systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

7. Oktober 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Norbert Bolz

„In einer Welt, die »soziale Kompetenz« über alles stellt, die uns also ständig ermuntert, gesellig, freundlich, kooperativ und »teamfähig« zu sein, überlebt das einzigartige Talent nur noch im Sport; nur hier herrscht noch der Respekt vor der Leistung. Nur im Sport kann der Beifall der anderen nicht das Erreichen eines Ziels ersetzen. Nur im Sport gibt es deutlich sichtbare Grenzen des Schönredens. Alles ist zugleich leidenschaftlich und streng geregelt. Und die Regeln gelten für alle. Auch das bestätigt die funktionale Äquivalenz von Sport und Jagd. Wer ein Fußballspiel besucht, wirft einen Blick in eine untergegangene Welt. Er genießt heroische Männlichkeit aus zweiter Hand. Bertolt Brecht (…) hatte recht: Sport als Passion hat nichts mit Hygiene und Gesundheit zu tun; nichts ist seinem Wesen ferner als die kultivierte Verfeinerung zur Gesellschaftsfähigkeit. Im Sport geht es einzig und allein um Kampf und Rivalität; er hat keinen über sich selbst hinausweisenden Zweck“ (In:„Das Paradies des Wesentlichen“. In: Fritz B. Simon (Hrsg.): Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Systemische Aspekte des Fußballs. Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2009, S. 18)

6. Oktober 2009
von Tom Levold
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Aspekte der Psychosenbehandlung

Die aktuelle Ausgabe der Familiendynamik ist dem Schwerpunktthema„Psychose“ gewidmet. Es umfasst neben einem Überblickartikel von Volkmar Aderhold und Ulrike Borst über„Neue Empirie zur alten Hypothese von Vulnerabilität und Stress“ Beiträge über Junge Menschen und beginnende Psychose, die Dynamik in gemeindepsychiatrischen Hilfesystemen und die Arbeitssituation von Menschen nach Psychosen. Zum Thema gibt es noch ein Interview mit Altmeister Luc Ciompi. Darüber hinaus gibt es aber auch noch viele andere Beiträge zu lesen, u.a. blickt Bruno Hildenbrand auf David Reiss‘ Klassiker„The Family’s Construction of Reality“ zurück.
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5. Oktober 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Joseph Duss-von Werdt

„Je nachdem, auf wen jemand schaut – also je nach wem -, wählt er aus und lässt weg. Dasselbe passiert, je nach dem, auf was er schaut (…). Der systemische Blick ist nicht so„ganzheitlich“, wie man es ihm nachsagt, sondern ebenso perspektivisch, absichtlich (intentional) oder nicht auf etwas Bestimmtes gerichtet, anderes gleichzeitig auslassend. Dass zum Beispiel im Menschen ständig etwas vorgeht, verneint er zwar nicht, aber systemisch befasst er sich mehr damit, was zwischen Menschen passiert. Die totale Rundumsicht, alles gleichzeitig„auf einen Blick“ zu sehen, ist kein menschliches Maß, und wer sie zu haben beansprucht, hat einen verdächtigen Hang zum Totalitären. Statt Gegenstand des Wahrnehmens und Denkens sein zu können, bildet das Ganze systemisch den endlosen Horizont der Erfahrung, Wahrnehmung und Erkundung. Selber Teil des Ganzen, ist der Mensch nicht alles, steht jedoch deswegen mit anderen Teilen in Wechselwirkung und bildet mit ihnen größere oder kleinere Systeme (griech. systema = Zusammenstellung von Elementen zu einem übergeordneten Gebilde, das mehr ist als ihre Summe)“ (in: Einführung in die Mediation. Carl Auer Verlag, Heidelberg 2008, S. 23f.)

