch die Würdigung erfahren habe, die Wolfgang Loth in der aktuellen Ausgabe von systhema veröffentlicht hat. Obwohl Jürgen Hargens durch seine vielen Publikationen sehr bekannt ist, zeigt das doch auch, dass er eher kein Mensch ist, der das Rampenlicht sucht. Auf Kongressen treibt er sich jedenfalls nicht sehr häufig herum. Ich selbst bin ihm nur ein einziges Mal persönlich begegnet, obwohl wir seit fast 25 Jahren miteinander in Kontakt sind, mal enger, mal weniger eng. Das hat vielleicht auch mit seiner norddeutschen Randlage und einer ausgeprägten Bescheidenheit zu tun. Wie auch immer, beides könnte dazu beitragen, dass der Beitrag von Jürgen für die Entwicklung der Systemischen Therapie in Deutschland heute womöglich unterschätzt werden könnte. Aus diesem Grund will ich meine Glückwünsche mit einem kleinen Sprung in das Jahr 1983 verbinden, dass bald 25 Jahre zurück liegt.
Am 7.1.1983 schrieb mir Jürgen Hargens einen Brief, schon damals mit dem Norderweg 14 in 2391 Meyn als Absender (Jürgen ist ein seßhafter Mensch). Ein Brief, der mich ebenso erfreute wie völlig überraschte, da ich noch nie von Jürgen Hargens gehört hatte, und in dem es hieß: „Sehr geehrter Herr Levold, ich werde dieses Jahr die ,Zeitschrift für systemische Therapie‘ herausgeben, die erste Ausgabe aller Voraussicht nach in diesem Frühjahr. Da sich gegenwärtig kein Verlag bereit zu finden scheint, ein derartiges Vorhaben zu unterstützen, werde ich die ganze Sache zunächst alleine machen müssen, d.h. planen, entwerfen, drucken, verschicken und finanzieren. Ich wende mich an Sie mit der Frage, ob und ggf. in welchem Maße Sie Interesse hätten, an dieser Zeitschrift mitzuarbeiten. Bisher wird die Zeitschrift in Zusammenarbeit mit dem ,Journal of Strategie and Systemic Therapies‘ entstehen unter Mitwirkung (d.h. als Mitglieder des ,editorial advisory board‘) einiger nordamerikanischer und nordeuropäischer Fachleute. Aus dem deutschen Sprachraum habe ich bisher erst einen Mitarbeiter gewinnen können. Ich weiß wohl, daß meine Angaben sehr dürftig sind, denke aber, daß eine Entscheidung dennoch möglich sein kann. Ich bin an Mitarbeitern interessiert, die zum einen als ,ständige Mitarbeiter‘ fungieren und damit – zum anderen – Manuskripte lesen und bewerten, potentielle Autoren ansprechen, Informationen etc. geben, selbst Beiträge verfassen und ,last not least‘ zur Verbreitung der Zeitschrift beitragen.“ Damals noch mit freundlichen Grüßen, auf die für Jürgen heute so kennzeichnende „friedliche Grüße“ ist er erst später gekommen.
Etwas zurückhaltend misstrauisch erwiderte ich, dass ich das Projekt mehr als interessant fände, aber zunächst wolle ich wissen, wie er überhaupt auf mich gestoßen sei. In seiner prompten Anwort schrieb er: „Ich habe von Ihnen durch Herrn D. Roloff (Hannover) erfahren. Persönlich sind wir uns (jedenfalls bewußt) nicht begegnet. Herr Roloff verwies auf Unzufriedenheiten einiger DAF-Mitglieder hinsichtlich der ,systemischen Therapie‘ und erwähnte in diesem Zusammenhang die ,Kölner Gruppe um Tom Levold‘. Ihre Anschrift ließ sich dann dem DAF-Mitgliederverzeichnis entnehmen.“ Über sich selbst schrieb Jürgen: „Zu meinem Kontext: ich arbeite als ,Klinischer Psychologe‘ in meiner kleinen Praxis und bemühe mich, systemische Ansätze in die Praxis umzusetzen (mit einem befreundeten Kollegen).“ Jürgen war damals 35, ich 29. So einfach war es damals, etwas Neues und Bahnbrechendes auf die Schiene zu setzen.
So entstand dann eine für mich sehr wertvolle Zusammenarbeit mit Jürgen Hargens an der „Zeitschrift für Systemische Therapie“, die sehr schnell zur wichtigsten Ressource für die eigenständige Etablierung der Systemischen Therapie in Deutschland wurde – gerade auch in Abgrenzung zur Familientherapie (worauf sich auch die zitierte „Unzufriedenheit“ bezog). Ein Verlag wurde gefunden („modernes lernen in Dortmund“) und die Zeitschrift entwickelte sich zum produktivsten und diskussionsfreudigsten Medium der systemischen Szene in den 80er Jahren. Dies in die Wege geleitet zu haben, ist das große und alleinige Verdienst von Jürgen Hargens, das heute, wo der Systemische Ansatz im engeren Sinne eine enorme Bandbreite an Darstellungs- und Veröffentlichungsmöglichkeiten hat, vielen jüngeren KollegInnen wahrscheinlich nicht mehr so richtig klar sein dürfte.
In der Systemischen Bibliothek erscheint heute aus Anlass des 60. Geburtstages von Jürgen Hargens ein Text von Cornelia Tsirigotis, die aus ihrer persönlichen Perspektive schildert, wie Hargens Idee des „Unerschrockenen Respektierens“ sie schon lange in ihrer eigenen Arbeit begleitet. Eine Hommage, die zeigt, dass diese Idee in ihre Praxis so eingesickert ist, dass sie sich gewissermaßen verselbstständigt hat und der Bezug auf den Urheber nur noch implizit vorgenommen wird. Kann es ein besseres Beispiel für Wirksamkeit geben?
Lieber Jürgen, von Deiner Initiative, Deiner Neugier, Deinen internationalen Verbindungen, Deiner Beharrlichkeit und auch Deiner Sperrigkeit haben wir alle (und natürlich auch Du) sehr viel profitiert. Auch wenn Du Deinen Geburtstag im Stillen feierst und Dir nur einen freien Dezember gönnst, möchte ich Dir von dieser Stelle aus alles Gute wünschen und uns viele weitere Beiträge aus Deiner Feder.
Tom Levold
Zur Systemischen Bibliothek…

