systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

3. März 2008
von Tom Levold
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Therapist’s Notebook II

Im Verlag Haworth Press ist diese Sammlung von Tools und Übungen für den Einsatz in der Psychotherapie herausgekommen. Wer in seiner therapeutischen Arbeit gerne unterschiedliche Materialien und Übungen einsetzt, findet hier eine Menge interessanter und brauchbarer Ideen zum praktischen Einsatz. Die Darstellung ist dabei ganz an pragmatischen Kriterien ausgerichtet und erleichtert auch beim Durchblättern eine schnelle Orientierung.
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2. März 2008
von Tom Levold
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Heiko Kleve im rebell.tv


Das wunderschöne schweizerische, kulturwissenschaftlich-soziologisch-systemisch-anarchische video-blog rebell.tv sollte man regelmäßig besuchen. Stefan M. Seydel ist verantwortlich für die zahlreichen Videoclips und Interviews, die spannend, abgründig und amüsant sind und immer irgendeinen Mehrwert abwerfen. Hier nun das ausführliche Video eines Gespräches mit Heiko Kleve, einem der führenden systemtheoretisch inspirierten Sozialarbeitstheoretiker, in dem dieser u.a. über Konstruktivismus, Postmoderne, Ambivalenz, Aufstellungsarbeit nach Hellinger und die Systemtheorie Auskunft gibt.
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1. März 2008
von Tom Levold
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Eltern-AG. Das Empowerment-Programm für mehr Elternkompetenz in Problemfamilien

Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Eltern-Trainings bzw. -Stärkungsprogrammen auf dem Markt. Das vom Magdeburger Psychologieprofessor Meinrad Armbruster entwickelte Empowerment-Konzept „Eltern-AG“ richtet sich ganz gezielt auf sogenannte Risikofamilien, die sich durch massive soziale Benachteiligung, Bildungsferne oder Migrationshintergrund auszeichnen, deren Kinder daher Gefahr laufen, zu den „überflüssigen“ Jugendlichen unserer Gesellschaft zu gehören. Das Konzept der Eltern-AG, das auf einer konsequenten Wertschätzung, Ressourcenorientierung und Umsetzung des Empowerment-Ansatzes beruht, wird im vorliegenden Buch auf didaktisch hervorragende Weise vorgestellt und zeigt, dass die Arbeit mit benachteiligten Familien nicht nur ausgesprochen sinnvoll ist, sondern auch Spaß machen kann. Auch wenn der Rezensentin Cornelia Tsirigotis grundsätzlich Skepsis äußert, ob Empowerment über einen konkreten individuellen Enwicklungsrahmen hinaus vermittelt werden kann, sieht sie in dem Buch einen positiven Beitrag zur Arbeit mit dieser Zielgruppe: „Vor allem gefällt mir die gesellschaftspolitische Analyse, die sich durch das Buch zieht, und ich habe großen Respekt vor der Arbeit, die hier dargestellt wird. Mit denjenigen zu arbeiten, denen gesellschaftliche Umbrüche in besonderem Maße Verluste bescheren, und für die die Versprechungen der Modernisierungsbestrebungen leer bleiben, ist keine leichte Arbeit“.
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1. März 2008
von Tom Levold
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Fehlerkultur