4. Oktober 2009
von Tom Levold
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Lob der Vernunftehe

Wer solch einen Titel für sein Buch wählt, kann nichts anderes als eine Streitschrift im Sinne haben. Arnold Retzer, allseits bekannter systemischer Therapeut aus Heidelberg, der auch in den Massenmedien wie„Stern“ oder„WDR“ gerne gesehen ist, hat eine solche„Streitschrift für mehr Realismus in der Liebe“ verfasst. Rudolf Klein hat das Buch für systemagazin gelesen und ist angetan:„Das Buch ist im besten Sinne beeindruckend. Retzer gelingt es, einen Text anzufertigen, der komplizierte Zusammenhänge aus unterschiedlichen Wissensbereichen verknüpft und gleichzeitig leicht lesbar ist. Vielleicht ist das der Grund, dass ich beim Lesen einerseits nützliche Hinweise für paartherapeutisches Arbeiten bekam und gleichzeitig angeregt wurde, über sehr allgemein und gerade deshalb stark eingefahrene Übereinkünfte, Meinungen, für als ‚Wissen‘ angesehene Selbstverständlichkeiten neu nachzudenken. Aber der Text ist noch mehr: Er lädt unmerklich dazu ein, die eigenen Paar- und Eheerfahrungen zu bedenken, ins Gespräch miteinander zu kommen, Übereinstimmendes und Unterschiedliches zu benennen, ja geradezu die Lust am Austausch zu fördern: Eine zusätzliche gemeinsame Erfahrung zu machen“
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2. Oktober 2009
von Tom Levold
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Carl-Auer-Verlag wird 20!

Der Carl-Auer-Verlag feiert in diesen Tagen seinen 20. Geburtstag. Dazu an dieser Stelle ganz herzliche Glückwünsche vom systemagazin an die Verleger Fritz Simon und Gunthard Weber und das wunderbare Verlagsteam.„Ich bin natürlich entzückt, daß schließlich und endlich diesem außerordentlichen, diesem seltsamen und äußerst kreativen Menschen, Carl Auer, durch diese Festschrift ein Denkmal gesetzt wird. Ich bin auch den Herausgebern dieser Festschrift besonders dankbar, daß sie es mir erlauben, meinen Dank an Carl Auer für seinen großen Einfluß, den er auf mich in seiner frühen Jugend gehabt hat, abzustatten. Lassen Sie mich kurz erzählen, in welcher Weise ich Carl Auer getroffen und kennengelernt habe“ Diese Sätze sind natürlich nicht von mir, sondern von Heinz von Foerster, der noch die Gelegenheit hatte, Carl Auer selbst zu begegnen und dessen Leitmotiv („Das einzige, was man machen kann als Konstruktivist, ist, anderen die Gelegenheit zu geben, ihre eigene Welt zu konstruieren“) dem Carl-Auer-Verlag mit auf den Weg zu geben. Ein Motiv, dass der Verlag seither mit seinem umfangreichen Programm auf vielfältige Weise eingelöst hat.
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1. Oktober 2009
von Tom Levold
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In Erinnerung an Michael White

Das Herbstheft von Family Process wird von einem nachdenklichen Editorial von Evan Imber-Black eingeleitet, das Abschied von einer Generation – und ganz persönlich von Olga Silverstein -, das eigene Älterwerden und den Generationswechsel zum Thema hat. Im Zentrum der aktuellen Ausgabe steht das Gedenken an den im vergangenen Jahr verstorbenen Michael White – mit einer Reihe von ebenso interessanten wie persönlichen und berührenden Beiträgen. Außerdem gibt es wieder eine Reihe von Beiträgen (ein Markenzeichen) zu Themen interkultureller Forschung und Therapie.
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30. September 2009
von Tom Levold
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Olga Silverstein gestorben

