systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

24. Januar 2008
von Tom Levold
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Machtmissbrauch durch Gemeinsamen Bundesausschuss

Köln (GWG): In einem offenen Brief vom 22. Januar 2008 wendet sich der Wissenschaftliche Beirat der„Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie“ (GwG) an die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel. Vertreten durch ihren Sprecher, Prof. Dr. Jürgen Kriz, fordern die 19 Wissenschaftler des Beirats, dass dem„angeblichen Bewertungsverfahren zur Gesprächspsychotherapie“ seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)„endlich ein Ende gesetzt wird“. Dem G-BA werfen die Wissenschaftler vor, dass er das Verfahren zu einer„Farce verkommen“ ließe und„Machtmissbrauch“ mit seiner„Lobby-Politik“ betreibe. Der G-BA hatte am 20. Dezember 07 nicht – wie allgemein erwartet worden war – die Gesprächspsychotherapie nach über 20 Jahren Annerkennungsprozedere endlich als Kassenleistung für die Patienten zugelassen, sondern die Entscheidung wieder vertagt und die Psychotherapie-Richtlinien geändert.

Gemeinsamer Bundesausschuss ignoriert Wissenschaft

Dem war vorausgegangen, dass der G-BA im November 2006 beschlossen hatte, der Gesprächspsychotherapie die Kassenzulassung zu verweigern. Als Begründung stellte der G-BA die Behauptung auf, dass von den 424 geprüften wissenschaftlichen Wirksamkeitsstudien nur eine einzige seine Kriterien an Studienqualität erfülle. Diese Entscheidung und ihre Begründung hatten national wie international für Aufsehen gesorgt, da die 423 vom G-BA verworfenen Studien von diversen Wissenschaftlergremien positiv bewertet worden waren. Nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den G-BA-Beschluss beanstandet hatte, setzte die Bundespsychotherapeutenkammer nochmals ein Gutachterteam an die Beurteilung der Studien. Auch diese Wissenschaftler kamen im November 2007 zu dem Ergebnis, dass„die Gesprächspsychotherapie alle Voraussetzungen gemäß Psychotherapie-Richtlinien (erfüllt), um als neues Psychotherapieverfahren zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden“. Doch der G-BA, in dem maßgebliche Vertreter jener Verfahren sitzen, die mit der Gesprächspsychotherapie konkurrieren, änderte daraufhin nicht seinen Beschluss, sondern er änderte die Psychotherapie-Richtlinien.„Wir sehen in der Missachtung sachlich gerechtfertigter zugunsten willkürlich zurechtgelegter Gründe einen interessengeleiteten Machtmissbrauch“, lautet daher der Vorwurf an den G-BA in dem Schreiben. Verwiesen wird u. a. auf Studien, die belegen, dass auch solchen Patienten mit Gesprächspsychotherapie geholfen werden konnte, bei denen die derzeitig anerkannten Verfahren versagten.

Schaden für Patienten verhindern
Von der Patientenbeauftragten der Bundesregierung fordern die Wissenschaftler daher, dass sie auf das Ministerium einwirke, die Gesprächspsychotherapie in Ersatzvornahme zuzulassen, damit der„Schaden, den die bisherige Blockierung durch den G-BA für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten in Deutschland verursacht, nicht weiter vergrößert“ werde.
Zum vollständigen Text des offenen Briefes…

23. Januar 2008
von Tom Levold
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Bye Bye Trauma?

40 % der US-amerikanischen Soldaten, ein Drittel der Marine sowie die Hälfte der Mitglieder der Nationalgarde weisen Symptome schwerwiegender psychischer Störungen auf. Nun denkt die amerikanische Regierung darüber nach, schon präventiv an die Soldaten im Einsatz Psychopharmaka zu verabreichen, die ihre Traumatisierung (der Soldaten) durch ihre Tätigkeit verhindern oder einschränken sollen. Im amerikanischen Online-Magazin AlterNet ist ein kritischer Artikel von Penny Coleman zum Thema zu finden, den ich zur Lektüre empfehle:„I cannot imagine what aspects of selfhood will have to be excised or paralyzed so soldiers will no longer be troubled by what they, not to mention we, would otherwise consider morally repugnant. A soldier who has lost an arm can be welcomed home because he or she still shares fundamental societal values. But the soldier who sees her friend emulsified by a bomb, or who is ordered to run over children in the road rather than slow down the convoy, or who realizes too late that the woman was carrying a baby, not a bomb — if that soldier’s ability to feel terror and horror has been amputated, if he or she can no longer be appalled or haunted, something far more precious has been lost. I am afraid that the training or conditioning or drug that will be developed to protect soldiers from such injuries will leave an indifference to violence that will make them unrecognizable to themselves and to those who love them. They will be alienated and isolated, and finally unable to come home“
Zum vollständigen Artikel…

