systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

16. Januar 2008
von Tom Levold
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Hans im Glück(s) – Systemkompetenz und andere Märchen

Unter diesem Titel veröffentlichten Haja Molter und Heiner Ellebracht im„Kontext“ 1997, also kurz vor der Einführung des Psychotherapeutengesetzes, ein Plädoyer für die Erhaltung kreativer Spielräume angesichts einer bevorstehenden normativen Verengung psychotherapeutischer Diskurse, wohl schon ahnend, was heute unter dem label evidence based psychotherapy traurige Wirklichkeit zu werden scheint. Ihr Artikel ist heute in der Systemischen Bibliothek zu finden:„Bedingt durch die ermüdende Diskussion um das Psychotherapeutengesetz sowie die seit Jahren erfolglosen Versuche in der kassenärztlichen Versorgung als eigenständiges Verfahren anerkannt zu werden, läuft die systemische Therapie und Beratung Gefahr, ihre kreativen Ressourcen gegen Normierung, Qualilfizierung und Zertifizierung einzutauschen. Das in diesem Zusammenhang auftauchende Konzept der Systemkompetenz erweitern die Autoren in Richtung eines ‚kompetenten Verhaltens innerhalb von Systemen‘. Anhand von Beispielen aus der Märchenwelt sowie durch praktische Hinweise für den Beratungsalltag zeigen die Autoren für die systemische Therapie und Beratung einen Weg der Autonomie, Kreativität und Experimentierfreude“.
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13. Januar 2008
von Tom Levold
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Methodenpapier des Wissenschaftlichen Beirats

Der„Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie“ hat im Internet sein sogenanntes„Methodenpapier“ veröffentlicht, das„als Verfahrensgrundlage für die zukünftige Gutachtentätigkeit des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie mehrheitlich bei einer Gegenstimme beschlossen“ wurde. Bei dem einzigen Beiratsmitglied mit abweichendem Votum handelte es sich um Jürgen Kriz, dessen Minderheitenvotum gemeinsam mit dem Methodenpapier veröffentlicht wurde und in dem es heißt:„Indem das ‚Methodenpapier‘ die Begutachtung der entscheidenden Frage nach der ‚wissenschaftlichen Anerkennung‘ auf quantitative Wirksamkeitsbeweise reduziert, werden viele wichtige Belege zur Wissenschaftlichkeit, Wirksamkeit und zum Nutzen eines Verfahrens außen vor gelassen, die aus qualitativen Einzelfall- und Gruppenstudien, aus der quantitativen und qualitativen Prozessforschung oder der Forschung zur Wirkweise stammen (um nur wenige weitere Ansätze wissenschaftlicher Psychotherapieforschung zu nennen). Diese systematische Nicht-Berücksichtigung solcher Forschungsergebnisse durch das „Methodenpapier“ steht in krassem Gegensatz zur Evidenz, die viele Wissenschaftler bei der Beurteilung von Psychotherapieverfahren gerade (auch) aus solchen Forschungsansätzen ziehen und die dazu geführt haben, dass weit mehr als die Richtlinienverfahren (auch) in deutschen Universitäts-Lehrbüchern oder universitären Prüfungskatalogen etc. als wirksam und nützlich aufscheinen und von der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft auch als wirksam und nützlich beurteilt werden. (…) Dieses ‚Methodenpapier‘ zeigt (…) keine Wege auf, um wissenschaftlich begründbare und begründete Forschungsbelege zur Wirksamkeit und zum Nutzen eines Psychotherapieverfahrens – über eine enge quantitative Prüfmethodik hinausgehend – zu berücksichtigen. Es stellt daher eine kaum zu nehmende Hürde für solche Verfahren dar, deren wissenschaftliche Begründung und Erforschung vorwiegend (auch) anderen Paradigmen bzw. Prüfmethodiken folgt(e). Das ‚Methodenpapier‘ lässt sich daher zu leicht als ein Bollwerk dafür verwenden, um in der internationalen Wissenschaft angesehene Verfahren in Deutschland nicht wieder für die ambulante Versorgung und die Ausbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zuzulassen“ Fazit: Nicht viel Neues unter der Sonne, was die Politik des Wissenschaftlichen Beirates betrifft. What a shame.
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12. Januar 2008
von Tom Levold
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Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement

