systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

23. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Neurobiologie der Psychotherapie. Beziehung und Komplexität

„Ist die Neurobiologie der Psychotherapie eine Mode, die wieder verschwinden wird? Wird es sich Psychotherapie in Zukunft gefallen lassen müssen, ihre Effektivität über den Nachweis einer signifikanten neurobiologischen Veränderung in einem bildgebenden Verfahren zu dokumentieren? (…) Wird die Neurobiologie der Psychotherapie die Abschaffung der Schulenstreits in der Therapielandschaft vorantreiben oder werden nun erst die Grabenkämpfe darüber vom Zaune gebrochen, welche Therapie das Hirn besser verändert als die anderen? Werden wir Psychotherapeuten neuronengläubig und noch mehr als es bereits geschieht die sozial- und geisteswissenschaftliche Dimension vernachlässigen? Oder wird über die systemwissenschaftliche Zugangsweise der noch sehr lebendige simple Reduktionismus in der
Gehirnforschung weiterhin zurückgedrängt werden, Denken in Komplexität und Nichtlinearität aber gefördert werden?“ Diese und andere Fragen waren Gegenstand einer Tagung zum Thema, die vom 5.-7. Juli in Salzburg (unter der Leitung von Günter Schiepek) stattfand. Andreas Manteufel hat sie besucht und einen außerordentlich detaillierten und informativen Tagungsbericht für das systemagazin geschrieben.
Zum Tagungsbericht…

22. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

X-Organisationen: Doktorandenworkshop

Am Vortag (18.11.09) des Kongresses X-Organisationen, der 3. Biennale für Management und Beratung in Berlin, veranstalten die Ausrichter eine Doktorandenwerkstatt. Zum Gedankenaustausch sind Promovierende eingeladen, die sich in ihrer Forschungsarbeit mit systemtheoretischen Konzepten im Bereich von Management, Organisation und Beratung beschäftigen. Ziel ist es, die Vernetzung der wissenschaftlichen Community im deutschsprachigen Raum weiter voranzutreiben und insbesondere jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen intellektuell anspruchsvollen Diskussions- und Reflexionsraum zu bieten. Im Rahmen des Kongresses wird zudem die Möglichkeit zur Präsentation des eigenen Forschungsvorhabens geboten (zum Flyer…)

Bewerbung zur Teilnahme
Zur Bewerbung ist ein Abstract des Dissertationsprojektes (max. 800 Wörter, etwa 2 A4-Seiten als Word-Datei) einzureichen. Neben der Darstellung des Projektes soll explizit die Frage beantwortet werden „Welchen Problemen werde ich Mitte November gegenüber stehen?“. Bewerbungen sind bis zum 15. September 2009 an dokwerkstatt@mz-witten.de zu richten. Die Veranstaltung ist auf 21 Teilnehmende beschränkt.

22. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Zitat des Tages: Bruno Latour

„Wenn etwas unerreichbar ist, so ist es der Traum von der Natur als homogener Einheit, um die verschiedenen Ansichten der Wissenschaften von ihr zu vereinheitlichen. Dazu müßte man zu viel ignorieren, zu viel Geschichte, zu viele Kontroversen, zu viele unerledigte Aufgaben und lose Enden. Reduzierte die Phänomenologie die Wissenschaft auf die menschliche Intention und überließ sie damit ihrem Schicksal, so wäre die umgekehrte Bewegung, die Menschen als »Naturphänomene« zu studieren, noch schlimmer: Wir müßten die reiche und kontroverse menschliche Wissenschaftsgeschichte aufgeben – und wofür? Für die Normalverteilungs-Orthodoxie einiger Neurophilosophen? Für einen blinden darwinistischen Prozeß, der die geistige Aktivität auf einen Kampf ums Überleben beschränkte, auf die »Tüchtigkeit« für eine Realität, deren wahre Natur uns für immer entginge? Nein, nein, wir finden sicher eine bessere Möglichkeit, wir können die Abwärtsbewegung aufhalten, unsere Schritte zurückverfolgen, und damit nicht nur die Geschichte der Verwicklung der Menschen in das Hervorbringen wissenschaftlicher Fakten bewahren, sondern auch die Verwicklung der Wisenschaften in das Hervorbringen der menschlichen Geschichte“ (In:„Die Hoffnung der Pandora“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002, S. 18)

20. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Dreißigwortegedicht

Siebzehn Worte schreibe ich
auf dies leere Blatt,
acht hab‘ ich bereits vertan,
jetzt schon sechzehn und
es hat alles längst mehr keinen Sinn,
ich schreibe lieber dreißig hin:
Dreißig.

