systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

28. Juni 2013
von Tom Levold
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Abolish use of formal psychiatric diagnostic systems like ICD & DSM

Auf change.org hat Sami Timimi, dessen aktuelle Veröffentlichung aus Kontext 2/2013 in der letzten Woche auch im systemagazin zu lesen war, eine Petition zur Abschaffung der Formalen Diagnosesysteme ICD und DSM an das Royal College of Psychiatrists gerichtet, das von allen amn diesem Thema Interessierten mitgezeichnet werden kann. Der Text lautet wie folgt
Abolish use of formal psychiatric diagnostic systems like ICD & DSM

Psychiatric diagnoses are not valid.
Use of psychiatric diagnosis increases stigma.
Using psychiatric diagnosis does not aid treatment decisions.
Long term prognosis for mental health problems has got worse.
Psychiatric diagnosis imposes Western beliefs about mental distress on other cultures.
Alternative evidence based models for organizing effective mental health care are available.

To read the full evidence based arguments view the ‚No More Psychiatric Labels‘ paper at
http://www.criticalpsychiatry.net/?p=527 which is reproduced below …

Hier kann die Petition unterzeichnet werden…

27. Juni 2013
von Tom Levold
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Funktion, Krankheitsgewinn und Passung – Variationen eines therapeutischen Themas

In einem spannenden Artikel für die Zeitschrift„Psychotherapie“ (Heft 2/2008) setzt sich Hans-Peter Heekerens, Professor für Familientherapie, Familiendiagnostik, Erlebnispädagogik an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften an der Münchener Hochschule für angewandte Wissenschaften mit dem Gebrauch des Funktionsbegriffs in der Geschichte der Familientherapie und systemischen Therapie auseinander. Im abstrakt dieses kenntnisreichen und unbedingt lesenswerten Artikels heißt es: „Seit über 50 Jahren gehört der Gedanke, dass eine Störung eine (positive) Funktion für die Familie oder Teile derselben hat oder haben kann, zu den Grundannahmen der Familientherapie. Die vorliegende Arbeit unterzieht das Konstrukt„Funktion“ einer doppelten Betrachtung. Unter systematischem Gesichtspunkt wird es auf theoretischer Ebene in Beziehung gesetzt zum Konzept des„tertiären Krankheitsgewinns“ und zur evolutionsbiologischen Modellvorstellung der„Passung“. Unter historischem Aspekt wird gezeigt, dass ein„Denken in Funktionen“ von den frühesten Arbeiten der Bateson-Gruppe zur Schizophrenie-Ätiologie angestoßen, vor allem durch die Mailänder Gruppe im Mainstream der Familientherapie verbreitet, aber auch davon unabhängig von der Funktionalen Familientherapie rezipiert wurde. Die Kombination von systematischer und historischer Betrachtungsweise legt die These nahe, dass das Konstrukt„Funktion“ in der Modellvorstellung„Passung“ aufzuheben sei, weil„Passung“ dem zirkulären Paradigma besser entspricht.“
Zum vollständigen Text geht es hier…

27. Juni 2013
von Tom Levold
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No, I’m not going to the world cup

11. Juni 2013
von Tom Levold
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Offener Brief der ärztlichen Assistenten des Asklepios-Fachklinikums Göttingen Juni 2013

Nachdem das Land Niedersachsen das ehemalige Landeskrankenhaus in Tiefenbrunn an den privaten Krankenhausträger Asklepios verkauft hat, mehren sich die Vorwürfe gegen den neuen Betreiber. Nun haben sich die ärztlichen Assistenten mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewandt, den systemagazin an dieser Stelle dokumentiert. Außerdem ist hier ein Video einer Zapp-Sendung zu sehen, die über die Versuche des Unternehmens berichtet, gegen Kritiker gerichtlich vorzugehen.

Offener Brief der Assistenten

Dies ist ein offener Brief der ärztlichen Assistenten des Asklepios-Fachklinkums Göttingen. Er ist der gesamten Assistentenschaft bekannt und wird von der Mehrheit getragen. Wir versorgen psychiatrisch ein Einzugsgebiet von ca. 650.000 Einwohnern und behandeln das vollständige Spektrum psychischer Erkrankungen zu denen u.a. Angststörung, Depression, Sucht, Schizophrenie und Demenz gehören.
Wir wenden uns nun an die Öffentlichkeit, um der aktuellen Entwicklung im Gesundheitssystem entgegen zu wirken.

Aus medizinethischer Sicht muss der Patient darauf vertrauen können, dass alles ärztliche Handeln ausschließlich dem Patienteninteresse gilt und dass der Arzt in seinem konkreten Handeln keine eigenen wirtschaftlichen Interessen oder die wirtschaftlichen Interessen anderer vertritt. Dieses Vertrauensverhältnis, die Qualität und die Sicherheit der Behandlung sehen wir im Speziellen bezogen auf das Asklepios-Fachklinikum Göttingen gefährdet.

