5. Mai 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
4. Mai 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Systemisch ist mir nicht jetzt ein richtiger Begriff
Der Supervisionsdiskurs ist in den letzten Jahren recht still geworden, sein Platz in den einschlägigen Medien ist zunehmend von„arbeitsbezogener Beratung“, Coaching oder Organisationsentwicklung eingenommen worden. Das gilt erst recht für die Beforschung von Supervision. Aus diesem Grund sei hier noch einmal auf die schöne Arbeit von Petra Bauer aus dem Kontext (dessen Mitherausgeberin sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht war) verwiesen, in der sie Systemische Supervision aus der Sicht der SupervisandInnen rekonstruiert hat. Petra Bauer ist Professorin für Erziehungswissenschaft mir dem Schwerpunkt Sozialpädagogik an der Universität Tübingen. Anhand einiger Supervisionsbeispiele in psychiatrischen Teams zeigt sie,„wie vielfältig diese Konstruktionsprozesse verlaufen können, mit denen Supervisandinnen die Interventionen von Supervisorinnen mit ihrem eigenen professionellen Handlungsverständnis zu vermitteln suchen“ Im abstract heißt es:„Systemische Supervision bietet ein vielfältiges Spektrum an Konzepten und Methoden, die sich oft nur schwer unter einem gemeinsamen Dach vereinen lassen. Vor diesem Hintergrund fragt der Beitrag danach, was Supervisandinnen als das spezifisch Systemische in der von ihnen in Anspruch genommenen Supervision betrachten. Im Rekurs auf Ergebnisse einer empirischen Studie zu systemischer Supervision in psychiatrischen Teams wird aufgezeigt, wie die fachlichen Handlungsorientierungen der Supervisanden und die Anforderungen der jeweiligen Teamorganisation die Erwartungen an die Supervision und damit auch die Wahrnehmung der methodischen Ausrichtung des/der Supervisor/in prägen. Damit verbinden sich weiterführende methodologische Überlegungen zur Erforschung der Wirksamkeit von systemischer Supervision“ Der Artikel ist im Wissensportal der DGSF nachzulesen,
und zwar hier
3. Mai 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Kultur und Migration
Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten Fragen interkultureller Therapie und Beratung im systemischen Feld eher eine kleinere Rolle gespielt haben, stehen sie interessanterweise in den letzten Monaten stark im Vordergrund. So stand die letzte Jahrestagung der DGSF in Freiburg unter dem Motto Kulturen im Dialog und sind in der letzten Zeit auch einige Ausgaben von systemischen Zeitschriften diesem Thema gewidmet. Das aktuelle Heft der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung erörtert unter dem Titel Kultur und Migration Gedanken zu einem Thema zwischen Alltag und Besonderheit verschiedene Aspekte von Migration und der Arbeit mit Migrantinnen. Die Herausgeberin Cornelia Tsirigotis steuert darüber hinaus eine Reihe von Rezensionen aktueller Büchern zum Thema bei. Darüber hinaus wird die von Ludger Kühling und Johannes Herwig-Lempp angestoßene Debatte, ob Sozialarbeit anspruchsvoller als Therapie sei (die hier dokumentiert ist), in diesem Heft mit einem Leserbrief von Stefan Baerwolff und einem Abschlusskommentar der Autoren weitergeführt.
