Das gerade frisch erschienene Heft 4/2024 der Familiendynamik ist von Arist von Schlippe und mir als Gastherausgeber betreut worden und beschäftigt sich mit der Frage, welche Logiken kriegerischen Konflikten (von zwischenstaatlichen bis hinunter zu familären Konflikten) unterliegen und welche Chancen bestehen, die Durchsetzungskraft von „Friedenslogiken“ zu stärken.
Im Editorial schreiben wir: „Wir Herausgeber gehören einer Generation an, für die trotz des Kalten Krieges ein offener Krieg auf europäischem Boden nur eine abstrakte Drohung war, doch nie konkrete Realität. Natürlich, es gab (und gibt) auf der Welt ununterbrochen Kriege, nur waren sie weit weg. Vietnam empörte uns, doch auch das war nicht so hautnah wie die gegenwärtigen Kämpfe in der Ukraine und in Palästina. Sie führen uns die Zerbrechlichkeit unserer friedenserhaltenden Strukturen vor Augen. Westeuropa wird beinahe unmerklich in die Logik des Krieges hineingezogen. Friedenslogik hat derzeit keine großen Chancen, sich durchzusetzen. Durch das Erstarken radikaler politischer und religiöser Bewegungen und Parteien in Westeuropa und den USA scheint sich der zivilisatorische Friedenskonsens in einem angsterregenden Tempo aufzulösen. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, inwiefern das gesellschaftliche Klima von Hass, Gewalt, Verachtung und Dämonisierung des Gegners auch die persönlichen Beziehungen der Menschen untereinander, sei es in den gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen, sei es im Alltag und bis in die Intimbeziehungen hinein, zu durchdringen vermag. Dieser »zeitdiagnostische Befund« brachte uns auf die Idee für ein Themenheft. Zunächst ging es uns darum, die paar- und familiendynamischen Aspekte zu untersuchen, die zu einem Umschlag von wohlwollenden in feindliche Interaktionen führen. Doch schnell wurde klar, dass wir es hier mit übergreifenden Mustern zu tun haben, die sich von privaten Beziehungen bis hin zu internationalen Konflikten skalieren lassen.
In Familien äußern sich diese Muster häufig in Form eskalierender Auseinandersetzungen und verhärteter Fronten. Oftmals erkennen Mitglieder nicht, dass ihre Konflikte ähnliche Grundmechanismen aufweisen wie Auseinandersetzungen auf globaler Ebene. Missverständnisse, alte Verletzungen und tiefsitzende Ängste führen zu Reaktionsmustern, die schwer zu durchbrechen sind. Das familiäre System leidet, ähnlich wie das internationale System, unter stereotypen Verhaltensweisen, die kurzfristig entlasten mögen, langfristig jedoch Schaden anrichten. Offensichtlich gibt es in sozialen Beziehungen Kipppunkte, die eine kompromissbereite, wohlwollende Friedenslogik relativ leicht in Kriegslogik umschlagen lassen. Umgekehrt ist dagegen ein »Kippen« von Feindseligkeit in ein friedliches Beziehungsmuster ungleich schwerer zu erreichen. In diesem Heft haben wir Beiträge versammelt, die das hier skizzierte Themenspektrum aus verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachten. Wir laden dazu ein, aus der Vielfalt der »Beobachtungen erster Ordnung« (wer hat »Recht«, wer hat Schuld an diesem »verbrecherischen Angriffskrieg«, was will Putin »wirklich« usw.) auszusteigen und eine Beobachtungsebene zweiter Ordnung einzunehmen: Wie wird in unserer Gesellschaft – auf verschiedenen Ebenen – beobachtet? Wo erkennen wir blinde Flecken? Welche neuen Perspektiven lassen sich eröffnen (ohne dass wir den Anspruch haben, daraus einen Ausweg für die Weltlage abzuleiten)?“
Dazu finden sich Texte von Friedrich Glasl, Barbara Kuchler, Till Jansen, Almut Fuest-Bellendorf sowie ein Interview, das wir beide im Juni mit Luc Ciompi in Belmont sur Lausanne führen konnten. Zu allen bibliografischen Angaben und abstracts geht es hier…
Lieber Tom, lieber Arist,
Eure Worte zur „Logik“ der aktuellen Konflikte habe ich aufmerksam gelesen und möchte Euch meine Gedanken dazu mitteilen.
Ihr schreibt von der „Zerbrechlichkeit der friedenserhaltenden Strukturen“ in D und in Europa. Aus meiner Sicht sind diese „friedenserhaltenden Strukturen“ eine Illusion gewesen. Die US-amerikanische Militärbasis in Rammstein ist seit Jahrzehnten eine zentrale Koordinationsstelle für die Kriegsführung der USA in aller Welt. D.h. dass wir den Krieg und den Ausgangspunkt des Krieges seit Jahrzehnten mitten in unserem Land haben, ohne dass je ein Deutscher gefragt wurde, ob ihm das recht ist.