Im Gesundheitssystem bewegt sich was.„Aus Fehlern lernen“ geschieht nicht mehr nur hinter geschlossenen Türen. Das 2005 gegründete Aktionsbündnis Patientensicherheit geht die Frage, wie Fehler in der medizinischen Versorgung vermieden und wie die Auswertung von Fehlern zur Verbesserung der Behandlungssituation genutzt werden können, offensiv an. In Berlin wurde am 28. Februar eine aktuellen Broschüre des Aktionsbündnisses„Aus Fehlern lernen“ vorgestellt. Dabei wird über z.T. tödliche Fehler nicht – wie bislang üblich – nur in der dritten Person gesprochen, vielmehr schildern 17 Autorinnen und Autoren aus ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Berufen Situationen, in denen ihnen bei ihrer Tätigkeit Fehler unterlaufen sind. Sie denken darüber nach, was sie selbst daraus gelernt haben und in wieweit andere daraus lernen können. Fehler, deren Vorkommen natürlich schuld- und schambesetzt ist, nur als individuelles Versagen zu verstehen, um dann im Medizinbetrieb zur Tagesordnung übergehen zu können, verhindert die Entwicklung einer Fehlerbearbeitungskultur, die Fehler zum Anlass nimmt, über die Qualität des Systems nachzudenken. In einem Methodenteil werden Behandlungsfehlerfälle einer exemplarischen Ursachenanalyse unterzogen, der Serviceanhang enthält nützliche Adressen für Fehlerberichts- und Lernsysteme in Deutschland. Vorsitzender des Aktionsbündnisses ist Prof. Matthias Schrappe, der seit vielen Jahren für seine Aktivitäten im Bereich des Fehlermanagements im Krankenhauswesen bekannt ist.
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29. Februar 2008
von Tom Levold
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Coaching-Magazin

Christopher Rauen und Thomas Webers, die eine große Zahl von Interessenten schon seit Jahren mit ihrem Coaching-Newsletter versorgen, gehen nun mit einem neuen Coaching-Magazin auf den Markt, das vorerst online zu lesen ist, als PDF-Magazin mit erstklassigem Layout und interessanten Beiträgen, u.a. von Bernd Schmid und Astrid Schreyögg. Im Zentrum steht ein lesenswertes Interview mit Altmeister Wolfgang Looss, in dem dieser erläutet, warum er wenig von zielorientiertem Arbeiten an Problemlösungen im Coaching hält, sondern sich eher als eine Art Reflexionsbegleiter seiner Coaching-Kunden sieht:„Wenn Sie mir heute beim Coachen zuschauen, werden Sie kein Tool und keine Methode mehr erkennen. Sie werden denken, ich rede einfach mit den Leuten“ Das Magazin enthält neben den inhaltlichen Beiträgen Nachrichten, Tools und Rezensionen und kann kostenlos heruntergeladen werden.
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29. Februar 2008
von Tom Levold
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Medwedjew überzeugender Sieger bei russischen Präsidentschaftswahlen am 2. März

Die Pressestelle des Kreml veröffentlichte bereits in der Nacht zum Freitag das amtliche Endergebnis der Präsidentenwahl vom kommenden Sonntag. Wie zu erwarten war, erhielt der Kandidat und Favorit des noch amtierenden Präsidenten Wladimir Putin, Dimitri Medwedjew 87,8 % der abgegebenen Stimmen. Putin äußerte sich recht zufrieden über den Ausgang der Wahl. Die Tatsache, dass das amtliche Endergebnis schon vor der Wahl feststehe, wertete er als ein Zeichen für die Überlegenheit der russischen Wahlforschung: „Während die westlichen Industrieländer noch Stunden nach den Wahlen immer noch mit Hochrechnungen beschäftigt sind, können wir schon Tage vorher die Ergebnisse präsentieren. Das muss uns erst einmal jemand nachmachen. Das Wahlergebnis geht in Ordnung, auch wenn noch mehr drin gewesen wäre, wenn wir keine Querulanten als Gegenkandidaten gehabt hätten“. Putin lobte ausdrücklich den neuen Präsidenten: „Mit Dimitri Medwedjew haben wir einen idealen Nachfolger für mich gefunden. Er ist ein braver und bescheidener Mann, bei dem man sicher sein kann, dass er jederzeit meine Anordnungen zum Wohle des russische Volkes befolgen wird“. Das Aufsichtsratsmitglied von GAZPROM, Gerhard Schröder, betonte, dass es sich beim neuen russischen Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden Medwedjew wie schon bei seinem Vorgänger um einen „lupenreinen Demokraten“ handele, der seine Macht nun einsetzen müsse, um die russische Demokratie zu schützen und zu bewahren. Als erste Amtshandlung des neuen Präsidenten wurde ein neuer Straftatbestand geschaffen, der ab sofort die „Verächtlichmachung des Präsidenten durch Aufstellung von Gegenkandidaten bei Präsidentschaftwahlen in Tateinheit mit einer dadurch bedingten Verminderung des angestrebten Wahlergebnisses“ mit Verbannung nicht unter 10 Jahren bestraft. Das Gesetz tritt rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft, die Gegenkandidaten von Medwedjew befinden sich schon auf dem Transport nach Sibirien, wo sie sich als Arbeiter an der GAZPROM-Pipeline bewähren können (Abb.: Wikipedia).