23. Januar 2008
von Tom Levold
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Nonverbale Interaktion in der Psychotherapie

Unter diesem Titel hat der Körperpsychotherapeut Peter Geißler die Beiträge des 4. Wiener Symposiums „Psychoanalyse und Körper“ im Psychosozial-Verlag herausgegegeben, erweitert um verschiedene Beiträge, die nicht auf der Tagung präsentiert wurden. Auch wenn sich das Buch, wie der Titel schon nahe legt, zunächst an eine psychoanalytisch orientierte Leserschaft richtet, lässt es sich mit Gewinn für alle lesen, die sich mit dem Thema nonverbaler therapeutischer Interaktion befassen. Der Rezensent Gerald Poscheschnik fasst zusammen:„ Mein Fazit lautet, dass es sich beim besprochenen Buch um ein lehrreiches Konvolut handelt, von dessen Lektüre man eigentlich nur profitieren kann. Die eingehende Beschäftigung mit dem Sujet kann Psychoanalytikern wie Psychotherapeuten helfen, den Blick für die nonverbale Komponente des therapeutischen Prozesses zu schärfen, die man sonst vielleicht unter dem Eindruck der Flut von Worten untergehen lässt. Positiv hervorzuheben ist für mich noch, dass das Buch auch repräsentativ für eine moderne und offene Psychoanalyse ist, die weder den interdisziplinären Dialog noch die empirische Forschung scheut“
Zur vollständigen Rezension…

21. Januar 2008
von Tom Levold
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Call for Papers: „The Pressure of Change“. Zum problematischen Verhältnis von Veränderung und Organisation

Am 27./28.03.2008 findet in Stuttgart eine Tagung in Kooperation der Berner Fachhochschule (CH), der TU Chemnitz (D), der Universität Hohenheim (D) und der Universität Halle-Wittenberg (D) zu diesem Thema statt. Keynotes halten Prof. Dr. Peter Fuchs, Hochschule Neubrandenburg (Hierarchien unter Druck: Ein Blick auf ihre Funktionen und ihren Wandel), Prof. Dr. Christof Baitsch, Organisationsberatung Zürich (Heimliche Agenden in der Beratung. Enttäuschte Erwartungen der Unternehmen und was sich daraus entwickeln kann), Prof. Dr. Ralf Wetzel, Berner Fachhochschule & Dr. Jens Aderhold von der Universität Halle-Wittenberg (Unsicherheitsabsorption revisited – Das Management in der Klemme).
Hintergrund: Einerseits operiert man seit einiger Zeit in merkwürdigen Konstellationen: Das Management von Organisationen scheitert gesellschaftsweit munter in Reorganisations- und Implementationsverfahren vor sich hin. Unabhängig davon, ob es sich um Unternehmen, Sozialeinrichtungen, Schulen, Universitäten oder Kirchen handelt – man schimpft über permanente Wandelzumutungen und gleichzeitig über mehr oder wenige mißlingende Reform- oder Veränderungsprojekte. Gelegen kommen in diesen Momenten Experten und Berater. Fast unbekümmert sucht man das nächste Erfolg verheißende Konzept. Aber auch die Beratung selbst bekommt verstärkt Prügel wegen ihres vermeintlichen Budenzaubers. Von substanziell abgesackter Nachfrage jedoch keine Spur, von systematischer De-Standardisierung ihrer Produkte auch. Die Wissenschaft wiederum erfindet sich und ihr ‚Fahrrad’ seit mindestens 30 Jahren fröhlich neu und verkauft es (Weber und Taylor, Pawlow, Lewin, mittlerweile auch Vester, von Foerster und zuweilen Luhmann) ein weiteres Mal als ironisch distanzierte ‚Irritation’ oder als praxisnah gewünschte ‚angewandte Forschung’. Es herrscht zuweilen eine etwas heitere, nicht minder aber auch merkwürdig ‚autistische’ Stimmung an allen drei Fronten. Und keiner wundert sich.
Die Tagung fragt: Wofür steht Organisation heute eigentlich? • Wohin ‚driftet’ die Evolution der Organisation, in welcher Hinsicht verändert sie sich? • Welchen Umständen verdankt sich ihre aktuell prekäre Lage? • Welche Konsequenzen für ihre Funktionserfüllung hat das? • Sind Management, Beratung und Wissenschaft eigentlich noch reflexions-, handlungs- und entscheidungsfähig? • Wohin müssten sie sich verändern, wenn sich die Kontur der Organisation tatsächlich wandelt? • Welche Grundunterscheidungen, Methodologien und Methoden müssten sie lernen (und welche möglichst schnell vergessen), um diese Veränderungen erfassen, bewerten und letztlich gestalten zu können?
Tagungskosten: 70,- €

