Durch einen Hinweis in der Psychotherapeutenliste von Gerd Böttcher bin ich auf eine Rezension des Freud-Handbuches anlässlich seines erneuten Erscheinens als Paperbackausgabe gestoßen, die mich sofort zur Lektüre gereizt hat. Sie fängt nämlich folgendermaßen an: „Von einem wissenschaftshistorischen Standpunkt aus ist es nicht sehr entscheidend, ob eine Theorie überwiegend vermeintlich Wahres oder sogenannt Falsches systematisiert. Auch die Haltbarkeitsdauer dieser wissenspoetisch fingierten Fakten und Irrtümer interessiert nicht unbedingt vorrangig. Ebenso wenig relevant ist für die Wirkungsgeschichte einer Theorie oder eines wissenschaftlichen Kriterien genügenden Stoffes, ob deren Ingredienzen entweder zufällig und gegen die Absicht der an ihnen beteiligten Wissenschaftsautoren oder aber forscherintendiert generiert wurden. Von Interesse allerdings ist dagegen zunächst und vor allem der Rekonstruktionsversuch produktionsrelevanter und rezeptionsgeschichtlich bedeutender Texte. Damit ist auch jener von gesellschaftlichen und historischen Kontexten gemeint, von Strukturen und Dynamiken, die eine Theorie und die an ihrer Institutionalisierung beteiligten Exponenten entweder zu sozialem und wissenschaftlichem Erfolg oder aber zu einem Flop auf allen Ebenen werden ließen. Mit diesem Interesse geht ein weiteres Interesse einher. Es fragt sozusagen nach den trojanischen Effekten einer zu ihrer Zeit neuen Theorie oder Therapie, also nach deren Möglichkeit, einige ihrer Theoreme in völlig andere gesellschaftliche und wissenschaftspolitische Zusammenhänge auszusenden und in fremde, oft weit entfernt liegende Wissenschaftsgebiete sozusagen einzuschmuggeln, als dort — oft untergründig und unerkannt — wirksame Hinterlassenschaften verschenkter Gäule.“ Verfasst hat die Besprechung Marie-Luise Wünsche, Medizinhistorikerin, Literaturwissenschaftlerin und Fachdidaktikerin für das Fach Deutsch an den Universitäten Bonn und Koblenz, für das Rezensionsforum literaturkritik.de und ihre kenntnisreiche und durchaus angriffslustige Anlage der Rezension ist ein Vergnügen zu lesen. Das Buch wiederum ist von Hans-Martin Lohmann und Joachim Pfeiffer im im J.B. Metzler-Verlag herausgegeben worden (hier Inhaltsverzeichnis und Leseprobe), es kostet bei 452 S. nur 19,95 € und kann hier bestellt werden.
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