Roland Schleiffer, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie in der heilpädagogischen Fakultät der Universität zu Köln verbindet in diesem brillianten Aufsatz aus dem Jahre 1998 über die Funktion selbstschädigenden Verhaltens eine systemtheoretische Hypothese mit bindungstheoretischen Argumenten auf einleuchtende Weise:„Ausgehend von einer knappen Beschreibung der verschiedenen Formen selbstschädigenden Verhaltens wird unter einer systemtheoretischen Perspektive der Versuch unternommen, zu einer funktionalen Analyse dieses Verhaltens zu gelangen. Demnach kann dem selbstschädigenden Verhalten die Funktion zugeschrieben werden, die kommunikative Adressierung sicherzustellen bei gleichzeitiger hoher Kontrolle der Themenwahl. Das diesem Problemlöseverhalten zugrundeliegende Problem dürfte in einem ungenügenden Vertrauen in die Anschlussfähigkeit der eigenen kommunikativen Beiträge zu suchen sein, was mit einem prekären Selbstwert einhergeht. Aus bindungstheoretischer Sicht lässt sich vermuten, dass diese Patienten desorganisiert-unsichere Bindungsorganisation entwickelten als Folge gravierender Störungen in den frühen Beziehungen zu ihren Bindungspersonen. Der sich selbst verletzende Patient inszeniert sich als Täter und Opfer zugleich und erreicht mit diesem Arrangement ein hohes Maß an Unabhängigkeit vom anderen und damit auch von professionellen Helfern. Eine solche bindungstheoretische Perspektive erklärt die Schwierigkeiten des Psychotherapeuten, mit seinem Patienten eine tragfähige Bindung zu etablieren, die als Variante früherer Bindungsbeziehungen anzusehen ist“
Zur Systemischen Bibliothek
Funktion selbstschädigenden Verhaltens
4. Dezember 2006 | Keine Kommentare