systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

10. Februar 2009
von Tom Levold
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Papst: Gründung einer „Bad Church“ nicht nötig – wir sind schon eine!

Der Aktienkurs der Katholischen Kirche wird offenbar weiterhin durch Papiere, Positionen und Personen belastet, durch die die letzten Reste ihres symbolischen Kapitals entwertet werden. Um eine Abschreibungswelle zu vermeiden, fordern interne Kreise des Vatikan nun die Gründung eines kirchlichen Institutes, das die Giftanlagen übernehmen soll. Die interne Gruppe warnt vor möglichen Milliarden-Abschreibungen an Gläubigen, die der Weltkirche drohen, heißt es in mehreren Presseberichten. Deswegen wurde der Vorschlag erarbeitet, eine sogenannte Bad Church zu gründen, die der Kirche diejenigen Personen abnehmen soll, deren Aktivitäten ihren Wert in der gegenwärtigen Krise stark gedrückt haben, berichten die„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) und die„Financial Times Deutschland“ („FTD“). Die Arbeitsgruppe im Vatikan wollte sich mit Verweis auf die Vertraulichkeit ihrer Gespräche nicht äußern. Das Prinzip hinter ihrem Vorschlag: Die Kirche gibt ausfallgefährdete Problempositionen und -personen, die schwer auf den Bilanzen lasten und potentielle Gläubige abschrecken, in eine eigene Unterkirche – die„Bad Church“. Dazu könnten z.B. die Leugner des Holocaust, Anti-Semiten, Päderasten und alle diejenigen kirchlichen Würdenträger gehören, die öffentlich gegen Schwule und Lesben hetzen oder die die Abtreibung mit dem Holocaust vergleichen. Eine solche Gründung hat keinen anderen Zweck, als dafür zu sorgen, dass die auch als Gift-Assets bezeichneten Anlagen noch so viel wie möglich am Glaubensmarkt abwerfen, ohne aber die Legitimität der Mutterkirche in Frage zu stellen. Bereits in den vergangenen Wochen hatte es Diskussionen um ein solches Verwertungsinstituts gegeben, angeschoben von den angeschlagenen Landeskirchen. Der Vorschlag einer Bad Church stieß internen Informationen zufolge beim Papst allerdings auf wenig Gegenliebe. Von seinen Beratern sei argumentiert worden, durch die immerhin unfehlbaren päpstlichen Garantien für die zweifelhaften Positionen sei der Glaubenshandel bereits hinreichend abgesichert. Die Ausgliederung entwerteter Positionen und Personen in eine Bad Church sei deshalb unnötig. Auch bestehe eigentlich kein Risiko, weil der Papst mit dem Rettungsschirm bei Ausfällen immer einspringe. Doch das Misstrauen im Kirchenensektor ist geblieben. Es wird befürchtet, dass viele Bistümer noch„Giftpapiere“ in ihren Bilanzen verstecken und längst nicht alle Risiken offengelegt haben.
Mit Spannung blicken Beobachter der katholischen Kirche in diesen Tagen nach Rom. Der Papst wird den „credo“-Leitzins für Glaubenskapital nach Einschätzung von Experten erneut deutlich senken müssen. Lediglich der Umfang des Zinsschritts gilt als unsicher. Als möglich werden Zinssenkungen von 0,5 Punkten bis hin zu einem ganzen Prozentpunkt erachtet. Viele Fachleute sind überzeugt, dass in nächster Zukunft die Kirche nicht mehr in der Lage sein wird, Einnahmen von Gläubigen zu beziehen, sondern für Glaubensbekenntnisse jeder Art Bonus-Auszahlungen ausschütten muss. Auch das wäre zu verkraften, wenn nur nicht zuviele Gläubige gleichzeitig ihre angesparten Glaubenswerte auf einmal bei der Kirche auslösen wollen.

9. Februar 2009
von Tom Levold
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Personenzentrierter Ansatz und die Systemtheorie

Jürgen Kriz, einer der wichtigsten systemisch orientierten Wissenschaftler hierzulande, ist durch zahlreiche Bücher und Aufsätze bekannt geworden. Sein englisches Buch„Self-Actualization“ ist auch im systemagazin besprochen worden. Nun ist im Internet ein interessantes Interview mit ihm zu hören und zu lesen, das David Van Nuys und Charles Merrill für den„Wise Counsel Podcast“ im mentalhelp.net mit ihm geführt haben. Hier geht es ausführlich um die Erfahrungen, die Kriz mit dem personenzentrierten Ansatz nach Rogers gemacht hat, die Verbindungen, die er zwischen diesem Ansatz und den systemischen Konzepten knüpft und die Bedeutung, die systemisches Denken implizit und explizit für die Entstehung des personenzentrierten Ansatzes gehabt hat. Das Gespräch wurde über Skype aufgezeichnet und mitgeschnitten und ist in voller Länge hier zu hören. Darüber hinaus wurde das gesamte Gespräch aber auch noch transkribiert, und wer lieber liest als hört, kann das auf dieser Seite tun.