(Aus: Robert Gernhard. Reim und Zeit. Gedichte. Philipp Reclam Verlag Stuttgart)

20. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Zitat des Tages: Rudolf Stichweh

«In der modernen Gesellschaft lockert sich der enge Zusammenhang von Adressenbildung und Personalisierung. Der Grund dafür liegt in der Unterscheidung von persönlichen und unpersönlichen Beziehungen, die in vieler Hinsicht die alte Unterscheidung von Freunden und Feinden ablöst. Freunde waren mit Name und Adresse bekannt und in der Beobachtung personalisiert; Feinde hatten eher eine kollektive Adresse, und für die Erwartungsbildung ihnen gegenüber war Personalisierung entbehrlich. Wie Luhmann heute noch mit Bezug auf Exklusionsbereiche wahrzunehmen glaubt: Man beobachtete sie als Körper und nicht als Person. In dem Maße aber, in dem unpersönliche Beziehungen, z.B. rein geschäftliche – oder auch: rein sexuelle – Beziehungen, selbstverständlicher und risikoärmer werden, löst sich die Adressenordnung von dem Erfordernis höchstpersönlicher Kenntnis. Bekanntschaft wird dann zu einem Schlüsselphänomen der modernen Gesellschaft. Man verfügt über einen komplexen Set von Adressen, ein Netzwerk von Bekannten, und dieses fungiert als die moderne Form von Sozialkapital, aber der Grad der persönlichen Vertrautheit mit diesen Bekannten variiert sehr stark.» (In: Stefan Andriopoulos, Gabriele Schabacher, Eckhard Schumacher (Hrsg.): Die Adresse des Mediums. DuMont Buchverlag, Köln 2001, S. 28).

19. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Zitat des Tages: Arnold Retzer

„Ich halte wenig davon, den anderen so zu modellieren, dass er der Richtige wird. Es gibt zwei verschiedene Arten, ein Kunstwerk zu erzeugen. Bilder entstehen, indem einer leeren Leinwand Farbe hinzugefügt wird. Bei Skulpturen schlägt der Bildhauer überflüssigen Marmor weg. Die Ehe funktioniert nach dem zweiten Prinzip. Die Vernunft liegt im Weglassen problematischer Dinge. Dazu gehören etwa die Idee von der Herstellbarkeit des Glücks, der Anspruch auf Gleichheit und die Vorstellung, Probleme wären lösbar“ (In:„Reine Liebe ist mit dem Leben unvereinbar“ FAZ-Net-Interview am 19.8.)

18. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Charisma-Kurve: Merkel gegen Steinmeier

Der Psychotherapeut, Publizist und Berater Ulrich Sollmann hat wie schon im Wahlkampf 2005 ein Internetprojekt gestartet, mit dem das Publikum die Austrahlung der Spitzenkandidaten der Bundestagswahl bewerten und Tipps für die persönliche Selbstdarstellung geben können:„Merkel und Steinmeier müssen den besonderen Spagat meistern: einerseits in der großen Koalition Partner zu sein, andererseits im Wahlkampf gegen den Partner zu siegen. Dies ist eine spannende Herausforderung. Eine besondere Note bekommt der Wahlkampf 2009 durch den Umstand, dass beide: Merkel und Steinmeier, keine charismatischen Politiker sind. Wem wird es also gelingen, die Bevölkerung von sich zu überzeugen? Der Bundestagswahlkampf 2009 ist als Richtungs- und Personenwahlkampf ausgerichtet. Erfolg wird die Partei haben, deren Kandidat vor allem persönlich überzeugend und medienwirksam in Erscheinung tritt. Das Zusammenspiel von sachlich-politischer Kompetenz und persönlicher Authentizität sowie Überzeugungskraft entscheidet über das Charisma des jeweilig eigenen Kandidaten/der Kandidatin“ Das ganze ist natürlich ein Spiel, das sich die wechselseitige Beobachtung von Protagonisten und Publikum zu Nutze macht und in diesen zirkulären Prozess eingreifen möchte. Ich bin eingeladen, diesen Prozess als sozialwissenschaftlicher Experte zu kommentieren und gespannt, ob mir etwas dazu einfällt 🙂 Alle Besucher können aber auch selbst ihre Meinung zu Merkel und Steinmeier abgeben – die Ergebnisse werden laufend aktualisiert.
Zur Charisma-Kurve…

18. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Zitat des Tages:Niklas Luhmann

