systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

16. März 2021
von Tom Levold
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Resonanz statt Ressourcen?

In den von der Lehranstalt für systemische Familientherapie in Wien herausgegebenen Systemischen Notizen 2/2019 beschäftigt sich Claudia Gröger-Klein mit möglichen Auswirkungen resonanztheoretischer Überlegungen auf die Praxis systemischer Therapie und geht der Frage nach, inwiefern die Resonanztheorie des Soziologen Hartmut Rosa für die therapeutische Praxis nutzbar gemacht werden kann. In der Einleitung heißt es: „Der deutsche Soziologe Hartmut Rosa entwirft in seinem 2016 erstmals erschienen Werk Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung eine Theorie, wie (gutes) Leben gelingen kann. Eine Frage, die in vielen psychotherapeutischen Prozessen mehr oder weniger implizit eine wesentliche Rolle spielt. Sei es auf Seiten (systemischer) Psychotherapeutinnen bei der Bildung von Hypothesen und Leitdifferenzen oder auch in den Vorstellungen der Klientinnen, die ihr Leiden und ihre Probleme als Abweichung von jenen Zuständen erleben, die sie mit einem guten, gelingenden Leben verbinden. Resonanz nach Rosa verstanden als ein bestimmter ,Beziehungsmodus zur Welt’ taucht auch in psychotherapeutischen Prozessen in Form der Erzählungen von Klientinnen über An- oder Abwesenheit von, bzw. die Sehnsucht nach Resonanzerfahrungen auf, und bleiben oftmals als bedeutsam in Erinnerung. Welche möglichen Auswirkungen hat es nun bzw. welchen Unterschied macht es, wenn ich als systemische Psychotherapeutin jene Erzählungen vor dem Hintergrund der Resonanztheorie wahrnehme, sie nicht unter Ressourcen bzw. dem Fehlen von Ressourcen subsumiere, sondern resonanztheoretische Überlegungen zur Hypothesen- und Leitdifferenzbildung heranziehe und auch im Rahmen von Interventionen berücksichtige? Dieser Frage widmet sich der vorliegende Beitrag in der Hoffnung, dass er zum Weiterdenken und zu interessanten Diskussionen anregt.

Der Text kann nicht unter dem direkten Link heruntergeladen werden, sondern ist nur auf dieser Liste erreichbar.

15. März 2021
von Tom Levold
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Michael Scholz (23.12.1941 – 16.2.2021)

(Foto: Privatbesitz)

Am 16. Februar ist Michael Scholz im Alter von 79 Jahren gestorben. Als langjähriger Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie in Dresden prägte die Entwicklung dieses Fachbereiches. Er war zudem hierzulande maßgeblich an der Verbreitung des Konzeptes der Multifamilientherapie beteiligt. Eia Asen, der dieses Konzept in England entwickelte, hat intensiv mit Michael Scholz zusammengearbeitet und einen Nachruf für systemagazin verfasst.

Eia Asen, London: Nachruf auf Michael Scholz

Familie war schon immer wichtig für Michael Scholz – und lange bevor er familientherapeutisch arbeitete. Und doch fing alles recht schwer an:  während des 2. Weltkrieges in Berlin geboren, sah er seinen Vater nur einmal bevor dieser fiel. Seine Mutter zog ihn allein auf und floh kurz vor Kriegsende mit dem dreijährigen Kind nach Sachsen-Anhalt, wo beide zuerst allein und ein paar Jahre später bei Michaels Großeltern in Bernburg lebten. Dort lernte seine Mutter ihren zukünftigen Mann kennen, der Michaels (mehr oder weniger gleichaltrige) Stiefgeschwister mit in die Ehe brachte. So wurde seine Familie langsam immer grösser … Da Michaels Eltern nicht in der Partei waren, erhielt er erst einmal keinen Studienplatz in der DDR und machte so sein vorklinisches Medizinstudium in Bulgarien (Sofia) – und die Liebe zu diesem Land, seinen Menschen und seiner Kultur hielt lebenslang. Nach dem Physikum setzte er sein Studium in Leipzig fort, legte dort 1966 sein Staatsexamen ab und absolvierte dann nach und nach seine Psychiatrie- und Neurologie-Facharztausbildung. 