2. Dezember 2007
von Tom Levold
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systemagazin adventskalender: Kongressgeschichten

Nach der Eröffnung des systemagazin Specials mit Kongressgeschichten am gestrigen Tag kommt heute Wolfgang Loth zu Wort, der sich an eine Veranstaltung mit Steve de Shazer erinnert: „Und jemand wollte mehr wissen, wollte wissen, wie es denn in Steves eigenem Leben funktioniere, was er hier so lösungsorientierend erzähle. Die Antwort kam unmittelbar: ,Study your own business!‘, bellte er den Fragesteller an, gefolgt von ,Next question!’“. Dass Wolfgang Loth dieser Antwort im Nachhinein eine Menge abgewinnen kann, können Sie in seinem Beitrag nachlesen.
Zum Adventskalender…

30. November 2007
von Tom Levold
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everybody


Willst du es wissen? Es ist des Wohllauts mächtige Gottheit,
Die zum geselligen Tanz ordnet den tobenden Sprung,
Die, der Nemesis gleich, an des Rhythmus goldenem Zügel
Lenkt die brausende Lust und die verwilderte zähmt.
Und dir rauschen umsonst die Harmonieen des Weltalls?
Dich ergreift nicht der Strom dieses erhabnen Gesangs?
Nicht der begeisternde Takt, den alle Wesen dir schlagen?
Nicht der wirbelnde Tanz, der durch den ewigen Raum
Leuchtende Sonnen schwingt in kühn gewundenen Bahnen?
Das du im Spiel doch ehrst, fliehst du im Handeln, das Maß.
(Friedrich Schiller: Der Tanz)

29. November 2007
von Tom Levold
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The Loss of Sadness: How Psychiatry Transformed Normal Sorrow into Depressive Disorder