8. Februar 2009
von Tom Levold
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Darwin und die Schönheit

in der gestrigen Ausgabe der TAZ ist zum 200. Geburtsttag von Charles Darwin ein interessanter Artikel des Biologen und Philosophen Cord Riechelmann (Foto: Paul Blickle, Flickr) erschienen, der sich damit auseinandersetzt, dass sich die Selektion – und gerade die sexuelle Selektion – im Evolutionsprozess nicht zwangsläufig nach Kriterien der Fitness oder Stärke ausrichtet, sondern einem Wahlprozess verdankt, bei dem auch„ästhetische“ Momente eine Rolle spielen können:„Wenn sich nämlich die sexuellen Ornamente und ihre Träger wie auch ihre Bewerter über die Nachkommen in der Population ausbreiten können, dann liegt darin immer auch die Möglichkeit, dass das als schön Empfundene in„irgendeiner Weise zugleich ,gut‘ sei“. Und genau das ist in der aktuellen Evolutionsbiologie auch geschehen. Das Handikap der langen Federn wird als Qualitätsmerkmal interpretiert. Der Pfau sagt damit, schaut her, ich hab so gute Gene, dass ich mir selbst solche Federn leisten kann, die schwächere Kollegen reihenweise im Fuchsmagen enden lassen. Oder besonders ebenmäßige, symmetrische Gesichtszüge bei Menschen werden mit herausragender Gesundheit und Fruchtbarkeit der Träger assoziiert. Bei Darwin aber findet sich noch nichts dergleichen. Die Wahl ist bei ihm nur eine Wahl, und ein Merkmal breitet sich in der Population dann aus, wenn viele Individuen ein ähnliches Merkmal wählen und Nachkommen zur Welt bringen. Mit Stärke oder Gesundheit sind diese Merkmale bei Darwin nicht konnotiert. Und wenn man sich an seine Bemerkung über die Plan- und Regellosigkeit des Evolutionsprozesses erinnert, dann kann man aus seinen Gedanken nicht einmal schließen, dass Weibchen immer Männchen wählen müssen oder umgekehrt. Möglich bleibt alles, was sich zur Wahl anbietet. Und die Wahl trifft ein Individuum, keine Art, keine Rasse und auch kein Naturgesetz. In Darwins Konzeption kennt das Vermögen zur Wahl im sexuellen Geschehen keine normativen Vorgaben wie das Gute oder Gesunde. Die Natur verfährt ungeregelter, freier in ihrem Evolutionsprozess, als es die Gesetze der menschlichen Gesellschaften tun. Einfach auch deshalb, weil die sexuelle Selektion kein Naturgesetz ist. Sie kann, muss aber nicht stattfinden. Damit kann man auch verstehen, was Darwin für Michel Foucault so interessant machte: Aus der Evolution, wie Darwin sie dachte, lässt sich nichts anderes als eine dauernde Bewegung ableiten, kein Höher und auch kein Ziel. Entwickeln kann sich alles, und nichts bleibt, wie es ist. Das Sein der Lebewesen ist in ein Werden überführt worden, in dem Hermaphroditen genauso agieren wie Hirsche oder Pfauenhennen. Und ob sie gewählt werden oder nicht, hängt einzig vom„Geschmack“ der wählenden Individuen ab“
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7. Februar 2009
von Tom Levold
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Resilienz – Gedeihen trotz widriger Umstände

So lautete der Titel des letzten großen Kongresses, der von Rosmarie Welter-Enderlin und ihrer Gruppe aus Meilen bei Zürich an der ETH Zürich veranstaltet wurde. Corinna A. Hermann aus Bern schrieb für systemagazin einen Kongress-Bericht und im Carl-Auer-Verlag erschien (2008 bereits in 2. Auflage) ein Band mit den wichtigsten Konferenzbeträgen, herausgegeben von Rosmarie Welter-Enderlin und Bruno Hildenbrand. Rezensentin Cornelia Tsirigotis:„Das Buch und der Ansatz beinhaltet für mich sehr ermutigende Zugangswege in einer Zeit, die immer noch von der Betonung von Mängeln und Defiziten geprägt ist. Darüber hinaus hat mich der ganze Band wegen der ihm innewohnenden Wertschätzung der Kraft von Menschen, wie sie in den Fallbeispielen der AutorInnen zum Ausdruck kommen, sehr beeindruckt. Ich empfehle das Buch uneingeschränkt!“
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6. Februar 2009
von Tom Levold
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Nie wieder Vernunft

