systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

22. März 2008
von Tom Levold
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Konstruktivistische Pädagogik und ihre ideengeschichtliche Fundierung im Deutschen Idealismus

Bereits vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle auf eine Arbeit von Stefan Schweizer über die Wurzeln des Konstruktivismus im Deutschen Idealismus hingewiesen. Ebenfalls im Online-Journal„Electroneurobiología“ hat er 2007 eine Arbeit über die ideengeschichtliche Fundierung der konstruktivistischen Pädagogik veröffentlicht:„Der Aufsatz beginnt mit der These, dass einiges
an konstruktivistischem Theoriengut im pädagogisch-didaktischen Diskurs vertreten ist. Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Bildungsreform und Bildungsplanreform in Deutschland. Konstruktivistische Theorien sind aber nicht immer als solche kenntlich gemacht. Schreibt sich ein Autor den Konstruktivismus auf die Fahnen, dann trifft er nicht eben selten auf vornehme Distanz oder offene Ablehnung. Dies liegt u.a. daran, dass weder wissenschaftshistorische noch wissenschaftstheoretische Reflexionen hinsichtlich des Konstruktivismus vorkommen. Problematisch ist außerdem, dass die Radikalität konstruktivistischen Gedankenguts häufig Vorstellungen von Beliebigkeit und Willkür evozieren. Diesen Desideraten versucht vorliegender Aufsatz abzuhelfen. Durch
seine wissenschaftshistorischen Ausführungen leistet er einen Beitrag zur wissenschaftshistorischen Plausibilisierung und historischgenetischen Einordnung von Theorienfamilien. Der Deutsche Idealismus, insbesondere Fichte, bedingt aber auch Schelling, sind als Wegbereiter konstruktivistischen Gedankenguts identifiziert. Spezifizierungen nehmen konstruktivistische Erkenntnistheoretiker wie Schmidt und v. Glasersfeld vor. Mario Crocco und Colin Dougall weisen auf noch ältere, aristotelische Wurzeln der Theorie der Autopoiese gemäß der chilenischen Neurobiologen Maturana und Varela hin. Maturana und Varela wurden in einer Kultur sozialisiert, die über vier Jahrhunderte hinweg von der aristotelischen Philosophie und jesuitischem Gedankengut beeinflusst war. Diese Gesichtspunkte sind bisher in vorliegendem Forschungsprogramm des Autors noch nicht berücksichtigt. Nichtsdestoweniger, die mit dem konstruktivistischen Paradigma konvergierende systemtheoretisch-kybernetische Theorie der Autopoiese eignet sich hervorragend zur Verdeutlichung und kritischen Reflexion der wissenschaftstheoretischen Implikationen der (konstruktivistisch ausgerichteten) Selbstorganisationstheorie“
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21. März 2008
von Tom Levold
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Hartwig Hansen: Wie viel Weihnachten steckt mittlerweile in Ostern?

Sie haben recht. Ich finde auch: das ist eine bescheuerte Frage! Ich hörte sie gestern im Autoradio auf dem Weg zur Arbeit. Es folgte die Ankündigung des Moderators mit sonorer Stimme: „Das klären wir in ein paar Minuten.“ (Wie bescheuert ich auch diesen zweiten Satz finde, klären wir in ein paar Minuten.)
Nach der Werbepause mit „Alltours-Frühbucherrabatt“ und „Auf alles 20%! Außer Tiernahrung“ wurde dann referiert, dass nicht nur die Süßigkeitenindustrie bemüht sei, das Osterfest zu einem ähnlichen Umsatzkracher wie Weihnachten zu machen, mit speziellen Hasen- und Eierkreationen und der suggestiven Frage: Warum nicht auch mal das neueste Handy ins Moosnest legen?
Ein pfiffiger Versandhandel böte einen zusammensteckbaren, wieder verwendbaren „Osterbaum“ inklusive 20 formschönen Farbeiern an – für lächerliche 198,- Euro, und es läge voll im Trend, dass es jetzt neben dem angestaubten Adventskalender einen Osterhasenkalender mit 30 Türchen gäbe. Von Osterliedern für die Kleinen und glänzenden Osterkerzen ganz zu schweigen.
Das alles ist schon albern genug, aber ich will zurückkommen auf die Einstiegsfrage und damit zum eigentlichen Kern meiner Besorgnis. Sie lautete: Wie viel Weihnachten steckt mittlerweile in Ostern?