Zu den vollständigen Abstract
30. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
28. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
„Eine Prise Verrücktheit hinzufügen und gut umrühren“ Rezepte für die Psychotherapie mit einer „psychotikogenen Familie“
Die Anfangsjahre der Familientherapie waren von vielen Experimenten gekennzeichnet. Viele ihrer Pioniere entwickelten sehr persönliche Stile und Vorgehensweisen, die einerseits aufgrund ihres Charismas durchaus erfolgreich waren, andererseits aber heutzutage durchaus Befremden auslösen können. Einer dieser Pioniere war Carl Whitaker (1912-1995; Foto: wikipedia.de), der vor allem durch seine ungewöhnliche Art bekannt wurde, mit Familien mit einem psychotischen Indexpatienten zu arbeiten. Unter dem Titel:„Add Craziness and Stir. Psychotherapy with a Psychoticogenic Family“ erschien 1981 in einem von Maurizio Andolfi und I. Zwerling herausgegebenen Band„Dimensions of Family Therapy“ bei Guilford Press ein Aufsatz von Whitaker (mit David V. Keith), der 1999 in einer deutschen Übersetzung (von Anna-Lena Greve) in systhema erschien. Den Beipack-Zettel hat Arist von Schlippe geschrieben, er lautet wie folgt:„Den folgenden Beitrag haben wir (leicht gekürzt) aus verschiedenen Gründen in die Systhema aufgenommen. Da ist zunächst einmal ein historisches Interesse: Carl Whitaker, der schon vor längerer Zeit starb, gehört zu den originellsten und kreativsten Figuren in der Geschichte der Familientherapie. Sein Ansatz, die Familien mit (vor allem psychotischen) Patienten wieder„spielen“ zu lehren und sich zu diesem Zwecke selbst oft„absurd“ zu verhalten, zeugt von einer hohen Bereitschaft, ungewöhnliche, ja sehr ungewöhnliche Wege zu gehen, um ein System zu verstören. Die Erinnerung an solche anarchische, aber wohl auch riskante Bereitschaft möchten wir gerade in Zeiten der drohenden Verarmung„qualitäts“-gesicherter Psychotherapie gewahrt wissen. Damit soll dieser Artikel zum Zweiten auch einen Kontrapunkt setzen, zum Nachdenken anregen über die Psychotherapiekultur der Gegenwart je kürzer, desto besser, je methodisch abgesicherter desto qualitätssicherer? Ob dies tatsächlich sinnvolle Anweisungen sind? Gerade das Primat von Methode über eine Qualität von Beziehung, in die sich auch der Therapeut als Person eingibt, wird in diesem Text massiv hinterfragt. Und zum Dritten, so stelle ich mir vor, wird der Aufsatz den Leser / die Leserin auch verstören, so wie mich. Zwischen Begeisterung, Aufregung und Erschrecken, ja Empörung habe ich diesen Text gelesen. Der m.E. sehr (zu sehr) lockere Umgang mit therapeutischer Macht, der ebenfalls (zu?) laxe Umgang mit Krankheits- und Gesundheitsbegriffen, die z.T. atemberaubende oder haarsträubende Art, jegliche Abstinenzregeln hinter sich zu lassen all das, stelle ich mir vor, kann Stoff für Diskussionen geben. Denn eines kann dieser Text nicht: Leser / Leserin kalt lassen oder langweilen. Ein letztes Wort dazu, was dieser Text nicht soll: er soll nicht zum Nachahmen anregen. Er sollte eher dazu anregen, als Lehre aus der Lektüre des Vorgehens dieses powervollen und authentischen Therapeuten den Schluss zu ziehen: werde der/die, der/die du bist, nicht: werde wie er. In diesem Sinne: viel Spaß mit der Lektüre der deutschen Uraufführung dieses Artikels. Es war etwas mühsam, die Abdruckgenehmigung zu bekommen und wir bedanken uns bei Guilford-Press in New York für die freundliche Genehmigung dafür“
Zum vollständigen Text
24. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Systemische Therapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. G-BA prüft Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit
In einer Presseerklärung der Bundespsychotherapeutenkammer vom heutigen Tage heißt es:
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) prüft die Anerkennung der Systemischen Therapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung bei Erwachsenen. Dies hat der G-BA am 18. April 2013 beschlossen. Der Beschluss erfolgte vier Jahre nachdem der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) die Systemische Therapie als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren bei Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen anerkannt hat. Bisher stellte keine der Trägerorganisationen des G-BA einen Antrag auf Prüfung. Der Antrag wurde jetzt vom unparteiischen Mitglied und Vorsitzenden des Unterausschusses Methodenbewertung Dr. Harald Deisler eingebracht und im Plenum des G-BA einstimmig beschlossen. Die Systemische Therapie bei Kindern und Jugendlichen wird nicht Gegenstand des Bewertungsverfahrens sein.
Die Systemische Therapie zählt seit dem WBP-Gutachten vom 14. Dezember 2008 zu den wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren. Das Bewertungsverfahren des WBP bestätigte die Wirksamkeit der Systemischen Therapie in der Behandlung von Erwachsenen für die Anwendungsbereiche:
Affektive Störungen (F3),
Essstörungen (F50),
Psychische und soziale Faktoren bei somatischen Krankheiten (F54),
Abhängigkeiten und Missbrauch (F1, F55),
Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F2).
Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen stellte der WBP darüber hinaus die wissenschaftliche Anerkennung der Systemischen Therapie für die folgenden Anwendungsbereiche fest:
Affektive Störungen (F30 bis F39) und Belastungsstörungen (F43),
Essstörungen (F50) und andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (F5),
Verhaltensstörungen (F90 bis F92), F94, F98) mit Beginn in der Kindheit und Jugend sowie Tic-Störungen (F95),
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60, F62, F68 bis F69), Störungen der Impulskontrolle (F63), Störungen der Geschlechtsidentität und Sexualstörungen (F64 bis F66), Abhängigkeit und Missbrauch (F1, F55), Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F20 F29).
Die Systemische Therapie erfüllte hiermit die damaligen WBP-Mindestkriterien und wurde als Verfahren für die vertiefte Ausbildung sowohl zum Psychologischen Psychotherapeuten als auch zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten empfohlen. Damit war für die Systemische Therapie auch die erste Voraussetzung für die Anerkennung als neues Psychotherapieverfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben, die regelhaft eine Einleitung eines Bewertungsverfahrens durch den G-BA begründet (§ 17 Absatz 1 der Psychotherapie-Richtlinie).
Der G-BA prüft nun als weitere Voraussetzung, ob bei der Systemischen Therapie ein Nachweis des Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit belegbar ist und zwar für mindestens die Anwendungsbereiche Affektive Störungen sowie Angststörungen und Zwangsstörungen und in mindestens einem der drei Anwendungsbereiche somatoforme Störungen, Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen sowie Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen oder in mindestens zwei der sonstigen Anwendungsbereiche der Psychotherapie-Richtlinie“
23. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Richie Havens (21.1.1941-22.4.2013)
22. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Konstruktivismus in der Praxis: Systemische Organisationsberatung
Im von Falco von Ameln 2004 im A. Francke-Verlag herausgegeben Band „Konstruktivismus: Die Grundlagen systemischer Therapie, Beratung und Bildungsarbeit“ ist auch ein Artikel von Torsten Groth und Rudolf Wimmer erschienen, der sich mit dem Konstruktivismus als Grundlage systemischer Organisationsberatung befasst. Sein Ziel ist es, aufzuzeigen,„inwieweit sich diese Beratungsform von anderen Formen unterscheidet, worin ihre Besonderheiten liegen und was es heißt, Organisationsberatung unter Zuhilfenahme der Luhmannschen Systemtheorie durchzuführen“. Der sehr lesenswerte Beitrag ist auch online zu lesen,
und zwar hier
21. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Systemische Gesellschaft 2.0
Am 18. und 19. April feierte die Systemische Gesellschaft mit einer Zukunftskonferenz ihr 20jähriges Jubiläum im Berliner„Heimathafen Neukölln“, einem Volkstheater, das auch als Veranstaltungsort ein gutes Bild abgab. Neben einem Rückblick auf die Situation der Gründungszeit Anfang der 90er Jahre ging es vor allem um die Entwicklung neuer Themen und Perspektiven für die zukünftige Verbandsarbeit, die in einem gut geleiteten Open Space vorangebracht wurde. Als Höhepunkt der Tagung wurde auf dem Tagungsfest die neue website der Systemischen Gesellschaft freigeschaltet, die nun endlich nach langer Entwicklungsarbeit neue Möglichkeiten der Kommunikation und Online-Kooperation für die SG-Mitglieder bietet. Endlich keine verpixelten und unscharfen Bilder mehr, endlich laden vernünftige Kontraste und eine lesefreundliche Schrift zum Lesen und Verweilen ein. Zwar sind die meisten Features noch einzulösende Versprechen, aber an der Fertigstellung wird mit Volldampf gearbeitet. Herzliche Glückwünsche vom systemagazin zu einem Relaunch, das lange hat auf sich warten lassen, aber nun ausgesprochen verheißungsvoll wirkt! Nach acht erfolgreichen Jahren als Vorsitzende hat Cornelia Oestereich übrigens in diesem Jahr nicht mehr für dieses Amt kandidiert. Sie wurde mit riesigem Beifall für ihre Leistungen und ihren Einsatz von der Mitgliederversammlung am 20.4. verabschiedet (Foto). Als Nachfolgerin wurde Ulrike Borst vom Ausbildungsinstitut Meilen (Zürich) gewählt, bestens als Mitherausgeberin der Familiendynamik bekannt. Auch hier wünscht das systemagazin alles Gute und eine gute Hand bei den zukünftigen Entwicklungen im systemischen Feld.
