systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

5. Januar 2010
von Tom Levold
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Ankunft Konjunktiv

Einen Ort, nicht zu nah,
nicht zu weit.
Ein Paar Schuhe, die halten
gegen jene, die
die Freiheit verwalten.
Etwas Schnaps für die Ewigkeit.
Eine Liebe, die dazugehört,
indem sie stört.
Einen Mond, der blöd vor sich hin stiert.
Ein Gefühl, als wär ich
in Reykjavík, das
mich neu gebiert.
Einen Schutzengel, der mich
nicht belästigt.
Die Erinnerung: das Nichts
hat meine Überzeugung gefestigt.
Ein Abendmahl, daß der Tisch
sich biegt.
Und eine Wahrheit, die mich
zum Ort hinüberlügt.

(Ankunft Konjunktiv. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 1997; © Franz Hodjak)

4. Januar 2010
von Tom Levold
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Klinische Soziologie

„Von einer Klinischen Soziologie ist die Rede, seit Louis Wirth einen entsprechenden Aufsatz im American Journal of Sociology 1931 veröffentlicht hat. Seither taucht dieser Begriff immer wieder einmal auf: bei Ulrich Oevermann und Bernd Dewe in den 1980er Jahren, bei Pierre Bourdieu in den 1990er Jahren. Die Klinische Soziologie stellt einen Spezialfall des Transfers soziologischen Wissens in die alltägliche Lebenspraxis dar. Die Spielräume dieses Transfers weisen eine große Bandbreite auf. Auf der einen Seite des Pols beobachten wir eine vollständige Distanz zu der Vorstellung, sozialwissenschaftliches Wissen könnte zu gesellschaftlichen oder individuellen Problemlösungen beitragen. Am anderen Pol finden wir die Klinische Soziologie. Sie wird verstanden als eine soziologische Perspektive, die nicht nur in einem engen Kontakt zur gesellschaftlichen Praxis steht (das kann auch bei der radikalen Gesellschaftskritik der Fall sein), sondern ihr auch zuarbeitet.“. So beginnt das Editorial des aktuellen Heftes von„Psychotherapie & Sozialwissenschaften“, dass Bruno Hildenbrand als Gastherausgeber zum Thema Klinische Soziologie gestaltet hat. Neben seinem Beitrag über„die Stellung des Klinischen Soziologen zwischen Wissenschaft und Lebenspraxis“ gibt es noch drei weitere Beispiele, die die Anwendungsmöglichkeiten klinischer Soziologie präzisieren können.
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3. Januar 2010
von Tom Levold
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Die Welt als Vorhersagekräftige Theoretische Fiktion

Hans Christoph Micko ist emeritierter Professor für Psychologie an der Universität Marburg sowie an der Technischen Universität Braunschweig. Sein Lehrgebiet ist die Sozialpsychologie und Mathematische Psychologie. Für die aktuelle Ausgabe des„e-Journal Philosophie der Psychologie“ (Nr. 13) hat er ein Plädoyer für einen„Gemässigten Konstruktivismus“ verfasst:„Der naive Realist hält die Welt jenseits des Bewusstseins für eine Tatsache, der radikale Konstruktivist für eine Einbildung. Dazwischen stehen der kritische Realist, der die Welt für eine notwendige Einbildung hält, die es rechtfertigt, sie als Tatsache zu betrachten, und der gemäßigte Konstruktivist, der die Welt für eine Einbildung hält, welche praktischen Zwecken dienlich, jedoch Erkenntniszwecken abträglich ist und daher je nach Zielsetzung als Tatsache oder Einbildung betrachtet werden sollte“ Micko zufolge„sollte die Psychologie in der Lage sein, effektive Methoden zu entwickeln, das sachgemäße Erleben der Wahrnehmungsgegenstände als Bewusstseinsinhalte einzuüben. Damit würde sie den Menschen Zugang zu einem Bereich der empirischen Wirklichkeit des Bewusstseins eröffnen, der ihnen, anders als der Bereich der Erinnerungs- und Fantasievorstellungen oder Gedanken, wegen der schon präattentiven Interpretation von Perzepten als Objekte einer Außenwelt gewöhnlich verschlossen ist“ Diese Überlegungen führen ähnlich wie bei Francisco Varela zu meditativen bzw. buddhistischen Konzepten der Wahrnehmung von Wahrnehmungsgegenständen (percepts) als Bewusstseinsinhalte statt als„Gegenstände der Welt“.
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2. Januar 2010
von Tom Levold
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Systemische Psychiatrie II

Das neue Jahr beginnt mit einer Zeitschriftennachlese – da gibt es noch ein bisschen nachzuholen. Die letzte Ausgabe des Kontext 2009 ist das zweite von Gerhard Dieter Ruf als Gastherausgeber betreute Heft zum Thema systemische Psychiatrie. Es enthält die Übersetzung einer englischsprachigen Originalarbeit zum Thema familiärer Verursachung von Schizophrenie von Lucy Johnstone, einen Beitrag von G.D. Ruf über die systemische Nutzung psychiatrischer Begriffe sowie einen Text von Bettina Wilms über Systemische Gruppentherapie in der Psychiatrie. Den Abschluss macht ein langes Interview mit Kurt Ludewig, das Günter Reich geführt hat.
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1. Januar 2010
von Tom Levold
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Ein gutes neues Jahr!

