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Neurasthenie und Burnout: Der neue Zauberberg?

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Burnout ist heute in aller Munde: als spätmoderne „Erschöpfungskrankheit“, die einerseits das Ausmaß der Belastung zum Ausdruck bringt, der heute viele Menschen in ihrer Arbeits- und Lebenswelt ausgesetzt sind, gleichzeitig aber auch – im Unterschied zur Depression – von dem Übermaß an Engagement und Einsatz derselben kündet. Vor dem ersten Weltkrieg hatte der Begriff der Neurasthenie eine ähnliche Ausstrahlungskraft, die Sanatorien und „Heilstätten“ waren das, was heute die Burnout-Kliniken sind. Auf jeden Fall haben wir es hier mit gesellschaftlichen Phänomenen zu tun, die über die klinische Beurteilung des Einzelfalls hinausreichen. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe sehr lesenswerter Arbeiten zu diesem Themenkomplex, z.B. die des Historikers Joachim Radkaus („Das Zeitalter der Nervosität“), die u.a. mithilfe der Analyse von Krankenakten aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg eine eindrucksvolle Zeitdiagnose erstellt, oder aktuell die Arbeiten von Bröckling und Ehrenberg zum„Unternehmerischen Selbst” bzw. zum„Erschöpften Selbst“. Es bietet sich also an, einen genaueren begriffsgeschichtlichen Blick auf die mit diesen Themen verbundene Semantik zu werfen. Das Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin gibt eine online-Zeitschrift heraus, das„Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte”, in dem Sarah Bernhardt einen Aufsatz über„Neurasthenie und Burnout – Zwei Erscheinungsformen moderner Erschöpfung” veröffentlicht hat, eine Vorstudie zu ihrer Dissertation, wie sie zum Ende ihres Artikels bemerkt. Sie schreibt:„Die offensichtlichen Ähnlichkeiten zwischen Neurasthenie und Burnout dürfen den wissenschaftlichen Blick jedoch nicht dazu verleiten, vorschnell von einer substantiellen Identität auszugehen. Es ist keineswegs gleichgültig, unter welchem Namen ein Leiden amtiert. Vielmehr gehe ich davon aus, dass die Etablierung eines neuen Begriffs ein Ereignis ist, dass genauer in den Blick genommen zu werden verdient, weil es auf eine veränderte Problemlage hinweist. Die Frage lautet also, wie genau sich das Verhältnis zwischen Neurasthenie und Burnout darstellt, was diese beiden Begriffe trennt und verbindet, welche semantischen Bedeutungsebenen sich in ihnen jeweils abgelagert haben und welche Rückschlüsse sich aus der Untersuchung dieser Bedeutungsschichten für das Verständnis unserer Gegenwart möglicherweise ziehen lassen. Der erste Schritt einer solchen Fragestellung muss immer darin bestehen, die Phänomene gegeneinander zu legen und sie auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin zu untersuchen, um auf dieser Grundlage eine schärfere Kontur ihrer Besonderheiten zu erlangen – was im Folgenden geschehen soll“
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