systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

17. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Unsichere Kommunikationen – unsichere soziale Systeme

Colin B. Grant ist Professor of Communication Studies. In einem spannenden (englischsprachigen) Aufsatz, der 2004 in„Soziale Systeme“ erschienen ist, kritisiert er an Luhmanns Kommunikationstheorie, dass sie den sozialen Agenten zu wenig Aufmerksamkeit einräumt und daher zur Annahme überstabiler Systemgrenzen neigt, die durch das Postulat„binärer Codes“ unterstützt wird. Er plädiert dagegen für größere Offenheit und„Porösität“ des Kommunikationskonzeptes. Der Aufsatz ist auch online zu lesen. Im abstract heißt es:“Der folgende Essay handelt von einer kritischen Untersuchung der Beziehung zwischen Kommunikation und Unsicherheit im Kontext systemtheoretischer Überlegungen. Der Text verfolgt also das Ziel, an die von Dirk Baecker und Siegfried J. Schmidt und anderen initiierte kritische Reflexion anzuknüpfen, die im englischsprachigen Raum kaum Gehör gefunden hat. Es wird im folgenden argumentiert, dass Niklas Luhmanns Sozialtheorie – und zwar trotz seiner Behandlung von Unsicherheit – mit einer unzureichend komplexen Kommunikationstheorie operiert, die letztlich von überstabilen Systemgrenzen ausgeht. Da Luhmann Systemgrenzen nicht als flüssig konzipiert, werden kommunikative Sicherheiten im Sinne von binären Codes überbewertet. Diese Überstabilisierung von Kommunikationen rührt auch daher, dass Luhmanns Theorie sozialen Agenten bekanntermassen wenig Platz einräumt. Der Essay beginnt mit einer vorsichtigen Rekonstruktion der Grenze zwischen System und Umwelt und entwickelt anschliessend einen Vorschlag für unsichere Kommunikationen und unsichere Grenzziehungsoperationen in sozialen Systemen, dargestellt am Beispiel des heutigen ›Massenmedienterrorismus‹“
Zum vollständigen Text…

16. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Partner auf der Suche nach Erklärungen

Im Open-Access-„Journal für Psychologie“ 1/2007 hat Kerstin Zühlke-Kluthke über ihre Untersuchung erklärender Zuschreibungen von Partnern in konflikthaften und nach beendeten Partnerschaften beschrieben (Abb. storytellersnetwork.wordpress.com):„Das zentrale Ziel dieser Arbeit bestand darin, auffällige Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Ursachenzuschreibung bei konflikthaften und gescheiterten Paarbeziehungen basierend auf attributionstheoretischen Ansätzen aufzuzeigen. Die Methode des qualitativen Interviews mit Nachfragteil hat sich bewährt, solche Attributionen hervorzulocken. Gerade diese offene Herangehensweise in Verbindung mit attributionstheoretischen Aspekten unterscheidet diese Arbeit von anderen Untersuchungen zu Attributionstheorien. Obwohl durch die geringe Anzahl der Interviews je Gruppe nur ein kleiner Ausschnitt an Attributionen in konflikthaften und gescheiterten Partnerschaften gezeigt werden konnte, sind doch auffällige Übereinstimmungen und Unterschiede sichtbar geworden. Die Untersuchung zeigt, dass Partner die Handlungen des anderen subjektiv interpretieren entsprechend ihrem individuellen Beziehungskonzept und der eigenen sowie gemeinsamen Lern- und Lebensgeschichte. Für beide gibt es keine objektive Wahrheit, sondern nur subjektive Wirklichkeiten. Ähnlich wie Eva Wunderer (2003) den Beginn einer Liebe durch „verzerrte Wahrnehmung“ erklärt: „der oder die Geliebte werden als einmalig und allen anderen als meilenweit überlegen erlebt, obgleich die Unterschiede zum Rest der Menschheit vielleicht gar nicht so groß sind“ (Wunderer 2003, 32), werden möglicherweise auch konflikthafte und gescheiterte Paarsituationen verzerrt wahrgenommen, was sich in entsprechenden Attributionen niederschlägt. Die Wahrnehmung weicht auch in diesen Fällen von der Realität in eine Richtung ab, die das gegenwärtige Empfinden in der Partnerschaft verstärkt. Die Ergebnisse der Auswertung der Interviews lassen vermuten, dass konfliktbelastete Paare ungünstiger attribuieren: mehr individuelle Aspekte statt situativer Aspekte. Durch vermehrte Negativattributionen wird das negative Gefühl zum Partner aufrechterhalten. Gerade bei den Paaren, die konflikthaft zusammenleben und ihre Partnerschaft „retten“ wollen, bietet sich ein Re-attributionsverfahren an, was auf die Veränderung von Attributionen abzielt. Hier liegt die praktische Verwertbarkeit dieser Untersuchung“
Zum vollständigen Text…

15. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Stigma

Eines der vielen berühmten Bücher des viel zu früh gestorbenen Soziologen Erving Goffman (der im Juni 86 geworden wäre) ist den„Techniken der Bewältigung beschädigter Identität“ gewidmet.„Stigma“ gehört trotz der manchmal etwas angestrengten Übersetzung auch heute noch zu den unbedingt lesenswerten Arbeiten, die auch und gerade für Therapeuten von Interesse sein müssten. Tom Levold hat in im vergangenen Jahr im„Kontext“ eine ausführliche Würdigung von„Stigma“ in der Rubrik„Klassiker wiedergelesen“ veröffentlicht, die nun auch in der Klassiker-Rubrik von systemagazin zu lesen ist:„Die Lektüre von ,Stigma‘ hilft, den sozialen Konstruktionsprozess von Normalität und Stigma besser zu verstehen, ohne unbedingt Hoffnungen zu stärken, dass ein tieferes Verständnis dieser Konstruktivität zur Aufhebung dieser Unterscheidung führen könnte. Wir können sicherlich etwas gegen konkrete Stigmatisierungen (und die damit verbundenen Diskriminierungen und Benachteiligungen) unternehmen, Goffman zeigt aber unsentimental und eindrucksvoll, dass die für die Identitätsbildung konstitutive Unterscheidung von Norm und Stigma damit nicht verschwinden wird. Und damit auch nicht die Daseinsberechtigung von Psychotherapie als Stigma-Management: ,Zum Beispiel gibt es in einem gewichtigen Sinn nur ein vollständig ungeniertes und akzeptables männliches Wesen in Amerika: ein junger, heterosexueller protestantischer Vater mit Collegebildung, voll beschäftigt, von gutem Aussehen, normal in Gewicht und Größe und mit Erfolgen im Sport. … Jeder Mann, der in irgendeinem dieser Punkte versagt, neigt dazu, sich – wenigstens augenblicksweise – für unwert, unvollkommen und inferior zu halten.‘ (158) Diesem Satz haben die 44 Jahre, die seit der Niederschrift vergangen sind, aller political corrextness zum Trotz nicht viel anhaben können, auch wenn man heute selbstverständlich das weibliche Pendant einschließen würde. Aus den dargelegten Gründen erscheint mir ,Stigma‘ immer noch eine Pflichtlektüre zu sein: auch für Psychotherapeuten“
Zur vollständigen Besprechung…

14. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Neurobiologie für die Klinische Soziale Arbeit

Die Neurobiologie und ihre Implikationen für pädagogische, psychotherapeutische und beraterische Arbeitsfelder sind derzeit in aller Munde. Entsprechend groß ist der Bedarf an guten einführenden Werken, die auf verständliche Weise auch komplexe Theorien und Forschungsergebnisse handhaben. Das vorliegende Buch richtet sich an klinisch arbeitende Professionelle der Sozialen Arbeit, ist verständlich und befindet sich auf der Höhe der fachlichen Auseinandersetzung. Dennoch hat Andreas Manteufel das Buch sehr kritisch rezensiert:„Was fehlt, und das gilt für die meisten Publikationen in diesem Feld, ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Methoden der funktionellen Bildgebung und der brüchigen methodischen Basis, auf der so viele Experimente beruhen, deren Ergebnisse aber wie selbstverständlich überall referiert werden. Auch die Auseinandersetzung mit den Begrenzungen neurobiologischen Erkenntnisgewinns oder den Gefahren, in einseitig biologische Krankheitskonzepte zurück zu fallen, vermisst der Rezensent in diesem Band völlig. Es ist daher ein Buch wie viele andere, so sympathisch der Beziehungsansatz, der hier vertreten wird, auch ist. Information: gut. Kritische Reflexion: Fehlanzeige“
Zur vollständigen Rezension…

13. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Sind Supervision und Coaching dasselbe?

