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Natascha Kampusch, die Medien und die Medientheorie

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Medien entziehen sich nicht nur nicht der Beobachtung, sie müssen sie auch – wenn sie ausbleibt oder ermattet – selber herbeiführen oder herstellen. Auch – oder gerade weil – es nichts zu berichten gibt, weil sich die Person, über die zu berichten wäre, der Berichterstattung entziehen will, müssen die Medien dies allemal als Gegenstand der Berichtserstattung inszenieren. Wir erinnern uns an die Enttäuschung der Medien (und ihrer Nutzer) über die mangelnde Kooperation von Susanne Osthoff bei der Produktion von Aufmerksamkeit, nun mochte auch Natascha Kampusch, das wiederaufgetauchte Opfer einer Kindesentführung in Wien vor 8 Jahren, nicht an der Aufklärung ihres Schicksals mitwirken. Weil sie das nicht tut, müssen die Medien trotz ihres Schreibens Überlegungen anstellen, warum das nicht der Fall ist (Um Geld scheint es offenbar nicht zu gehen, was die Medien natürlich schon einmal ratlos machen dürfte). Die weitreichendste Erklärung: Das Stockholm-Syndrom, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann, aber niemand nichts genaues.
Nun hat ein gewisser Harald Staun von der F.A.Z. die Gunst der Stunde genutzt und unter dem Signum„die Medien“ ein melancholisch-entschuldigendes Schreiben an Natascha Kampusch verfasst („Unsere Neugier ist grenzenlos…“), das wahr und ironisch gleichzeitig daherkommt:„Sie hatten gehofft, daß außerhalb Ihres Gefängnisses die Wirklichkeit wartet; jetzt stehen dort Kameras und Reporter. Die Flucht vor ihnen führt Sie erneut in die Isolation. Sie wollen nicht an die Öffentlichkeit, aber Sie haben keine Wahl: Ihre Freiheit heißt Öffentlichkeit. Ihre Geschichte ist unsere Geschichte“. Es scheint, als ob Frau Kampusch ein Einsehen zeigt, in dieser Woche wird die„Kronenzeitung“ (ausgerechnet) ein erstes Exklusivinterview bringen.
Auf ähnliche Weise sind die Medien natürlich auch mit der Beobachtung der Medien durch die Medientheorie verbandelt, die ihre (durchaus auch kritischen) Erkenntnisse nur durch Medien kommunizieren kann. Wobei wir bei der Medientheorie angelangt wären. In drei so spannenden wie köstlichen Gesprächsprotokollen, auf die ich heute beim Internet-Surfen gestoßen bin und die auf der großartigen medientheoretischen und -ästhetischen Internetplattform formatlabor zu finden sind, können wir Dirk Baecker im wahrhaft herausfordernden Diskurs über Medien und Systemtheorie„lesen“: Teil 1, Teil 2, Teil 3. Als Herausforderer wirken Till Nikolaus von Heiseler und Pit Schultz. Viel Spaß bei der Lektüre!

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