Einreichungen von abstracts sind bis zum 25.2. erbeten an die Veranstalter:
ralf.wetzel@bfh.ch,
rueckert@uni-hohenheim.de oder
jens.aderhold@soziologie.uni-halle.de

Die ausführliche Version des Call for Papers findet sich hier

20. Januar 2008
von Tom Levold
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Empire strikes back: Schweitzer und Schlippe zur Lehrbuch-Debatte

Kann es etwas Schöneres für ein Buch (und seine Autoren) geben, als dass es diskutiert wird? Seit fast einem Jahr ist eine Debatte um das sogenannte Lehrbuch II zum störungsspezifischen Wissen von Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe entbrannt, die es in einer solchen Lebendigkeit in der systemischen Szene schon länger nicht mehr gegeben hat. Ein guter Teil dieser Diskussion ist übrigens im systemagazin geführt worden. Vor diesem Hintergrund freue ich mich, heute eine ausführliche Erwiderung der Autoren auf die Kritik an ihrem Buch präsentieren zu können:„…Um es deutlich zu sagen: Wir denken nicht, dass systemische Therapie künftig primär störungsspezifisch arbeiten soll und wird. Der größere Teil aller Entscheidungen, die Therapeuten zu treffen haben, hängt mehr von den aktuellen Lebensumständen und Beziehungsmustern, sowohl des Klientensystems, als auch des zwischen diesem und den TherapeutInnen gebildeten Therapiesystems zusammen. Aber: die systemische Therapie hat auch zahlreiche störungsspezifische Kompetenzen, Wir haben uns in unserem Buch daher für den Fokus auf das störungsspezifische Wissen entschieden, weil uns hiermit ein bedeutsamerer Unterschied zu bisherigen Publikationstraditionen möglich scheint…“
Um die Erwiderung im Zusammenhang mit den Kritiken lesen zu können, findet sie sich sowohl auf der Seite der Buchbesprechungen als auch in der Systemischen Bibliothek. Eine Weiterführung der Diskussion wäre wünschenswert, auf der Jahrestagung der SG im April in Berlin wird sie einen wichtigen Platz einnehmen.

19. Januar 2008
von Tom Levold
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Psychosoziale Prävention: Wie schafft man Vertrauen und Hilfe? Durch Kontrolle?

heute ist das systemagazin Forum für einen aktuellen Diskussionsbeitrag von Michael Schlicksbier-Hepp aus Wilhelmshaven, der sich als Kinder- und Jugendpsychiater kritisch mit dem aktuellen Kinderschutz-Diskurs auseinandersetzt. Die Leserinnen und Leser sind zu Kommentaren und Erwiderungen ausdrücklich eingeladen!

Es ist ein gutes Jahr her – Anlass war der unselige „Fall Kevin“ in Bremen, als ich Folgendes als Antwort auf das große Rumoren in der Politik mit der populistischen Forderung schrieb, dem Verbrechen an Kindern und der Vernachlässigung von Schutzbefohlenen mit noch mehr Kontrolle beizukommen:
„Ich misstraue aus Erfahrung auch den gut gemeinten Verordnungen zur Kontrolle und zum Zwang auf dem sozialen und medizinischen Sektor und glaube, dass solcher Art Problemlösungen viele neue Probleme aufwerfen. Zwang und Kontrolle sind letzte Mittel, die ausgerechnet bei den skandalösen Tragödien trotz vorheriger Hinweise grotesk versagen. Man sollte daher sehr viel mehr Geld und Ressourcen in Förderung und sozialmedizinische und -psychologische Angebote ohne Zwang mit niedrigen Zugangsschwellen stecken und die allgemein zunehmende Kinderarmut zum Thema eines gesellschaftlichen Umdenkens machen, in dem wir alle unsere Verantwortung an diesen Zuständen erkennen, statt empört aber doch skandallüsternd mit Schuldvorwürfen auf exemplarisches Versagen hinzuweisen, um gleichzeitig von unserer Mitverantwortung abzulenken“

