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Mony Elkaïm (7.11.1941-20.11.2020)

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Mony Elkaïm 2010 (Foto: commons.wikimedia.org)

Am Freitag, dem 20. November, ist Mony Elkaïm nach langer Krankheit in Brüssel verstorben. Er war ein wichtiger Pionier der Familientherapie in Europa und Mitbegründer der EFTA, der Europäischen Familientherapie-Vereinigung.

Mony wurde am 7.11.1941 in Marrakesch geboren. Nach Abschluss eines Neuropsychiatrie-Studiums in Belgien absolvierte er Anfang der 1970er Jahre ein Stipendium in Sozial- und Gemeinschaftspsychiatrie an der Abteilung für Psychiatrie am Albert-Einstein-College für Medizin in New York und leitete in diesem Kontext ein Zentrum für geistige Gesundheit in der South Bronx, New York. 1973 gründete er das Lincoln Family Therapy Training Program, welches Fachleute speziell auf den Kontext des städtischen Ghettos vorbereitete. Im Juni 1974 organisierte Mony Elkaïm in New York eine nationale Konferenz zum Thema Familientherapie im städtischen Ghetto. Therapeuten wie Jay Haley, Marianne Walters, Ross Speck und Forscher wie Albert Scheflen nahmen daran teil.

Im Jahr 1975 entwickelte er mit dem Team des Vereins „La Gerbe“ in Brüssel Netzwerkpraktiken und Familientherapien mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen, die er in den USA initiiert hatte.

Mony Elkaïm organisierte mit Hilfe der Gerbe-Mitglieder im Januar 1975 in Brüssel ein internationales Treffen zum Thema „Die Alternative zum psychiatrischen Sektor“, an dem verschiedene ausländische Teams und Persönlichkeiten wie Franco Basaglia, Giovanni Jervis, Felix Guattari, Roger Gentis sowie Françoise und Robert Castel teilnahmen.

1982 wurde er zum internationaler Koordinator eines Netzwerkes ernannt, das alternative Lösungen auf dem Gebiet der psychiatrischen Versorgung suchte. Die Treffen dieses Netzwerks, mit dem auch David Cooper und Ronald Laing verbunden waren, fanden in den folgenden Jahren in Paris, Cuernavaca, Triest und San Francisco statt.

Im Januar 1979 gründete er das IEFSH-Institut für Studien der Familie und der menschlichen Systeme in Brüssel, wo er mit Hilfe von Edith Goldbeter, Alain Marteaux, Genevieve Platteau und Jacques Pluymaekers Familientherapeuten ausbildete. Im Im September 1972 gründete er die Cahiers critiques de therapy familiale und practises de réseaux, die erste Zeitschrift für Familientherapie auf Französisch.

1981, 1983, 1986 und 1989 organisierte er große internationale Familientherapie-Kongresse, zu denen die amerikanischen und europäischen Pioniere der Familientherapie sowie Vertreter der Antipsychiatrie (deren Netzwerk er in den 1970er Jahren koordiniert hatte) eingeladen wurden. Diese Kongresse dienten als Vorbild für die später von der EFTA organisierten Kongresse. Nachdem er (zusammen mit Maurizio Andolfi) das europäische Netzwerk der Familientherapeuten koordiniert hatte, war er an der Gründung der EFTA beteiligt, deren Präsident er von 1990 bis 2001 war. Nach der Unterteilung der EFTA in 3 Kammern übernahm er den Vorsitz der Kammer der Ausbildungsinstitute (EFTA-Tic). Im Jahr 2007 wurde er Präsident der Europäischen Gesellschaft für Psychotherapie mit Sitz in Wien und gründete mit seinem Sohn Michaël die S.A.R.L.L. Elkaïm Training. Ab 2007 war er Honorarprofessor an der Université Libre de Bruxelles.

Alle, die ihn kannten, hat er mit seiner Brillianz, seiner Ausstrahlung, seiner Durchsetzungskraft und seinem Charme beeindruckt. In Deutschland war er nicht allzu bekannt, da es nur wenige Veröffentlichungen von ihm in deutscher Sprache gibt. Seine Wirkung entfaltete er vor allem in den französischsprachigen Ländern sowie in den europäischen Netzwerken. Ich lernte ihn in den 80er Jahren in St. Etienne in Frankreich durch die Vermittlung einer gemeinsamen Bekannten kennen. Zur damaligen Zeit machte er die Familientherapie in Frankreich populär, u.a. durch eine Fernsehsendung, in der er Klientenfamilien life interviewte. Wir führten zufällig parallel, bei unterschiedlichen Veranstaltern Seminare durch und trafen uns zu später Stunde und hatten dann einen sehr amüsanten Abend. 2004 gehörte er als EFTA-Vertreter zu unseren Ansprechpartnern bei der Organisation der großen systemischen Therapie-Tagung in Berlin.

Mit Mony Elkaïm verlieren wir einen herausragenden Vertreter der systemischen Therapie.

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