Nachdem im systemagazin im September letzten Jahres auf eine DGB-Studie über die Wahrnehmung von Arbeitsbedingungen seitens der deutschen Arbeitnehmer aufmerksam gemacht hat, gibt es nun wieder über ein interessantes Forschungsprojekt zu berichten. Das Online-Magazin Telepolis berichtet über eine neue, groß angelegte Studie, die die Wechselwirkungen zwischen Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement beleuchtet und als Forschungsprojekt vom Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Auftrag gegeben worden ist. Unter anderem differenziert die Untersuchung„vier verschiedene Mitarbeitertypen, die sich in sehr unterschiedlicher Weise mit ihrem Unternehmen identifizieren. Bedenklich erscheint den Autoren um Studienleiter Frank Hauser, dass nur 31 Prozent zur Gruppe der Aktiv-Engagierten gehören, die mit hoher Einsatzbereitschaft arbeiten und allenfalls bedingt zwischen eigenen Vorstellungen und den jeweiligen Unternehmenszielen unterscheiden. 37 Prozent zählen sich zu den Passiv-Zufriedenen, die wenig Konkretes gegen ihr berufliches Umfeld vorzubringen haben, aber auch nicht bereit sind, gestaltend in die eigene Arbeitssituation einzugreifen. Immerhin ein Drittel der Beschäftigten gehört zur kritischen Gruppe der Akut-Unzufriedenen (18 Prozent) oder gänzlich Desinteressierten (14 Prozent). Besondere Beachtung verdient nun der Umstand, dass die Unternehmensführung offenbar direkten Einfluss auf diese prozentuale Verteilung nehmen kann. In Betrieben, in denen die Mitarbeiterorientierung einen besonderen Stellenwert genießt, die Arbeitnehmer eine kompetente Führung, Anerkennung, Fairness und Teamgeist erleben oder gar an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden, wächst der Anteil der Aktiv-Engagierten auf 45 Prozent, während die Akut-Unzufriedenen nur noch 10 Prozent stellen“ (Telepolis). Die Studie kann im vollen Umfang von 256 Seiten
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12. Januar 2008
von Tom Levold
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Lösungsorientiertes Assessment

Günter Lueger, Wissenschaftlicher Leiter der PEF-Privatuniversität für Management in Wien mit psychoanalytischer und systemisch-lösungsorienterter Ausbildung beschäftigt sich in einem im Internet veröffentlichten Beitrag mit den Tücken einer Ist-Analyse, die zum festen Bestandteil vieler Change-Projekte in Unternehmen stehen:„Im Rahmen dieses Artikels sollen diese Ist-Analysen in einer anderen und ungewöhnlichen Perspektive diskutiert werden. Die zentrale These richtet sich dabei auf einen nach Meinung des Autors bisher vernachlässigten Aspekt: Ist-Analysen sind nicht eine wesentliche Basis von Veränderungsprozessen sondern erschweren und verhindern in vielen Fällen Veränderung! Allerdings gilt dies nicht für jegliche Form des Vorgehens, sondern vor allem für die in der Praxis häufig eingesetzten Methoden, die sich nicht oder nur in geringem Ausmaß an systemischen Grundprinzipien orientieren. Deshalb werden im Rahmen dieses Beitrages auch methodische Alternativen vorgestellt“
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8. Januar 2008
von Tom Levold
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Koch: Ausländerhetzkampagne Folge eines brutalstmöglichen Missverständnisses

Wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch heute in einem Gespräch mit systemagazin mitteilte, ist die gegenwärtige Ausländerhetzkampagne der CDU in Hessen Ergebnis eines brutalstmöglichen Missverständnisses zwischen Staatskanzlei und Parteizentrale gewesen.„Natürlich wissen wir, dass wir mit Hetze gegen Ausländer Wahlen gewinnen können. Allerdings wollten wir in diesem Wahlkampf einmal etwas ganz anderes versuchen, um von unseren Misserfolgen in der Bildungspolitik abzulenken“, betonte der Ministerpräsident. Ihm sei unerklärlich, wie die alten Wahlkampfunterlagen aus dem Jahre 2003/2004 in die aktuelle Kampagne geraten konnten:„Da wir das alles ja schon mal gemacht haben, kamen mir die Sprüche sehr vertraut vor. Das geht einem dann viel glatter von der Zunge. Deshalb haben wir auch den Fehler viel zu spät bemerkt“ bemerkte Koch zerknirscht. Er teilte mit, dass er und seine Partei sich in aller Form bei den ausländischen Mitbürgern entschuldigen wollen und kündigte eine brutalstmögliche Aufklärung der Fehlerursachen im Wahlkampfteam an. Er selbst habe überhaupt nichts gegen Ausländer und esse brutalstmöglich oft ein Dönerkebab zu Mittag. Als neuen Akzent im verbleibenden Restwahlkampf stellte Roland Koch die Forderung vor, überbezahlte Manager und Betreiber von Hedge-Fonds für eine bestimmte Zeit in Boot Camps unterzubringen, wie Erziehungslager heutzutage genannt werden:„In den vergangenen Jahren hat sich herausgestellt, dass viele Führungskräfte immer mehr den Anstand vor deutschen Sitten und Gebräuchen vermissen lassen. Das gilt besonders für Finanzinvestoren, die komplette Firmen am Konferenztisch schlachten und unserem Land ungewohnte Vorstellungen von Arbeitnehmerentsorgung an den Tag legen. Auch die Ganzkontenverschleierung ist bei dieser Personengruppe nicht mehr hinzunehmen und muss brutalstmöglich unterbunden werden“, postulierte Koch gewohnt offensiv, nicht ohne hinzuzufügen:„schließlich wissen wir genau, wovon wir da reden!“. Auf die Frage, ob er da nicht ein wenig zu viel des Brutalstmöglichen an den Tag lege, reagierte der Ministerpräsident heftig:„Uns ist jahrelang erzählt worden, der Staat müsse bei Wirtschaftsstraftätern weich reagieren. Das halte ich für falsch. Der Staat muss gerade Managern rechtzeitig und unmissverständlich die Grenzen aufzeigen. Später, wenn eine Führungskraft in eine kriminelle Karriere abgeglitten ist, ist es dafür oft zu spät. Deshalb der Vorschlag eines Warnschussarrestes, damit Täter bald nach der Tat merken, dass der Staat es ernst meint. Und das ist, nach meiner festen Überzeugung, bei Finanzzockern das Allerwichtigste. Unsere Polizisten und Staatsanwälte treffen zu viele Finanzmagnaten, die unser heutiges System als Erlebnis betrachten. Die steigen in der Hierarchie ihrer Gruppe eher noch auf, wenn sie mal vor einem Wirtschaftsrichter waren. Persönlich unangenehm für sie ist das alles nicht. Es geht alles einfach immer weiter. Und das ist, zu Ende gedacht, ein schlimmer Satz“ Das findet systemagazin auch und wünscht weiterhin einen schönen Wahlkampf.