Neben diesem Buch von Allan V. Horwitz and Jerome C. Wakefield bespricht Altmeister Frederick C. Crews in der aktuellen Ausgabe der New York Review of Books auch noch zwei weitere Werke, die sich mit dem Einfluss der Pharmaindustrie nicht nur auf die massive Steigerung des Konsums von Psychopharmaka, sondern auch auf die Erfindung und Diagnose neuer Krankheiten befassen, nämlich„Shyness: How Normal Behavior Became a Sickness“ von Christopher Lane und„Let Them Eat Prozac: The Unhealthy Relationship Between the Pharmaceutical Industry and Depression“ von David Healy. Crews:„The corporate giants popularly known as Big Pharma spend annually, worldwide, some $25 billion on marketing, and they employ more Washington lobbyists than there are legislators. Their power, in relation to all of the forces that might oppose their will, is so disproportionately huge that they can dictate how they are to be (lightly) regulated, shape much of the medical research agenda, spin the findings in their favor, conceal incriminating data, co-opt their potential critics, and insidiously colonize both our doctors‘ minds and our own. If we hear, for example, that an unprecedented epidemic of depression and anxiety has recently been sweeping the world, we tend not to ask ourselves whose interest is served by that impression“
Zur lesenswerten Rezension geht es hier lang…

28. November 2007
von Tom Levold
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Die populistische Lücke

So übertiteln Jörg Flecker und Sabine Kirschenhofer, SoziologInnen an der von Jörg Flecker geleiteten Forschungs- und Beratungsstelle Arbeit (FORBA) an der Universität Wien, ihre Studie über„Umbrüche in der Arbeitswelt und Aufstieg des Rechtspopulismus am Beispiel Österreichs“, die in der edition sigma 2007 erschienen ist. Ihnen geht es dabei um die Frage,„wie sich die subjektive Wahrnehmung und Verarbeitung des sozio-ökonomischen Wandels und insbesondere der Umbrüche in der Arbeitswelt in politische Subjektivität umsetzt“. Rezensent Wolfgang Loth bemerkt dazu:„Und wieso sollte das wichtig sein für unsere Arbeit? Zum einen macht die Beschäftigung mit Fragen gesellschaftlicher Verwerfungen und sozio-ökonomischer Verlustszenarien aufmerksam dafür, wieso manchmal bei allem Bemühen um eine vernünftige innere Klärung der Situation letztlich doch Resignation überwiegt. Mir ist es in der Arbeit meist dann am schwierigsten, wenn ich dem Sog von Klagen über finanzielle und materielle Verluste, dem Fehlen von reellen Gestaltungschancen nicht mehr wirklich standhalten kann, wenn ich auf Rückgrat zu sprechen komme, auf Menschenwürde, darauf, dass Besitz nicht alles ist, dass sich der Wert des Menschen nicht über das definiert, was er hat, dann bin ich oft schon weg vom Fenster. Wir beide, die KlientIn und ich wissen, dass wir uns in diesem Moment zwar mit Respekt und Sympathie begegnen, aber auch, dass wir beide mit weichen Mitteln gegen harte Realitäten argumentieren. Das ist schon etwas, möglicherweise sogar etwas Entscheidendes, aber es bleibt oft prekär. Dafür eine Sprache zu haben, wenigstens kein zusätzliches Mentalisierungsproblem zu haben, das ist schon was, und dieses Buch hilft dabei. Flecker und Kirschenhofer: ,Unsere Erhebung bestätigt die Bedeutung, die dem Mangel an Ausdrucksmöglichkeiten für das Arbeitsleid, für Kränkungen und Gefährdungen durch Umbrüche in der Arbeitswelt und auch für Angst vor sozialer Isolation zukommt‘ (S.154). Das wäre dann wieder ein Hinweis auf Möglichkeiten unser Profession. Dabei können wir helfen, und das wäre dann auch, wenn ich es recht verstehe, ein brauchbarer Beitrag dazu, dass die populistische Lücke nicht denen zum Auffüllen überlassen wird, die mit der Not der Betroffenen ihre eigenen Geschäfte betreiben wollen“
Zur vollständigen Rezension…

26. November 2007
von Tom Levold
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Kommunikation von Nicht-Kommunikation

Wenn Sie nicht wollen, dass Ihnen jemand eine email schickt, sollten sie ihm die email-Adresse zukommen lassen, an die er nichts schicken soll, findet jedenfalls die amerikanische Telefongesellschaft AT&T und beweist damit, dass sie sich auf der Höhe der systemtheoretischen Kommunikationstheorie befindet (Fundstelle: www.haha.nu)