Liebe Leserinnen und Leser,

ich wünsche Ihnen allen ein gutes Neues Jahr – mit vielleicht einer ganz neuen Agenda 2010: Mehr Frieden, ein Durchbruch für Klimaschutz, mehr Bewusstheit für soziale Wechselwirkungen auf Seiten der VerantwortungsträgerInnen und viele andere wünschenswerten Dinge!
Ende dieses Monats (am 26.1.) wird das systemagazin fünf Jahre alt! Wenn Sie als regelmäßiger oder gelegentlicher Besucher des systemagazin ein paar Zeilen zum Geburtstag schreiben wollen, freue ich mich. Alle Glückwünsche werden am 26.1. veröffentlicht.
Alles Gute und Herzliche Grüße
Tom Levold, Herausgeber

30. Dezember 2009
von Tom Levold
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Ein Anruf

Ein Anruf
Liege in der Badewanne
und lese wieder einmal
Celines .
Das Telefon klingelt.
Ich steige raus,
schnappe mir ein Handtuch.
Es ist einer von SMART SET,
er möchte wissen, wie es
in letzter Zeit in meinem
Briefkasten aussieht, und
in meinem Leben.
Gähnende Leere, sage ich,
im Briefkasten wie im
Leben.
Er denkt, ich verschweige
ihm etwas. Hoffentlich hat er
recht.

Charles Bukowski, Der größte Verlierer der Welt – Gedichte 1968-1972

30. Dezember 2009
von Tom Levold
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Stress und Burnoutprophylaxe bei Führungskräften

Diesem Thema ist das letzte Heft des laufenden Jahrgangs von„Organisationsberatung Supervision Coaching“ gewidmet. Anlass ist wohl unter anderem die aktuelle Finanz-Krise (die ja den neuesten Nachrichten zufolge schon keine mehr sein soll). Astrid Schreyögg schreibt in ihrem Editorial:„Der Zusammenbruch von Lehmann Brothers im Herbst 2008 zog eine weltweite Erschütterung des Wirtschaftslebens nach sich. Etliche Gazetten berichteten über stark irritierte Führungskräfte, ja in einigen Branchen wie dem Bankenmilieu und in manchen Ländern wie etwa in Frankreich häuften sich sogar die Selbstmorde von Topleuten. Stress und Burnout nahmen vorübergehend fast epidemische Formen an. Solche Ereignisse wie die aktuelle Bankenkrise mit ihren kaum zu überblickenden wirtschaftlichen Konsequenzen stellen aber nur den berühmten Tropfen dar, der das Fass zum Überlaufen bringt. Führungskräfte unterliegen nämlich heute mehr als früher nur schwer zu bewältigenden Anforderungen“
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29. Dezember 2009
von Tom Levold
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„Das ist doch alles nichts neues“

ImDezember 1998 hat Rudolf Maresch„Interview mit Ernst von Glasersfeld über Schuhe, Stadtpläne und Regenbogen“ geführt, das im Telepolis-Magazin zu lesen ist und in dem Glasersfeld Fragen zum Radikalen Konstruktivismus beantwortet:„Maresch: ‚Herr von Glasersfeld, Sie gelten als der Stichwortgeber des Radikalen Konstruktivismus (RK). Können Sie uns zu Beginn kurz erläutern, wie sich Ihr Konzept von anderen operativen Konstruktivismen (Niklas Luhmann, Heinz von Foerster) unterscheidet?‘ Ernst von Glasersfeld: ‚Luhmann kenne ich zu wenig. Er hat mit der Systemtheorie gearbeitet. Sein Konstruktivismus muß anders sein, denn er war, obwohl er mich hie und da zitiert hat, mit meinem Konstruktivismus nicht ganz einverstanden. Gewisse Dinge passen wohl nicht zueinander. Neulich hat mir jemand erzählt, Luhmann hätte gesagt, wir hätten uns nicht genug mit den ontologischen Voraussetzungen befaßt. Der Radikale Konstruktivismus (RK) ist ein Versuch, eine Wissenstheorie ohne Bezug auf Ontologie aufzubauen. Luhmann scheint anzunehmen, daß man das nicht machen kann.‘
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25. Dezember 2009
von Tom Levold
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Frohe Weihnachten!


An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen Autorinnen und Autoren bedanken, die mit ihren Geschichten zum diesjährigen Adventskalender beigetragen haben! In der Hoffnung, dass Ihnen der vierte Advents-Kalender im systemagazin genauso viel Spaß gemacht wir mir, grüße ich Sie herzlich und wünsche Ihnen allen schöne Feiertage.