7. Januar 2008
von Tom Levold
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Systemische Diagnostik

In der Systemischen Bibliothek erscheint heute ein Text von Kurt Ludewig aus dem Jahre 1987, der in einem von Günther Schiepek herausgegebenen Band über Systemische Diagnostik („Systeme erkennen Systeme“) erstmals veröffentlicht wurde. Dass das Thema nach wie vor so aktuell wie brisant ist, zeigt die gegenwärtige Debatte im systemischen Feld. Damals eröffnete Kurt Ludewig seinen Beitrag folgendermaßen:„In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts vollzieht sich im Bereich der psychosozialen Therapie und somit auch der Psychodiagnostik, wohl im Zuge von Veränderungen der Sichtweisen in der Philosophie und den Naturwissenschaften, ein Wandel der theoretischen Grundlagen. Der Blick verlagert sich von der Betrachtung einzelner Ursachen und Bedingungszusammenhänge zunehmend auf die Beobachtung von Prozessen, die den Beobachter in das Beobachtete prinzipiell einschließen. Einheit des Denkens ist ein aus Beobachter und Beobachtetem zusammengesetztes System. Damit ist die Wissenschaft aufgefordert, anstelle weiterer Theorien über die Welt eine umfassende Theorie des Beobachters zu entwerfen, die dem Veständnis Rechnung trägt, dass alles, wovon geredet wird, von einem Beobachter hervorgebracht worden ist. Der vorliegende Beitrag setzt an diesen Punkt der historischen Entwicklung der Diagnostik an. Er untersucht den Stellenwert bzw. die Notwendigkeit einer Psychodiagnostik im Kontext eines ’systemischen‘ Verständnisses von psychotherapeutischen Aktivitäten. Hierbei ist mit ’systemisch‘ ein nicht weiter präzisiertes Kürzel gemeint, das für eine allgemeine Theorie von Systemen bzw. für eine wissenschaftliche Orientierung steht, wie sie von Autoren wie Humberto Maturana, Francisco Varela, Heinz von Foerster, Niklas Luhmann und anderen postuliert wurde. Der Verzicht auf eine weitere Präzisierung des Adjektivs ’systemisch‘ trägt der Auffassung Rechnung, dass es sich um die Bezeichnung für eine selbstreferentielle (rekursive, sich auf sich selbst beziehende) Sicht- bzw. Denkweise handelt, die sich als solche von selbst permanent im Wandel erhält. Es ist eine Denkweise gewissermaßen ohne„Nullpunkt“ (ohne festen Bezug) und sollte daher angemessenerweise mit einem Adjektiv statt mit einem Substantiv bezeichnet werden. Trotz dieser Komplikation und der Tatsache, dass„systemisch“ nicht immer und überall mit gleicher Bedeutung verwendet wird, grenzt dieser Begriff ein Gebiet des Denkens zumindest soweit ein, dass es (Psycho-)Therapieformen, Zeitschriften usw. geben kann, die diesen Namen tragen. Das mit ’systemisch‘ bezeichnete Gebiet umfasst Aspekte verschiedenster Disziplinen und Positionen wie Kybernetik, Systemtheorie, Ökologie, Ästhetik, Konstruktivismus. Es lässt sich am ehesten als das ergänzende Gegenstück zum Gebiet des ‚analytischen‘ umschreiben“
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5. Januar 2008
von Tom Levold
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Öffentliche Gewalt und „Respekt“