Zum neuen Webauftritt der Systemischen Gesellschaft geht es hier
17. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Dr. Gunther Schmidt über „Menschen erschöpft. Organisation erschöpft. Führung, was nun? Ein Video von HeitgerConsult
16. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Liebespaare und der Einfluss der Herkunftsfamilien – DGSF-Forschungspreis für Markus Schaer
Ein Gastbeitrag von Sabine Jacobs, freie Autorin und Coach:
Ob und wie partnerschaftsrelevante Verhaltensweisen von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden, untersuchte der Psychologe Dr. Markus Schaer (Foto: Academia.edu) für seine Dissertation Das Früher im Heute: Liebespaare und ihre Herkunftsfamilien. Für seine Forschungsarbeit an der Universität München wurde Schaer mit dem Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) 2012 ausgezeichnet.
Schaers Arbeit beschreibt die intergenerationale Transmission von Paarkonfliktstilen und Kompetenzen zur Stressbewältigung. Der Autor interviewte junge erwachsene Paare und deren Eltern. Insgesamt nahmen mehr als 650 Personen an seiner Studie teil. Durch die Befragung ganzer Familiensysteme und mit systemischen Analyseverfahren konnte er ein differenziertes Bild der Transmission erarbeiten, das auch geschlechtstypische Unterschiede aufzeigt. Die Ergebnisse von Schaers Forschungsarbeit machen nachvollziehbar, wie familiäre Verhaltenstraditionen mit der sozialen Vererbung des Scheidungsrisikos zusammenhängen. Seine Analyse mehrgenerationaler Dynamiken und Muster von negativem und konstruktivem Konfliktverhalten liefert Erkenntnisse für die präventive und therapeutische Arbeit mit Paaren und Familien. Die Untersuchung von Markus Schaer ist im Oktober 2012 im Asanger Verlag erschienen.
Das Interview mit dem Autor Dr. Markus Schaer führte Sabine Jacobs:
Sabine Jacobs:
Du bist genau wie deine Mutter, dieser Satz fällt oft, wenn Paare streiten. Was ist dran – machen wir später tatsächlich nach, was wir im Elternhaus gelernt haben?
Markus Schaer:
Theoretisch könnte man ja von zwei Möglichkeiten ausgehen. Wir kopieren das Streitverhalten unserer Eltern oder aber wir verhalten uns bewusst anders, insbesondere dann, wenn in unserer Herkunftsfamilie eine destruktive Streitkultur an der Tagesordnung war. In der Forschung finden wir aber eher Kontinuitätszusammenhänge, das heißt, wir neigen dazu, es genauso zu machen, wie unsere Eltern. Das lässt sich für viele Verhaltensweisen zeigen, zum Beispiel für allgemeine Wärme, für unseren Interaktionsstil, unsere Problemlösekompetenzen und eben auch für unser Streitverhalten. Sogar extrem destruktive Verhaltensweisen werden von einer Generation zur Nächten weitergegeben, also beispielsweise häusliche Gewalt. Wenn es in der Herkunftsfamilie zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist, dann steigt das Risiko für Gewalt in der eigenen Partnerschaft auf das doppelte bis dreifache. Und das obwohl die Menschen, die Gewalt in ihrer Familie erlebt haben, darunter sehr gelitten haben.
Unser Elternhaus beeinflusst also unser Streitverhalten. Gilt das für Männer und Frauen gleichermaßen?
Im Prinzip ja. Trotzdem gibt es Unterschiede. Kleine Mädchen lernen von beiden Elternteilen, von der Mutter als Rollenvorbild aber auch vom Vater als Interaktionspartner. Später neigen sie dann dazu, sich in Konflikten ähnlich zu verhalten, wie sie es schon als Kind den Eltern gegenüber taten. Es besteht also eine gewisse Verhaltenskonsistenz. Bei Männern ist das anders.
Inwiefern?
Männer erleben in einer Liebesbeziehung einen größeren Rollenwechsel. Die Rolle des kindlichen Sohnes passt nicht in das Bild, das wir vom autonomen männlich-starken Liebhaber haben. Deshalb spielt die Mutter -Sohn Beziehung hier auch keine so große Rolle. Männer orientieren sich eher am Vorbild des Vaters. Wenn der also beim Streit mit der Faust auf den Tisch schlug oder aber den inneren Rückzug antrat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich der Sohn später ähnlich verhält.
