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Gregory Bateson (9.5.1904-4.7.1980), ein ökologischer Vordenker

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Heute jährt sich zum 120. Mal der Geburtstag von Gregory Bateson, der nicht nur ein Pionier der Kybernetik und ein wichtiger Mentor für die Entwicklung systemischer Konzepte in der Psychotherapie war, sondern auch früher als andere die aufkommende ökologische Katastrophe vorausgesehen hat. Im Juli 1967, wenige Wochen nach dem Sechs-Tage Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn (!), fand in London ein von dem schottischen Psychiater Ronald D. Laing initiierter Kongress „Dialectics Of Liberation“ statt, der mit Allen Ginsberg, Paul Sweezey, Paul Goodman, Herbert Marcuse, Stokely Carmichael, Michael X und Anderen einen beachtlichen Querschnitt radikal linker Meinungsführer der 60er Jahre als Referenten aufbot. Unter anderem hielt auch Bateson hier eine (offenbar frei gehaltene) Rede, deren Transkript auch im Netz zu finden ist. Schwerpunkt seiner Betrachtungen sind die Ideen zu den Folgen der unilinearen Eingriffe der Menschen in ihre ausbalancierten Ökosysteme durch technischen Fortschritt, Kriege usw. Wie diese Passage aus dem immerhin schon fast 60 Jahre alten Vortrag zeigt, waren ihm die ökologischen Folgen der menschengemachten Krise mehr als bewusst:

„Die Probleme, über die wir heute Morgen gesprochen haben, scheinen mir absolut wesentlich zu sein,
wenn wir uns mit der Bereitschaft und der Tendenz des Menschen befassen wollen, seine Gesellschaft, sein gesamtes Ökosystem und seine eigene Seele zu zerstören. Es gibt jetzt viele Möglichkeiten, mit denen dies erreicht werden kann. Es kann erreicht werden, indem man das CO2 in der Atmosphäre erhöht; CO2 ist durchlässig für Licht, aber nicht für Wärme. Wenn wir also den CO2-Gehalt in der Atmosphäre erhöhen, wird die Temperatur in der Welt – lange vor dem Eintritt der Asphyxie [Erstickungstod; T.L.] – in der Größenordnung von, sagen wir, durchschnittlich 5 Grad steigen. Irgendwo an diesem Punkt brechen die Eiskappen ab, die Polkappen: der Meeresspiegel steigt […]
und die Landwirtschaft wird eingehen. Punkt. Es gibt auch die Radioaktivität, die wir in der Atmosphäre ständig aufbauen; es gibt sehr merkwürdige Dinge, die wir ganz unverantwortlich im Van-Allen-Gürtel tun – wir veranstalten dort oben ein Durcheinander, wir haben nicht die geringste Ahnung, wie sich diese Aktionen auf das gesamte meteorologische Gleichgewicht auswirken, und die Meteorologie ist ein weiteres dieser kybernetischen Netzwerke. Dann gibt es noch die großen Risiken einer tatsächlichen atomaren Explosion, des radioaktiven Niederschlags und den Rest. Es gibt wahrscheinlich noch drei oder vier weitere große zerstörerische Möglichkeiten, auf die wir uns einlassen können, ohne wirklich darüber nachzudenken, was wir da tun, wenn wir nicht richtig nachdenken. Ich neige zu der Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die eine oder andere dieser großen Katastrophen in zehn bis dreißig Jahren eintritt. Die Probleme, die ich heute Morgen dargelegt habe, sind Probleme, die diese Zeitspanne erfordern, um zumindest ansatzweise darüber nachzudenken“ (Übersetzung: T.L.).

Das Transkript des Vortrages und der anschließenden Diskussion ist im Internet als PDF verfügbar.

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