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20. März 2008
von Tom Levold
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Luhmanns Flucht in die Paradoxie

Walter Ludwig Bühl, geb. 1934, Philosoph und Soziologe, der von von 1974-1996 einen Lehrstuhl für Soziologie u.a. mit den Arbeitsschwerpunkten Soziologische Theorie, Wissens- und Wissenschaftssoziologie an der Universität München innehatte, geht in diesem Aufsatz mit Niklas Luhmann ins Gericht, der auf website vordenker.de zu lesen ist. Er kritisiert vor allem dessen„Versuch (…), eine Soziologie und Gesellschaftstheorie zu rechtfertigen (oder wenigstens zu ,plausibilisieren‘), die von der Entparadoxierung selbst erzeugter Paradoxien lebt“. Als Kenner der Philosophie Gotthard Günthers, der für seinen Entwurf einer polykontexturalen Logik bekannt geworden ist und von Luhmann ausgiebig zitiert wird, polemisiert Bühl gegen Luhmann:„Im übrigen aber mißdeutet er Günther in allen wesentlichen Konstruktionselementen so gründlich, daß die Berufung auf ihn nur als Ausdruck der Mißachtung verstanden werden kann“. Das ist harter Tobak, aber für alle lesenswert, die sich mit den philosophischen Grundlagen der Theoriekonstruktion Luhmanns auseinandersetzen wollen.

Zum vollständigen Text von Walter L. Bühl…

18. März 2008
von Tom Levold
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PID 1/08: Altern

Das erste Heft von„Psychotherapie im Dialog“ setzt sich mit dem Thema Alter auseinander.„1950 machte die Bevölkerungsgruppe 65+ ca. 10% an der Gesamtbevölkerung aus, heute sind es ca. knapp 15%, im Jahre 2050 werden nach Hochrechnungen mehr als 25% der Bevölkerung älter als 65 Jahre sein. Noch vor 100 Jahren betrug die durchschnittliche Lebenserwartung weniger als 50 Jahre, heute sind es 75 und mehr. Und wenn die Prognose des ÖAW−Instituts für Demografie zutrifft, werden die Menschen in Deutschland im Jahr 2040 im Mittel mehr als 90 Jahre alt“ (aus dem Editorial). Wenn man bedenkt, dass bereits ein großer Teil der sogenannten„Jungen Alten“ ab 60 – anders als in früheren Jahrzehnten – mit der Vorstellung vertraut ist, dass Psychotherapie eine Option zur Bewältigung eigener Schwierigkeiten und Krisen darstellt, dürfte klar werden, dass Psychotherapeuten sich viel stärker als bislang mit dem Thema Alter und Psychotherapie im Alter beschäftigen müssen. Nicht zuletzt ist das ein Thema, das sie auch selbst betrifft, liegt doch schon jetzt das Durchschnittsalter von PsychotherapeutInnen bei 51 Jahren. Das aktuelle Heft versammelt vielseitige Perspektiven auf die gesundheitliche, soziale und sexuelle Lebenssituation von und bietet Anregungen nicht nur für den therapeutischen Umgang mit älteren Menschen an. Sehr lesenswert.
Zu den vollständigen abstracts…

17. März 2008
von Tom Levold
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Konstruktivismus, Postmoderne und die Wissenschaft

