systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

26. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: John Shotter

«What is central to everything above, then, is the move away from the idea of speech communication as being a process of information transmission, of the speaker as a source of information, of speech being a common code into which one puts one‟s thoughts, and of listeners as simply being decoders who have to task of arriving at the speaker‟s thought. This „model‟ of the communication process eradicates the role of two major aspects of the communication situation: (1) The spontaneous, living, expressive-responsiveness of our bodies, thus leaving listeners as passive listeners – in this situation, “the active role of the other in the process of speech communication is… reduced to a minimum” (Bakhtin, 1986, p. 70). (2) The other, is the role of what I have called the „determining surroundings‟ of our utterance, the (often invisible) surroundings which, in our being spontaneously responsive to them in the voicing of our utterances, on the one hand, give shape not only the intonational contours of our utterances, but also to their whole style, to our word choices, to the metaphors we use and so on. But which, on the other, orients us toward the „place‟ of our utterances in our world, toward where they should be located or toward what aspect they are relevant, and toward where next we might we might go, i.e., their point – what they are trying to „construct‟ in speaking as they are. In other words, it is crucial to bring our words back from their „free-floating‟ use – whether it be in committee or seminar rooms, in psychotherapy, in strategic planning in businesses, on the internet, or in just general conversations in sitting rooms – to their use within a shared set of “determining surroundings.” That is, it is crucial if we are to understand how the “specific variability” in a speaker‟s expressions are expressive both of his or her unique „inner world‟, and of the unique „point‟ he or she wants to express, to make, in relation to their world.» In: Moments of Common Reference in Dialogic Communication: A Basis for Unconfused Collaboration in Unique Contexts. In: International Journal of Collaborative Practices 1 2009.

26. August 2009
von Tom Levold
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International Journal of Collaborative Practices

Im Juli 2009 wurde das internationale Online-Journal International Journal of Collaborative Practices (IJCP) zum ersten Mal veröffentlicht. Das zweimal jährlich erscheinende Journal zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus, die erwähnt werden sollten: Es ist den kollaborativen Praxisformen gewidmet und erscheint zweisprachig: Englisch und Spanisch. Herausgeberinnen sind Harlene Anderson und Saliha Bava, die von einem Redaktionsteam unterstützt werden, das überwiegend aus Frauen besteht. Der Internationale Beirat setzt sich zusammen aus Kolleginnen und Kollegen aus 16 verschiedenen Ländern.
Die ersten Aufsätze haben folgende Themen:
Sylvia London, Sally St. George & Dan Wulff: Guides for Collaborating (Guía para la Colaboración; Richtlinien für Zusammenarbeit)
Dora Adolfina Ayora Talavera & María Del Rocio Chaveste Gutérrez: From Planning to Spontaneity: A Lesson in Collaborative Training for Domestic Violence Workers (De La Planeacion a la Espontaneidad: Una lección en entrenamiento colaborativo para profesionales que trabajan con violencia doméstica; Von der Planung zur Spontaneität – zur Arbeit mit Gewalt in Familien)
Judit Wagner: Reflections on Reflecting Prozesses in Prisons (Reflexiones Sobre Procesos Reflexivos en una Prisión; Reflexionen über ‚Reflexionen im Gefängnis’)
John Shotter: Moments of Common Reference in Dialogic Communication: A Basis for Unconfused Collaboration in Unique Contexts (Momentos de Refencia Común en al Comunicación Dialógica: una base para la Colaboracion Inconfundible en Contextos Únicos; Momente gemeinsamer Bezugspunkte in Dialogischer Kommunikation)
Alison Donaldson: Reflection on Moments of Common Reference in Dialogic Communication A ‚bright star’ Touches Everyone: A ‚Moment of Common Reference’ among Cancer Patients (Reflexiones en Mementos de Referencia Común en la Communicación Dialógica ÄUna estrella brillante nos toca a todos’: Un ‚,momento de referencia común’ surgió entre pacientes con cáncer; Reflexionen über ‚Momente gemeinsamer Bezugspunkte in Dialogischer Kommunikation’ unter Krebs-Patienten)
Wir möchten vor allem Harlene Anderson und ihrem Team zur ihrer fruchtbaren Arbeit beglückwünschen!
Als Ausgangspunkt für innovative kollaborative Praxisformen wünschen wir der Zeitschrift viel Erfolg, internationale Resonanz und insbesondere die Anerkennung der emanzipatorischen Implikationen!

