30. Dezember 2013
von Tom Levold
1 Kommentar

Der erste Jahrgang von Psychotherapie im Dialog mit einer neuen redaktionellen Konzeption liegt nun hinter uns – und man muss bedauerlicherweise feststellen: kein Grund zur Freude. Schon auf die ersten beiden Hefte des Jahres bin ich an dieser Stelle kritisch eingegangen (hier und hier), die beiden nachfolgenden Ausgaben, deren Inhalt mit allen bibliografischen Angaben jetzt im systemagazin nachzulesen ist, relativieren die Kritik leider nicht, sondern bestärken sie. Die schlimmste Änderung besteht darin, dass alle Artikel nun einer kompletten formalen Überarbeitung professioneller Redaktionsmitarbeiter unterzogen werden. Während eine gute redaktionelle Betreuung dafür Sorge trägt, die Texte der Autorinnen und Autoren – wenn nötig – zu korrigieren, stilistisch zu glätten, Redundanzen zu vermeiden etc., werden in der PiD nun alle Beiträge durch einen großen redaktionellen Fleischwolf gejagt, unter Beifügung von hunderten von Spiegelstrichen und Zwischenüberschriften (ich übertreibe nicht, sondern habe nachgezählt!), so dass am Ende ein öder stilistischer Einheitsbrei herauskommt, der für die völlige Gesichtslosigkeit der Texte sorgt – die nun für die Aufnahme in eine anonyme Lose-Blatt-Sammlung für die Approbationsprüfung von PsychotherapeutInnen bestens geeignet wären (in diesem Fall könnte man auch auf die Fotos der Autorinnen und Autoren verzichten, was der Verlagspolitik des Papiersparens entgegenkäme).
In der Tat kann ich keinen einzigen Artikel nennen, den ich – abgesehen vom Informationsgehalt – gerne gelesen hätte bzw. der mir als Text in Erinnerung geblieben wäre! Auch wer als Leser damit einverstanden ist, Textgulasch vorgesetzt zu bekommen, müsste eigentlich die darin liegende Missachtung der Autoren erkennen können.
Ein zweiter Punkt, der ebenfalls die Form betrifft, ist die unsägliche Praxis, Literaturangaben, auf die die in den Texten verwiesen wird, als PDF mit kryptischen Dateibezeichnungen ins Internet zu stellen. Das ist nicht nur eine Missachtung der Autoren, sondern noch mehr der Leser, die außer den Zwischenüberschriften auch noch Inhalt, Kontext und Referenzen der Beiträge als geschlossene Einheit zur Kenntnis nehmen möchten (vorausgesetzt, dass an dieser Art von Lesern Interesse besteht). Wie mir vom Verlag mitgeteilt wurde, soll dies tatsächlich der Papierersparnis dienen. Während diese Praxis früher bei drei bis fünf Beiträgen pro Heft angewandt wurde, was schon indiskutabel ist, findet sie sich in den beiden letzten Heften in 14 bzw. 13 Fällen, und damit bei fast allen Originalbeiträgen (Glossen, Editorials und Rubriken ausgenommen). Das gilt aber nicht nur für die Printfassung, sondern auch für die Online-PDFs der Beiträge, d.h. für jeden dieser Texte finden sich auf der website des Verlages zwei Dokumente, die man herunterladen und manuell zusammenfügen muss, will man den kompletten Text lesen. Da verbringt man bei 14 Beiträgen schon eine ganze Menge Zeit! Die Zeit verlängert sich beträchtlich, wenn man die Texte in eine Literaturdatenbank einpflegen möchte. So fröhlich bunt und aufgeräumt sich die website auch präsentiert, so langwierig ist der Prozess der Informationsgewinnung. Mittlerweile haben alle Beiträge einen sogenannten DOI (Digital Objekt Identifier), damit kann jedem beliebigen digitalen Objekt eine URL, d.h. eine Web-Adresse zugeordnet werden. Bibliografieprogramme können den DOI aus einem PDF auslesen und laden dann die