Klaus von Dohnany, damals Staatsminister im Kabinett Schmidt, berichtete von einem NATO-Manöver Ende der 1970er Jahre. Das Manöver hatte zum Ergebnis, dass im Falle eines atomaren Konfliktes Deutschland lediglich Aufmarschgebiet und erste Pufferzone sein würde, also vollkommen zerstört und geopfert würde. Soviel zur deutsch-amerikanischen Freundschaft. Er, Dohnany sei völlig aufgelöst zu Schmidt gegangen und habe ihm gesagt, dass D sofort neutral werden müsse. Schmidt habe geantwortet, dass könne man ja dann noch machen, wenn es losginge. An der Stelle finde ich Freud mit seiner Todestriebtheorie bestätigt.
Und es gab den von der NATO geführten Krieg geben Serbien Ende der 90er Jahre, also mitten in Europa. Sie erweiterte sich seit Ende der 90er Jahr stetig bis an die russische Grenze. Dass dies für Russland eine Bedrohung darstellt, ist leicht nachvollziehbar. Und dass der Krieg in der Ukraine nicht 2022, sondern 2014 begonnen hat und dass die Ukraine seit langem Zielgebiet US-amerikanischer Interessen ist, ist offenkundig. Das ist keine Rechtfertigung für Putins Intervention, aber es hilft beim Verstehen. Womöglich meint ihr ja diese von mir genannten Tendenzen mit Euren Worten vom „Erstarken von radikalen politischen Bewegungen in Westeuropa und den USA“.
Man stelle sich vor, Russland würde eine Vielzahl von „Militärberatern“ auf Kuba stationieren, seine geheimdienstlichen Tätigkeiten dort intensivieren und eine militärische Allianz mit Kuba, Mexiko und Costa Rica schmieden. Ähnliches ist 1962 geschehen und wir wissen, wie das ausgegangen ist.
Wer sich für die „Logik“ dieses Konfliktgeschehens interessiert und sie verstehen will, kommt mE nicht darum herum, gewohnte Logiken zu verlassen und die Dinge in einem anderen Licht und Wirkungszusammenhängen zu betrachten.
Wir denken: Konflikte führen uU zu Krieg und im Krieg braucht man Waffen. In einem finanzkapitalistischen System, in dem Profitmaximierung das Gebot ist, gilt: Waffen brauchen Kriege, denn nur dann kann man sie verkaufen. Und es liegt offen zutage, dass sich mit zwei Dingen am meisten Geld verdienen lässt: mit Krieg und mit Krankheit.
Es scheint so zu sein, dass die Friedensvereinbarung von Istanbul für die Ukraine 2022 vom Westen offensiv verhindert wurde. Auch hier kann man sich fragen, wie es wohl dazu kam. Bei der Suche ist der amerikanische Satz „Follow the money“ eine gute Hilfe.
Es ist in jedem Fall wünschenswert, dass dieser Krieg, wie überhaupt alle Kriege, bald ein Ende findet, damit diese Grausamkeit und dieses Töten endlich aufhören (ich erfahre es derzeit intensiv gewissermaßen aus 2. Hand durch eine ukrainische Patientin).
Was uns letztlich zu der Frage bringt, wie überhaupt der Krieg in die Menschheit gekommen ist. Dazu kommen aus der Reichianischen Ecke, genauer mit James deMeo, sehr interessante Erklärungsansätze, die uns helfen könnten, gegenzusteuern. Das aber würde den Rahmen hier sprengen.
Es grüßt Euch herzlich, Lothar
„Wie überhaupt der Krieg in die Menschheit gekommen ist“ wäre die letzte Frage, die ich mir stellen würde. Viel wichtiger scheint mir die Frage, wer mit welchen politischen Interessen was als Krieg bezeichnet.
Gute Systemtheorie befasst sich mit Beobachtungen, also mit Sprechweisen.
Vermisse.meine.Atwort.auf.Rolf.Todesco,sehr,geehrter.Tom.Levold————–dürfte.doch.nicht.Anstoß.erregt.haben,ihm.hier.ziemliche“Untrkomplexität“vorgehalten.zu.haben—nicht.wahr??
Dr.Thomas.Hölscher
eine Gegenbeobachtung zur euphemistischen Verwendung des Ausdruckes Krieg:
Wenn jemand mit Staatsgewalt die aktuelle Verteilung von Eigentum verteidigt, ist das keine Kriegsdrohung, sondern ein Kriegshandlung, in welcher das Erschiessen von Menschen, die sich wehren, nicht nur angedroht wird. Die Kriegshandlung besteht nicht im Schiessen, sondern darin, dass das Ziel des Krieges, das immer eine Steuerhoheit in Territorium ist, auch durch Erschiessen von Menschen angestrebt oder aufrechterhalten wird.
https://rolftodesco.wordpress.com/2024/09/19/guter-krieg/
Vermisse.meine.Atwort.auf.Rolf.Todesco,sehr,geehrter.Tom.Levold————–dürfte.doch.nicht.Anstoß.erregt.haben,ihm.hier.ziemliche“Untrkomplexität“vorgehalten.zu.haben—nicht.wahr??
Dr.Thomas.Hölscher
Vermisse.meine.Atwort.auf.Rolf.Todesco,sehr,geehrter.Tom.Levold————–dürfte.doch.nicht.Anstoß.erregt.haben,ihm.hier.ziemliche“Untrkomplexität“vorgehalten.zu.haben—nicht.wahr??
Dr.Thomas.Hölscher