systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

10. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Günter Saar

„Pushen und Bremsen sind die beiden Seiten einer Münze und das dialektische Grundprinzip der Beratung, wohl aber auch der ganz normalen Führungsarbeit in Unternehmen. Berater und Führungskräfte gleichermaßen sind verpflichtet, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Lampen dorthin zu leuchten, wo die Organisation nichts oder wenig wahrnimmt. Insofern haben beide immer auch einen paradoxen Auftrag, nämlich das zu beleuchten, was weder politisch in die Landschaft paßt, noch gerade als Thema hoch im Kurs steht. Andererseits ist eine allzu harmonische und übereinstimmende Sicht der Dinge zum Beispiel zwischen Auftraggeber im Unternehmen und externem Berater größtenteils unproduktiv, nicht hilfreich und damit ein wesentliches Hauptnutzenargument für die Zusammenarbeit mit Externen unerfüllt, weil Vorhandenes bestätigt und Fehlendes nicht eingebracht wird. Der Berater muß beim Eindringen in das System – was andererseits für vernünftige Änderungsarbeit unabdingbar ist – dafür sorgen, daß er nicht verschmilzt. Die wußte kritische Distanz ist der beste Arbeitsstandort“ (In:„Von Familien und größeren Unternehmen – Parallelen und Grenzen einer gemeinsamen systemischen Betrachtung. In: Rainer H. Wagner (hrsg.): Praxis der Veränderung in Organisationen. Verlag für angew. Psychologie. Göttingen 1994, S. 113).

10. August 2009
von Tom Levold
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Wissenschaftliche Regeln, Redlichkeit und Diskursbereitschaft

Jürgen Kriz war für fünf Jahre Mitglied des„Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie“. Er hat sich in dieser Zeit sehr für die Anerkennung der wissenschaftlichen Fundiertheit der Systemischen Therapie und der Gesprächstherapie eingesetzt. In einem umfangreichen Interview mit Ulrich Sollmann, Mitherausgeber von„Psychotherapie Forum“ gibt er nun Auskunft über seine Arbeit im Beirat und seine Einschätzung über den Beirat als Institution des psychotherapiepolitischen Betriebes, wobei er kein Blatt vor den Mund nimmt.„Wenn man es also kritisch formulieren will, so muss man feststellen dass 10 Jahre nach dem PsychThG aus einer ehemals blühenden Psychotherapie-Landschaft fast alle Verfahren ambulant in die Illegalität abgedrängt wurden. Da aber nach wie vor die ganz überwiegende Zahl arbeitender Psychotherapeuten ihre Identität und ihre Arbeitsgrundlage aus einer Vielzahl von Ansätzen beziehen, findet mit deren Ausgrenzung auch eine Zerschlagung qualifizierter Aus- und Weiterbildungsstrukturen statt. Die faktische Konsequenz ist somit letztlich eine suboptimale Ausbildung, Behinderung von Forschung, Dilettantismus und Illegalität für alle, welche sich nicht auf die Richtlinienverfahren beschränken wollen“ Dankenswerterweise hat der Springer-Verlag Wien einer vollständigen Online-Veröffentlichung dieses Interviews aufgrund seiner allgemeinen Bedeutung zugestimmt.
Sie finden den Volltext hier…

9. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Wolfgang Tschacher

„Menschen arbeiten ihr ganzes Leben daran, ihre vielfältigen und täglich verfeinerten Erfahrungen mit ihrem Kontext, ihrer «Einbettung» zu intuitivem Wissen und Handeln zu destillieren. Hubert Dreyfus, ein Philosoph und kritischer Kenner der KI, wies darauf hin, dass menschliche Experten sich nicht nach Regeln richten, mit denen sie isolierte Fakten und Information verknüpfen würden. Menschen erlangen lntelligenz und Expertise offenbar auf eine Weise, die das glatte Gegenteil der Funktionsweise von regelgeleiteten Computersystemen ist. Wahre Experten haben ihr Wissen sprichwörtlich verkörpert: Experten «fühlen», wenn sie richtig liegen, und «sehen» einen guten Lösungsweg. Logische Ableitungen aus Regeln und Fakten, schulgerechtes Schlussfolgern sind dagegen eher die klapperigen Hilfsmittel des Anfängers, des «Novizen». Wahre Expertise verlangt Embodiment!“ (In: Maja Storch et al.: Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Huber, Bern 2006, S. 14). 