2005 hat Heiko Kleve auf der website der Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie AGSP eine umfangreiche„Verteidigungs- und Aufklärungsschrift“ veröffentlicht, die sich gegen Angriffe auf eine konstruktivistische und postmoderne Fundierung der Sozialen Arbeit richtet. In der Zusammenfassung heißt es:„Konstruktivismus und Postmoderne sind zwei theoretische Perspektiven, die in den letzten Jahren auch Einzug in die Wissenschaft der Sozialen Arbeit gehalten haben. Beide Richtungen stellen jedoch gängige Verständnisse von Wissenschaft und sozialer Praxis radikal infrage, erlauben aber gerade deshalb eine theoretische Fundierung Sozialer Arbeit, die der Komplexität dieser Profession angemessen ist. Trotzdem sind diese Richtungen in der wissenschaftlichen Reflexion der Sozialen Arbeit sehr umstritten und werden nicht selten bekämpft. Ausgehend von dieser Kritik und Ablehnung hinsichtlich des konstruktivistischen und postmodernen Denkens werden im Folgenden – auf einer grundsätzlichen und wissenschaftstheoretischen Ebene – Entwicklungslinien der umstrittenen Paradigmen nachgezeichnet, um sie in ihrer Brauchbarkeit für die Wissenschaft der Sozialen Arbeit zu verteidigen. Quasi als Nebenprodukt wird damit eine knappe Einführung geboten in das postmoderne Differenzdenken“
Der vollständige Text kann hier gelesen werden…

16. März 2008
von Tom Levold
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Winter Soldiers: Irak und Afghanistan

Heute endet eine viertäge Veranstaltung in Washington, die von der Veteranen-Initiative„Winter Soldiers“ veranstaltet wurde, und in der Angehörige der Armee nicht nur mit dem Krieg im Irak und Afghanistan abrechnen, sondern auch auf erschütternde Weise ihre eigenen Taten bekennen. Die Veranstaltung wird im Internet mit Video-, Ton- und Bildmaterial dokumentiert, die Videodokumentation ist aber aufgrund des großen öffentlichen Interesses nicht immer gut zu erreichen. Aus diesem Grund werden die Aussagen der Beteiligten auch zusammengefasst, wie hier die von Jon Turner:
„Jon Turner, a former Marine, begins his testimony by ripping off his combat medals and proclaiming„I don’t work for you anymore!“ In the first video that Jon shows, his XO proclaims,„I think I just killed half the population of Ramadi; fuck the red tape!“ In the second, after the engagement was already over, the XO has called in a 500 pound bomb to destroy the area to send a message. Jon once fired into a car he believed to be a suicide bomber . . . it was a man and his seven daughters. Turner’s unit also carried„drop weapons“ in case they accidentally killed an innocent civilian. Pictures are being shown of these mistakes now. Turner’s first confirmed kill was an innocent man; he was congratulated by his company commander after that first kill. After his third kill, an apparently innocent man on a bicycle, Turner and his squad drug the man behind a rock wall and left him there. Raids were a consistent part of Turner’s war experience, mirroring what others have testified to about house raids. Two videos have been shown of Turner’s squad firing on Mosques unprovoked, an obvious violation of international law. Turner quivers as he ends his testimony by apologizing for the hate and aggression he inflicted on the innocent Iraqi people“
Der GRÖPRAZ (größte Präsident aller Zeiten, Foto: Huffington-Post) hat anlässlich dieser Tagung noch einmal den romantischen Aspekt des Überfalls auf den Irak hervorgehoben:„,I must say, I’m a little envious,‘ Bush said. ,If I were slightly younger and not employed here, I think it would be a fantastic experience to be on the front lines of helping this young democracy succeed.‘ ,It must be exciting for you … in some ways romantic, in some ways, you know, confronting danger. You’re really making history, and thanks,‘ Bush said“ Wirklich zu schade, dass er gerade nicht abkömmlich ist, weil er im weißen Haus„employed“ ist. Aber vielleicht deuten sich hier schon Perspektiven für seine postpräsidiale Phase an? Das wäre doch wirklich romantisch!