entsprechenden bibliografischen Angaben (Titel, Untertitel, Autoren, abstract etc.) aus dem Internet. Leider funktioniert das Auslesen des DOI aus den PDFs der PiD-Beiträge äußerst selten (in den letzten beiden Heften nur bei den unwichtigen Mantelthemen), was bedeutet, dass man jeweils aus einem PDF den DOI kopieren und in das entsprechende Feld einsetzen muss, damit man aus dem Netz die entsprechenden Informationen laden kann. Die sind leider recht schlampig umgesetzt, so dass man Untertitel, abstracts und gelegentlich auch Autorennamen noch zusätzlich manuell kopieren und einfügen muss. Da kann man sich vorstellen, dass man bei ca. 30 Beiträgen pro Heft eine Weile beschäftigt ist. Ich gebe zu, dass das für die meisten Leser irrelevant sein dürfte, möchte aber auf die vorbildliche Umsetzung bei anderen Verlagen (z.B. Wiley, bei dem auch die Family Process und das Journal of Family Therapy erscheinen) hinweisen, bei der man mit einem Klick alle bibliografischen Angaben eines kompletten Heftes als Datei herunterladen und diese dann in die eigene Literaturverwaltung importieren kann.
Ganz unabhängig aber von der Form – und noch viel grundsätzlicher – stellt sich die Frage der inhaltlichen Ausrichtung der Zeitschrift, die sich immerhin einem Dialog der Psychotherapieschulen verpflichtet hat. Schon zu Beginn wurden die einzelnen Hefte spezifischen Störungsbildern gewidmet, die von Autoren unterschiedlicher therapeutischer Ausrichtung behandelt wurden. Da mittlerweile alle marktgängigen Störungen behandelt worden sind, lässt die Heftplanung erkennen, dass nun eine zweite oder dritte Runde gedreht wird, immerhin gibt es ja nach einigen Jahren eine Menge Fortschritte bei der Arbeit mit diesen Störungsbildern zu vermelden. Allerdings kann man nach der redaktionellen Rosskur von 2013 auch feststellen: So wenig Dialog war nie! Nie war PiD weiter weg von einem Diskurs. Womöglich sind alle Fragen ausgeräumt. Womöglich traut man sich an die kritische Diskussion von inhaltlichen Unterschieden gar nicht heran. Womöglich kommt man mit fach- und berufspolitischen Themen in Diskussionen hinein, die man gar nicht führen möchte. Vielleicht kann man aber auch mit Spiegelstrichen, Textgulasch und farbigen Kästchen gar keinen Dialog führen. Dafür braucht es Positionen und Personen, die sich positionieren wollen und können. Die von mir sämtlich sehr geschätzten HerausgeberInnen rechne ich ebenso zu diesem Personenkreis wie den Großteil der hochkarätigen AutorInnen. Allerdings bin ich auch ziemlich sicher, dass ein echter Diskurs im aktuellen Format der PiD keine Chance hat. Vielleicht sollten sich die HerausgeberInnen einen neuen Verlag suchen? Bei Thieme, der eigentlich ein reiner Medizinverlag ist, dürfte kein besonders großes Interesse an der Förderung eines eigenständigen psychotherapeutischen Diskurses bestehen – eine wahrscheinlich vergleichbare Erfahrung konnte ich selbst als Herausgeber von System Familie im Springer Verlag machen.
Wie auch immer, auch Kritik ermüdet und wird redundant, wenn sie nicht gehört wird – oder nur den Kritiker beschäftigt. Deshalb werde ich mich ab sofort nicht mehr mit der PiD in der bestehenden Form auseinandersetzen, sondern präsentiere zukünftig nur noch die Einträge in meiner Datenbank – und schweige. Den HerausgeberInnen möchte ich dennoch für ihren Einsatz und ihre Arbeit danken und ein gutes Jahr für einen psychotherapeutischen Dialog wünschen!
Zu den aktuellen Heftinhalten kommen Sie hier