Dirk Baecker ist ein vielseitiger Mann. Er führt nicht nur als Autor auf virtuose Weise in der Zirkuskuppel – ohne Netz und doppelten Boden – Theorie-Artistik bei der Weiterentwicklung der Systemtheorie vor, sondern sorgt auch als Herausgeber in unterschiedlichen Funktionen dafür, dass die historischen Quellen der Systemtheorie zugänglich bleiben (bzw. wieder werden) und dass aktuelle systemische Debatten nicht in der kanonischen Auslegung Luhmannscher Ideen erstarren. Darüber hinaus hat er aber seit 15 Jahren immer wieder auch mit zahlreichen Beiträgen und Kolumnen für Tageszeitungen und Zeitschriften in aktuelle, tages- und kulturpolitische Diskurse eingegriffen. Die Rubrik„Sozialkunde“, unter der in der TAZ seine Bemerkungen zu den verschiedensten öffentlich verhandelten Themen erschienen, gibt seinem Sammelband„Nie wieder Vernunft“ einen passenden Untertitel. In 123 kurzen Texten erweist sich Baecker als ein Meister auch der kleinen Form, die immer für eine Überraschung oder einen plötzlichen Perspektivenwechsel gut ist. Für Rezensent Wolfgang Loth wird deutlich,„wie lebendig der Umgang mit diesem Nach-Denken sein kann, wie spannend, wie überraschend und auf eine wundersame Art nährend und kräftigend. Die Alternative zu Vernunft ist eben nicht Unvernunft, sondern das Anerkennen des Unvertrauten als Frag-Würdiges“
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5. Februar 2009
von Tom Levold
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Psychotherapie in Kuba – Eine Bitte um Spenden


Wie bekannt ist, gab es in sozialistischen Ländern die Auffassung, dass dort keine psychischen Probleme auftreten würden, da die sozialistische Grundordnung die Bedingungen für die Entstehung psychischer Probleme beseitigt habe. Diese Auffassung erschwerte es auch in Kuba, dass psychotherapeutische Verfahren Fuß fassen konnten. So gesehen ist bereits die Organisation eines internationalen psychotherapeutischen Kongresses auf Kuba ein Novum. Seit 1999 besteht eine Zusammenarbeit zwischen dem Marburger Institut für systemische Arbeitsformen, viisa, Mitgliedsinstitut der Systemischen Gesellschaft, und der psychiatrischen Abteilung des «Joaquin Albarran»-Universitätskrankenhauses in Havanna. Diese Zusammenarbeit sieht u.a. vor, dass Besuche von LehrtherapeutInnen des Marburger Instituts in Havanna und seitens der MitarbeiterInnen des «Joaquin Albarran»-Universitätskrankenhauses die Teilnahme an Tagungen in Deutschland stattfinden.
Des Weiteren sind alle 2 Jahre in Havanna gemeinsame Foren vorgesehen, die systemische Arbeitsformen zum Inhalt haben. Innerhalb dieser Foren werden auch die wissenschaftlichen Ergebnisse der Untersuchungen bekannt gemacht, die in der psychiatrischen Abteilung in Havanna durchgeführt wurden. Innerhalb der Internationalen Psychotherapietagung in Havanna findet daher auch das II. «Deutsch-Kubanische Forum für systemische Arbeitsformen» statt.
Schließlich ist bekannt, dass Kuba von den ökonomischen Verhältnissen her gesehen als 3. Welt-Land gilt (ein Arbeitnehmer verdient im Schnitt ca. 12 $/Monat, ein Universitätsprofessor ca. 36 $/Monat). Das heißt, dass die kubanischen KollegInnen die Tagung unter schwierigen finanzielle Bedingungen organisieren – so bereitet bereits die Beschaffung von Schreibutensilien große Schwierigkeiten.
systemagazin möchte die kubanischen KollegInnen unterstützen und bittet daher um Spenden auf das Sonderkonto der Familientherapeutischen Arbeitsgemeinschaft Marburg (fam) e.V. (gemeinnützig-wissenschaftlicher Verein) – Volksbank Mittelhessen Kto. BLZ 513 900 00 Kto 47393914 unter dem Stichwort: Tagung Havanna. Die gespendeten Beträge werden den Organisatoren in Havanna zugestellt und durch eine Spendenbescheinigung der (fam) e.V. bescheinigt.