15. März 2008
von Tom Levold
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Merleau-Ponty zum Zweiten

Hier nun die versprochene Rezension zweier Einführungen in das Werk von Maurice Merlau-Ponty anlässlich des gestrigen hundertsten Geburtstag des französischen Philosophen. Diesen kann man nämlich zum Anlass nehmen, im Kontrast zur systemtheoretischen„Entsozialisierung“ des Körpers dessen Bedeutung als Basis jedweder Erfahrung, Beobachtung und Praxis noch einmal in den Blick zu nehmen. Die Fundierung jeder Wahrnehmung und Erfahrung im Körper, den Merleau-Ponty als „Leib“ fasst, steht im Mittelpunkt seiner Philosophie. Diese hat heutzutage nicht gerade Hochkonjunktur, was man an den spärlichen Würdigungen seines Geburtstages in den Medien ablesen kann. Zu sehr mag seine Philosophie mit dem politisch-philosophischen Diskurs der Theorie im Frankreich der 40er und 50er Jahre (in den „Les Temps Modernes“) in Verbindung gebracht werden, womöglich auch mit seinen Wurzeln in einem katholischen Kontext, als dass er für aktuelle Debatten anschlussfähig erscheint. Dennoch scheint mir gerade in Bezug auf die Frage des Konstruktivismus, wie und auf welche Weise denn wir unsere Wirklichkeit hervorbringen, eine Beschäftigung mit Merleau-Ponty auch heute noch gewinnbringend. Zwei Einführungsbände sollen den Zugang zu seinem Werk erleichtern. Stephan Günzel, Raum- und Medientheoretiker an der Universität Potsdam, und Christian Bermes, Philosophieprofessor an der Universität Trier, haben sich zur Aufgabe gestellt, das Werk Merleau-Pontys zusammenzufassen. Beide Bücher haben etwa gleichen Seitenumfang, unterscheiden sich aber im Format ebenso wie in der inhaltlichen Vorgehensweise. Ich habe beide Bücher mit Gewinn gelesen. Der Bermer-Band verlangt dem Leser etwas weniger ab, was es gerade für diejenigen attraktiver machen dürfte, die sich noch nicht mit Merleau-Ponty beschäftigt haben. Eine Lektüre des Originals können beide Bände nicht ersetzen, sie machen aber darauf neugierig. Das ist gut so, denn eine Theorie des Leibes bzw. der körperbasierten sozialen Praxis erscheint mir auch für aktuelle theoretische Debatten unverzichtbar.
Zur vollständigen Rezension…

15. März 2008
von Tom Levold
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Peter Fuchs: „Die große Indifferenz: Überlegungen zur Form des Menschen“

rebell.tv bringt einen Vortrag von Peter Fuchs als podcast, den dieser am 12.3. in der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten zum Thema gehalten hat und den man in voller Länge unter diesem Link anhören kann. rebell.tv-Moderator Stefan M. Seydel quetscht Peter Fuchs in einem kleinen Interview schon vor dem Vortrag über diesen aus. Wer sich einen ersten Eindruck machen will, kann sich das Interview hier anschauen. Viel Spaß!

14. März 2008
von Tom Levold
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100. Geburtstag von Maurice Merleau-Ponty

Heute würde der große französische Philosoph und Phänomenologe Maurice Merleau-Ponty seinen hundersten Geburtstag feiern. Interessanterweise stößt dieses Datum in den Medien nicht auf die Resonanz, die man eigentlich hätte vermuten können. Im systemagazin sollte heute an dieser Stelle aus gegebenem Anlass die Rezension zweier Einführungbücher in das Werk Merleau-Pontys erscheinen, die leider aus Krankheitsgründen auf morgen verschoben werden muss, was ich die geneigte Leserschaft zu entschuldigen bitte 🙂

14. März 2008
von Tom Levold
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Zehnerpotenzen

Eine nette, wenn auch nicht mehr ganz taufrische Animation, die von Charles und Ray Eames für IBM angefertigt wurde und die Größenverhältnisse im Bereich der Zehnerpotenzen im Makro- und Mikrobereich veranschaulicht (gefunden auf haha.nu).

