Die FDP hat im Saarland 1.826 Mitglieder. Bei der Landtagswahl am Sonntag hat sie 5.871 Stimmen erhalten. Das heißt, dass auf jedes Mitglied der FDP 3,22 Wählerstimmen gekommen sind. Wenn wir einmal annehmen, dass jedes Mitglied bei der Wahl für die eigene Partei gestimmt hat (wobei natürlich auch das eine nicht zu bestätigende Hypothese ist), bleiben etwa zwei Personen pro Mitglied übrig, die zusätzlich die FDP gewählt haben. Gehen wir weiter davon aus, dass die meisten Mitglieder einer klassischen Mittelstandspartei wie der FDP auch im Saarland keine völlig isolierte Singles sind, sondern in Beziehungen leben oder Familien haben und zudem beruflich und sozial eher gut vernetzt sind. In diesen Zusammenhängen dürfte besonders intensiv darüber nachgedacht werden, ob man nicht zugunsten des Verwandten, der Freundin oder des Geschäftspartners das Kreuzchen bei der FDP machen sollte. Es spielen dabei vielleicht auch neben Überzeugungen auch Gesichtspunkte wie innerfamiliäre Bindungen, Loyalitäten oder einfach Mitleid eine Rolle.
Selbst wenn nur noch das Mitleid bleibt, hielt es sich bei der Landtagswahl im Saarland offensichtlich in Grenzen. Jedenfalls hat es nicht zum Wiedereinzug in den Landtag gereicht. Bei der Bundestagswahl sind ca. 62.200.000 Menschen wahlberechtigt. Wenn davon 60 % zur Wahl gehen, bleiben noch 37.320.000 Menschen übrig. Davon müssen 1.866.000, also 5 %, eine Partei wählen, damit sie in den Bundestag kommt. Die FDP hat im Bund 63.123 Mitglieder. Pro Mitglied bräuchte sie 29,56 Stimmen, um wieder ins Parlament gewählt zu werden. Wenn die FDP also ihre klassische Wählerbasis nicht mehr überzeugen kann, wofür so manches spricht, müsste jedes Mitglied etwa 30 Personen dazu bewegen, aus Mitleid mit ihm FDP zu wählen. Da die Mitglieder wahrscheinlich aus Selbstmitleid (und manche auch immer noch aus Überzeugung) ihre eigene Partei wählen, bleiben noch 28,56 Wähler pro Mitglied übrig, die Mitleid haben müssten.
Der Mitleidsfaktor Bund müsste also den Mitleidsfaktor an der Saar um mehr als das zehnfache übertreffen, nämlich um das 12,86fache, damit die Partei wieder in den Bundestag einziehen könnte. Womöglich sind ja die Saarländer 13mal so hartherzig wie der bundesrepublikanische Durchschnitt. Oder aber die Saarländer FDP-Mitglieder haben überproportional wenig mitleidige Verwandte und Freunde. Wie auch immer: die FDP braucht im Bund dringend 1.800.000 mal Mitleid. Aus dieser Perspektive betrachtet, werden dann die aktuellen Auftritte von FDP-Politikern sofort viel verständlicher.
Mitleid für die FDP
26. März 2012 | Keine Kommentare