systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

21. Mai 2010
von Tom Levold
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Diskursethik und Konstruktivismus

2000 erschien bei Königshausen und Neumann in Würzburg eine Streitschrift mit dem Titel„Begründung von Moral. Diskursethik versus Konstruktivismus“. Autoren sind der Philosoph Holger Burckhart (Foto: Wikipedia), seit 2009 Rektor der Universität Siegen, vorher Professor für Anthropologie und Ethik in den Rehabilitationswissenschaften an der Universität zu Köln sowie Kersten Reich (Foto: www.uni-koeln.de), Pädagoge und Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität zu Köln, bestens bekannt für seinen Ansatz des Interaktionistischen Konstruktivismus und zahlreiche Beiträge zur konstruktivistischen Pädagogik. In ihrer Vorbemerkung zum Buch halten sie fest:„ ist eine Textsorte und Diskussionskultur, die sowohl post- modernen wie diskursphilosophischen Vertretern philosophisch-pädagogischen Denkens entspricht. Insofern ist das hier gewählte Medium zugleich Ausdruck des Selbstverständnisses beider Diskutanten. Die Differenz – der Streit – ergibt sich aus der Beantwortung grundlegender Fragen. Lässt sich aus dem für die Begründung von Moral so etwas wie eine nichthintergehbare Begründung entfalten? Lässt sich aus dem überhaupt entfalten? Ist Begründung selbst sinnvoll? Welche Begründung ist für wen sinnvoll? Solchen theoretischen Fragen steht der Wunsch nach konkreter Orientierung gerade durch Moral gegenüber. Kann, ja darf, Orientierung ohne Begründung sein? Aber wie kann eine solche Begründung gegeben werden? Und wo berühren, wo verlieren sich Begründung und Orientierung?“ Davon handelt dieses Buch, das auf der website von Kersten Reich heruntergeladen werden kann. Zur Eröffnung seines Beitrages über den Stellenwert von Ethik im konstruktivistischen Diskurs schreibt dieser:„Von den verschiedenen Richtungen des Konstruktivismus, die sich zwischen engen objektivistisch orientierten Ansätzen bis hin zu eher relativistischen Ansätzen personaler oder sozialer Art aufspannen lassen, haben allein Ansätze zum sozialen Konstruktivismus bisher hinreichend Stellung auch zu ethischen und moralischen Fragen bezogen. Dies liegt daran, dass vor allem der radikale Konstruktivismus als Erkenntniskritik kaum mehr als die Subjektivität und Ereignisbezogenheit von ethischen Fragen und damit deren relative Willkür thematisieren konnte. So wurde eine weit reichende Anknüpfung an ethische und moralische Diskurse in den Geistes- und Sozialwissenschaften weder ge sucht noch gefunden. Der interaktionistische Konstruktivismus, den ich vertrete, nimmt hier wie auch andere sozial-konstruktivistische oder kulturtheoretische Ansätze eine andere Position ein, die bewusst die Anknüpfung auch an Diskurse anderer Erkenntniskritiken sucht. Gleichwohl handelt es sich auch beim sozialen Konstruktivismus um ein Programm, das weder aus transzendentalen noch universalistischen Prinzipien hervorgeht. Die Kritik an Letztbegründungen gegen Apel, der Verzicht auf den Anspruch auf Unverzichtbarkeit und Nichthintergehbarkeit gegen Niquet, Burckhart, die Ereignisbezogenheit und Singularität von Ereignissen im relativen Kontext zeitbezogener Verständigung, dies stellt konstruktivistische Ansätze sehr klar gegen andere Erkenntniskritiken, insbesondere auch gegen die Transzendentalpragmatik“
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19. Mai 2010
von Tom Levold
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Ivan Boszormenyi-Nagy wäre heute 90 Jahre alt geworden