4. Februar 2009
von Tom Levold
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Gefühle – wozu?

Am 19.1. wurde an dieser Stelle ein kurzer Beitrag von Jürgen Hargens zum Thema„wie geht es in lösungsorientierter Beratung/Therapie mit Gefühlen?“ in der Systemischen Bibliothek veröffentlicht, verbunden mit einer Einladung zur Diskussion. Stephan Baerwolff vom Hamburger Institut für Systemische Studien ist dieser Einladung gefolgt und schreibt u.a.:„(ich) finde, dass die systemische „Szene“ nicht allzu schnell in ein (Paul Feyerabend zugeschriebenes, von ihm aber nie so intendiertes) gleichgültiges „anything goes“ verfallen sollte. Ein respektvolles, Unterschiede anerkennendes Ringen und sich aneinander Reiben finde ich sehr anregend und hilft vielleicht, die unterschiedlichen Aspekte deutlich konturierter hervorzuheben! So möchte ich auch mein Eintreten für „etwas mehr Thematisierung von Gefühl“ und die Würdigung der Seite des Problems (gegenüber einer allzu schnellen Lösungs-Suche) verstanden wissen“ Um den Kommentar direkt auf den Ausgangstext beziehen zu können, sind nun beide Texte in einer Datei zusammengefasst.
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3. Februar 2009
von Tom Levold
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Dialogischer Wandel im therapeutischen Kontext

Im„Forum Qualitative Sozialforschung“ erschien im vergangenen Jahr ein Beitrag von Klaus G. Deissler über den Stellenwert von Metaphern, Geschichten und Gleichnissen in einem sozialkonstruktionistisch inspirierten Psychotherapie-Ansatz. Im Abstract heißt es:„Der folgende Aufsatz stellt einen Beitrag zur Diskussion der Annahmen und praktischen Konsequenzen des sozialen Konstruktionismus im therapeutischen Kontext dar. Ausgangspunkt ist die Implikation, dass sprachlich formulierte Metaphern im therapeutischen Prozess wichtig für die therapeutische Interaktion sind, und dass sie nicht nur in therapeutischen Dialogen zum Wandel beitragen. Daher werden ein paar kleine Metaphern dargestellt, die soziale Konstruktionsprozesse zum Inhalt haben und diese zum Teil durch Verfremdungen veranschaulichen. Diese Prozesse werden weiter im psychotherapeutischen Kontext verdeutlicht, indem Diagnosen als aktuelle relationale Konstruktionen verstanden werden. Der Aufsatz wird abgeschlossen mit einem therapeutischen Fallbeispiel, das das dargestellte sozialkonstruktionistische Verständnis therapeutischer Dialoge prägnant herausstellt“
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1. Februar 2009
von Tom Levold
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Das (negierte) Tetralemma als Methode zur Entfaltung sozialarbeiterischer Ambivalenzen

So lautet der Titel einer„Institutslecture“, die Heiko Kleve am 22.1.2009 an der Fachhochschule St. Pölten gehalten hat. Der Vortrag ist als siebenteilige Audiodatei auf der website der Hochschule dokumentiert. Im abstract heißt es:„Die Soziale Arbeit ist eine Profession, die mit zahlreichen Ambivalenzen konfrontiert ist. Die Pole von Hilfe und Nicht-Hilfe, Hilfe und Kontrolle, individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Anforderungen sind nur drei Beispiele für derartige Doppelorientierungen. Auch in Zeiten, in denen die Praxis damit konfrontiert wird, zahlreiche neue Konzepte einzuführen (etwa Sozialraumorientierung, Case Management oder Verwandtschafsrat), tauchen hinsichtlich der Implementierung Ambivalenzen auf – etwa zwischen denen, die„das Alte“ nicht aufgeben wollen und denen, die für„das Neue“ brennen und es umsetzen wollen. In all diesen Fällen sind Verfahren notwendig, die einen Weg durch die widersprüchlichen Orientierungen erlauben und konstruktive Lösungen jenseits eines„Entweder-Oder“ in den Blick bringen. Genau hier bietet das (negierte) Tetralemma passende Antworten“
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31. Januar 2009
von Tom Levold
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Recht und Moral: Analogie, Komplementaritäten und Differenzen