Eine destruktiver Streitkultur im Elternhaus kann also böse Folgen haben für die eigene Beziehung
Eindeutig. Beispiel Scheidungsrisiko. Das überträgt sich von einer Generation zur nächsten. Sogar eine Scheidung der Großeltern hat noch Wirkung auf das eigene Scheidungsrisiko. Und diese Effekte sind nicht gering. Wenn Ihre Eltern geschieden sind, dann steigt ihr eigenes Scheidungsrisiko schon um das 1,3 fache. Und wenn Sie dann auch noch einen Partner haben, der eine Scheidung seiner Eltern erlebt hat, dann haben Sie schon ein dreifach erhöhtes Scheidungsrisiko.
Trennung ist häufig die Konsequenz von destruktivem Streitverhalten. Was genau verstehen Sie darunter?
Typische Killerverhalten sind zum Beispiel die Verallgemeinerung von Vorwürfen und Kritik sowie die Bereitschaft, den jeweils Anderen als Person abzuwerten. Sehr destruktiv wirkt auch, wenn sich einer der beiden Partner wortlos zurückzieht. Und natürlich dazu passend – die gezielte Provokation. Im Zusammenspiel führt das zur Eskalation.
Ein typisches Beispiel ist die sogenannte Forderungs-Rückzugsspirale
Forderungs-Rückzugsspiralen sind ein häufiges Muster, das vor allem dann auftritt, wenn Partner-Konflikte sich bereits verhärtet haben. Dabei versucht ein Partner, z.B. die Frau einen Konflikt-Thema anzusprechen, der Mann fühlt sich bedrängt und zieht sich zurück. Durch den Rückzug des Mannes fühlt sich die Frau gekränkt und reagiert noch resoluter, dadurch zieht sich der Partner noch mehr zurück usw. Es entsteht ein Teufelskreis und am Ende sagt der eine ich würd ja nicht so nörgeln, wenn Du mir endlich zuhören würdest und der andere sagt ich würde Dir ja zuhören, wenn Du nicht ständig so nörgeln würdest. Das ist ein Muster mit einer hohen Eigendynamik.
Meist sind es die Männer, die sich zurückziehen, warum?
Ursache sind zum einen unterschiedliche Beziehungskonzepte. Frauen gehen eher davon aus, dass eine Beziehung dann in Ordnung ist, wenn sie über Probleme noch reden können. Die Männer finden eine Beziehung eher dann in Ordnung, wenn sie nicht über Probleme reden müssen. Hinzu kommt, dass Männer sich schneller von ihren Gefühlen überflutet fühlen, ihr Rückzug hat dann eher eine Schutzreaktion. Außerdem spielt die Herkunftsfamilie eine Rolle. Die Wahrscheinlichkeit für gesprächsvermeidendes Verhalten steigt, wenn der Vater sich ebenfalls in Konflikten zurückgezogen hat. Es fehlen alternative Rollenvorbilder.
Hinzu kommen dann aber auch noch die Erfahrungen der Frau in ihrer eigenen Herkunftsfamilie
Stimmt. Wir haben festgestellt, dass Frauen überdurchschnittlich häufig einen Partner wählen, der ein Rückzugsverhalten zeigt, das dem Verhalten ihres Vaters ähnelt. Und wenn diese Frauen dann den Rückzug in ihrer Partnerschaft erleben, fühlen sie sich davon möglicherweise besonders verletzt. In diesem Fall ist das Risiko für die Forderungs-Rückzugspiralen besonders hoch.
Wie hoch ist denn der Einfluss der Herkunftsfamilie auf unser Konfliktverh
alten? Kann man das in Zahlen ausdrücken?
Im Durchschnitt können wir aus dem Verhalten der Herkunftsfamilie etwa 20 30 Prozent des Paarverhaltens vorhersagen. Das sind eher mittlere Zusammenhänge keine riesigen, aber sie sind eindeutig nachweisbar.
Das heißt, wir sind auch selbst verantwortlich?
Klar, um es mal so zu sagen: Die Herkunftsfamilie spielt eher die Hintergrundmusik der Paarbeziehung. Ob wir in Dur oder in Moll spielen, das entscheiden wir schon selbst als Paar. Wichtig ist zum Beispiel die Erkenntnis, dass negative Verhaltensweisen unseres Partners, wie Nörgeln, Rückzug oder Aggression immer auch durch unser eigenes negatives Verhalten mit ausgelöst wird. Dieser Auslösefaktor beträgt immerhin ca. 25 Prozent. Unser eigenes negatives Verhalten hat also eine hohe Ansteckungsgefahr.