Zitat des Tages:„Loyalität ist ein für das Verständnis von Familienbeziehungen wesentlicher Begriff. Loyalität kann viele Bedeutungen haben: sie kann vom individuellen Treue-Empfinden bis zum Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft reichen, ja bis zur staatsbürgerlichen Treuepflicht gegenüber der Nation. Der Begriff muss also gemäß den Erfordernissen unserer Beziehungstheorie definiert werden. Loyalität lässt sich in moralischen, philosophischen, politischen und psychologischen Begriffen definieren. Im hergebrachten Sinne wird Loyalität als eine positive Haltung der Zuverlässigkeit des einzelnen gegenüber einem sogenannten Loyalitäts-»Objekt« verstanden. Dagegen setzt das Konzept eines Mehrpersonen-Loyalitätsgewebes das Vorhandensein strukturierter Gruppenerwartungen voraus, zu deren Erfüllung alle Mitglieder aufgerufen sind. In diesem Sinne gehört Loyalität zu dem, was Martin Buber die »Ordnung der menschlichen Welt« nennt. Ihr Bezugsrahmen setzt sich eher aus Vertrauen, Verdienst, Auftrag und Erfüllung als aus den »psychischen« Funktionen des »Fühlens« und »Wissens« zusammen. Unser Interesse für Loyalität als Gruppenmerkmal und persönliche Einstellung geht über die einfache behavioristische Vorstellung eines gesetzestreuen Verhaltens hinaus. Wir setzen voraus, dass der Mensch, um loyales Mitglied einer Gruppe zu sein, den Geist ihrer Erwartungen verinnerlichen und ganz bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen muss. Letztlich ist der einzelne sowohl den Ge- und Verboten der von außen an ihn herangetragenen Erwartungen wie den der verinnerlichten Verpflichtungen unterworfen. In diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, dass Freud die dynamische Basis von Gruppen als mit der Funktion des Überichs verwandt begriff. Die ethische Verpflichtungskomponente der Loyalität ist zunächst an unser Pflichtbewusstsein und unseren Sinn für Fairness und Gerechtigkeit gebunden. Nichterfüllung von Verpflichtungen führt zu Schuldgefühlen, die dann einen sekundären systemregulierenden Kräftemechanismus bilden. Die Homöostase des Verpflichtungs- oder Loyalitätssystems hängt also von einer regulativen Aufladung mit Schuldgefühlen ab. Selbstverständlich haben die verschiedenen Mitglieder des Systems unterschiedlich hohe Schuldschwellen, und ein lediglich durch Schuldgefühle reguliertes System ist zu qualvoll, als dass es auf die Dauer bestehen könnte. Während also die Loyalitätsstruktur durch die Geschichte der Gruppe, die Gerechtigkeit ihrer menschlichen Ordnung und ihre Mythen bestimmt wird, sind für das Ausmaß der Verpflichtung und die Art und Weise ihrer Erfüllung die psychische Veranlagung und Verdienstposition jedes einzelnen Mitglieds im multipersonalen System mit ausschlaggebend“ (Aus: Ivan Boszormenyi-Nagy & Geraldine M. Spark: Unsichtbare Bindungen. Die Dynamik familiärer Systeme, Klett-Cotta, Stuttgart 1981, S. 66f.)

18. Mai 2010
von Tom Levold
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Gendering George Spencer Brown

Lässt sich der Unterschied zwischen Männern und Frauen differenztheoretisch fassen? Und wenn ja, auf welche Weise? Diesen Fragen geht Katrin Wille, wiss. Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Marburg (Foto: www.uni-marburg.de) in einem interessanten, allerdings auch ziemlich abstrakten Beitrag für den von Christine Weinbach herausgegebenen Sammelband„Geschlechtliche Ungleichheit in systemtheoretischer Perspektive“ nach, der 2007 im Verlag für Sozialwissenschaften erschienen ist. Darin heißt es u.a.:„Luhmann wendet seine unterscheidungstheoretische Auffassung, dass Unterscheidungen, um operationsfähig zu sein, prinzipiell asymmetrisch verfasst sein müssen, auf die Unterscheidung zwischen Frauen und Männern an. Als grundlagentheoretische Referenz für diese These werden die ,,Laws of Form“ von George Spencer Brown mit ausgewählten Passagen über die ,,Form der Unterscheidung“ angeführt. Wird aber die Frage nach der Form der Unterscheidung gestellt, dann tun sich weit mehr Subtilitäten und Möglichkeiten auf, als Luhmann sie in seiner Analyse der Geschlechterunterscheidung und in anderen Analysen entwickelt hat. Es soll daher im Folgenden gezeigt werden, dass Luhmann mit seiner Rezeption der ,,Laws of Form“ nicht wirklich bis zur Form der Unterscheidung vorgedrungen ist, sondern mit seiner Interpretation eine komplexere, dadurch aber weniger allgemeine und somit beschränkter anwendbare„Struktur der Unterscheidung“ präsentiert und damit die Ebenen der Form und der Struktur konfundiert hat. Die Asymmetrie der Seiten einer Unterscheidung gehört nicht zur Form der Unterscheidung, sondern ist eine mögliche, aus der Form entwickelbare Unterscheidungsstruktur neben anderen möglichen. Demnach ist eine asymmetrische Unterscheidungsstruktur auch nicht notwendig die Struktur, innerhalb derer sich die Unterscheidung zwischen Frauen und Männern zu organisieren hat. In der Kritik an Luhmanns Asymmetrie-These und dem Aufzeigen einiger Konsequenzen für die Geschlechterunterscheidung liegt das zweite Ziel dieses Aufsatzes“
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17. Mai 2010
von Tom Levold
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George Lakoff: Moral Politics