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18. Januar 2008
von Tom Levold
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Zweite Karriere für Roland Koch?

Deutschland wählt mal wieder: den Superstar. Aber nicht nur in Hessen, sondern auch im Fernsehen. Heute wurde überraschend bekannt, dass Roland Koch, noch amtierender Ministerpräsident von Hessen, sich vorsorglich bei der 5. Staffel von„Deutschland sucht den Superstar“ für den Fall beworben hat, dass er die Landtagswahlen am 27.1. verlieren wird:„Wenn mir Hessen trotz meiner Ausländerkampagne von der Fahne geht, bleibt mir nur noch RTL“, bekannte der ehemalige Schüler-Union-Vorsitzende von Sulzbach in einem Backstage-Interview,„aber spätestens dann wird deutlich werden, wer in Deutschland der wirkliche Superstar ist“. Gut informierten Kreisen zufolge will Koch in diesem Fall eine Karriere als Gangstar-Rapper beginnen. Es soll aber bei den ersten Proben bereits zu Spannungen zwischen Dieter Bohlen und Roland Koch gekommen sein, als Bohlen dem Ministerpräsidenten empfohlen haben soll, sein uncooles outfit aufzugeben und sich klamottenmäßig an den Leuten zu orientieren, die Koch eigentlich gerne in Erziehungscamps stecken würde. Bohlen wörtlich:„Mensch Rolli, Du singst nicht nur, wie Du aussiehst, sonder Du siehst auch noch so scheiße aus, dass Dich nicht einmal die Ausländer zum Superstar wählen“. Offenbar hat Koch aber diese brutalstmögliche Ansage schließlich doch noch konstruktiv aufgefasst. Bislang geheime Fotos zeigen, dass er bereits an einem chilligen update seines outfits arbeitet. Super, Rolli!!! Und Angie aus Berlin meint:„Echt krass, wie Dein Style jetzt rüberkommt“.

17. Januar 2008
von Tom Levold
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DGSF: Jugendhilfe stärken ist besser als Boot-Camps planen