…oder komplett unterschiedliche Beratungsansätze? Eine trennscharfe Unterscheidung aufgrund theoretischer Texte ist nicht leicht. Aber was kommt heraus, wenn man (potentielle) KlientInnen vn Supervision und Coaching befragt? Diese Frage stellte sich Markus Ebner, Wirtschaftspsychologe sowie Trainer und Coach und führte eine interessante Untersuchung mit 160 Psychologie-Studierenden an der Universität Wien durch. Diese wurden aufgefordert, jeweils zwei Assoziationen zu Supervision und Coaching zu äußern und diese anschließend zu bewerten. Das interessante Ergebnis: Die Assoziationen zeigen nur einen geringen Überschneidungsbereich, nämlich„Hilfe“ und„Beratung“. Es fiel den Studenten leichter, Assoziationen zu Coaching zu generieren, die im übrigen eher entwicklungsorientiert waren, während sie Assoziationen zu Supervision stärker mit Kontrolldimensionen verbunden waren. Ebner hat seine Untersuchung auf dem bestNET.Kongress 2007 vorgestellt, sie ist auch online zu lesen,
und zwar hier…

9. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Familiendynamik 3/08: Bindung

13 Jahre nach einem Themenheft über Bindungstheorie und Bindungsforschung im Jahre 1995 bringt die„Familiendynamik“ wieder einmal ein Schwerpunkt zum Thema Bindung heraus. Wie beim letzten Mal gibt es auch hier einen Beitrag von Klaus und Karin Grossmann („Die psychische Sicherheit in Bindungsbeziehungen“), ergänzt von einer Überblicksarbeit zu„Bindungstheorie und systemische Therapie“ von Kirsten von Sydow sowie einem Artikel einer Autorengruppe über„Die Funktionalität von Familien mit einem psychisch kranken Elternteil“. Eingeführt wird in das Thema in einem nachdenkenswerten Editorial von Arist von Schlippe, der hiermit seinen Einstand als Herausgeber gibt:„Studien an Risikopopulationen zeigen, dass unsichere Bindungen eine starke Vorhersagekraft für psychopathologische Prozesse besitzen. Die aus dieser Sicht zu ziehende Konsequenz ist, dass es nicht nur um die Veränderungen der Narrative, der Erzählungen gehen kann, wenn man konstruktive Veränderungen in Beziehung erreichen will – es braucht auch ein an den jeweiligen Bindungsstilen ausgerichtetes Vorgehen. Diese Befunde zu verfolgen ist spannend und, wie gesagt, zugleich herausfordernd. Denn die systemische Therapie steht in einem »natürlichen« Spannungsfeld zu psychologischen Theorien, die den Anspruch erheben, definitive Aussagen über seelische Wirklichkeit machen zu können, zumal wenn sie in klare Kausalmodelle eingehen. Die kritische Frage ist, ob mit einer Entwicklungsperspektive nicht auch wieder Normativität in die Arbeit mit Familien eingeführt wird. Wie verträgt sich ein Konzept wie das vom »richtigen« Elternverhalten als Ursache für kindliche Bindungsstile (»Welchen ich eigentlich?«) mit Überlegungen zur zirkulären Kausalität, mit dem Verzicht auf objektives Wissen und der Idee, dass sich in jeder Aussage auch die Person (ein Beobachter) ausdrückt? Es waren ja diese Überlegungen, die in der Familientherapie bzw. systemischen Therapie zur Akzentuierung einer Haltung des » Nicht-Wissens« als Grundlage des therapeutischen Vorgehens führten. Die in diesem Heft vorgestellten Ansätze gehen dagegen von einer Position des Wissens aus. Die Herausforderung ist da: Das Wissen ist fundiert, es beruht auf sorgfältigen Beobachtungen und die Befunde sind zu überzeugend, die Theorie zugleich zu nah an systemischen Modellen, als dass man sie ignorieren könnte. Vielmehr geht es darum, das geschilderte Spannungsverhältnis wahrzunehmen, zu diskutieren und danach zu suchen, wie die Positionen des Wissens und Nicht-Wissens zu verbinden sind“
Zu den vollständigen abstracts…

8. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Fritz Perls in Berlin

Heute vor 115 Jahren kam Fritz Perls in Berlin zur Welt. Am 14.5.1970 ist er in Chikago gestorben. Friedrich Salomon Perls – auch Frederick S. Perls – begann 1913 Medizin zu studieren und schloss nach dem Krieg 1921 mit einem Dr. med. ab, um dann Neuropsychiater zu werden. Anfang der 1930er Jahre machte Fritz Perls eine Lehranalyse bei Wilhelm Reich. Er wurde Psychoanalytiker, entwickelte dann aber in Abgrenzung zur Psychoanalyse mit seiner Frau Laura Perls (geb. Lore Posner), Paul Goodman und anderen Mitarbeitern das spezifische erlebnisaktivierende Psychotherapieverfahren der Gestalttherapie (Informationen: Wikipedia). In einer umfangreichen Dissertation, die Bernd Bocian 2002 an der philosophischen Fakultät der TU Berlin vorlegte, untersucht der Autor die Lebenserfahrung und Theorieproduktion Fritz Perls in Berlin von 1893 bis zu seiner Emigration 1933. Sein„Beitrag zur deutschen Vorgeschichte und zugleich zur Aktualität von Gestalttherapie und Gestaltpädagogik“ ist eine ausführliche und detaillierte Darstellung von Perls erster Lebenshälfte im politischen und wirtschaftlichen Kontext seiner Zeit, vor allem, was die Situation der Juden im Deutschen Reich betraf. In seiner Einleitung schreibt der Autor:„Zentrale Haltungen, Theorien und Methoden der Gestalttherapie beinhalten für mich wesentlich ein durch den deutschen Nationalsozialismus vertriebenes Erbe. Die oftmals fehlende Wahrnehmung dieses historischen Hintergrunds hat meiner Ansicht nach auch damit zu tun, daß innerhalb der Gestalttherapie hierzulande eine weitreichende Amnesie in Bezug auf die deutsche Vorgeschichte unseres Ansatzes existiert. Dies macht auch den gestalttherapeutischen Anteil an der deutschen Amnesie in Bezug auf die angesprochene Zeit aus. Was mit Fritz Perls 1933 aus Deutschland geflohen ist und was Deutschland verlorenging, sind im Kern die Erfahrungen der sogenannten expressionistischen Generation. Diese gesellschaftlichen Außenseiter und Pioniere der Moderne erlebten und erlitten den sich in Deutschland und speziell in der Metropole Berlin rasant durchsetzenden Modernisierungsprozess am bewußtesten. Auf vorgeschobenem Posten versuchten sie mit dem umzugehen, was von aktuellen Zeitdiagnostikern (z. B. Zygmunt Baumann, Ulrich Beck, Heiner Keupp) als Chance und Gefahr für die Identitätsbildung der Menschen in den heutigen Industrienationen benannt wird. Gemeint sind hier etwa Diagnosen wie Pluralität der Weltdeutungen und Sinngebungen und die Auflösung der traditionellen Einbindungen mit Druck und Möglichkeit zur individuellen Lebensgestaltung bzw. Selbstkonstruktion. Damals betraf dies eine kleine Gruppe, eben die Avantgarde. Heute stellen sich anscheinend diese „riskanten Freiheiten“ (Beck) einem wachsenden Teil der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund stellt sich für mich der Entwurf der Gestalttherapie als ein Antwortversuch konkreter Subjekte auf die Bedrohungen und Chancen eines Prozesses sozialpsychologischer Veränderungen dar, der andauert und seitdem immer größere Teile der Gesellschaft erfaßt hat. Perls ist mit einer Sozialisationsgeschichte in die Emigration gegangen, die er mit der damaligen Großstadtavantgarde teilte“ Das ganze ist ungemein spannend zu lesen und ein schönes Beispiel für eine Psychotherapiegeschichte, die ihre gesellschaftlichen Umstände nicht aus dem Blick verliert.
Zum vollständigen Text…

7. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

systhema 2/2008

Auch„systhema“ wartet mit einem Sommerheft auf, hier stehen diesmal klinische Fragestellungen im Vordergrund. Aus dem Editorial:„Der Schulmediziner Peter Heinl unternimmt mit seinem Plädoyer für die Einbeziehung einer Intuitiven Diagnostik einen erneuten Vorstoß in die sogenannte ‚unbewusste Medizin‘. Anhand eines eindrücklichen Fallbeispiels einer Patientin mit einer chronischen Schmerzerkrankung zeigt er Möglichkeiten auf, die bei einer Erweiterung der etablierten klinischen Diagnostik und Therapie um bildhafte intuitive Elemente im Sinne einer nachhaltigen Heilung genutzt werden können. Auch im Beitrag von Simone Lamerz und Ingo Spitczok von Brisinski steht ein ausführliches Fallbeispiel im Mittelpunkt. Selbstkritisch werden hilfreiche und hinderliche Hypothesen und Interventionen im Rahmen eines mehrwöchigen Klinikaufenthaltes einer Familie eines fünfjährigen Jungen mit einer ausgeprägten sensorisch aversiven Essstörung als Ausdruck einer spezifischen Phobie beschrieben und analysiert. Thomas Gruber zeigt Wege und Ansatzpunkte für eine konstruktive Arbeit mit Jugendlichen auf, die auf der Basis einer autonomen Kooperation, z.B. für die Arbeit mit jugendlichen Straftätern genutzt werden können“. Darüber hinaus gibt es noch einen Nachruf auf Michael White von Wolfgang Loth und einen Tagungsbericht von Peter Luitjens.
Zu den vollständigen abstracts…

6. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Organisation der Strategie

„Dieses Buch schärft den Blick für die Differenz zwischen Theorie und Praxis, um andauernde Wahrheits- und Erfolgsversprechungen ökonomischer und organisatorischer Theorien zu dekonstruieren. Es werden die wesentlichen Theorien zu Strategie und Organisation voraussetzungsvoll kritisiert. Durch die präzise Wiedergabe der Gedankenwert (in Person der Kunstform„Vitalis“), die sich während umfangreicher Organisationsberatungsprojekte beim Autor entwickelt haben, konstruiert sich ein Weg zwischen ‚unbrauchbarer Theorie‘ und widerspenstigen praktischen Erfahrungen“, heißt es im Klappentext des Buches„Organisation der Strategie. Konstruktionen und Dekonstruktionen“ von Karl Baumann, Unternehmerberater und freier Wissenschaftlicher aus Österreich. Dem Leser wird dabei manches abverlangt, er erhält aber auch reichlich Gedanken-Gewinn. Rezensent Norbert Schlüpen aus Bonn:„Eben noch bei den strategischen Erfolgsrezepten, schon bei der Liebe, dem Respekt, der Wirklichkeit und der Frage nach der Ethik. Das soll ein begrenzter Leser emotional verarbeiten! Gott sein Dank doppelt der Autor manche Zitate (…). So bleibt Zeit zum Durchatmen. (…) Ein Buch für Liebhaber der Zeit, Begriffe und Überraschungen“
Zur vollständigen Rezension…

4. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Macht Erfahrung klug?