Mit ihrer Metapherntheorie sind der Linguist George Lakoff und der Philosoph Mark Johnson auch hierzulande mittlerweile berühmt geworden. In seinen politischen Arbeiten ist Lakoff der Frage nachgegangen, worin sich Konservative und Liberale (in den USA) eigentlich unterscheiden – und warum die Konservativen die Liberalen so massiv bekämpfen. Seine Antwort liegt darin, dass es in dieser Auseinandersetzung nicht um politische Argumente geht, sondern um eine fundamental unterschiedliche Weise des Denkens, die ein gegenseitiges Verständnis verunmöglicht. Die Ursachen liegen Lakoff zufolge in unterschiedlichen metaphorischen Konzepten der Familie und ihrer Werte (family values), die folgenreich für die Haltung zur sozialen Gemeinschaft und zur Nation sind. In dieser Vorlesung stellt George Lakoff seinen Ansatz ausführlich dar.

15. Mai 2010
von Tom Levold
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Grenzen des Beratungsmarktes

Auf der website von osb-international, einem systemischen Beratungsunternehmen mit Standorten in Wien, Berlin, Tübingen und Hamburg, findet sich ein lesenswerter Text von Rudolf Wimmer und Christian Kolbeck mit dem Titel„Stößt der Beraterboom an seine Grenzen? oder Aufbau und Dekonstruktion von Autorität in Organisationen“:„Wenn aus der erfolgreichen Etablierung (des) Dienstleistungsbereiches (Beratung) Rückschlüsse auf die Wirksamkeit dieser Art von Tätigkeit in Organisationen gezogen werden können, könnte man als Beobachter in Ruhe die weitere Entwicklung betrachten und beispielsweise die Kriterien heraussuchen, die die Faszination und Leistungsfähigkeit dieser Branche eigentlich ausmachen. Bisher gibt es jedoch noch recht wenig gesichertes Wissen darüber, welche Wirkungen externe Beratungsleistungen in den betroffenen Organisationen überhaupt auslösen. Die Beratungsforschung steckt noch in den Kinderschuhen, auch wenn das sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Interesse an diesem Feld in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat (…). Das relativ bescheidene Reflexionsniveau bezüglich der tatsächlichen Effekte herkömmlicher Unternehmensberatung befördert die Vorurteilsbildung. Auf diese Weise zeigt sich immer deutlicher der seltsame Widerspruch zwischen der Dynamik des Marktes einerseits und der stetig zunehmenden Kritik an den Beratungsgesellschaften andererseits. Der vorliegende Beitrag möchte einige Überlegungen anbieten, die mithelfen sollen, die aktuelle Eigendynamik des Beratungsmarktes besser auszuleuchten. Er greift dafür auf eine Differenzierung zurück, die in der Beschreibung unterschiedlicher Beratungsansätze häufig verwendet wird (…), in der Zwischenzeit aber hinsichtlich ihrer Trennschärfe kritisch überprüft werden muss. Gemeint ist die Unterscheidung zwischen expertenbasierter Fachberatung, die davon ausgeht , dass zur Problemlösung im Kundensystem primär Expertenwissen, insbesondere ein spezifisches, dort fehlendes, Management-Know-how vonnöten ist, und der sogenannten Prozessberatung, die ihren Beitrag zur Problembewältigung in erster Linie darin sieht, die verschütteten „Selbstheilungskräfte“ in der Organisation gezielt zu mobilisieren. Beide Beratungstraditionen stoßen zur Zeit sichtlich an charakteristische Grenzen, die es ratsam erscheinen lassen, die zugrunde liegenden theoretischen Grundannahmen zu überprüfen“
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13. Mai 2010
von Tom Levold
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Meine Familiengeschichte in Träumen. Spurensuche über Generationen