Detlef Horster, Professor für Sozialphilosophie in Hannover und Autor einer Einführung in das Werk Niklas Luhmanns, hat sich 1997 in der Zeitschrift für philosophische Forschung mit dem Problem einer postchristlichen Moral auseinandergesetzt:„Daß es Moral geben muß, liegt an der schlichten sozialen Tatsache, daß wir unser Handeln mit anderen koordinieren müssen. Handeln muß so selbstverständlich erfolgen und koordiniert werden können, daß es im Alltag durch wechselseitig verpflichtende Regeln reibungslos geschieht. Das wiederum ist nur möglich, wenn Moral zum Bestandteil des Selbst der einzelnen handelnden Menschen geworden ist. Es verhält sich so, wie Immanuel Kant es für den Kategorischen Imperativ formulierte, er kann nur wirksam sein, wenn er zur zweiten Natur geworden ist. In früheren Gesellschaften war das moralisch richtige Verhalten für alle gleichermaßen unstreitig„durch den Gehorsam gegenüber Gottes heiligen Geboten motiviert, also durch Gottes Liebe oder auch nur durch Furcht vor Gottes Zorn oder Hoffnung auf Belohnung moralisch guten Verhaltens im Jenseits“. (Patzig 1994, 7) Moralisches Handeln hatte einen für alle gleichermaßen verbindlichen und sicheren Bezugspunkt: Gott und die Offenbarung. Das ist heute unwiderruflich anders, spätestens nachdem die christliche Religion ihre gesellschaftsintegrierende Kraft verloren hat. Das Problem besteht darin, daß wir es in der Gegenwartsgesellschaft mit einschneidenden Fragmentierungen zu tun haben, von denen zunächst die Rede sein muß, wenn wir uns dem Problem der Handlungskoordinierung auf der Basis postchristlicher Moral zuwenden wollen. Dabei stellt sich die Frage, ob es trotz der später zu beschreibenden Fragmentierungen für alle moralischen Regeln und Handlungen und darüber hinaus für alle rechtlichen Regeln und Entscheidungen einen gemeinsamen Bezugspunkt gibt, der für die Interaktionen der vergesellschafteten Individuen als Kontextbedingung und Basis gelten kann. Die Antwort auf diese Frage wird zentraler Gegenstand der Abhandlung sein“
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30. Januar 2009
von Tom Levold
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Spannungen in Forschungsteams

„Konflikte in Forschungsteams sind unangenehm. Sie bremsen die Arbeit, schaden der Motivation und mindern die Teamleistung. Vor allem, wenn Personen aus verschiedenen Fachrichtungen zusammen arbeiten, treten Spannungen auf“, heißt es in den Verlagsinformationen zu Marie Céline Loibls Studie über„Hintergründe und Methoden zum konstruktiven Abbau von Konflikten in inter- und transdisziplinären Projekten“, die 2005 im Carl-Auer-Verlag erschienen ist. Rezensent Norbert Schlüpen meint:„Wer in Forschungsteams steckt oder sie begleitet oder nur etwas über einen spannenden Teamentwicklungsprozess erfahren und lernen will, wird hier bestens und ausführlich bedient“
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29. Januar 2009
von Tom Levold
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Creativity and effectiveness in family therapy

mit einem Fokus auf Psychotherapieforschung geht das Journal of Family Therapy in den neuen Jahrgang 2009. Der neue Herausgeber Mark Rivett schreibt in seinem Editorial:„I begin my editorship of the Journal with a collection of articles which will probably summarize the zeitgeist of the field for the next five years or so. This zeitgeist challenges all family therapists to respond to the constraints of evidence-based practice with the creativity and aplomb that has been the enduring feature of our form of psychotherapy“ Hoffen wir, dass dem„zeitgeist“ widerstanden werden kann.
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28. Januar 2009
von Tom Levold
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Der Suizid und „die Wende“ in der DDR

Die gravierenden gesellschaftlichen Umwälzungen auf dem Gebiet der DDR seit dem November 1989 schlugen sich nicht in gestiegenen Suizidraten nieder, was Durkheims Konzept des anomischen Selbstmords erwarten lassen würde, so Sybille Straub in einem Aufsatz für die„System Familie“ aus dem Jahre 2000. In Thüringen, einem Land mit klassisch hohen Suizidraten, wurde ein stetiger Rückgang der Suizidziffern seit Ende der 80er Jahre beobachtet. Dieser betrifft im Wesentlichen alle Altersgruppen und beide Geschlechter. Ab 1993 konsolidierte sich die Abnahme auf einem – verglichen mit den vorangegangenen Jahren – niedrigen Niveau. Dieser Rückgang lässt sich unter Rückgriff auf Emile Durkheims Theorie zum Selbstmord mit dem des fatalistischen Selbstmords erklären. Ebenso wird Durkheims Auffassung bestätigt, dass in Zeiten politischer Krisen die Suizidzahlen rückläufig sind, so Straub in ihrer Arbeit, die in der Systemischen Bibliothek nachzulesen ist.
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