Wie ich erst durch das Editorial in der neuen Family Process erfahren habe, ist Olga Silverstein schon im Februar dieses Jahres im Alter von 86 Jahren gestorben. In Deutschland bekannt wurde sie 1991 durch das gemeinsam mit Marianne Walters, Betty Carter und Peggy Papp verfasste Buch„Unsichtbare Schlingen„, das sich mit der Geschlechterrolle in der Familientherapie auseinandersetzte. Auf der website der IFTA wurde folgender Nachruf über Olga Silverstein veröffentlicht:„Renowned family therapist and teacher Olga Silverstein, 86, died peacefully at her home in New York City surrounded by her family on February 24, 2009. To honor her life and work, the Ackerman Institute for the Family has established The Olga Silverstein Training award that will be presented annually to a gifted student who has completed the live clinical part of Ackerman’s program and is entering the first year externship training. A late starter in the family therapy field, she soon made up for her delayed entry and blazed an outstanding path over several decades. The daughter of Hungarian immigrants, she came to the United States at age seven, married young, and remained home rearing her three children until she was forty.  Over the next seven years, she secured a high school diploma, a bachelor’s degree, and then a master of social work degree.  In the mid-1970s she was co-founder with Peggy Papp of the Brief Therapy Project at the Ackerman Institute.  The strategic interventions they developed from a systemic perspective are powerfully illustrated in Olga’s training film, “Who’s Depressed?” During the decade of the 1970s she and Papp joined Betty Carter and Marianne Walters to launch The Women’s Project in Family Therapy.  They focused on examining the sexist concerns and theories that dominated their clinical practice, and soon began to offer workshops in the United States and abroad on women’s relationships in families.  The pioneering and classic work, The Invisible Web: Gender Patterns in Family Relationships, was written by the four colleagues from this experience. Olga Silverstein became an international authority on mother-son relationships following publication of her book, The Courage to Raise Good Men.  Some of the strength and power of her therapeutic work is reflected in her book with Bradford Keeney, The Therapeutic Voice of Olga Silverstein.  Besides teaching and supervising in New York and serving as a clinical research associate at Texas Tech University, Olga was also an honorary professor of clinical psychiatry in Spain and made presentations at the famed Tavistock Clinic in London. The American Family Therapy Academy honored her with a Lifetime Achievement Award. Summarizing her strengths, contributions, skills, and personal qualities in written words is not possible: She was a presence“ Auf Deutsch ist ein Interview aus dem Jahre 1988 über ihre Erfahrungen als emigrierte Jüdin mit Besuchen in Deutschland erschienen,
das hier gelesen werden kann…

30. September 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Niklas Luhmann

„Die Ideengeschichte rotiert in sich selbst, und eben das korreliert mit dem doppelten Gewinn von Kausalität aus dem Nichts und von Strukturkausalität. Geht man von diesem Grundgedanken aus, dann läßt sich das Geschehen in der soziokulturellen Evolution und speziell in der Evolution ernsthafter, bewahrenswerter Semantik auf eine relativ einfache Formel bringen: Es handelt sich immer um eine Strukturierung und Umstrukturierung von differenzbezogenen Sensibilitäten, und zwar tendentiell um eine Abschwächung der Sensibilität für Beliebiges und eine Steigerung der Sensibilität für Bestimmtes. Nichts anderes ist gemeint, wenn man von Ausdifferenzierung spricht. Auch hierfür ein Beispiel: Beim Einschenken von Wein in ein Glas wird die Koordination von Auge, Hand, Lage der Flasche und Stand der Füllung des Glases durch diesen Typus von Orientierung an Differenzen kybernetisch reguliert. Das ist der elementare Prozeß. Wenn das einigermaßen funktioniert, kann ein Beobachter an der Lage des Daumens beim Einschenken erkennen, ob der Einschenkende erzogen worden ist oder nicht und ob man ihn gegebenenfalls einladen kann (natürlich nicht wegen seiner Fähigkeit, Wein einzuschenken, sondern wegen der daraus zu ziehenden Schlüsse!). Schließlich kann ein Soziologe, der ein solches Beispiel in einem Vortrag auf einem Soziologenkongreß wählt, wissen, daß ihm diese Wahl als Indikator für Zugehörigkeit zur„konservativen“ Fraktion ausgelegt werden wird; er kann dies wissen und es trotzdem tun und sich darüber freuen, daß bei hochspezialisierten Differenzierungen ein bißchen Durchgriffskausalität doch noch funktioniert“ (In: Ideenevolution. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, S. 242 f.)

29. September 2009
von Tom Levold
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Vorabdruck > Kenneth & Mary Gergen: Einführung in den sozialen Konstruktionismus

Der soziale Konstruktionismus untersucht, wie gesellschaftliche Wirklichkeit über sprachliche Mittel hergestellt wird. Alles scheinbar Reale ist durch Beziehungen aufgebaute Konstruktion. Kenneth J. Gergen, einer der Begründer dieser Schule, vermittelt gemeinsam mit seiner Frau Mary in der vorliegenden Einführung ein Grundverständnis für die Ideen des Sozialen Konstruktionismus. Damit wird die mittlerweile auf eine beachtliche Größe angewachsene Reihe Carl-Auer-Compact des Carl-Auer-Verlages um einen gewichtigen Titel erweitert. systemagazin bringt einen Vorabdruck des zweiten Kapitels aus dem dieser Tage erschienenen Bandes: Von der„Kritik zur Rekonstruktion“.
Zum Vorabdruck…