Christa Schmidt ist Psychoanalytikerin in der Nähe von München und hat ein Buch über ihre familienorientierte Traumtherapie geschrieben, die belastende Geheimnisse, Tabus und Muster aufdecken helfen, Ablösungsprozesse erleichtern und Hinweise auf familiäre Fähigkeiten und Begabungen ermöglichen soll. Helmut Kuntz aus Saarbrücken hat das Buch sehr positiv besprochen:„Nachdem ich das Buch zur Besprechung erhalten hatte, habe ich seine 152 Seiten in einem Rutsch gelesen, nur unterbrochen durch einen Spaziergang, weil ich mich halb schwindelig gelesen hatte. Die Spannung, welche von dem Buch ausgeht, macht das leicht möglich. Wer sich ein theoretisches Fachbuch erwarten würde, wäre vielleicht enttäuscht. Die Autorin beherrscht die ganz eigene Kunst, ihr Thema so in Worte zu fassen, dass es beim Lesen gleichzeitig unterhält. Es ist keineswegs ein Nachteil, wenn ein Buch, welches schwierige Inhalte transportiert, dennoch einen gewissen Unterhaltungswert besitzt, der dem inhaltlichen Verstehen zugute kommt. Christa Schmidt schreibt ganz nahe an den Menschen, die ihr als Patientinnen ihr Vertrauen schenken, und ihrer Geschichte. Sich selbst will sie dabei auch nicht distanziert abstinent halten, läuft jedoch an keiner Stelle Gefahr, sich in Übertragungsverstrickungen zu verlieren. Ihre innere Haltung, die sich in und zwischen den Zeilen mitteilt, spricht sowohl für Professionalität wie Menschlichkeit“
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12. Mai 2010
von Tom Levold
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Sex, Schuld und Ernährung

Peter Schneider, geboren 1957 in Dorsten, lebt und arbeitet als Psychoanalytiker in Zürich. Bekannt ist er über die Schweizer Grenzen hinaus für seine scharfsichtigen zeitdiagnostischen Beobachtungen. In der gestrigen Online-Ausgabe des„Freitag“ hat er ein lesenswertes Interview über die gegenwärtigen Diskurse über Ernährung, Gesundheit und „Work-Life-Balance“ gegeben:
„Offenkundig hat sich die Frage des Schuldigwerdens von der Sexualität in die Bereiche Ernährung und Gesundheit verlagert. Der Sex hingegen ist durch Naturalisierung weitgehend dem Moraldiskurs entzogen worden. Nur als Anekdote: In Zürich gibt es regelmäßig schwul-lesbische Wochen, anlässlich derer Zoo-Führungen unter dem Titel „Homosexualität im Tierreich“ angeboten werden. Dort sieht man dann, dass Sex in jeder Spielart etwas ganz Natürliches ist – Pädophilie ausgenommen. Beim Essen gibt es keine analoge Beruhigung. Da wird es sogleich schuldhaft. Wer Übergewicht hat, raucht und trinkt und sich nicht genügend bewegt, ist schuld an der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Er soll sich etwas schämen. Gesündigt zu haben, bekennen nur die Schlanken und Fitten, wenn Sie mal ausnahmsweise Schokolade gegessen haben.
Freitag: Das Unangenehme daran ist, dass man dann immer gleich von sich sprechen muss.
Bei den Themen Gesundheit und Ernährung kann man jetzt tatsächlich den Spruch durchexerzieren, dass das Private politisch ist. Und zwar indem man ganz konkret vorrechnet, dass es uns soundsoviel kostet, wenn die Leute Übergewicht haben. Das lässt sich dann mit einer Präventionsmaschinerie in der Pädagogik verknüpfen, wo Kindern ein gesundes Frühstück beigebracht wird und den Eltern ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihrem Kind nicht dieses oder jenes mit in die Schule geben. Dieses Netz, das Foucault Mitte der siebziger Jahre am Beispiel des Sex beschrieben hat, lässt sich bei Ernährung und Gesundheit viel alltagsnäher spannen“
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11. Mai 2010
von Tom Levold
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Family Systems Psychiatry: Principles, Good Practice Guidelines, Clinical Examples, and Challenges