Das Interesse an Familientherapie entstand schnell, obschon in der DDR diese Form von Psychotherapie wenig erwünscht war. Dennoch etablierte sich Michael Scholz als Leiter eines langjährigen Forschungsprojekts – „Familiendynamik bei psycho-sozial gestörten Kindern und Jugendlichen“ (1977-1990), 1980 war er Mitherausgeber des ersten familientherapeutischen Buches, das in der der DDR erschien. Nach der Wende und seiner Berufung zum Ordinarius an die Technische Universität Dresden (1994) als Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde Systemische Familientherapie in seiner Klinik zum Grundstein aller klinischen Arbeit gemacht. Michaels wachsendes Interesse an der Multifamilientherapie führte1998 zur Gründung einer Familientagesklinik für Kinder und ihre Eltern; sie wurde schnell zu einem richtungsweisenden Prototyp und hat seitdem viele Kliniker in Deutschland beeinflusst und ermutigt, ähnliche Projekte aufzubauen. Die darauffolgende Einrichtung der Familientagesklinik für Essgestörte Jugendliche (1999) und das entstehende manualisierte Multifamilienarbeitsmodell hat entscheidend die nationale und internationale Behandlung der Anorexia nervosa inspiriert und gilt weiterhin als „Gold Standard“.  Michaels zahlreiche Publikationen und Forschungsstudien, wie auch seine vielseitige Lehrtätigkeit, nicht nur in Deutschland, sondern Europa-weit, haben die Verbreitung der Multifamilientherapie und -arbeit maßgeblich gefördert – sowohl in klinischen Bereichen wie auch vor allem in der Jugendhilfe. Michaels mitreißender Enthusiasmus, die warme Ausstrahlung, seine außergewöhnlichen therapeutischen Fertigkeiten und vor allem seine Kollegialität und Freundschaft sind und bleiben unvergesslich. Seine inzwischen riesengroße Familie – 8 Kinder und eine Stieftochter aus 3 Ehen und 8 EnkelInnen, die ihn alle sehr liebevoll auf seinem letzten Weg seit vergangenem Sommer begleitet haben – wird ihn ebenso nie vergessen. Für ihn war und blieb Familie immer wichtiger als alles andere.

12. März 2021
von Tom Levold
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Helm Stierlin wird 95!

Heute feiert Helm Stierlin seinen 95. Geburtstag. Der für viele wichtigste Wegbereiter der Systemischen Therapie in Deutschland wurde am 12.3.1926 in Mannheim geboren. Urprünglich als Psychoanalytiker ausgebildet, war er nach längerer Ausbildungs- und Praxiszeit in den USA von 1974 bis 1991 ärztlicher Direktor und Lehrstuhlinhaber der Abteilung für Psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie an der Medizinischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Anlässlich seines 80. Geburtstages hat Wolf Ritscher Helm Stierlin für den Kontext interviewt, ein sehr schönes Gespräch, das die intellektuelle und therapeutische Entwicklung von Helm Stierlin nachzeichnet und vor allem seine systemische Grundhaltung zum Ausdruck bringt. Das Interview kann hier gelesen werden…

Lieber Helm, zum 95. Geburtstag alles Gute, Gesundheit und Freude!

8. März 2021
von Tom Levold
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Was bewegt systemische Therapie?

2011 haben Hans Schindler, Wolfgang Loth und Janina von Schlippe bei Vandenhoeck & Ruprecht eine Festschrift für Arist von Schlippe herausgegeben, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag gefeiert hatte. In diesem Band „Systemische Horizonte“ findet sich auch ein Beitrag von Wolfgang Loth, „Was bewegt systemische Therapie? Versuch über Motivation in der systemischen Therapie“, der auch online zu finden ist. Darin heißt es: „Systemische Konzepte und Modelle des Helfens sind nicht so eindeutig, wie es der vereinheitlichende Markenname annehmen lässt (…). Ontologistisch-systemische Herangehensweisen unterscheiden sich sowohl in den Prämissen als auch in wesentlichen Handlungsideen von konstruktivistisch-systemischen. Wenn ich im Folgenden von systemischer Therapie spreche, setze ich eine eher konstruktivistische, existenziell gestimmte Variante voraus. Auch dies ist wieder ein weites Feld, doch dürfte ein gemeinsamer Nenner sein, dass Hilfe als gemeinsame und gleichberechtigte Teilhabe am Erkunden dessen verstanden wird, was sich für diese Person(en) als hilfreich bewährt. Unter anderem erschließt sich dadurch ein freierer Zugang zu Sinnmotiven, die sowohl Erleben als auch Handeln bewegen. Der Vorteil einer solchen Perspektive besteht darin, die Adressaten von Hilfeangeboten nicht notwendigerweise in Kategorien der Hilfebedürftigkeit einzuordnen und sie zu begutachten. Es wird möglich, Probleme und beschriebene Leidenszustände als valide Ausgangspunkte für spezielle Anliegen anzuerkennen, ohne durch Rückgriff auf kategorisierende Zuordnungen Fremdbestimmungen einzuführen – und sei es auch nur, um auf dieser Basis ebenfalls kategorisierte Hilfsmaßnamen einzuleiten.