28. Februar 2008
von Tom Levold
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Vorabdruck – Reinhard Sieder: Patchworks – das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder

systemagazin freut sich, heute mit einer Neuigkeit aufwarten zu können: erstmals wird an dieser Stelle ein„Vorabdruck“ aus einem Buch zu lesen sein, das noch nicht erschienen ist, und zwar in Kooperation mit dem Klett-Cotta-Verlag, dem an dieser Stelle ausdrücklich gedankt sei! Zu lesen ist das zweite Kapitel aus Reinhard Sieders Untersuchung über die Entwicklung unterschiedlicher Muster von Patchworkfamilien nach einer Trennung der Paarbeziehung. Dieses Kapitel zeichnet als„eine kurze Geschichte der Liebe in der Moderne“ die Karriere des Codes der„romantischen Liebe“ im 20. Jahrhundert nach, immer kontrastiert mit empirischen Befunden zur tatsächlichen Liebes- bzw. Beziehungs“praxis“. Das Unternehmen einer theoretisch fruchtbaren Gegenüberstellung von symbolischem bzw. semantischem„Liebescode“ einerseits und einer„Praxis“ andererseits, die sich sowohl spezifischer sozialhistorischer Konstellationen (Klassenlage etc.) als auch lokaler und regionaler Traditionen verdankt, gelingt Sieder hier auf elegante und spannend zu lesende Weise. Hier zeigt sich, dass Reinhard Sieder, einer der renommiertesten Sozialhistoriker im deutschsprachigen Raum, nicht nur ein breites historisches, sondern auch soziologisches und kulturwissenschaftliches Wissensspektrum eröffnet, das die Lektüre – über die literarischen Qualitäten des Buches hinaus – lohnenswert macht. Im Zentrum des Buches steht die ausführliche Analyse von sechs Fallstudien, die die Vielfalt von Patchwork-Lebenslagen demonstrieren. Vielfältige familiensoziologische, familiendynamische und familientherapeutische Gesichtspunkte, auf die sich die Fallanalysen stützen, machen das Buch zu einer wichtigen Quelle für BeraterInnen und TherapeutInnen, die mit Patchwork-Familien zu tun haben. Es ist für April 2008 angekündigt, kann aber jetzt schon bestellt werden.
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27. Februar 2008
von Tom Levold
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Antidepressiva so gut wie Placebos

„Millionen von Menschen werden mit Antidepressiva behandelt. Neue Medikamente sollen besser wirken, weil sie neu sind und dem fortgeschrittenen Stand der Forschung enstpringen. Eine Studie hat sich die Wirkung der neuen Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), die auch meisten verschrieben werden, einmal näher mittels einer statistischen Auswertung vieler Studien angeschaut und kam zu dem Ergebnis, dass sie kaum besser als Placebos sind. Die Untersuchung und deren Veröffentlichung ist mutig, denn sie offenbart nicht nur eine Hilflosigkeit der modernen Medizin gegenüber der häufigsten psychischen Erkrankung, sondern könnte auch einen Markt untergraben, der den Herstellern viele Milliarden Euro eingebracht hat“ So beginnt ein interessanter Artikel im Online-Journal„Telepolis“ über eine aktuelle englische Meta-Studie zur Wirksamkeit von Anti-Depressiva, die zu dem Schluss kommt, dass SSRIs, die neuen Antidepressiva der dritten Generation, so gut wie wirkungslos sind.
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26. Februar 2008
von Tom Levold
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Deutscher Idealismus, Autopoiese und Radikaler Konstruktivismus

