Am 21. und 22. Juni 2024 findet die diesjährige Jahrestagung der Systemischen Gesellschaft statt, auf der das 30jährige Bestehen der SG gefeiert werden soll. Veranstaltungsort ist die Alte Münze in Berlin. Warum die Jubiläumstagung nicht schon im vergangenen Jahr ausgerichtet wurde (der Verband feiert dieses Jahr schon sein 31-jähriges Bestehen), geht nicht aus der Einladung hervor. Zentrales Thema der Tagung ist das Konzept der Resonanz – als Referenten für den Hauptvortrag am 21.6. konnte Hartmut Rosa gewonnen werden, der den Begriff der Resonanz in den Mittelpunkt seiner „Soziologie der Weltbeziehung“ setzt. Auf der Website der Tagung heißt es, dass er mit seinem Vortrag „Die Unverfügbarkeit von Resonanzbeziehungen“ u.a. „die Anschlussfähigkeit zur Systemtheorie sucht“. Darauf kann man gespannt sein, sieht sich Rosa doch eher in der Tradition der Kritischen Theorie von Marx über Adorno, Horkheimer, Benjamin und Fromm bis zu Habermas und Honneth als in Verbindung zur Systemtheorie. Ein zweiter Hauptvortrag von Daniel Dietrich behandelt das Thema „Als Individuum in der Gemeinschaft wachsen – und Mensch bleiben“.
Wer sich von der Jubiliäumstagung eine Auseinandersetzung mit wichtigen Themen erwartet,die in der Geschichte des Verbandes von Bedeutung waren, wird eher enttäuscht werden. Es gibt weder einen Rückblick auf die vergangenen 30 Jahre und die damit verbundenen Weichenstellungen noch eine kritische Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Stand systemischen Denkens nach der Aufnahme der Systemischen Therapie in das kassenfinanzierte Versorgungssystem – die Frage nach der Zukunft des systemischen Ansatzes bleibt ebenso ausgespart. In den zahlreichen Workshops geht es darum, „in Resonanz zu aktuellen Themen“ zu gehen, z.B. „Das Ich in Resonanz mit sich selbst?“, „Langeweile ein Zugang zu Selbstresonanz?“, „Resonanzerfahrungen – in Systemen schwingen!“, „Praxis des Traumasensiblen Yoga“, „Schwingen, Singen und Klingen – sich selbst als Resonanzraum erleben“ und viele andere.
Zusammen mit Marcus Böhmer und Hannah Plum vom Kölner Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht wollte ich auf der Tagung einen Workshop zur Arbeit mit geflüchteten Kindern anbieten, für die wir 2023 (zusammen mit einem anderen Projekt) den Kristina Hahn Preis erhalten haben. Wir waren eingeladen, unser narrativ-systemisches Konzept von Sandspieltherapie-Gruppen vorzustellen, wollten einen Einblick geben, wie Kinder aus der Ukraine und (Roma-) Kinder aus dem Balkan das Sandspiel nutzen, um ihr Erleben mitzuteilen und wie sie in der Gruppe Anteilnahme und Solidarität erfahren, und hofften zu ermutigen, ähnliche Projekte zu starten.
Leider werden wir nicht in Berlin sein: Für unseren Workshop gab es keine (!) Anmeldung.
Jetzt könnte man denken: Systemiker:innen arbeiten eben seltener mit Kindern – oder die, die es tun, fahren weniger auf Tagungen.
Doch auch ein zweiter Workshop wurde mangels Nachfrage aus dem Programm genommen. Thema: Therapie mit älteren Migrant:innen.
Schade. Was ist los in der systemischen Szene? Wie weit geht der eigene Resonanzraum?
Lieber Tom Levold,
zu: „Es gibt weder einen Rückblick auf die vergangenen 30 Jahre und die damit verbundenen Weichenstellungen noch eine kritische Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Stand systemischen Denkens nach der Aufnahme der Systemischen Therapie in das kassenfinanzierte Versorgungssystem – die Frage nach der Zukunft des systemischen Ansatzes bleibt ebenso ausgespart. In den zahlreichen Workshops geht es darum, „in Resonanz zu aktuellen Themen“ zu gehen, z.B. „Das Ich in Resonanz mit sich selbst?“, „Langeweile ein Zugang zu Selbstresonanz?“, „Resonanzerfahrungen – in Systemen schwingen!“, „Praxis des Traumasensiblen Yoga“, „Schwingen, Singen und Klingen – sich selbst als Resonanzraum erleben“ und viele andere.“
=> Herrlich, das ist kurz und treffend. Vielleicht sind die genannten Themen ja auch eine Antwort auf die Art und Weise, wie die von Ihnen genannten Fragen betrachtet werden …