Ein solcher Zugang zu »bewegenden« Themen und Fragen verzichtet auf einfache Mittel zur Komplexitätsreduktion, wie sie etwa über Zuordnungen geschehen kann. Dieser Verzicht ist nicht gleichbedeutend mit dem Freisein von der Notwendigkeit, mit Komplexität handhabbar umzugehen. Zwar hätten systemische Therapeutinnen (und andere systemische Helfer) Luhmann zur Seite, der ihnen ins Stammbuch schreibt, nur Komplexität könne Komplexität reduzieren (…). Als Bonmot klingt das prickelnd, bedarf jedoch nachvollziehbarer Übersetzung für die Alltagspraxis. Einen Zugang bietet die Idee der Selbstorganisation und der Rückgriff auf ihre mittlerweile reichhaltige konzeptuelle Substanz (…)“.

Den vollständigen Text kann man hier herunterladen…

25. Februar 2021
von Tom Levold
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Systemische Therapie jenseits des Heilauftrags

Heilauftrag? Jenseits? Begriffe, die selbst schon wieder einen eigenen Diskurs in Gang bringen könnten. Gemeint ist die Praxis der Systemischen Therapie in unterschiedlichsten psychosozialen Arbeitsfeldern, die vom größten Teil der Systemischen TherapeutInnen erbracht wird, aber nicht unter die kassenfinanzierte Psychotherapie fällt. Tanja Kuhnert und Mathias Berg haben einen Sammelband mit konzeptuellen und praxisorientierten Beiträgen zu diesen Arbeitsbereichen herausgegeben, der im vergangenen Jahr bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen ist und ein differenziertes Bild auf die vielseitigen Arbeitsfelder, aber auch die Kontroversen wirft, die das systemische Feld seit Beginn der Bemühungen um die Anerkennung als Richtlinienverfahren der Psychotherapie führt. Andreas Wahlster hat das Buch für systemagazin rezensiert.

Andreas Wahlster, Ladenburg:

Als Tom Levold mich fragte, ob ich eine Rezension zum vorliegenden Buch schreiben wolle, war ich durchaus ambivalent zwischen dem Opfern von knapper privater Freizeit zum Schreiben und der Neugier auf ein Fachbuch mit substantiellen Beiträgen aus Kontexten, die mir in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität aus eigener Berufserfahrung zum Teil bekannt sind. Ich habe mich richtig entschieden.

Die inhaltliche Struktur des Buches ist in sich schlüssig und wird in einer jeweils vorangehenden Einleitung zu den fünf Kapiteln wie auch in der Einführung anschaulich erläutert.

Rainer Schwing positioniert sich in seinem Vorwort deutlich. Insgesamt bewertet er die sozialrechtliche Anerkennung der systemischen Therapie als großartigen Erfolg. Er wirft jedoch auch einen differenzierenden Blick auf die Frage, wie sich dies auf die Arbeitsbedingungen der vielen Systemischen Therapeut*innen, sowie auf die Möglichkeiten auswirken wird, dass die unterschiedlichen Berufsgruppen in den systemischen Weiterbildungsgängen gemeinsam voneinander lernen.

Kuhnert und Berg geben in ihrer Einführung das Leitmotiv des Buches vor: Was bedeuten „Systemisch denken, therapeutisch handeln (…) jenseits von Approbation und Heilauftrag“? Das eröffnet ein weites Feld und führt zu der Aufgabe, „alle jene Kontexte beispielhaft für die Vielfalt systemtherapeutischer Arbeit zu beleuchten“. Dafür hatten Kuhnert und Berg ziemlich gute Scheinwerfer, die auch die Ecken ausleuchteten. Es würde den Umfang einer Rezension überdehnen, wenn hier alle Beiträge der insgesamt fünfundzwanzig Autor*innen genannt würden, so sei mir meine subjektive Auswahl verziehen.