«Auf der Ebene aktiver Politik beobachten Politiker sich selbst und andere im Hinblick auf das, was von einem Handeln zu halten ist, das sich dem Beobachtetwerden aussetzt. In der Politik selbst geht es, wie am Markt, um ein Verhältnis der Konkurrenz. Aber die Konkurrenz wird inszeniert mit Rücksicht darauf, daßauch sie beobachtet wird von Beobachtern, deren Mitwirken als Publikum unterstellt wird. Anders als am Markt gibt es keine Preise, deren Beobachtung (in ihrer Veränderung ebenso wie in ihrer Relation zum Absatz) das Beobachten der Beobachter erleichtern würde; aber es gibt laufend fortgeschriebene Geschichten, in denen man den eigenen Namen und die anderer wiederfindet und als Resultat von Beobachtungen beobachten kann. Und es gibt, anstelle von Preisen, Moral. Dem Publikum erleichtert (oder so denkt man jedenfalls) die Beobachtung der einander beobachtenden Beobachter die Entscheidung in der politischen Wahl. Und dafür genügt es, sich die Beobachtungsverhältnisse zu vereinfachen und davon auszugehen, daß die Politiker als Handelnde, also als Beobachter erster Ordnung, zu beobachten sind. Auf allen Ebenen macht sich das politische System Vereinfachungen dieser Art zunutze—und verzichtet eben damit auf konvergierende Integration der Beobachtungsverhältnisse. Statt dessen hilft die Unterstellung aus, daß hinter den Kulissen ein anderes Spiel gespielt wird als auf der Bühne. Das kann man dann durchschauen, was aber nichts ändert.» (In: Die Politik der Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000).

17. August 2009
von Tom Levold
Keine Kommentare

Beziehung ist Krieg, Therapie ist Weg und ich bin ein Stern

Zur Bedeutung des Metapherngebrauchs für Problembeschreibungen wie für therapeutische Lösungsansätze gibt es mittlerweile eine Reihe von interessanten Forschungsbefunden und Veröffentlichungen. Eine systematische Metaphernanalyse anhand von transkribierten Therapiestunden einer (psychoanalytisch orientierten )Langzeit-Psychotherapie hat Emanuel Jung als Lizentiatsarbeit am Psychologischen Institut der Universität Zürich vofgenommen, die im Internet zu lesen ist:„«Metaphern sind mehr als nur ein rhetorisches Stilmittel. Die kognitive Metapherntheorie hat gezeigt, dass Metaphern unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Sie ermöglichen ein Verstehen, indem sie Unbekanntes durch Bekanntes erklären. Metaphern kategorisieren Erfahrungen und verweisen auf menschliche Denkstrukturen. Sie bestimmen die Sicht auf die Wirklichkeit. Metaphern sind einerseits kollektiv verankert und färben andererseits Wahrnehmungsstrukturen des Einzelnen ein. Über Metaphern kann Zugang zum Erfahrungshorizont des Einzelnen gewonnen werden. In einer Psychotherapie steht der individuelle Erfahrungshorizont im Zentrum des Interesses. Über eine Veränderung des metaphorischen Konzeptsystems ist eine Veränderung der Sicht auf die Welt möglich. Bestehende Probleme können in einem neuen Licht gesehen werden. Anhand der Systematischen Metaphernanalyse geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, ob sich in der Therapie von Wilma metaphorische Konzepte rekonstruieren lassen, die auf individuelle Denkstrukturen verweisen. Dabei sind die drei Bereiche „Beziehung zu Bezugspersonen“, „Therapie“ und „Selbst“ von besonderem Interesse. Es werden neun transkribierte Therapiestunden dieser psychoanalytisch orientierten Langzeittherapie untersucht. Die metaphorischen Konzepte des Therapeuten werden mit denjenigen der Patientin verglichen. Die untersuchten Therapiestunden sind so gewählt, dass eine Veränderung des Metapherngebrauchs über die Zeit möglich ist. In der vorliegenden Untersuchung lassen sich sowohl für die Patientin als auch für den Therapeuten metaphorische Konzepte zu den drei relevanten Breichen rekonstruieren. Die Konzepte des Therapeuten und der Patientin unterscheiden sich auf charakteristische Weise. Der Therapeut greift die Metaphern der Patientin auf und formuliert neue, alternative Sichtweisen auf bestehende Probleme und Erfahrungen der Patientin. Es lässt sich zeigen, dass der Metapherngebrauch
sich während der Therapie verändert. Verschiedene metaphorische Konzepte der Patientin weisen zu Beginn der Therapie gegensätzliche Implikationen auf. Am Ende der
Therapie lässt sich auf metaphorischer Ebene eine Distanzierung seitens der Patientin feststellen, welche die Spannung dieser konträren Implikationen auflöst.»
Zum vollständigen Text