27. September 2009
von Tom Levold
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Zitat des Tages: Erich Mühsam

„Wer da glaubt, die ursprüngliche causa movens des Wählers sei politisches Interesse, sei die ernste Sorge um die Verwaltung des Vaterlandes, der irrt. Das Parteigefühl ist in fast allen Fällen erst nachträglich als Beweggrund zum Wählen eingeschoben. Aber soviel Selbstpsychologe ist der Staatsbürger nicht, um zu erkennen, daß er in der Wahrung seiner vornehmsten Rechte kleinlicher Eitelkeit folgt. Er konstruiert erst aus der Handlung, die er gern tut, das Motiv, das ihm diese Handlung erst recht weihevoll erscheinen läßt. Es geht so wie Nietzsches bleichem Verbrecher, der den von ihm Ermordeten beraubt, um vor sich selbst einen Grund zum Mord zu haben. Der Ausfall der Wahl regt den Wähler kaum anders auf, als das Ende eines Wettrennens den, der auf ein bestimmtes Pferd gesetzt hat. Daß es sich bei dem Wettenden um Geld handelt, während sich der Wähler ideelle Interessen einbildet, macht keinen Unterschied. Denn erstens stehen alle Staatsbürgerideale auf materieller Grundlage und werden erst in der politischen Abstraktion ideell verklärt, und zweitens verquickt sich bei dem Startsetzer das Interesse an der riskierten Summe so sehr mit der Aufregung des Zuschauens, daß es sich zu einer wirklich begeisternden Spannung auswächst“ (In: Zur Naturgeschichte des Wählers – 1907)

26. September 2009
von Tom Levold
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SYSTEMTHEORIE – EINE HILFREICHE PERSPEKTIVE FÜR BEHINDERUNG, GESUNDHEIT UND SOZIALES?

Zu diesem Thema findet vom 29.-30.10. eine kostenlose und anmeldungsfreie Fachtagung an der Fachhochschule Hannover statt. Bei der Tagung soll es inhaltlich zum einen darum gehen, die mögliche Bedeutung von Systemtheorie (insbesondere der Bielefelder Schule) für die Themenbereiche Behinderung, Gesundheit und Soziales in (grundlagen-)theoretischer, methodischer und praktischer Hinsicht aufzuzeigen und zum anderen darum, im Dialog mit weiteren Positionen deren Grenzen und Problemzonen auszuloten. Es geht dabei um die Frage, was die neueren system-, differenz- und beobachtungstheoretischen Erkenntnisse über die Fächer hinaus, denen sie sich verdanken, für die Heilpädagogik, die Pflege und Gesundheit sowie Soziale Arbeit bedeuten und welche Chancen, aber auch welche Risiken und Nebenwirkungen von ihnen erwartet bzw. befürchtet werden? Auf der Suche nach Antworten lädt daher die Abteilung Heilpädagogik alle interessierten Studierenden, AbsolventInnen, Lehrenden, PraktikerInnen aus den genannten Arbeitsbereichen zu dieser Tagung ein. Alle Vorträge finden in der Aula der Fachhochschule Hannover (FHH) am Standort Blumhardtstraße 2, 30625 Hannover statt, die Raumangaben für die Workshops werden vor Ort ausgehängt. Die Tagung ist kostenfrei und nicht anmeldungspflichtig. Referenten sind u.a. Peter Fuchs, Jan Weisser, Martin Hafen, Karin Terfloth, Winfried Palmowski, Regina Klaes, Marion Schnurnberger und Dieter Weber.

25. September 2009
von Tom Levold
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Seichtum für Alle? – Seichtum besteuern!

Auf eine Post aus Perturbistan hat die geneigte Leserschaft lange warten müssen. Angesichts der Wahlen hat Lothar Eder aus Mannheim wieder zur Feder gegriffen und seine Wahlkampf-Pertubationen aufgeschrieben.„Jetz isses bald wieder soweit und ich weiß immer noch nicht, was ich wählen soll, sag ich zu Berta. Du? Nö, macht sie. In ein paar Tagen, am 27.9. ist Bundestagswahl. Der sogenannte Wahlkampf brummt vor sich hin und die rechte Wahllust bleibt dem Volke aus, so will es scheinen“
Zur aktuellen Post aus Perturbistan