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23. Februar 2021
von Tom Levold
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Forschung, Paartherapie, Mentalisieren und die Suche nach einer Buchlegende

Ein interessante Mischung aus Forschung, Theorie und Praxis bietet das letzte Heft der systeme 2020. Im Editorial heißt es: „,Wir können uns der Notwendigkeit, miteinander zu reden, nicht entziehen’, schreibt Jürgen Hargens im Vorwort des 1986 veröffentlichten Buches von Paul Dell, das Wolfgang Loth für diese Ausgabe der systeme wiedergelesen und ausführlich kommentiert hat. Zwar bezieht sich Hargens’ Aussage auf seine Auseinandersetzung mit dem Autor und dessen Thesen, doch kann dieser Satz auch im größeren Kontext verstanden werden. Eben dieses Miteinander-Reden ist es, was in Zeiten zunehmender Polarisierung und Individualisierung (verstärkt womöglich noch durch die derzeit notwendigen Abstandsregeln) von großer Bedeutung ist: Wir können und sollten uns der Notwendigkeit nicht entziehen. Denn der Kontakt, der Austausch, das In-Beziehung-Gehen, auch mit den ,Anderen’, denen, die anderer Meinung sind, kann helfen, Spaltung und Entfremdung zu überwinden – ein zentraler Aspekt unserer Arbeit!

Darum, wie es gelingen kann, Austausch und Kommunikation zu fördern, einander zuzuhören und Verständnis zu entwickeln, geht es auch in den Beiträgen des vorliegenden Heftes: Helga Fasching zeigt in ihrem Forschungsbericht, wie der Einsatz von Reflecting Teams die Partizipation von Jugendlichen mit Behinderung leichter macht, wenn es um das Erforschen von Bildungsübergängen geht. Erkennbar wird die Notwendigkeit, Methoden situations- und zielgruppenspezifisch zu modifizieren. Ebenso wird deutlich, dass ,Bildung als Aneignungsprozess ohne aktive Teilnahme der Jugendlichen nicht möglich ist’. Oder allgemein: Partizipation ist wesentlich für einen gelingenden Prozess, und das dem systemischen Ansatz innewohnende Neu-Erfinden und Umgestalten von bereits Entdecktem kann dies ermöglichen. Wie innere Bilder dabei helfen können, destruktive Interaktionsmuster zu unterbrechen, beschreibt Ilka Hoffmann-Bisinger in ihrer theoretischen und praktischen Darstellung der Analogen Systemischen Kurztherapie mit Paaren. Ansgar Cordes berichtet über Möglichkeiten der Anwendung mentalisierungsbasierter Interventionen in der Paar- und Familientherapie, anhand derer individuelle Positionen und Affektzustände situationsbezogen erfasst werden können“.

Darüber hinaus runden Rezensionen von Wolfgang Loth, Martin Rufer, Andrea Brandl-Nebehay und Ansgar Cordes das Heft ab. Alle bibliografischen Angaben und abstracts finden Sie hier…

20. Februar 2021
von Tom Levold
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The Stages of Life

Hugh Crago ist ein hierzulande eher weniger bekannter australischer Autor und Therapeut, der im englischsprachigen Raum seit vielen Jahren wichtige Beiträge zum systemischen Diskurs geleistet hat. Sein letztes Buch, das 2016 bei Routledge erschienen ist, spannt einen ganz großen Bogen mit dem Versuch einer Synthese von theoretischen und forschungsbezogenen Erkenntnissen über die menschliche emotionale Entwicklung von der Kindheit bis zum hohen Alter, den damit verbundenen Aspekten und Paradoxien der Persönlichkeitsbildung und der Probleme, die im Zuge dieses Entwicklungsprozesses auftreten können. Wolfgang Loth hat das Buch sehr beeindruckt, seine Rezension lesen Sie hier:

Wolfgang Loth (Niederzissen):