Klaus G. Deissler, Marburg

25. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Peter Fuchs

«Was vor allem auffällt, ist, daß die Theorie, die wir mit einer gewissen Nonchalance die der Bielefelder Schule nennen, sich nicht ganz schlüssig darüber ist, worauf sie eigentlich referiert, wenn sie die relevante Umwelt sozialer Systeme in den Blick nimmt. Sie hat sich nicht endgültig entschieden, ob sie diese Umwelt als psychische Umwelt mit dem Terminus des psychischen Systems belegen soll, mit dem des Bewußtseins oder gar mit dem des personalen Systems. Beobachtbar und bemerkenswert ist, daß Niklas Luhmann im Laufe seiner Arbeit an der Theorie mehr und mehr das Bewußtsein als genuines Pendant sozialer Systeme auffaßte, ein Umstand, der auch mit seiner tiefen Verankerung in den klassischen Bewußtseinsphilosophien zu tun hat. Eine systematische Ursache dafür ist aber, daß der Begriff des Psychischen mit Unschärfen der verschiedensten Art aufwarten kann, vor allem mit Grenzunschärfen, die es sehr schwer machen, originär Psychisches vom Somatischen zu unterscheiden, also irgendein Material oder ein Medium zu finden, durch das Psychisches tiefenscharf bezeichnet wäre. Die Psyche hat zuviel Kontakte zu Vorstellungen des Fluidalen, Ätherischen, Formlosen, als daß sie sich ohne Verrenkungen ‹systemisieren› ließe, wenn (wie es in der hier verhandelten Theorie üblich ist) Klarheit über Grenzen herrschen muß, sobald man über Systeme reden will. Die bislang bedeutsamste, weil folgenreichste Theorie des Psychischen (also Freuds Theorie) ist dann auch eine Theorie von Unschärfe-Übergängen zwischen psychischen Instanzen oder Territorien, von energetischen, somatischen, psychischen und (wenn man den Ödipus oder die Urphantasien einbezieht) sozialen Trajekten, und so ist es vermutlich kein Zufall, daß Freud den Begriff des Systems nicht sehr schätzte. als es ihm um die Ausarbeitung des psychischen Instanzenzuges ging.» (In:„Der Eigen-Sinn des Bewußtseins. Die Person, die Psyche, die Signatur“. transcript, Bielefeld 2003, S. 48).

25. August 2009
von Tom Levold
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Seelsorge und Psychotherapie

„Die AutorInnen dieses Heftes haben keine Mühe gescheut, Erkenntnisse zu gewinnen. Denkverbote, Notwendigkeiten zu dogmatischer Linientreue gab es nicht. Theologisch-Seelsorgliches, Philosophischesund Systemisches wurden, wie ich finde, lustvoll, hochkreativ und brilliant weitergedacht“, schreibt Andreas Brennecke, Bochumer Pfarrer und Systemischer Therapeut (SG), im Editorial des von ihm als Gastherausgeber betreuten aktuellen Heftes der Zeitschrift für systemische Beratung und Therapie. Und damit hat er den Mund nicht zu voll genommen, denn das Heft ist in seiner Spannweite zwischen Erfahrungssättigung und theoretischer Durchdringung, zwischen Seele und Seelsorge und zwischen Himmel und Erde absolut lesenswert, mit Beiträgen von Julia Strecker, Maren Lehmann, Andrea Günter, Tom Pinkall, Bernd Schmid und dem Herausgeber selbst.
Zu den vollständigen abstracts…

24. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Gregory Bateson

»Ziehen wir innerhalb eines größeren Systems eine Grenzlinie um einen kleineren Teil, der überwiegend für dessen Steuerung und Berechnung (Computation) verantwortlich ist, dann schaffen wir ein mythisches Wesen. Dieses Wesen nennen wir gewöhnlich ein ‹Selbst›. In meiner Epistemologie zeigt sich der Begriff des Selbst gleich anderen künstlichen Setzungen, welche Systeme oder Teile von Systemen abgrenzen, als Merkmal einer gegebenen Kultur – und keinesfalls als etwas zu Vernachlässigendes, da solche kleinen epistemologischen Ungeheuer immer die Tendenz haben, zu Kristallisationspunkten für Pathologie zu werden. Die willkürlich gesetzten Grenzen, die der Analyse von Daten nützlich waren, stecken nun allzu leicht die Fronten für Schlachtfelder ab, über die hinweg nun Feinde getötet und Umwelten ausgebeutet werden.» (Vorstudien zu einer Theorie der Schizophrenie. In: Ökologie des Geistes. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1981, S. 270-301)