Ein eindrucksvoller Artikel über die öffentliche Gewalt auf den Straßen findet sich heute in der TAZ. Autor ist der Soziologe und Lehrgebietsleiter an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, Joachim Kersten. Er erklärt, warum die Strafverschärfung für junge Gewalttäter keine Effekte erzielt, sondern es vielmehr darum geht,„Netzwerke aus Professionellen und Engagierten in den entsprechenden Vierteln (zu schaffen). Es braucht ein tatsächliches Zusammenwirken von Bewohnern, Eltern, Sozialarbeitern, Lehrerinnen, Aktivisten, die etwas ändern wollen, keine elitären Clubs der Kriminalprävention. Der Aggression im Alltag muss entschiedener begegnet werden. Eine mit Recht und humanitärem Anstand vereinbare Form, die Täter zu beschämen, müsste entwickelt werden. Das wäre kein Pranger, wie deutsche Pädagogik stets vermutet“ In seiner Beschreibung des Problems bezieht er sich auf den amerikanischen Soziologen Elija Anderson, der sich mit dem Street Code in den Gangsta-Bezirken amerikanische Großstädte befasst hat:„Nach Andersons Studie gibt es in den Slums zwei Wertesysteme: das der„Anständigen“ und das der Straße. Das Wertesystem der„Straße“ beherrscht, obwohl nur eine Minderzahl der Bewohner ein aggressives Gewaltsystem ausübt, die Regeln des Verhaltens im öffentlichen Raum, auch für die Anständigen und ihre Kinder. Wer diese Regeln nicht beachtet, riskiert Gesundheit oder Leben. Die Aggressoren erkennen irgendein Verhalten ihres Opfers als disrespect, als dissing, also als Angriff auf ihre männliche Ehre. Und wer öffentlich„gedisst“ wird, muss reagieren, am besten mit Gewalt. Und„Im Kern des Codes steht der Begriff„Respekt“. Das ist die Währung, die zählt. Ursprünglich bedeutet Respekt„Rücksicht“. Doch hier geht es um das genaue Gegenteil: um den Respekt als Tributleistung an die gesellschaftlich Nichtrespektablen. To pay ones respect verweist auf die Heller-und-Pfennig-Qualität des Worts, to pay ones last respect bedeutet, man erweist die letzte Ehre, indem man zum Begräbnis erscheint. Das machen jene aber nicht, die jemand wegen (einer unterstellten oder beabsichtigten) Respektverletzung umbringen. Jemandem Respekt erweisen, besser: zollen, verbindet sich mit einer Erwartung von Unterwürfigkeit der Niedriggestellten; einer vormodernen hierarchischen Anordnung. Wenn der Feudalherr mit seinen Samurai vorbeireitet, muss sich der Pöbel in den Staub werfen und den Kopf senken. Im feudalen Japan und Europa beruht diese bedingungslose Unterwürfigkeit auf enormen Sanktionsdrohungen. Wer sich respektlos gegenüber der Herrschaft verhält, verliert sein Leben. In einigen Slums ist das auch das Sanktionsprinzip der Gangsta-Herren“
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5. Januar 2008
von Tom Levold
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Haushaltsnöte gefährden Kindeswohl – das abschreckende Beispiel der Stadt Halle

Mit einer Dienstanweisung hatte das Jugendamt der Stadt Halle im vergangenen Jahr angeordnet, alle Kinder und Jugendlichen aus Heimen in ihre Familien zurückzuführen. So sollten im Etat der Jugendhilfe vier Millionen Euro in zwei Jahren eingespart werden. In der jüngsten Ausgabe von Kontext, der Fachzeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), kommentiert Professor Wolf Ritscher die „skandalöse Dienstanweisung“ – im Heft komplett abgedruckt – und beleuchtet fachliche Hintergründe. Für die stellvertretende Vorsitzende der DGSF, Heliane Schnelle, ist der „Fall Halle“ nur die Spitze eines Eisbergs. Weil benachteiligte Familien insbesondere auf kommunaler Ebene keine Lobby hätten, seien die Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen Jahren systematisch zurückgefahren worden. Für Maßnahmen im Vorfeld von einer Heimunterbringung – ambulante Betreuung durch Familienhelfer, „Clearingstellen“ oder aufsuchende Familientherapie – werde kaum noch Geld ausgegeben. „Mit diesen Einsparungen steigt das Risiko von familiärer Gewalt oder der Vernachlässigung von Kindern“, so Schnelle. Die Rückführung von Kindern und Jugendlichen in ihre Familien sei ein erstrebenswertes Ziel, dürfe aber nicht in jeder Situation erfolgen oder allein aus „Haushaltszwängen“. In klaren Fällen von Kindeswohlgefährdung bleibe ein Heimaufenthalt oder die Unterbringung in einer Pflegefamilie erforderlich. Schnelle, deren Fachverband mehr als 2700 Familientherapeuten oder Berater vertritt, betont: „Sowohl für eine Rückführung in die Familie als auch für eine begleitende Maßnahme parallel zu einer Heimunterbringung haben sich Familientherapie und besonders aufsuchende Familientherapie als Unterstützungsangebote sehr bewährt.“ Ambulante Betreuung könne zwar die Zahl von stationären Unterbringungen vermindern, koste aber zunächst einmal auch Geld zum Beispiel für die Qualifizierung der Helfer. Dass „Investitionen“ in die Jugendhilfe allerdings gut angelegtes Geld seien, zeigten etwa die Kosten-Nutzen-Rechnungen des Institutes für Kinder und Jugendhilfe (IKJ) in Mainz. Der Text von Wolf Ritscher„Organisierte Verantwortungslosigkeit in der Jugendhilfe: Das Beispiel Halle (Saale)“ aus dem Kontext 4/2007 (379–389) kann hier vollständig heruntergeladen werden. (Presseerklärung der DGSF)