In einer heute herausgegebenen Pressemitteilung der DGSF heißt es:„Familienberater und Familientherapeuten helfen täglich ,schwierigen‘ oder straffällig gewordenen Jugendlichen erfolgreich – jenseits von ,Bootcamp oder Knast‘. ,Eine Verschärfung des Jugendstrafrechts zur Bekämpfung von Jugendgewalt und Jugendkriminalität ist aus fachlicher Sicht der falsche Weg‘, betont Professor Dr. Jochen Schweitzer, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF). So verständlich das Entsetzen über die jüngsten Gewalttaten sei, bloßes ,Wegsperren‘ nütze wenig, denn schließlich müsse man die Täter irgendwann wieder in die Gesellschaft entlassen. ,Systemische Ansätze und Methoden in der Jugendhilfe können hingegen erfolgreich zur Integration von Jugendlichen in die Gesellschaft beitragen‘, so Schweitzer.
Psychologie-Professor Schweitzer weist darauf hin, dass es notwendig ist, das Umfeld der Jugendlichen zu berücksichtigen: ,Wir müssen Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe stärken, Schulen qualifizieren und wieder mehr Jugendarbeit fördern und Jugendhilfe anbieten.‘ Gerade in der Kinder- und Jugendhilfe seien aber in den zurückliegenden Jahren systematisch Gelder gestrichen worden. Das gleiche gelte für Justizverwaltungen oder Polizei, so dass jugendliche Straftäter zu lange auf ihren Prozess warten.
Für straffällig gewordene Jugendliche hätten Jugendhilfe und Justiz eine Vielfalt von wirksamen Projekten und Programmen entwickelt: Täter-Opfer-Ausgleich, Betreuungsweisungen, Formen aufsuchender Familientherapie, Denk-Zeit-Trainings, erlebnispädagogische Projekte oder etwa Anti-Aggressions-Trainings. Dabei nutzten die Fachkräfte häufig Ansätze und Methoden, die in systemischer Beratung und Therapie entwickelt worden seien, erläutert der Vorsitzende des Fachverbandes mit mehr als 2700 Beratern, Supervisoren und Familientherapeuten. ,Systemiker‘ hätten auch Methoden, die gerade bei besonders schwierigen Jugendlichen zum Erfolg führten: Zum Beispiel das systemische Elterncoaching, bei dem es um stärkere ,elterliche Präsenz‘ und damit neue Handlungsmöglichkeiten für hilflose Eltern geht, oder die Multifamilientherapie, bei der gleichzeitig mit mehreren Familien gearbeitet werde und bei der so Selbsthilfekräfte gestärkt würden. In Deutschland noch wenig bekannt ist die in den USA für delinquente Kinder und Jugendliche entwickelte Multisystemische Therapie. Multisystemische Therapie geht davon aus, dass neben der Familie besonders die Schule, der Freundes- und Bekanntenkreis und die Nachbarschaft gleich starke Einflüsse auf das Verhalten der Jugendlichen ausüben. Schweitzer: ,Multisystemische Therapie findet also an den verschiedensten ,Tatorten‘ parallel oder nacheinander statt: im Wohnzimmer der Familie, im Klassenzimmer, im Sportverein oder auf dem Spielplatz.‘ Zur Multisystemischen Therapie liegen sehr gute Wirksamkeitsstudien mit ermutigenden Ergebnissen vor.
Die DGSF begrüßt und unterstützt die von fast 1000 Hochschullehrern und Praktikern der Jugendstrafrechtspflege unterstützte Resolution gegen die Verschärfung des Jugendstrafrechts sowie die gemeinsame Verbandserklärung ,Hände weg vom Jugendstrafrecht’“

17. Januar 2008
von Tom Levold
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Wildwüchsige Autobiografien

Seit über 10 Jahren ist das hochinteressante Internet-Kulturmagazin paraplui online. Die aktuelle Ausgabe Winter 2007/08 befasst sich mit dem Thema Autobiografie, das – wie die Herausgeber zu Recht feststellen – in der Postmoderne Konjunktur hat:„Wir gehen davon aus, daß der aktuelle Boom an Autobiographien kein kurzfristiges Phänomen ist, sondern daß er im Kern eine Reaktion auf ein größeres sozialhistorisches Referenzproblem darstellt, das durch die medientechnologische Entwicklung der letzten 20 Jahre einen massiven Katalyseeffekt erfährt. Bedingt durch zunehmende funktionale Ausdifferenzierung und damit einhergehenden zunehmenden Kontingenzerfahrungen (Wahlmöglichkeiten) sieht sich das Individuum gezwungen, eine Instanz zu schaffen, die als Zuschreibungspunkt für die wechselnden Rollen des Alltags dienen kann und in der Zeit mit sich selbst identisch bleibt. Das eigene ‚Innere‘ rückt in den Fokus der Aufmerksamkeit des Individuums, das sich nun mehr und mehr als ‚in seinem Innersten‘ von seiner Umwelt verschieden und damit als ‚einzigartig‘, aber auch als ‚entfremdet‘ erfährt. Die Rede ist mit anderen Worten von moderner Subjektivität. Zur Stabilisierung eines solchen Ichs ist die Autobiographie hervorragend geeignet. Der einzelne kann sich in ihr seiner selbst, seiner eigenen Geschichte (und seines ‚Innern‘ als dem Raum, in dem über nicht realisierte Möglichkeiten reflektiert wird) versichern — und er muß dies in einer Gesellschaft, in der das Ich eine der letzten nicht-kontingenten Instanzen ist, auch zunehmend tun:„Selbstdarstellung, Inszenierung des eigenen Image ist die Devise. Mach dich öffentlich, feature dich selbst oder du bist raus aus dem Spiel“ (Schöpf/Stocker)“. Es gibt online jede Menge interessanter Texte zu lesen, ein Besuch lohnt sich!
Und hier gehts zum paraplui…