24. August 2009
von Tom Levold
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Forschungstagung Heidelberg 2010

Die mittlerweile etablierte Tradition der Heidelberger Systemischen Forschungstagungen wird auch im kommenden Jahr fortgesetzt. Systemische Forschung in Therapie, Pädagogik und Organisationsberatung wird von einem hochkarätigen Referentenpool vom 3.-4. März 2010 in Heidelberg beleuchtet. Am 5.3. wird die Tagung mit einem Treffen der„Fachgruppe Hochschulen“ der DGSF abgeschlossen. Es sind u.a. Beiträge von Guy Diamond (über Forschungsstand bei familientherapeutischen Konzepten bei Jugendlichen mit Depressionen und Ängsten), Peter Stratton (europäische Vernetzung systemischer Forschung), Günter Schiepek (Real-Time-Monitoring und Synergetische Prozessforschung) und Günther Ortmann (Management in der Hypermoderne) zu erwarten. Außerdem werden Jürgen Kriz und Dirk Baecker über die Frage streiten, welche Systemtheorie für welche Forschungsfragen genutzt werden kann.
Wer seine eigene Forschung präsentieren möchte, sollte sich mit den Veranstaltern in Verbindung setzen, die Wert darauf legen, dass für die Forschungssymposien nicht nur abgeschlossene, sondern gerade auch laufende und in Planung sich befindende Projekte von Interesse sind.
Das vorläufige Programm kann hier eingesehen werden. Anmeldeformulare gibt es hier…

23. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Hartmut Böhme

«Es gibt historische Gründe für die Erfindung des Seeleninnenraums, der uns zur zweiten Natur geworden zu sein scheint. Diese Gründe hat H. Schmitz (1967, 365-504; 1969, 403-520) durch umfangreiche Analysen der semantischen Felder gefühlsbezogener Ausdrücke erläutert. Er hat deutlich gemacht, daß im Zeitalter der großen Tragiker und ersten Philosophen die griechische Kultur eine entscheidende, historisch weitreichende Umcodierung im Verständnis der Gefühle vorgenommen hat. In der homerischen Zeit und teilweise noch bei den Tragikern herrschte folgende Vorstellung: alle Gefühle waren leiblich; sie wiesen differenzierte räumliche Formen und Richtungen auf (wodurch sie sich unterschieden als Zorn, Mut, Angst, Eros etc.); sie wurden als Mächte verstanden, die den Fühlenden unwiderstehlich ergreifen und durchwirken (weswegen der Fühlende den Gefühlen gegenüber in eine eigentümlich exzentrische und passive Position geriet). Schließlich stellten das Dämonische, Numinose und Theurgische eben diese Gefühlsmächte dar. Es gab keine Interiorisierung von Gefühlen, kein Seelengehäuse mit eigenem autonomen Haushalt. In dieser Auffassung sieht Schmitz eine Erfahrung und ein Verständnis von Gefühlen aufgehoben, wie sie den phänomenologischen Befunden weitgehend entsprächen. Mit der ersten, griechischen Aufklärung ist indessen ein Umschwung zu beobachten: immer mehr kommt es auf die Handhabbarkeit der Gefühle an, darauf, daß man Gefühle zwar hat, aber beherrscht, daß Instanzen im Ich aufgebaut werden, welche Abstände zu den Gefühlsmächten markieren und Zonen der Besonnenheit und Ermächtigung bilden. Abgezielt wurde jetzt darauf, daß jene Preisgabe an Gefühle, die nicht etwa nur die Schwachen, sondern auch die Helden kennzeichnete, gebrochen wird zugunsten eine Art Einhegung und Hortung. Es ging also darum, jene porösen Ich-Strukturen zu schließen und zu befestigen, die den Menschen sonst dem Gewoge der Weltkräfte (wozu die Gefühlsmächte ebenso gehörten wie Kräfte der Natur) auslieferten und zum offenen Schauplatz der Gefühlsereignisse machten. Das war die strategische Funktion zur Erfindung der Seele: sie wurde der absolute (also der aus der Welt herausgenommene) Raum, in welchen die Gefühle implantiert wurden, mittels Verinnerlichung oder Introjektion.» (In:„Gefühle“. In: Wulf, Christoph (Hg.): Vom Menschen. Handbuch der Historischen Anthropologie; München 1996, S. 525–548; Foto: http://www2.culture.hu-berlin.de/hb/)