Macht es Sinn, damit anzufangen, dass einem die Lektüre eines Fachbuchs nahe gegangen ist? Was soll das heißen, nach so vielen Jahren des Lesens und Schreibens von Rezensionen? Was hat man vorher verpasst vielleicht, dass einem das jetzt erst so geht? Oder war dieser lange Anlauf notwendig, um ein Buch zu verstehen, dass nichts weniger verspricht als einen Blick auf das Leben von Anfang bis Ende, von Geburt bis zum Tod? Der Untertitel ermöglicht zunächst etwas Abstand – Persönlichkeiten, womöglich Charaktere, emotionale Entwicklung, nun gut. Ein Runzeln – zu welchen Schubladen soll das Denken hier eingeladen werden?! Und Lebensstufen? Lineale Treppe?! Nein, nichts davon! Keine Schublade, keine Linealität, stattdessen ein Kosmos voller tief durchdrungener Erkenntnisse über das menschliche Leben – in all seinen Phasen, auf all seinen Bühnen, der englische Begriff „stages“ passt für beides, wie auch für Stufen. Ich schaue, was geht.

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16. Februar 2021
von Tom Levold
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Keine Meldepflichten im Kinderschutz! Fachverbände fordern, Beschlüsse des Bundesrates zum KJSG nicht umzusetzen

Mit einem Bundesratsbeschluss vom 12. Februar 2021 werden fachlich „hochproblematische“ Neuregelungen zum geplanten Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) vorgeschlagen. Darauf macht die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) in einer gemeinsamen Stellungnahme mit acht weiteren Fachorganisationen aufmerksam. Eine „allgemeine Warnpflicht“ für Jugendämter, neue Meldepflichten für Fachkräfte oder die Forderung nach Fachaustausch von Ärzten ohne Einbezug der betroffenen Familie beträfen „fundamentale Prinzipien“ des Kinderschutzes und sollten in den anstehenden parlamentarischen Beratungen abgelehnt werden.

Die Verbände betonen, dass insbesondere in den §§ 8a SGB VIII, 4 und 4a KKG rechtssystematisch und fachlich problematische Regelungen vorgeschlagen werden, die grundlegende Strukturprinzipien des deutschen Kinderschutzes aushöhlen und zentrale Vertrauens- und Hilfebeziehungen untergraben würden. Sie fordern, diese Änderungsvorschläge zu streichen. Der Entwurf des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) ist am Montag, 22. Februar 2021, Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages.

Bereits am 14. Januar hatte die DGSF zusammen mit den Verbänden der Erziehungshilfe und weiteren Fachorganisationen zum Regierungsentwurf des KJSG Stellung genommen, insbesondere zu den dortigen Regelungen zum Kinderschutz.

Die aktuelle Erklärung haben gezeichnet:

  • Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst (BAG ASD)
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Die Kinderschutz-Zentren e. V.
  • Bundesverband für Erziehungshilfe e. V. (AFET)
  • Bundesverband katholischer Erziehungshilfeeinrichtungen e. V. (BVkE)
  • Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V. (DGSF)
  • Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF)
  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (DSGT)
  • Evangelischer Erziehungshilfeverband e. V. (EREV)
  • Internationale Gesellschaft für Erzieherische Hilfen e. V. (IGfH)

(Quelle: DGSF.org – Direkter Link zur aktuellen Stellungnahme: www.dgsf.org/themen/stellungnahmen-1/verbaendestellungnahme-zum-bundesratsbeschluss-vom-12-februar-2021

14. Februar 2021
von Tom Levold
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Die Therapie des Inneren Kindes

Die Metapher des „Inneren Kindes“ ist in den vergangenen Jahren nicht nur in psychotherapeutischen Fachkreisen populär geworden. Die Vorstellung, dass unser Selbst bzw. unsere Persönlichkeit als Zusammenspiel unterschiedlicher Anteile verstanden werden kann, die als personalisierte Akteure miteinander in Interaktion treten (auch z.B. als „Inneres Team“ oder „Inneres Parlament“, kann bei der Bearbeitung von traumatischen Erfahrungen, inneren Konflikten etc. ausgesprochen hilfreich sein, vor allem in Hinblick auf belastende Erfahrungen aus der Kindheit und ihrer Langzeitauswirkungen auf die Beziehung zu sich selbst und Anderen im Erwachsenenalter. In seinem neuesten Buch, das im vergangenen Jahr bei Klett-Cotta erschienen ist, behandelt Roland Kachler die klinischen und praxeologischen Aspekte der therapeutischen Arbeit mit dem „Inneren Kind“. Volkmar Abt, Gründer und Leiter des Systemischen Instituts in Augsburg, hat das Buch für systemagazin rezensiert:

Volkmar Abt, Augsburg:

Der Autor Roland Kachler ist im Feld der hypnosystemischen Konzepte kein Unbekannter. Als langjährig erfahrener approbierter Psychologischer Psychotherapeut und evangelischer Theologe, Paar-, Sexual- und Familientherapeut arbeitet er in freier Praxis in Remseck bei Stuttgart und hat vor allem in der hypnosystemischen Trauerbegleitung seit 2005 einen völlig neuen Ansatz geschaffen und seither viele Fachbücher veröffentlich. Nun legt er mit seinem neuen Buch „Die Therapie des Inneren Kindes – Konzepte und Methoden für Beratung und Psychotherapie“ ein Werk vor, das nicht weniger als ein „Umfassendes Kompendium der Inneren-Kind-Arbeit“ verspricht.

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27. Januar 2021
von Tom Levold
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Bewegung (nicht nur) in der systemischen Therapie

Unter diesem Motto steht das Heft 1/2021 der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung. Herausgeberin Cornelia Tsirigotis schreibt in ihrem Editorial: „Bewegung und Bewegungsfreiheit scheinen fragile Güter zu sein, die wir in diesen Zeiten besonders zu schätzen wissen. So ist der eher zufällige Zeitpunkt für dieses Themenheft vielleicht gerade doch passender, als zunächst gedacht. Mit einem aktuellen Beitrag, nahezu außerhalb des Themenschwerpunkts „Bewegung“, „Pandemie und Psychiatrie: Wie sich ‚Corona‘ in die stationäre Akutbehandlung einmischt“ skizziert Andreas Manteufel, wie in den letzten Monaten Corona die Psychiatriestationen durcheinanderwirbelt und wie sich die Bewegungseinschränkungen auf Betroffene, Angehörige und professionelle HelferInnen auswirken (…). Während meiner systemischen Ausbildung am IF Weinheim erzählte uns unser Lehrtherapeut Haja Molter von den Peripatetikern, den Philosophen, die im Umherwandeln ihre Ansichten und Gedanken austauschten und ließ auch uns Ausbildungsteilnehmerinnen im Raum wandeln. (…) So hat es mich dann besonders gefreut, dass Haja Molter meiner Einladung, über die Peripatetiker und die Bewegung in der systemischen Therapie
zu schreiben, gefolgt ist: „Schon die alten Griechen … Spurensuche: Therapie und Beratung in Bewegung“. Ressourcen tanzen zur Selbststärkung, das ist das Thema von Ulrike Juchmanns Beitrag: „Wenn es schwierig wird, tanz!“ Dass Tanzen Verspannungen löst und auch positive Wirkungen bei Essstörungen, Depressionen und Krebserkrankungen zeigt, schildert sie eindrucksvoll in ihrem Beitrag zur „Stärkende(n) Teilearbeit in Bewegung“. „Wie der Tölt Ressourcen aufwirbelt – systemische Therapie mit Islandpferden“: Laura Will beschreibt die Möglichkeiten des Einsatzes von Pferden in der Therapie sozusagen als Co-Therapeuten. Tölt ist eine besonders geruhsame Gangart von Islandpferden, die über ein außerordentliches Sozialverhalten verfügen. Bewegung also auch hier als Therapeuticum. Zamyat M. Klein hat ihre vielfältige Erfahrung, wie sie Bewegung in Online-Seminare und Online-Coaching bringen kann, zu ihrem Beitrag verdichtet und zeigt ausgewählte Möglichkeiten und Übungen, um Bewegung und Yoga auch am Bildschirm einzusetzen. (…) Auch Tom Pinkall führt in seinem Beitrag „Dein Körper weiß es. ‚Hier und Jetzt‘ in drei Übungen als Quelle systemischen Handelns“ Möglichkeiten vor, um Achtsamkeit und Bewegung in der systemischen Therapie und darüber hinaus einzusetzen.“ Darüber hinaus gibt es noch eine Glosse von Hartwig Hansen und viele Rezensionen. Alle bibliografischen Angaben und abstracts zum Heft gibt es hier…