Dass sich der Radikale Konstruktivismus keinem theoretischen Urknall verdankt, sondern sich ideengeschichtlich weit zurückverfolgen lässt, dürfte klar sein. Stefan Schweizer hat 2007 die philosophischen Wurzeln des Konstruktivismus bis in den deutschen Idealismus hinein (Kant, Fichte und Schelling) in einem Beitrag für die elektronische Zeitschrift„Electroneurobiología“ verfolgt:„Diese historisch-genetische Einordnung entlastet die Autopoieseaxiomatik zunächst einmal vom Vorwurf der Beliebigkeit, zugleich legt sie aber ideologisch-weltanschauliche Zusammenhänge offen. Es wird im Folgenden ausführlich belegt, dass die relevanten Axiome und Prämissen der Selbstorganisationstheorien im Deutschen Idealismus fundiert und vom Radikalen Konstruktivismus spezifiziert werden. Insofern kommt den biologisch-systemtheoretischen Selbstorganisationskonzepten von Maturana und Varela eine Scharnierstellung zu: Einerseits bauen sie auf der (v.a. erkenntnistheoretischen) Theorie und den Erkenntnissen des Deutschen Idealismus auf, andererseits bieten sie durch ihre Erkenntnisse die Grundlage für weitere philosophisch-erkenntnistheoretische Erörterungen des radikalen Konstruktivismus. In diesem Aufsatz wird nicht alleine bei dem biologisch-systemtheoretischen Modell von Maturana und Varela stehen geblieben. Vielmehr wird zugleich auf eine sozialwissenschaftliche Verwendungsweise des Modells eingegangen, welche den Anspruch erhebt theoretisch anleitend zur praktischen Gesellschaftsgestaltung zu sein“ (Abb.: Wikipedia)
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25. Februar 2008
von Tom Levold
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Qualität systemisch gesehen!

Im Januar veranstaltete die Systemische Gesellschaft in Berlin eine außerordentliche Mitgliederversammlung zum Thema„Qualität“ in der systemischen Arbeit und Weiterbildung, um die Einführung von Qualitätsarbeit in die Verbandarbeit zu überprüfen. Im Anschluss an diesen gewinnbringenden Tag, der mithilfe eines Open Space eine Vielzahl von Ideen und Perspektiven hervorbrachte, haben Hans-Joachim Görges & Jürgen Hargens ein Papier zum Thema systemischer Qualität erstellt, den sie als Diskussionsbeitrag, d.h. als Einladung zur Diskussion, im systemagazin veröffentlichen.

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24. Februar 2008
von Tom Levold
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Einführung in die Systemische Paartherapie

Heute feiert in Meilen bei Zürich Rosmarie Welter-Enderlin ihren Geburtstag. Dazu sei ihr von dieser Stelle mit ganzem Herzen gratuliert! Aus gegebenem Anlass erscheint im systemagazin die Rezensionen von Tom Levold und Rudolf Sanders über ihr jüngstes Buches im Carl-Auer-Verlag, die„Einführung in die systemische Paartherapie“ am heutigen Tage: Tom Levold:„Während der Lektüre wird einem deutlich, dass es hier zwar immer um Paartherapie geht, aber immer auch noch um etwas mehr, nämlich um den Themenzyklus, für den die Person von Rosmarie Welter-Enderlin steht, und der sich auch in der Wahl der Themen für die bereits erwähnten wichtigen Kongresse in den letzten 20 Jahren niedergeschlagen hat: nämlich der Bedeutung von Lebensgeschichte und Biografie, der Chronifizierung von Problemlagen, von Ritualen und Resilienz sowie des herausragenden Stellenwerts der affektiven Kommunikation. Insofern spiegelt sich in diesem Buch nicht nur die Arbeit der Paartherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin wieder, sondern es scheint auch in verschiedenen Facetten ihr gesamtes veröffentlichtes Lebenswerk auf, was nicht zuletzt aus diesem Grund die Lektüre dieses Buches absolut lesenswert macht, das sich aufs vorzüglichste in die augezeichnete Einführungreihe des Carl-Auer-Verlages einreiht“
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22. Februar 2008
von Tom Levold
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„… und mir hat geholfen…“