13. März 2008
von Tom Levold
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Untätigkeit von berufswegen

„In den letzten Jahren habe ich mehrmals Zeit in einem kleinen Hotel auf einer kroatischen  Insel verbracht. Inzwischen kenne ich die Kellner, die in der Sommersaison zwischen Terrasse, Anrichte und Küche hin und her laufen, Gäste bedienen und wartende Gäste bitten, später  wiederzukommen. Auch die gemächliche und erwartungsvolle Freundlichkeit des Hotelpersonals zu Saisonbeginn habe ich schon genossen, als ich einmal zwei Wochen vor Ostern dort  war. Alle Welt bereitete sich auf die Feiertage vor. Mein Mann und ich hatten ein schönes  Appartement unter dem Dach, an dem Drähte angebracht waren gegen die Tauben, die uns im  Sommer zuvor mit ihrem fiesen Gurren auf die Nerven gegangen waren.
Dieses Mal bin ich im Winter hierher gekommen, um in Ruhe an einem Text zu arbeiten. Außer mir gibt es nur noch einen einzigen weiteren Gast im Hotel. Komme ich morgens zum  Frühstück, steht Ante, der besonders nette und umsichtige Kellner, am Ende seiner Schicht  hinter der Theke. Er begrüßt mich mit müdem Gesicht und fährt fort, mit Gläsern und Flaschen zu hantieren. Unaufhörlich läuft das Radio mit kroatischen Heimatmelodien und sensationellen Werbeansagen, die eine ähnliche Wirkung auf mich haben wie das Gurren der Tauben im letzten Sommer. Kaum habe ich mich morgens zum Frühstück hingesetzt, trieft der  Heimatsound aus dem Radio zuerst in mein Unbewusstes und schwemmt dann leichten Ärger  in mein Bewusstsein. Ich könnte Ante bitten, das Radio auszustellen. Mit mildem, verständnislosem Blick würde er meiner Bitte nachkommen. Wenn ich ihn jedoch mit seinem im Unterschied zum Sommer bleichen und leeren Gesicht geistesabwesend mit den Gläsern hantieren und auf die Hafenbucht vor dem Hotel blicken sehe, kann ich ihn nicht darum bitten, weil  ich annehme, dass das Radioprogramm ihn vom Abgrund einer Winterdepression fernhält“
So schön fängt ein Beitrag von Edelgard Struß an, den sie für das systemagazin verfasst hat und das in der Systemischen Bibliothek zu finden ist. Ihr Thema ist die Langeweile, die sich als Spannungszustand in Arbeitsprozessen herauskristallisiert, in denen man nichts zu tun hat, aber jederzeit darauf eingestellt sein muss, dass sich dieser Zustand sehr schnell ändern kann. Die„erzwungene Muße“ stellt hohe Anforderungen nicht nur an das Personal, sondern auch an die Führung von Mitarbeitern:„Den Vorgesetzten der Un-Tätigen und den Führungskräfte in der Organisation bleibt nichts  anderes übrig, als die Untätigkeit von Mitarbeitenden in Kauf zu nehmen und zu ertragen. Sie  können darüber hinaus produktiv damit umgehen, sich aktiv mit den Folgen für das Arbeitsverhalten des Personals auseinandersetzen und für Strukturen sorgen, die einen vernünftigen  Umgang mit der Untätigkeit für alle Beteiligten möglich machen. Das bedeutet zunächst, Untätigkeit als notwendigen Bestandteil von Arbeit anzuerkennen und den Versuchen der Mitarbeitenden, mit den Folgen der Un-Tätigkeit umzugehen, grundsätzlich Respekt entgegenzubringen. Das ist nicht immer einfach, weil zum einen unser kulturell tief verankertes aktivistisches Arbeitsverständnis es nahe legt, auf Untätigkeit unwillkürlich abwertend zu reagieren.  Zum anderen kommt es beim Ausgleich der Spannung zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig an Arbeit unvermeidlich zu berufs-, team- und personentypischen Entgleisungen und  Grenzverletzungen. Sie verlangen den Vorgesetzten einerseits ein gewisses Maß an Duldsamkeit und Diplomatie ab. Andererseits müssen sie aber auch immer wieder Ordnung herstellen,  Ansprüche klären und gemeinsam mit den Mitarbeitenden den eigentlichen Zweck und die  Ziele der Arbeit reflektieren. Beides kann anstrengend sein und wird nicht immer ohne Konflikte ablaufen“
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11. März 2008
von Tom Levold
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The Color Orange