„Morus Markard ist der letzte Professor, der an der Freien Universität (FU) Berlin Lehrveranstaltungen zur Kritischen Psychologie anbietet — und auch das nur per Lehrauftrag, der jedes Semester neu vergeben werden muss. Damit sollte nun nach dem Willen der FU Schluss sein. Begründung: Die FU müsse sich auf die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge vorbereiten. Durch eine Protestaktion konnten die Studierenden dafür sorgen, dass Markard den Lehrauftrag noch mal bekam“ So war im Februar 2007 auf der website keimform.de zu lesen. Schaut man auf der Uni-website nach, stellt man fest, dass Markard als außerplanmäßiger Professor im Arbeitsbereich Subjektforschung und Kritische Psychologie noch immer Lehrveranstaltungen anbietet. Auf der therapieschulenübergreifende Tagung„Das Unbehagen in der (Psychotherapie-)Kultur. Sinnverstehende Traditionen – Grundlagen und Perspektiven“, die am 17. und 18. März 2006 in Bonn stattfand, stellte Markard seine„subjektwissenschaftlichen Überlegungen zum Verhältnis von subjektiver Erfahrung und wissenschaftlicher Verallgemeinerung“ vor, die in einer überarbeiteten und erweiterten Fassung im Online-„Journal für Psychologie“ 3/2007 nachzulesen sind. In dieser unbedingt lesenswerten Arbeit geht es um das Verhältnis von Begriffen und Erfahrung, um die Mitteilbarkeit von Erfahrung, über das Verhältnis von Theorie und Praxis und die Folgerungen für das Denken über Therapie, das sich nicht dem nomothetischen Ursache-Wirkungs-Paradigma der Mainstream-Psychologie unterwirft:„Die Gesellschaft ist zwar ein reales System, durch das die Lebenserhaltung des einzelnen vermittelt ist; Gesellschaft als System ist aber für sich genommen kein anschaulicher, kein unmittelbarer Erfahrungstatbestand. Gesellschaftliche Verhältnisse strukturieren, vermittelt über verschiedene – auch i.e.S. institutionelle – Subsysteme, die Lebenstätigkeiten, Denkweisen und Erfahrungen der Gesellschaftsmitglieder. Diese Strukturiertheit ist selber aber nicht anschaulich, sondern nur, wenn man so will, rekonstruktiv zu ermitteln. Was (jeweils) zu rekonstruieren ist, ist der Vermittlungszusammenhang zwischen unmittelbarer Lebenswelt bzw. unmittelbar gegebener Situation und dem diese umgreifenden und strukturierenden gesellschaftlichen System. In unserem Zusammenhang zentral ist, dass das gesellschaftliche System und seine institutionellen Subsysteme auch die unmittelbaren und in ihrer lebensweltlichen Unmittelbarkeit durchaus auch anschaulich anmutenden sozialen Beziehungen – unanschaulich – strukturieren. „Anschauliche“ soziale Beziehungen gehen in ihrer Anschaulichkeit nicht auf. Wie wir Männer, Frauen, Kinder wahrnehmen, hat biographische, situative und gesellschaftliche Dimensionen. Die Unanschaulichkeit von gesellschaftlichen Strukturen bedeutet eben keineswegs ihre Unerfahrbarkeit, sondern nur, dass Erfahrungen, sofern sie nicht auf diese Momente hin analysiert werden, unvollständig und schief analysiert werden. Wir müssen allerdings bedenken, dass es bezüglich dessen, was Gesellschaft ist, in welcher Art Gesellschaft wir leben, unterschiedliche, konkurrierende theoretische Rekonstruktionen und Reflexionen gibt. Daraus folgt, dass die Aufschlüsselung von Erfahrungen strittig sein muss. Ob man diese Gesellschaft als soziale Marktwirtschaft, als Risikogesellschaft, als Ambiente postmoderner Flaneure oder als ordinäre kapitalistische Barbarei betrachtet, ist umstritten, aber für die Aufschlüsselung von Erfahrung (bspw. von Arbeitslosigkeit oder Schulschwänzen) wesentlich, je nach Lage der Dinge auch praktisch relevant“
Zum vollständigen Text…

3. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Borderline – Systemische Arbeitsweisen in Bereichen der Jugendhilfe

Frank Natho ist durch einige Bücher in der systemischen Szene bekannt, die im Kleinstverlag Edition Gamus aus Dessau erschienen sind. Bereits im Jahre 2002 veröffentlichte er ein Buch über die Arbeit mit schwierigen und verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Heimerziehung, das zum Ziel hat, Erfahrungen in einem Einzelfall mit einem„borderline-gestörten Mädchen“ mit der Darstellung theoretischer Hypothesen zur Borderline-Störung und systemischer Arbeitsweisen zu verknüpfen. Rezensent Dennis Bohlken ist dabei nur zum Teil überzeugt:„Das vorliegende Buch ist m.E. als Einstiegsliteratur für diejenigen geeignet, die in der Heimerziehung mit ,borderline-gestörten‘ Jugendlichen arbeiten und sich theoretische Anregungen einholen wollen. Diejenigen, die eine Möglichkeit der 1:1 Umsetzung in die Praxis erwarten, werden hier nicht bedient“
Zur vollständigen Rezension…

2. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Wer hat wozu und wieso überhaupt Gefühle?