4. Januar 2008
von Tom Levold
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And the Winner is…

Geht man auf die website der American Society for Cybernetics, hat es den Anschein, dass man es mit einem Verband mit einer ausgefeilten Verbandstruktur mit zahlreichen Gremien, Officers zu tun hat, der ständig irgendwelche Veranstaltungen organisiert. Im Jahre 2005 hat die Society Ernst von Glasersfeld die Norbert-Wiener-Medaille für Kybernetik verliehen, eine Art Life Time Award also. Michael Wald vom Blog Filtertraum hat ein bemerkenswertes Video bei youtube von der etwas frugalen Preisverleihungszeremonie ausfindig gemacht (auf welches übrigens auch auf Seiten der Gesellschaft hingewiesen wird), zu der sich jeder selbst ein Bild machen möge. In der Regel dient die Verleihung eines Preises ja nicht nur der Ehrung des Preisträgers, sondern soll gleichzeitig auch die Reputation des Preisverleihers bekräftigen. Diese Erwartung wird mit diesem Video allerdings grandios unterlaufen. And the winner is…?

4. Januar 2008
von Tom Levold
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Kult oder Kultur? Was geschieht im Coaching

In einem Beitrag für die Systemische Bibliothek macht sich Bernd Schmid Gedanken über die Coaching-Kultur. Was geschieht im Coaching?„Ohne Zweifel: Qualitätssicherung im Coaching ist wichtig, sonst werden der Beliebigkeit und der Scharlatanerie Tür und Tor geöffnet. Daher achten wir im Coaching und in der Weiterbildung zum Coach sowie in der Verbandsarbeit im Bereich Coaching darauf, dass Professionelle über einen soliden Fundus von Konzepten und Vorgehensweisen verfügen und dass sie lernen, Coachingprozesse bewusst zu gestalten. Doch dürfen Zielorientierung und die Kontrollierbarkeit der Prozesse vorrangige Gütekriterien für Coaching werden? Eric Berne, der Begründer der Transaktionsanalyse formulierte schon Mitte des letzten Jahrhunderts sinngemäß: Wissenschaftliche Methoden, die mehr Sicherheit bieten und Intuition, die mehr Möglichkeiten eröffnet, sind gemeinsam Grundlage kreativen Handelns“
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3. Januar 2008
von Tom Levold
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Ressourcenorientierte Erziehung