Der dänische Künstler Jens Galschiot ist der Begründer einer Aktion, die während der Olympischen Spiele 2008, die vom 8. bis 24. August in Peking stattfinden werden, auf Menschenrechtsverletzungen in China hinweisen möchte. Das zentrale Zeichen dieser Kampagne ist die Farbe Orange. Auf der website der Galerie Thurnhofer ist mehr zu lesen: „‚Keine politische oder religiöse Organisation kann das Projekt für sich allein in Anspruch nehmen. Durch die Teilnahme am Projekt zeigt man nur, dass man den Kampf für die Menschenrechte in China unterstützt‘, betont Galschiot und erläutert den Hintergrund des Projekts: „Die Regierung will perfekte Hochglanz-Spiele durchführen, die China gegenüber Milliarden von Fernsehzuschauern als moderne, reibungslos funktionierende Gesellschaft präsentieren sollen. Man wird alles tun, um Kritik vor laufender Kamera zu vermeiden. Die Benutzung der Farbe Orange jedoch kann die strenge Zensur unterlaufen und etwas Wermut in den Propaganda-Becher des Regimes träufeln. Gleichzeitig bekommen Millionen unterdrückter Chinesen während der Olympischen Spiele 2008 eine Stimme.“ Der Bildhauer Jens Galschiot ist von allen politischen und religiösen Interessen unabhängig und hat oft globale Kunstevents zur Verteidigung eines humanistischen Menschenbildes u. a. in Zusammenarbeit mit der Demokratiebewegung in China durchgeführt. Die ‚Farbe Orange‘ bezieht Inspiration u. a. aus der Aussage des Malers Kandinsky: ‚Die Farbe Orange ist Rot, das mit Hilfe von Gelb humaner gemacht worden ist‘. Chinas Farbe ist ja eben Rot. Vielleicht können wir die humanen Kräfte durch die Einführung der Farbe Orange unterstützen. Die Wahl der Farbe Orange ist jedoch auch inspiriert von der Gefangenenkleidung von Guantanamo, den Mönchen in Tibet und Burma u.a.m.“
In einem e-Mail-Aufruf schreibt der Künstler selbst:„Die Idee ist raffiniert und einfach zugleich. Während der Olympischen Spiele trägt man in und außerhalb Chinas irgendetwas in der Farbe Orange mit sich und signalisiert dadurch, dass in China etwas faul ist. Dabei kann es sich um Hut, Fototasche, Schlips, Kugelschreiber, Papier, Kleid, Anzug, Tasche oder was immer handeln – wenn es nur orange ist. Sogar das Schälen einer Apfelsine kann unter Umständen ein markanter Ausdruck sein.
Keine politische oder religiöse Organisation kann das Projekt für sich allein in Anspruch nehmen. Durch die Teilnahme am Projekt zeigt man nur, dass man den Kampf für die Menschenrechte in China unterstützt.
Die Regierung will perfekte Hochglanz-Spiele durchführen, die China gegenüber Milliarden von Fernsehzuschauern als moderne, reibungslos funktionierende Gesellschaft präsentieren sollen. Man wird alles tun, um Kritik vor laufender Kamera zu vermeiden. Die Benutzung der Farbe Orange jedoch kann die strenge Zensur unterlaufen und etwas Wermut in den Propaganda-Becher des Regimes träufeln. Gleichzeitig bekommen Millionen unterdrückter Chinesen während der Olympischen Spiele 2008 eine Stimme.
Die Olympia-Charta nennt als grundlegendes olympisches Prinzip die„Achtung vor universalen, fundamentalen und ethischen Grundsätzen“ und die„Förderung der Errichtung einer friedlichen Gesellschaft, die sich die Bewahrung der Menschenwürde angelegen sein lässt“. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass das chinesische Regime diesen Idealen nachlebt. Die Benutzung der Farbe Orange ist jedoch eine ethische und unpolitische Aussage, die tief im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien der olympischen Bewegung steht.
Das Projekt kann nur gelingen, wenn möglichst viele wissen, was die Farbe Orange bedeutet. Normalerweise wäre dafür ein Werbebudget von Millionen von Dollars erforderlich. Das haben wir nicht, aber dafür haben wir (vielleicht) dich :-). Wenn du und Millionen andere dabei helfen, die Idee zu verbreiten, können wir gemeinsam einen Schmetterling-Effekt schaffen, der einen orange Wind über China wehen lässt“
Die Aktion wird von der Hong Kong Allianz, einem wichtigen Teil der Demokratie-Bewegung in China, aktiv unterstützt. Auf der website thecolororange.net kann man Näheres über die Aktivitäten der Kampagne erfahren und sich in die Liste der Unterstützer eintragen.