9. August 2009
von Tom Levold
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Schlaf und Traum

Nach einer erholsamen Ruhe-, Schlaf- und Traumpause für das systemagazin (und seinen Herausgeber!) ist systemagazin wieder online. Heute mit den aktuellen abstracts der„Psychotherapie im Dialog“ 2/09. Nachdem das erste Heft dem Stichwort„Sexuelle Identitäten“ gewidmet war, geht es diesmal um„Schlaf und Traum“. Wie die Herausgeber einräumen, haben sich Psychotherapie und Schlafforschung in den vergangenen Jahren„aus dem Auge verloren“. Dennoch, so hoffen sie, soll dieses Heft ein befruchtendes thematisches Gespräch zwischen beiden Disziplinen wieder in Gang bringen. Das Schwerpunktheft umfasst unterschiedliche medizinische und psychologische Beiträge zur Schlaf- und Traumforschung, die volständigen abstracts
finden Sie hier…

6. Juli 2009
von Tom Levold
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systemagazin macht Pause!

Liebe Leserinnen und Leser,
zum ersten Mal seit 4,5 Jahren geht systemagazin in Urlaub. Nicht überall auf der Welt gibt es Internet-Zugang – und manchmal soll dann sogar ein gewisser Erholungseffekt eintreten. Voraussichtlich ab dem 6.8. gibt es wieder (fast täglich) etwas im systemagazin, bis dahin wünsche ich allen eine gute Pausenzeit. Zum Start bekommen alle eingetragenen Newsletter-Abonnenten eine Nachricht, wer eine haben möchte und noch nicht den Newsletter abonniert hat, kann dies hier tun.

Einen schönen Sommer wünscht

Tom Levold

5. Juli 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Gertrud Brücher

„Was sich sukzessive und unmerklich in den Vordergrund schiebt, ist eine neue Unterscheidung zwischen menschen- und bürgerrechtsgeschützten Menschen auf der einen Seite und nicht-rechtsgeschütztem Noch-nicht-Menschen – dem Fötus – sowie dem ebenfalls nicht-rechtsgeschützten Nicht-mehr-Menschen, dem Sterbenden, den Sterbewilligen, den Kollateralschäden oder den Schläfern. Ins nomenklatorische Raster des potenziellen Selbstmordattentäters gerät die Zielgruppe der ungesetzlichen Kombattanten oder der Insassen von Flüchtlingslagern. Aus dem Rechtssystern Exkludierte aber dürfen wie ein Objekt vernutzt, instrumentalisiert und vernichtet werden. Mit dieser Entwicklung wird der Menschenrechtsstandard nicht herabgesetzt, aber auf eine diabolische Weise unterlaufen, indem gewisse Menschen aus dem Definitionsbereich des lebenden Menschen einfach ausgeschlossen werden. Kriege gegen Menschenrechtsverletzungen können dann scheinbar widerspruchsfrei neben einer menschenverachtenden Praxis geführt werden und der eigentlich zu erwartende weltweite Aufschrei bleibt aus. Das Menschenbild ändert sich unmerklich unter der Oberfläche vonn Subdifferenzierungen, die Menschsein nicht mehr als unbefragt Geltendes vorauszusetzen erlauben. Der Inhaber des Menschenrechtstitels bekommt die Beweislast aufgebürdet, zur bevorzugten rechtsgeschützten privilegierten Spezies zu gehören“ (In: Postmoderner Terrorismus. Zur Neubegründung von Menschenrechten aus systemtheoretischer Perspektive. Verlag Barbara Budrich, Opladen 2004, S. 12).

5. Juli 2009
von Tom Levold
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Pervers, oder?

„Auch wenn das vorliegende Buch nicht explizit aus der „systemischen Werkstatt“ kommt, gehört es in jedes Bücherregal eines Systemikers. Brigitte Vetter hat ein Werk verfasst, dass sich allein schon vor dem Hintergrund der umfangreichen und differenziert vorgestellten Materialien durchzuarbeiten lohnt. Es ist unkompliziert geschrieben und viele Inhalte und Methoden können in die praktische Arbeit integriert werden. Fazit: 100 komplizierte Fragen wurden kompakt und ausführlich beantwortet“, schreibt Dennis Bohlken, der diese Rezension für das systemagazin verfasst hat.
Zur vollständigen Rezension…

3. Juli 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Bernd Schmid & Christiane Gérard

„Intuition muss wie jedes Urteilen über Wirklichkeit in verschiedenen Dimensionen beschrieben und kritisch befragt werden. Intuitives Urteilen kann zum Beispiel falsch oder richtig, qualifiziert oder unqualifiziert, befangen oder unbefangen, konventionell oder kreativ, borniert oder weitsichtig, versponnen oder weltzugewandt, liebevoll oder gnadenlos sein. »Intuitiv« ist also weder ein Gütesiegel noch eine Disqualifikation. Wenn wir uns mit Intuition auseinandersetzen, müssen wir uns mit den Weltbildern und dem Urteilsvermögen, das sich in der Intuition zeigt, befassen. Intuition ist Teil unserer Kultur und weder im positiven noch im negativen Sinn eine natürliche Kraft, die durch Erziehung verschüttet wurde und lediglich freizusetzen ist. Intuition ist wie jedes Urteilen im Zusammenhang mit der persönlichen Entwicklung von Menschen und der Kultur, in der sie sich bewegen, zu sehen. Intuitive Steuerung heißt also weder Steuerung nach einer anderen, besseren Intelligenz noch unbedachte und in ihren Motiven und Interessen unkontrollierte Steuerung. Intuitiv steuern heißt, komplexe Daten zu Informationen verarbeiten zu können, so wie wir sie bewusst und erklärbar nicht verarbeiten könnten. Intuitiv steuern heißt außerdem, dass dieser Vorgang ungeheuer schnell abläuft und unabhängig von der Übersetzung in Sprache direkt in Handlung umgesetzt werden kann“ (In:„Intuition und Professionalität. Systemische Transaktionsanalyse in Beratung und Therapie“. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2008, S. 33).