Tom Levold

24. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender: Fern sehen und doch so nah!

Obwohl politisch bestens informiert, war ich auf die Öffnung der Mauer schlicht und einfach nicht vorbereitet:„Auf dem Bildschirm war eine Menschenmasse zu sehen, die sich vor und auf einer Mauer tummelte, die Ähnlichkeiten mit der Berliner Mauer hatte, offensichtlich euphorisiert, mit Sektflaschen in der Hand, aber eindeutig nicht mein Video-Band. Nach mehrmaligem Hin- und Herschalten erfasste mich eine Ahnung, dass es sich hier nicht um eine Inszenierung handelte, sondern um aktuelle Nachrichten. Ähnlich ungläubig habe ich 12 Jahre später am 11.9. auf die Bildschirme in der Kölner U-Bahn gestarrt und erst zuhause glauben wollen, dass das, was ich da sah, Realität und nicht Fiktion war. Meine plötzlichen, für mich völlig überraschenden Tränen und mein Unvermögen, mit dem Seminar wie geplant zu starten, verdanktem sich einem Gefühl von Überwältigung, dem Gefühl, schockiert zu sein von einem Ereignis, das der Kognition sozusagen längst als fällig vor Augen stand, vom Affekt aber bislang als ausgeschlossen angesehen wurde. Dass die Wirklichkeit meiner Phantasie so weit vorauszueilen imstande war bzw. dass ich mit meinen Erwartungen der Realität so weit hinterhergehinkt war, beschämte mich. Immerhin war die aufgeladene Atmosphäre in der DDR, in Ungarn und in der CSSR seit Wochen beherrschendes Thema in den Medien gewesen“
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23. Dezember 2009
von Tom Levold
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Adventskalender: Von innerer Mauer und schlechtem Gewissen

Nun wird der Adventskalender doch noch voll! Cornelia Tsirigotis aus Aachen sorgt trotz schwerer Erkältung für das Türchen zum 23.12., obwohl Aachen ganz ganz weit weg von Berlin war: „Ich gebe zu, für die Größe des geschichtlichen Moments sind meine Erinnerungen an den Abend des 9. November etwas dürftig. Viel spannender fand ich die Frage, mit der Tom zum Adventskalender einlud: Wann fiel die innere Mauer? Woraus besteht die eigentlich? Ich, ich habe doch keine innere Mauer?!?! Meine innere Mauer bestand eher aus „nichts“, oder aus „wenig“: wenig damit zu tun, immer wenig Menschen in der DDR gekannt, keine Verwandten gehabt, nur ganz entfernte, die mich mal als ich 12 Jahre alt war, für einen Nacht gegen ihre Tochter eintauschen wollten, damit die in Westberlin ihre Großmutter sehen konnte. Ich hatte Schiss und war froh, einen Kopf größer zu sein als Sigrid und darüber, dass mein Passbild keinerlei Ähnlichkeit bot, so dass der Plan fallen gelassen wurde“
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22. Dezember 2009
von Tom Levold
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Politiker gehen endlich wirkungsvoll gegen Erderwärmung vor!

Wie erst gestern abend bekannt wurde, hat es auf dem Kopenhagener Klimagipfel doch noch einen effektiven Durchbruch gegeben. Wie aus gut informierter Quelle zu erfahren war, haben sich die Politiker aller führenden Staaten der Welt darauf verständigt, ab Januar 2010 nur noch substantielle Aussagen zu machen und ansonsten zu schweigen. Eine Expertenkommission hatte errechnet, dass alleine durch das Einsparen der heißen Luft, die von Politikern jährlich an die Atmosphäre abgegeben wird, die Erderwärmung in den nächsten 10 Jahren um 1 Grad reduziert werden kann. Mit dieser Maßnahme wollen die Politiker zeigen, dass mit gutem Willen auch anspruchsvolle Ziele erreicht werden können. Der deutsche Außenminister Guido Graf Westerwelle hat dem Vernehmen nach allerdings bereits eine Ausnahmegenehmigung beantragt, da ein völliges Redeverbot, auf das es bei ihm ja in diesem Falle hinausliefe, für die Menschen in diesem Lande („Es ist Deutschland hier!“) nicht vermittelbar wäre. Was er sich dagegen vorstellen könne, sei ein Handel mit Emissionszertifikaten, wie er auch schon in der Industrie gebräuchlich sei. So könnten die Regierungen der reichen Industrieländer das Schweigen der Entwicklungsländer und der Nicht-Regierungsorganisationen unterstützen. Er wies angesichts der aktuellen Kälteperiode in Deutschland auch auf die soziale Dimension von Politikerreden hin:„Viele Menschen unterhalb der Armutsgrenze haben außer der heißen Luft, die ihnen kostenlos von der Regierung zur Verfügung gestellt wird, kaum etwas zu heizen. Schweigen wäre hier gerade zu Weihnachten und Neujahr das falsche Signal“.