„Eine sehr alte, frühgriechische Tradition schweißt den Komplex ‚Gefühl‘ zusammen mit der Beobachtung von Körperzuständen. An Körpern zeigen sich Gefühle, nur so kann man sie an anderen Leuten sehen, und Gefühle überfallen und unterwerfen den Menschen, der im Grunde nur zuschauen, nur erleben kann, wie er überwältigt wird. Diese Sichtweise, die phänomenologisch überzeugen könnte, wird in der ersten griechischen Aufklärung aus Gründen, die sich hier nicht erörtern lassen, massiv verändert. Das Gefühl wird dem ‚Seeleninnenraum‘ zugeschlagen in mehr und mehr scharf ausgeprägter Differenz zum Körper. Es ist unkörperlich, fluidal und in Fortführung dieser Seelensemantik ‚energetisch‘ als dasjenige, was der Seele entspringt oder worin die Seele sich regt. Es ist in interiore hominis, im Innern des Menschen angesiedelt, eine Binnenvitalität, die das ‚Pneumatische‘ der Kognitionen an das Leben anschließt. Diese Vorstellung hält sich Jahrtausende durch und erstreckt sich in raffinierten, wenn auch zunehmend ausdünnenden Verästelungen bis in die Gegenwart hinein als eine Körperverdeckungsstrategie, die die Annahme, Gefühl sei etwa (nur!) die sozial konditionierte Registratur von Körperzuständen, als Absurdität erscheinen läßt…“ So beginnt ein spannender Aufsatz von Peter Fuchs aus dem Heft 1/2004 von„Soziale Systeme“, das dem Thema Systemtheorie und Gefühle gewidmet ist. Die Einleitung zu diesem Heft von Dirk Baecker„Wozu Gefühle?“ ist übrigens ebenfalls online zu lesen.
Zum vollständigen Text von Peter Fuchs…

1. Juli 2008
von Tom Levold
Keine Kommentare

Soziale Systeme 2/2006

Zwei Zweitausendsechs? Nun ja, nachdem im vergangenen Sommer mit Verspätung das Heft 1/2006 erschienen ist, dauerte es bis zum zweiten Heft ein weiteres Jahr. Angekündigt wurde damals vom federführenden Herausgeber Dirk Baecker, dass sich Heft 2/06 mit dem Thema Politik und Menschenrechte befassen würde und u.a. einen Text von Niklas Luhmann enthalten sollte. Daraus ist nun offensichtlich nichts geworden. Stattdessen ist ein Projekt, das auch für Frühjahr 2008 (als Jahrgangsheft 2007) avisiert war, vorgezogen worden. Die Tagung„Die Gesellschaft der Gesellschaft„, die Anfang 2007 aus Anlass des 10-jährigen Veröffentlichungsdatums von Luhmanns Opus Magnum in Mexiko stattfand, findet in diesem Heft ihren Niederschlag. U.a. macht sich Klaus Japp in einem interessanten Aufsatz über„Politische Akteure“ Gedanken über die Konzepte„Akteur“,„Person“ und„Selbst“ im Kontext einer systemischen Kommunikationstheorie, Hartmann Tyrell untersucht die„Funktionale und Ebenendifferenzierung im Frühwerk Niklas Luhmanns“, Andreas Göbel befasst sich mit dem Gesellschaftsbegriff der soziologischen Systemtheorie und Jean Clam fragt:„Was ist ein psychisches System?“. Daneben gibt es weitere Aufsätze von Marcelo Neves, Aldo Mascareño, Elena Esposito und Klaus-Michael Bogdal, alles wie gewohnt auf hochklassigem theoretischen Niveau – eine Bereicherung für alle, die sich gerne auf die Komplexität systemischer Theoriekonstruktion einlassen. Dass die Zeitschrift wieder den vorgesehenen Veröffentlichungsrhythmus finden wird, ist ihr – und der Leserschaft – sehr zu wünschen, und auf das Heft zum Thema„Menschenrechte“ ist sehr zu hoffen.
Zu den vollständigen abstracts der aktuellen Ausgabe…
(Der Jahrgang 2004 ist nun auch im systemagazin archiviert)