16. Januar 2008
von Tom Levold
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Synergetik und Theologie

Für schnellentschlossene Tagungsbucher gibt es hier noch einen Tipp für das Wochenende: am Freitag Abend und Samstag findet im Hospitalhof Stuttgart eine Tagung über theologische und philosophische Fragen der Selbstorganisation unter der wissenschaftlichen Leitung von Günter Schiepek statt. Im Programm heißt es:„In den ersten Jahren einer breiteren Beschäftigung mit den Fragen der Selbstorganisation komplexer Systeme gab es die verbreitete Vorstellung, dass die Selbstorganisation des Universums den Schöpfer ersetzen und ablösen könnte. Dies mag nun so kaum mehr vertreten werden, aber es lohnt sich noch immer, einer differenzierten Betrachtung des Verhältnisses theistischer Schöpfungsvorstellungen und naturwissenschaftlichen Modellen der Strukturbildung in komplexen Systemen nachzugehen. Neben der Frage der Schöpfung und der Bedeutung Gottes in einem naturwissenschaftlichen Weltbild – hier sind ja viele Diskussionen im Umfeld der Darwin’schen Evolutionstheorie geführt worden – sind aktuell Fragen des Menschenbildes, der Ethik und der Werte von Bedeutung, die mit der Theorie und Wissenschaft der Selbstorganisation ins Spiel kommen: Fragen der Freiheit und Schuldfähigkeit in einem deterministischen System Mensch, Fragen der Machbarkeit und Planbarkeit – oder umgekehrt: der Bescheidenheit und Demut – in komplexen, nur begrenzt vorhersehbaren und steuerbaren Systemen (Natur, Mensch, technische Systeme), Fragen der Intervenierbarkeit in psychische und soziale Prozesse, Fragen der (starken) Emergenz versus reduktiven Erklärbarkeit des Bewusstseins, um nur einige zu nennen“
Referenten der Tagung sind u.a. Hermann Haken, Dirk Evers, Manfred Lambertz, Andreas Remmel, Andreas Benk, Hans-Peter Dürr und Günther Schiepek. Die Teilnahmegebühren betragen 72,- €, zur Tagungswebsite gelangt man hier…

16. Januar 2008
von Tom Levold
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Hans im Glück(s) – Systemkompetenz und andere Märchen

Unter diesem Titel veröffentlichten Haja Molter und Heiner Ellebracht im„Kontext“ 1997, also kurz vor der Einführung des Psychotherapeutengesetzes, ein Plädoyer für die Erhaltung kreativer Spielräume angesichts einer bevorstehenden normativen Verengung psychotherapeutischer Diskurse, wohl schon ahnend, was heute unter dem label evidence based psychotherapy traurige Wirklichkeit zu werden scheint. Ihr Artikel ist heute in der Systemischen Bibliothek zu finden:„Bedingt durch die ermüdende Diskussion um das Psychotherapeutengesetz sowie die seit Jahren erfolglosen Versuche in der kassenärztlichen Versorgung als eigenständiges Verfahren anerkannt zu werden, läuft die systemische Therapie und Beratung Gefahr, ihre kreativen Ressourcen gegen Normierung, Qualilfizierung und Zertifizierung einzutauschen. Das in diesem Zusammenhang auftauchende Konzept der Systemkompetenz erweitern die Autoren in Richtung eines ‚kompetenten Verhaltens innerhalb von Systemen‘. Anhand von Beispielen aus der Märchenwelt sowie durch praktische Hinweise für den Beratungsalltag zeigen die Autoren für die systemische Therapie und Beratung einen Weg der Autonomie, Kreativität und Experimentierfreude“.
Zur Systemischen Bibliothek…

13. Januar 2008
von Tom Levold
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Methodenpapier des Wissenschaftlichen Beirats