Schon vor einiger Zeit hat Jürgen Hargens einen Band im verlag modernes leben herausgegeben, der zur Aufhebung des„Schweigens der KlientInnen in der therapeutischen Literatur“ beitragen soll. In zahlreichen Beiträgen steuern systemische TherapeutInnen und ihre KlientInnen ihre Einschätzungen dazu bei, was in ihrer gemeinsamen therapeutischen Arbeit gewirkt hat. Rezensent Wolfgang Loth bemerkt:„Mit diesem Buch nun hat Hargens ein Projekt auf den Weg gebracht, in dem TherapeutInnen/BeraterInnen und die Personen, die um Hilfe nachgefragt hatten, zu Wort kommen und jeweils aus ihrer Sicht den Rahmen, den Verlauf und das Ergebnis der Arbeit beschreiben und kommentieren. Das bringt teilweise überraschende, teilweise amüsante, stets jedoch mit Sympathie und Respekt einher gehende Wendungen mit sich. (…) Das Buch trägt nicht nur dazu bei, eine Lücke in der Literatur zur Wirkung professioneller psychosozialer Hilfen zu schließen, sondern überzeugt auch durch seine durchgängig respektvolle und frische Art. Wer einen möglichst unverstellten Blick auf das Praxisgeschehen für hilfreich hält, in dem die Sicht der Hilfesuchenden und deren Bedeutung für den Erfolg der Zusammenarbeit kenntlich wird, dürfte sich mit diesem Buch sehr gut bedient fühlen“. Und Jan Mensching pflichtet bei:„Ein spannendes Buch! Ein anregendes Buch! Eine „Pflichtlektüre“ für jeden Berater und Therapeuten, da es den Respekt vor der KundIn, KlientIn oder wie auch immer stärkt!“
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21. Februar 2008
von Tom Levold
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Ludwig Reiter zum 70. Geburstag