Vor kurzem wurde an dieser Stelle das Buch zur„Ressourcenorientierten Diagnostik und Intervention“ von Bodo Klemenz vorgestellt. Die Rezensentin Cornelia Tsirigotis hat auch sein aktuelles Buch„Ressourcenorientierte Erziehung besprochen und fasst zusammen:„Klemenz gelingt wirklich konsequent und einheitlich von Ressourcen auszugehen und in der Arbeit mit Familien darauf abzuzielen. Da schleichen sich weder heimliche Umkehrung einer Defizit- oder Störungsperspektive und noch erhobener Zeigefinger ein. Damit ist das Buch eine Grundlage und stützende Säule sowohl in der Theorielandschaft (in der ich die Tendenz bedaure, wieder zunehmend auf Störungs- und Defizitbeseitigung zu fokussieren) wie in der vielfältigen und herausfordernden Erziehungslandschaft. Das Buch sei allen Professionellen in diesem Bereich ans Herz gelegt“
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2. Januar 2008
von Tom Levold
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Interkulturelle Kommunikation

Barbara Zielke, Jana Grothe und Cornelia Fischer haben als Gastherausgeber das Heft 2/2007 von„Psychotherapie & Sozialwissenschaft“ gestaltet. Thema ist »Interkulturelle Kommunikation in Psychotherapie und psychosozialer Beratung«. Aus dem Editorial:„Wielant Machleidt veranschaulicht in seinem Beitrag, wie die Migration als eine der Adoleszenz analoge dritte Individuationsleistung verstanden werden kann. (…) Yesim Erim und Wolfang Senf berichten von der Arbeit in der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Essen, wo seit 1995 eine Spezialsprechstunde und vielfältige Angebote für (vor allem) türkischsprachige Migranten angeboten werden. Sie schildern hier den therapeutischen Einsatz eines türkischen Märchens. (…) Heidrun Schulze geht in ihrem Beitrag auf die Interdependenz zwischen Leben, Erzählen und Institution ein, indem sie anhand eines Fallbeispiels die spezifische Art des Erzählens als Produkt lebensgeschichtlicher und damit familial interaktiver Erfahrung herausarbeitet. Die Auswertung eines biographisch-narrativen Interviews mit einem Mann aus der Türkei soll zeigen, wie institutionalisierte interkulturelle Begegnungen durch die biographischen Konstruktionen der Adressatinnen und die professionellen Konstruktionen der Experten über »Krankheiten von Migranten« das Erzählen in spezifisch gerahmten Situationen wechselseitig beeinflussen. Ulrich Reitemeier führte Interaktionsanalysen von Beratungsgesprächen mit Aussiedlern durch. In seinem Artikel verdeutlicht er mit Hilfe illustrativer Fallbeispiele die kommunikativen Praktiken, die die Selbstpräsentation russlanddeutscher Aussiedler und die Zuschreibung von Fremdheit in den an sie adressierten Formulierungen charakterisieren (…). Ernestine Wohlfart und Ulrike Kluge weisen auf einen Paradigmenwechsel in Theorie und Praxis hin, der als Resultat der zunehmenden Diversität von Behandlern und Patienten in psychotherapeutischen Behandlungssituationen spezifiziert wird. Das von den Autorinnen vertretene Verständnis von Transkulturalität ist dann realisiert, wenn sowohl die Patienten als auch die Behandler das jeweils Eigene und Fremde im transkulturellen therapeutischen Setting reflektieren. (…) Manfred Zaumseil plädiert für den Einsatz kontextsensitiver Verfahren der qualitativen Sozialforschung in der noch jungen Disziplin der Klinischen Kulturpsychologie, der es um die kulturellen Bedingungen von psychischer Gesundheit geht. (…) Der Beitrag Rainer Kokemohrs diskutiert anhand von Beispielen, die aus einem lokalen kulturellen Kontext in Kamerun stammen, die Rationalität von Glaubensvorstellungen. Vor dem theoretischen Hintergrund der Ausführungen des Ethnologen und Anthropologen Dan Sperber werden zwei Konflikte analysiert, die im Rahmen der Arbeit des Autors an einer Reformschule in Kamerun ausgelöst wurden“
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