Exemplarisch wollen wir hier folgende Beispiele anführen:
Therapeutische Angebote werden drastisch gekürzt: so wurde das Bewegungsbad geschlossen und physiotherapeutische Behandlungen deutlich verringert. Arbeitstherapeutische Angebote wurden massiv zurück gefahren: Arbeitstherapie Tischlerei und Schlosserei wurden geschlossen, die Plätze in der Arbeitstherapie Gärtnerei stark reduziert und die Schließung der Gärtnerei diskutiert. Da bei Patienten der Psychiatrischen Institutsambulanz eine Erlössteigerung nach sechs Kontakten pro Quartal nicht mehr stattfindet, wurde das jahrelang bewährte Konzept der ambulanten Arbeitstherapie ersatzlos gestrichen.
Rationierung von Heil- und Verbandmitteln: medizinische Standardausrüstung ist reglementiert und nicht mehr auf allen Stationen verfügbar (wie z.B. Skalpelle, Pinzetten, Verbandsmaterial, Infusionssysteme und -lösungen etc.).
Arbeitsverdichtung durch personelle Kürzungen: Anfang dieses Jahres wurde der Pfortendienst in die konzerneigene Asklepios-Service-Gesellschaft mit niedrigeren Löhnen ausgegliedert und die Pforte in Tiefenbrunn abgeschafft. Das Arbeitsaufkommen in Tiefenbrunn wird seitdem überwiegend durch die Pforte in Göttingen übernommen. Dies führt zu einer deutlichen Mehrbelastung der diensthabenden Ärzte, da in- und externe Anrufe oft ungefiltert weitergeleitet oder fehlgeleitet werden.
Ein jahrelang bestehender Werkvertrag mit einer Reinigungsfirma wurde im letzten Jahr gekündigt und ebenfalls durch die konzerneigene Asklepios-Service-Gesellschaft ersetzt bei sichtbarer Arbeitsverdichtung für die dortigen Mitarbeiter. Seitdem ist der Hygienestandard aus Sicht des Personals und der Patienten deutlich gesunken.
Im ärztlich-therapeutischen Dienst wurden ebenfalls Kürzungen vorgenommen, sodass es Stationen gibt, in denen auf ca. 20 psychisch zum Teil schwer Erkrankte nur je eine ärztliche Vollzeitstelle kommt. Gesetzliche Vorgaben sehen fast doppelt so viele Ärzte vor.
Auch die Kürzungen im pflegerischen Dienst sind im ärztlichen Dienst deutlich zu spüren. So häufen sich im Bereitschaftsdienst Anfragen des Pflegepersonals an den Diensthabenden bezüglich Suizidalität, fehlender Absprachefähigkeit, Aggressivität etc. von Patienten, die eine Einzelbetreuung aus Sicht des pflegerischen Kollegen erfordern würden, welche aber aufgrund von Personalmangel nicht durchführbar ist. Hier entsteht die große Gefahr, dass z.B. ein Patient, der selbstmordgefährdet ist, im Zweifel nicht ausreichend betreut wird oder dass die Gefahr eines aggressiven Übergriffes auf das Personal steigt.
Eine fachliche Mitbestimmung durch die ärztliche Leitung bei Entscheidung über Verlängerung von Arbeitsverträgen und Einstellung von ärztlich-therapeutischen Kollegen scheint nicht mehr statt zu finden, die Entscheidungen fallen v.a. unter finanziellen Gesichtspunkten.
Umgang mit Mitarbeitern und Kritik: Kritische Äußerungen führten im ärztlichem Dienst wiederholt zu Vorladungen bei der Geschäftsführung, in denen dann den Mitarbeitern Illoyalität vorgeworfen wurde. Der erzeugte Druck scheint dadurch auch auf andere Berufsgruppen im therapeutischen Dienst ausgeweitet zu werden.
Durch den ärztlichen Dienst wurden innerhalb eines Monats ca. 15 Überlastungsanzeigen aufgrund der o.g. Arbeitsverdichtung gestellt. Das ist insofern bemerkenswert, da aus der bisherigen Erfahrung – auch aus anderen Klinken – Ärzte in der Regel trotz schwerster Arbeitsbedingungen keine Überlassungsanzeigen stellen. Die Reaktion der Geschäftsführung, auf diese Anzeigen reduzierte sich darauf, ihre Richtigkeit anzuzweifeln. Mündliche Zusagen wurden im Zusammenhang mit Einstellung und Verlängerung von Arbeitsverträgen wiederholt nicht eingehalten mit entsprechenden sozialrechtlichen Konsequenzen für die Betroffenen, wie der Gefahr einer Sperre bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes etc.
Auf Grund der genannten exemplarischen Beispiele stellt sich für uns die dringende Frage, ob die Behandlung psychisch Kranker im Speziellen und die Krankenbehandlung im Allgemeinen in die Hände privatwirtschaftlicher Unternehmen ohne die erforderliche soziale Grundausrichtung gehört.
Wir hoffen, mit diesem offenen Brief in einen konstruktiven Dialog zu treten, nicht nur auf Unternehmens- und Konzernebene, sondern v.a. auch auf gesellschaftspolitischer Ebene.
Wir sind Ärzte und das Wohl unserer Patienten hat für uns oberste Priorität.