Leider im Gegensatz zu positivem Verhalten. Das wirkt lange nicht so ansteckend, warum?
Vermutlich aus neurobiologischen Gründen. Bei negativen Verhaltensweisen sind sofort negative Emotionen im Spiel. Wenn uns einer unfreundlich behandelt, reagieren wir darauf geradezu automatisch. Im Gegensatz zu konstruktivem Verhalten. Das müssen wir immer wieder aus eigener Kraft an den Tag legen. Wir müssen also in der Lage sein unsere Emotionen kognitiv zu regulieren.
Es sind höhere Hirnfunktionen gefragt
Ja, wir müssen eine bewusste Entscheidung für positives Verhalten treffen, auch wenn sich der Erfolg nicht unmittelbar einstellt. Das erklärt auch die berühmte 5 zu 1 Kostante des amerikanischen Paarforschers John Gottman. Demnach braucht es mindestens fünf positive Gesten, um eine negative Interaktionssequenz auszugleichen. Paare, die das nicht mehr schaffen, trennen sich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit.
Um das zu verhindern, brauchen wir also konstruktive Streit-Techniken. Was hilft konkret?
Das Wichtigste ist Zuzuhören, also Aufmerksamkeit zu schenken und sich Zeit lassen, die Position des Gegenübers zu verstehen. Dann müssen wir in der Lage sein zu verhandeln und Kompromisse zu schließen. Wer seine Position immer zu 100 durchsetzen will, macht den anderen zum hundertprozentigen Verlierer. Das möchte keiner sein. Und natürlich gehört Respekt dazu, auch wenn ich auf der Sachebene unterschiedlicher Meinung bin. Also Respekt, Achtsamkeit, Akzeptanz und nicht zuletzt die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln und sich in die Position des anderen hineinversetzen zu können. Und zwar nicht nur kognitiv sondern auch emotional. Wenn das beiden Partnern gelingt, sprechen wir von einer positiven Streitkultur.
Und das kann man hinkriegen trotz familiärer Belastung?
Durchaus. Das kann man lernen. Wir sind immer auch eigenständige Gestalter unserer Beziehungen. Wichtig ist nur, dass man sich die familiären Muster bewusst macht, um sich dagegen wehren zu können.
15. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
15. April 2013
von Tom Levold
Keine Kommentare
Sprachliche Umwelten körperlicher Erkrankungen. Ein Beitrag zu einer systemischen Familienmedizin
In den 90er Jahren befasste sich eine Osnabrücker Arbeitsgruppe mit familiendynamischen Konzepten der Betreuung asthmakranker Kinder und ihrer Familien, zu der auch Arist von Schlippe gehörte. Dieser veröffentlichte in der systhema 1/1999 einen Beitrag, in dem die Erfahrungen dieser Gruppe reflektiert wurden. In seiner Vorbemerkung heißt es:„Die hier entwickelten Überlegungen spiegeln meine Erfahrungen im Rahmen der Osnabrücker Arbeitsgruppe wieder, in der mit dem Luftiku(r)s-Konzept ein familien- und verhaltensmedizinisches Modell zur Betreuung asthmakranker Kinder und ihrer Familien entwickelt wurde (
). Sie sind in dieser Form das Ergebnis intensiven Austausches innerhalb dieser Arbeitsgruppe. An diese Erfahrungen möchte ich allgemeinere Überlegungen darüber anschließen, wie soziale Systeme Wirklichkeiten um chronische Krankheiten herumbauen. Neben einem allgemeinen Modell zum Verständnis der systemischen Prozesse chronischer Erkrankungen werde ich dabei auch eine persönliche Geschichte erzählen. Es ist u.a. eine Geschichte meines Abschieds von einem heimlichen Hochmut: ‚eigentlich sind alle, auch die körperlichen Krankheiten im Grunde psychologischer Natur’ und es ist eine Geschichte meines Friedens mit der Perspektive der Schulmedizin und mit den Medizinern, der sich in vielen Fällen zur Freundschaft weiterentwickelt hat. Es freut mich gleichzeitig, wenn ich von meinen Medizinerkollegen höre, dass es auch für sie so ist, dass die Kooperation mit anderen Berufsgruppen in unserem Projekt ihre Arbeit im medizinischen Alltag verändert hat“
Zum vollständigen Text