Jochen Schweitzer, Julika Zwack, Elisabeth Nicolai, Gunthard Weber und Nadja Hirschenberger berichten in einem 2007 im„American Journal of Orthopsychiatry“ erschienenen Artikel von ihrem von 1997-2002 durchgeführten Projekt zur Implementierung systemischer Konzepte in die psychiatrische Versorgung, aus dem unter anderem auch das SYMPA-Projekt resultierte.„This article describes a collaborative action research project, carried out in Germany and designed to promote the integration of family systems thinking and methods into the core practices of everyday psychiatric care. During 1997–2002, “good practice” guidelines were compiled in an initial research project, involving 17 in- and outpatient psychiatric services. In the second phase of the project (2002–2008), the approach is now well established, being taught and evaluated in three state hospitals in Germany. This article outlines the development of the project and the application of family systems psychiatry principles, demonstrating their feasibility and value in a number of different psychiatric hospitals. Two clinical vignettes illustrate the usefulness of the family systems approach as a comprehensive framework for delivering recovery-focused inpatient care“
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10. Mai 2010
von Tom Levold
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Organisationen in Bewegung: Gibt es einen Trend zur Person?

Danach fragen Hannah Rieger und Andrea Tippe in einem Beitrag zum Thema„Ich und Wir: Entwicklung der Person im Spannungsfeld der Organisation“ aus gruppendynamischer Perspektive, der im Internet zu finden ist:„In Organisationen und für die darin arbeitenden Personen ist gegenwärtig die Fähigkeit zu einer umfassenden Selbstorganisation gefragt. Selbstorganisation wird ein immer wichtigeresPrinzip sowohl in hierarchischen Organisationen als auch in Netzwerken. Das bedeutet, dass Selbstmanagement und Selbststrukturierung für die Person im Zentrum des Gestaltungsansatzes ihrer Arbeit stehen. Auf der Ebene der Zusammenarbeit – d.h. auf der Ebene des Wir – ist Kooperationsfähigkeit und Bereitschaft zur Partizipation dabei wichtig. Die dafür notwendigen Lernprozesse für Personen finden im Arbeitsalltag wenig Raum. Darüber hinaus sind Unternehmen immer seltener bereit, die Kosten für die Entwicklung der Personen in Hinblick auf diese neuen Anforderungen zu tragen. Die Investition in das Lernen ist immer mehr von den betroffenen Personen selbst zu finanzieren. Für die Begleitung der individuellen Entwicklung – über die eigene Organisation hinaus – entsteht damit ein neuer Markt. Personen können ihre individuellen Stärken und Potenziale vermehrt zum eigenen Nutzen und zum Nutzen im Miteinander einsetzen. Die Ambivalenz zwischen Autonomie und Abhängigkeit muss von den Personen mit der jeweiligen Organisation immer wieder neu verhandelt werden. Unter Selbstorganisation versteht man in der Gruppendynamik eine autonome, bewusste Gestaltung innerhalb eines vorgegebenen Rahmens. Selbstorganisation beinhaltet die Übernahme von Verantwortung für das Handeln der Person und deren Konsequenzen. Unbewusste, sich wiederholende Handlungsmuster, die auf kollektiv geteilten Menschen- und Weltbildern basieren, sind Aspekte von Selbstorganisation“
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9. Mai 2010
von Wolfgang Loth
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Wenn Kinder ihre Eltern drangsalieren