Ludwig Reiter habe ich auf dem Zürcher Kongress 1981 kennengelernt, ganz am Rande der Tagung übrigens, beim Abendessen auf dem Zürichberg, wo das Kongressfest stattfand. Christa Hoffmann-zur Verth und Eberhard Künzel, PsychoanalytikerInnen und meine damaligen Lehrer und familientherapeutischen Teamkollegen, kannten ihn von gruppenanalytischen Seminaren und machten uns miteinander bekannt. Ich war blutiger Anfänger im familientherapeutischen Feld und konnte viele namhafte Kolleginnen und Kollegen erstmals aus der Nähe beobachten, ohne das Gefühl, selbst etwas beisteuern zu können. Gerade deswegen erinnere ich mich an ein interessantes Gespräch mit Ludwig Reiter über meine soziologische Herkunft und Perspektive – ich hatte in den 70er Jahren meine Diplom-Arbeit über Niklas Luhmann geschrieben. Von da an habe ich aufmerksam verfolgt, was Ludwig Reiter veröffentlichte – jedenfalls das, was in den deutschsprachigen Fachzeitschriften und einschlägigen Buchpublikationen zu lesen war. Und das war gewiss nicht wenig. Überrascht und erfreut war ich später, als ich bemerkte, dass auch er meine vorsichtigen publizistischen Aktivitäten registrierte, mit denen ich mich Mitte bis Ende der 80er Jahre in die Öffentlichkeit wagte. Er hatte Interesse an meinen Arbeiten über„Gewaltfamilien“, Zwangskontexte und Hilfesysteme und wir freuten uns, wenn wir uns bei Tagungen trafen, nutzten manchmal die Gelegenheit, um miteinander essen zu gehen, korrespondierten gelegentlich (bis heute) und hielten uns auf dem Laufenden, wenngleich immer mit einem gewissen Abstand, der wohl für ihn typisch ist. Als er für mich einen Vortrag in Wien über meine Kinderschutz-Arbeit organisierte, lud er mich anschließend zu einem Besuch in das Institut für Ehe- und Familientherapie in der Praterstraße ein, wo ich einige Mitglieder seines Teams (und der ÖAS) kennenlernte, mit denen ich auch heute noch freundschaftlich sehr verbunden bin. Ich habe sehr viel von Ludwig Reiter gelernt, vor allem durch Lektüre: es gibt wohl wenige Menschen mit einem solch breiten klinischen, theoretischen und praxeologischen Horizont, einer solchen Leselust und Belesenheit. Ihm verdanke ich den Zugang zu zahlreichen (eben auch internationalen) Quellen, die ich mir sonst wohl kaum erschlossen hätte. Mit zahlreichen Beiträgen haben er und seine MitarbeiterInnen ganz wesentlich zu der Weiterentwicklung„Von der Familientherapie zur Systemischen Perspektive“ beigetragen (u.a. auch durch den Sammelband mit diesem Titel). 1998 hat er sich gänzlich aus der beruflichen Arbeit zurückgezogen, wofür nicht nur gesundheitliche Gründe eine Rolle spielten und der Wunsch, sich stärker der Familie und den Künsten zu widmen, sondern auch die Tatsache, dass seine Beiträge – nicht nur in der akademischen Welt – nicht immer die Würdigung erfuhren, die ihrer Bedeutung angemessen gewesen wären: eine schon sicher erscheinende Professur in Deutschland wurde ihm unter bis heute nicht transparenten Umständen versagt. Diese Enttäuschungen leicht zu nehmen, war nicht seine Art, was wiederum in der Folge auch zu manchen Enttäuschungen und Irritationen in der systemischen Szene geführt haben mag. Leicht war der Umgang mit ihm nicht immer, da man selten wusste, was ihn wirklich bewegte. Die Ausnahmen bleiben umso besser im Gedächtnis.
Wie auch immer, Ludwig Reiter ist und bleibt ein Pionier der ersten Stunde der Familientherapie in der deutschsprachigen Region (er war Mitbegründer der 1971 gegründeten legendären„Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Familienforschung und Familientherapie AGF), der den Wandel von einem psychoanalytischen Paradigma hin zu einem systemtheoretisch fundierten Therapieansatz nicht nur gefördert, sondern auch selbst konsequent betrieben hat, ohne seine Wurzeln in der Psychoanalyse und seine schulenübergreifenden Kenntnisse zu verleugnen. Sein Beitrag für die Geschichte der Systemischen Therapie dürfte heute weithin unterschätzt sein, was sich in Zukunft hoffentlich noch einmal ändern wird.
Zu seinem Geburtstag, den er – der nicht mehr gut reisen kann – zuhause im Südschwarzwald verbringt, sei ihm herzlich an dieser Stelle gratuliert. Zu seinen Ehren bringt systemagazin in der Systemischen Bibliothek eine ausführliche Würdigung Ludwig Reiters von Kurt Ludewig, die dieser vor 10 Jahren, also 1998, anlässlich des beruflichen Abschiedes von Ludwig Reiter verfasste, die aber heute nicht weniger aktuell ist, sowie einen Aufsatz von Egbert Steiner (der mit Ludwig Reiter zahlreiche bedeutsame theoretische Texte verfasst hat) und Ludwig Reiter von 1986 über das„Verhältnis von Individuum und sozialem System“ aus der Zeitschrift„Familiendynamik“, in dem die Autoren als eine der ersten für eine Übernahme des Luhmann’schen Konzeptes sozialer Systeme in die theoretische Konzeption systemischer Therapie plädieren.