23. August 2009
von Tom Levold
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Neurobiologie der Psychotherapie. Beziehung und Komplexität

„Ist die Neurobiologie der Psychotherapie eine Mode, die wieder verschwinden wird? Wird es sich Psychotherapie in Zukunft gefallen lassen müssen, ihre Effektivität über den Nachweis einer signifikanten neurobiologischen Veränderung in einem bildgebenden Verfahren zu dokumentieren? (…) Wird die Neurobiologie der Psychotherapie die Abschaffung der Schulenstreits in der Therapielandschaft vorantreiben oder werden nun erst die Grabenkämpfe darüber vom Zaune gebrochen, welche Therapie das Hirn besser verändert als die anderen? Werden wir Psychotherapeuten neuronengläubig und noch mehr als es bereits geschieht die sozial- und geisteswissenschaftliche Dimension vernachlässigen? Oder wird über die systemwissenschaftliche Zugangsweise der noch sehr lebendige simple Reduktionismus in der
Gehirnforschung weiterhin zurückgedrängt werden, Denken in Komplexität und Nichtlinearität aber gefördert werden?“ Diese und andere Fragen waren Gegenstand einer Tagung zum Thema, die vom 5.-7. Juli in Salzburg (unter der Leitung von Günter Schiepek) stattfand. Andreas Manteufel hat sie besucht und einen außerordentlich detaillierten und informativen Tagungsbericht für das systemagazin geschrieben.
Zum Tagungsbericht…

22. August 2009
von Tom Levold
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X-Organisationen: Doktorandenworkshop

Am Vortag (18.11.09) des Kongresses X-Organisationen, der 3. Biennale für Management und Beratung in Berlin, veranstalten die Ausrichter eine Doktorandenwerkstatt. Zum Gedankenaustausch sind Promovierende eingeladen, die sich in ihrer Forschungsarbeit mit systemtheoretischen Konzepten im Bereich von Management, Organisation und Beratung beschäftigen. Ziel ist es, die Vernetzung der wissenschaftlichen Community im deutschsprachigen Raum weiter voranzutreiben und insbesondere jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen intellektuell anspruchsvollen Diskussions- und Reflexionsraum zu bieten. Im Rahmen des Kongresses wird zudem die Möglichkeit zur Präsentation des eigenen Forschungsvorhabens geboten (zum Flyer…)

Bewerbung zur Teilnahme
Zur Bewerbung ist ein Abstract des Dissertationsprojektes (max. 800 Wörter, etwa 2 A4-Seiten als Word-Datei) einzureichen. Neben der Darstellung des Projektes soll explizit die Frage beantwortet werden „Welchen Problemen werde ich Mitte November gegenüber stehen?“. Bewerbungen sind bis zum 15. September 2009 an dokwerkstatt@mz-witten.de zu richten. Die Veranstaltung ist auf 21 Teilnehmende beschränkt.

22. August 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Bruno Latour

„Wenn etwas unerreichbar ist, so ist es der Traum von der Natur als homogener Einheit, um die verschiedenen Ansichten der Wissenschaften von ihr zu vereinheitlichen. Dazu müßte man zu viel ignorieren, zu viel Geschichte, zu viele Kontroversen, zu viele unerledigte Aufgaben und lose Enden. Reduzierte die Phänomenologie die Wissenschaft auf die menschliche Intention und überließ sie damit ihrem Schicksal, so wäre die umgekehrte Bewegung, die Menschen als »Naturphänomene« zu studieren, noch schlimmer: Wir müßten die reiche und kontroverse menschliche Wissenschaftsgeschichte aufgeben – und wofür? Für die Normalverteilungs-Orthodoxie einiger Neurophilosophen? Für einen blinden darwinistischen Prozeß, der die geistige Aktivität auf einen Kampf ums Überleben beschränkte, auf die »Tüchtigkeit« für eine Realität, deren wahre Natur uns für immer entginge? Nein, nein, wir finden sicher eine bessere Möglichkeit, wir können die Abwärtsbewegung aufhalten, unsere Schritte zurückverfolgen, und damit nicht nur die Geschichte der Verwicklung der Menschen in das Hervorbringen wissenschaftlicher Fakten bewahren, sondern auch die Verwicklung der Wisenschaften in das Hervorbringen der menschlichen Geschichte“ (In:„Die Hoffnung der Pandora“, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002, S. 18)