2. Juli 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Armin Nassehi

„Luhmanns und Bourdieus Systemtheorie und Strukturalismus nehmen beide Abstand von Theoriemustern, die man zunächst von Systemtheorie und Strukturalismus erwartet. Weder Systeme noch Strukturen gelten hier als eine Art objektive Wirklichkeit, als deren Entäußerung das Besondere nur anzusehen sei. Vielmehr geht es beiden um die Dynamisierung von Systemen und Strukturen. Sowohl die ereignistheoretische Perspektive Luhmanns als auch die praxistheoretische Soziologie in Bourdieus Sinne sind operative Theorien, die Ganzeheiten als Folge emergenter Operationen ansehen und die als Ganzheiten nur einem Beobachter zugänglich sind – etwa einem wissenschaftlichen Beobachter, der sich freilich nicht nur für die vordergründige Sichtbarkeit interessiert, sondern für den Anschlusszusammenhang, in dem Praxis möglich ist. Exakt deshalb interessieren sich sowohl Bourdieu als auch Luhmann für die operative Dekonstruktion von Strukturen“ (In: Der soziologische Diskurs der Moderne. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006, S. 252).

2. Juli 2009
von Tom Levold
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Elterncoaching und Multifamilientherapie

Max Ernst, der das Titelbild der aktuellen Familiendynamik 1926 malte, wurde von seinem Vater häufig geprügelt, als Kind aber von ihm auch immer wieder als süßer Jesusknabe gemalt. Die Ausstellung des Bildes in Paris und später in Köln löste einen Skandal aus, in dessen Verlauf Ernst vom Kölner Erzbischof exkommuniziert wurde. Als Bildnis einer bigotten, gewalttätigen Kultur im Umgang mit Kindern (und Zeugen, die nicht wirklich hinschauen) ist das Bild in gewisser Weise zur Ikone geworden. Im Elterncoaching geht es dagegen um die Stärkung von Eltern, die nicht zu Lasten der Kinder geht. Diesem Ansatz und der Multifamilientherapie, die die Ressourcen von Familien füreinander auch therapeutisch in einem Mehrfamiliensetting zu nutzen versucht, ist das aktuelle Heft der Familiendynamik gewidmet.
Zu den abstracts…

1. Juli 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Jean Grondin

„Die Frage nach dem Sinn des Lebens setzt (…) eine gewisse Fremdheit des Lebens sich selbst gegenüber voraus. Dieses Fremdheitsgefühl hat etwas an sich Unheimliches, denn es ist hier das eigene Leben, das sich selbst fremd vorkommt. Es ist merkwürdig, weil ich doch mit meinem Leben eng vertraut bin. Trotz dieser unaufhörlichen Intimität behält das Leben etwas Bestürzendes, Geheimnisvolles, lrres, als ob wir auf dem Rücken eines Tigers hängen würden, wie Nietzsche schreibt. Unser Leben erstreckt sich von der Geburt bis zum Tod hin, aber wir haben doch meist keine Erinnerung an unsere Geburt oder unsere ersten Jahre; und unser Tod wird nicht mehr – so hat es zumindest den Anschein – von uns erfahrbar sein. Wir stecken dazwischen, ohne wirklichen Zugriff auf uns selbst. Ein »Griff« ist ja nur gegenüber einem vor uns befindlichen Gegenstand möglich, was für unsere Existenz nicht zutrifft: Sie ist uns eher inhärent als gegenübergestellt. Niemand ist für seine Geburt verantwortlich, und der Tod bleibt in den meisten Fällen unvorhersehbar, plötzlich und kläglich. Er erinnert uns daran, dass wir armselig vor ihm stehen und dass wir wie alle Tiere, denen gegenüber wir uns so überlegen dünken, sterben werden“ (In: Vom Sinn des Lebens. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, 27f.)

1. Juli 2009
von Tom Levold
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Mindestens sieben Möglichkeiten

Unter diesem Motto fand im November 2008 an der Hochschule Merseburg eine Fachtagung statt, die die Perspektivenvielfalt systemischer Sozialer Arbeit zum Inhalt hatte. Die aktuelle Ausgabe des Kontext unter der Gastherausgeberschaft von Johannes Herwig-Lempp, langjähriger Mitherausgeber des Kontext und Mitorganisator der Tagung, bringt die Vielfalt der auf der Tagung vertretenen theoretischen und praktischen Perspektiven in elf Beiträgen zusammen. Die Beiträge dieser wie auch vorangegangener Tagungen des systemischen Netzwerkes in den Sozialarbeitswissenschaften zeigen einmal mehr, dass die Theorie der systemischen Sozialen Arbeit für die Fortentwicklung des systemischen Diskurse bedeutsame Perspektiven zur Verfügung stellen kann.
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