Im Jahr 2004 publizierte Eddie Gallagher zwei Beiträge im Australian and New Zealand Journal of Family Therapy, in denen er darüber nachdachte, wie sinnvoll mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet werden könne, die ihre Eltern drangsalierten („Parents Victimised by Their Children“, ANZJFT 25(1): 1-12; „Youth Who Victimise Their Parents“, ANZJFT 25(2): 94–105). Im ersten Text diskutiert Gallagher einige Grundlagen und Möglichkeiten der Arbeit mit den Eltern. Der zweite Text, der auch online zur Verfügung steht, konzentriert sich auf die Arbeit mit den betreffenden Kindern und Jugendlichen. Für die praktische Arbeit dürfte eine Sammlung von Fragen interessant sein, die im Wesentlichen verschiedene Möglichkeiten ins Spiel bringen, wie Verhaltensimpulse, die bislang womöglich auch die tätigen Kinder und Jugendlichen „überwältigten“, im besten Sinne relativiert werden können: in Beziehung gesetzt zu erlebten Ausnahmen, zu bisher wirksamen Mythen über Schwäche, Macht oder Gewalt, zur Erfahrung tatsächlicher Stärke, oder zur Erfahrung von Selbstkontrolle und Wählen können. Das alles sollte nicht mit der Weisheit letzter Schluss verwechselt werden, imponiert jedoch durch das unverdrossene Annehmen der Möglichkeit, auch unter erschwerten Bedingungen miteinander ins Gespräch zu kommen.
Zum Text über die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen geht es hier…

8. Mai 2010
von Tom Levold
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FDP in der Rating-Krise

Mit den Entscheidungen der Rating-Agentur Standard & Poor’s, zunächst die Programme der FDP zur Steuersenkung als Schrottpapiere zu bezeichnen, dann die Glaubwürdigkeit der Parteiführung und gestern auch noch die Spendenwürdigkeit der Partei abzuwerten und den Parteivorsitzenden als Low-Performer einzustufen, verschärfte sich die aktuelle Krise der Freidemokraten dramatisch. Die Wahlprognosen für die Landtagswahl in NRW stürzten daraufhin steil unter die Fünf-Prozent-Hürde ab. Die Partei ist seither in Aufruhr. Außenminister und Parteivorsitzender Guido Westerwelle beschuldigte die Ratingagentur in diesem Zusammenhang, dass das Timing von Standard & Poor’s nicht besonders glücklich gewesen sei. Es wäre besser gewesen, die Analysten hätten mit ihrer Veröffentlichung bis nach den Wahlen und solange gewartet, bis alle versprochenen Spenden bei der Partei eingegangen wären, so Westerwelle. Er kündigte an, dass die FDP eine eigene Rating-Agentur unter dem Vorsitz von Rainer Brüderle („Rating muss sich wieder lohnen!“) zur Bewertung der politischen Parteien in Deutschland gründen werde, von der er sich eine faire Bewertung erwarte.

6. Mai 2010
von Wolfgang Loth
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Ressourcenorientierung und Narrative Therapie

Wem die Praxistauglichkeit ressourcenorientierter Konzepte ein Anliegen ist, findet bei Michael Hoyt immer wieder reichhaltige, fundierte und kreative Anregungen. Im Jahr 2002 veröffentlichte Victor Yalom ein Interview mit Michael Hoyt. Äußerer Anlass war die seinerzeit erfolgte Publikation von Hoyts Buch „Some Stories are Better than Others“ (siehe Besprechung im systemagazin). In diesem Gespräch entfaltet sich nicht nur eine Fülle von anregenden Impulsen für die Praxis, sondern auch ein nachhaltiger Eindruck von der souveränen Haltung, in der sich Hoyt den drängenden Herausforderungen unserer Profession zwischen ökonomisierten Managementvorgaben und biologistischen Wirkversprechen stellt. Mehrfach unterstreicht Hoyt, wie wichtig es sei, dass wir unsere Erinnerung an die positiven Gründe wach halten, weswegen wir in diesen Beruf gegangen sind, und macht dennoch keinen Hehl daraus, dass dies nicht immer leicht sei. Im Übrigen gibt Hoyt wieder einmal zu erkennen, wie viel Potenzial darin steckt, die Kundigkeit der Hilfesuchenden selbst anzunehmen und entsprechend zu handeln. Das Interview illustriert aufs Beste, was die vielleicht schon etwas abgegriffene Floskel „über den Tellerrand schauen“ tatsächlich meinen könnte.
Zum Gespräch von Victor Yalom mit Michael Hoyt geht es hier