Der„Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie“ hat im Internet sein sogenanntes„Methodenpapier“ veröffentlicht, das„als Verfahrensgrundlage für die zukünftige Gutachtentätigkeit des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie mehrheitlich bei einer Gegenstimme beschlossen“ wurde. Bei dem einzigen Beiratsmitglied mit abweichendem Votum handelte es sich um Jürgen Kriz, dessen Minderheitenvotum gemeinsam mit dem Methodenpapier veröffentlicht wurde und in dem es heißt:„Indem das ‚Methodenpapier‘ die Begutachtung der entscheidenden Frage nach der ‚wissenschaftlichen Anerkennung‘ auf quantitative Wirksamkeitsbeweise reduziert, werden viele wichtige Belege zur Wissenschaftlichkeit, Wirksamkeit und zum Nutzen eines Verfahrens außen vor gelassen, die aus qualitativen Einzelfall- und Gruppenstudien, aus der quantitativen und qualitativen Prozessforschung oder der Forschung zur Wirkweise stammen (um nur wenige weitere Ansätze wissenschaftlicher Psychotherapieforschung zu nennen). Diese systematische Nicht-Berücksichtigung solcher Forschungsergebnisse durch das „Methodenpapier“ steht in krassem Gegensatz zur Evidenz, die viele Wissenschaftler bei der Beurteilung von Psychotherapieverfahren gerade (auch) aus solchen Forschungsansätzen ziehen und die dazu geführt haben, dass weit mehr als die Richtlinienverfahren (auch) in deutschen Universitäts-Lehrbüchern oder universitären Prüfungskatalogen etc. als wirksam und nützlich aufscheinen und von der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft auch als wirksam und nützlich beurteilt werden. (…) Dieses ‚Methodenpapier‘ zeigt (…) keine Wege auf, um wissenschaftlich begründbare und begründete Forschungsbelege zur Wirksamkeit und zum Nutzen eines Psychotherapieverfahrens – über eine enge quantitative Prüfmethodik hinausgehend – zu berücksichtigen. Es stellt daher eine kaum zu nehmende Hürde für solche Verfahren dar, deren wissenschaftliche Begründung und Erforschung vorwiegend (auch) anderen Paradigmen bzw. Prüfmethodiken folgt(e). Das ‚Methodenpapier‘ lässt sich daher zu leicht als ein Bollwerk dafür verwenden, um in der internationalen Wissenschaft angesehene Verfahren in Deutschland nicht wieder für die ambulante Versorgung und die Ausbildung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zuzulassen“ Fazit: Nicht viel Neues unter der Sonne, was die Politik des Wissenschaftlichen Beirates betrifft. What a shame.
Zum vollständigen Text des Methodenpapiers…

12. Januar 2008
von Tom Levold
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Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement

Nachdem im systemagazin im September letzten Jahres auf eine DGB-Studie über die Wahrnehmung von Arbeitsbedingungen seitens der deutschen Arbeitnehmer aufmerksam gemacht hat, gibt es nun wieder über ein interessantes Forschungsprojekt zu berichten. Das Online-Magazin Telepolis berichtet über eine neue, groß angelegte Studie, die die Wechselwirkungen zwischen Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement beleuchtet und als Forschungsprojekt vom Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Auftrag gegeben worden ist. Unter anderem differenziert die Untersuchung„vier verschiedene Mitarbeitertypen, die sich in sehr unterschiedlicher Weise mit ihrem Unternehmen identifizieren. Bedenklich erscheint den Autoren um Studienleiter Frank Hauser, dass nur 31 Prozent zur Gruppe der Aktiv-Engagierten gehören, die mit hoher Einsatzbereitschaft arbeiten und allenfalls bedingt zwischen eigenen Vorstellungen und den jeweiligen Unternehmenszielen unterscheiden. 37 Prozent zählen sich zu den Passiv-Zufriedenen, die wenig Konkretes gegen ihr berufliches Umfeld vorzubringen haben, aber auch nicht bereit sind, gestaltend in die eigene Arbeitssituation einzugreifen. Immerhin ein Drittel der Beschäftigten gehört zur kritischen Gruppe der Akut-Unzufriedenen (18 Prozent) oder gänzlich Desinteressierten (14 Prozent). Besondere Beachtung verdient nun der Umstand, dass die Unternehmensführung offenbar direkten Einfluss auf diese prozentuale Verteilung nehmen kann. In Betrieben, in denen die Mitarbeiterorientierung einen besonderen Stellenwert genießt, die Arbeitnehmer eine kompetente Führung, Anerkennung, Fairness und Teamgeist erleben oder gar an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden, wächst der Anteil der Aktiv-Engagierten auf 45 Prozent, während die Akut-Unzufriedenen nur noch 10 Prozent stellen“ (Telepolis). Die Studie kann im vollen Umfang von 256 Seiten
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