Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe der Familiendynamik ist „Angst“, wie schon einmal bei einem Themenheft von 2008. Die Herausgeber dieses Heftes, Christina Hunger und Arist v. Schlippe, schreiben hierzu in ihrem Editorial: „Angststörungen [werden] neben affektiven und somatoformen Störungen zu den drei häufigsten »Volkskrankheiten« gezählt. Und die Zahlen, so die Krankenkassen, steigen weiter. Dies könnte dazu verleiten anzunehmen, dass noch keine Generation so sehr von seelischen Erkrankungen bedroht gewesen sei wie unsere. Jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass unsere Statistiken psychischer und psychiatrischer Leiden auf von Ärzten diagnostizierten Störungen beruhen. Und die Ärzte haben gerade in den vergangenen Jahren »Bezeichnungen« für psychische und psychiatrische Störungen häufiger gewählt. Das bedeutet aber nicht, dass Angststörungen nicht auch schon früher häufig vorgekommen sind. Epidemiologische Studien zeigen jedenfalls, dass in den westlichen Staaten psychische Störungen seit der Mitte des letzten Jahrhunderts nicht zugenommen haben. In diesem Zusammenhang wollen wir gleich auf einen kritischen Beitrag von Allen Frances (Coronado, USA) in den Seiten-Blicken verweisen. Er hat an verschiedenen Formen des DSM (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) mitgearbeitet und hinterfragt nun die fünfte Version massiv, weil sie in der Gefahr stehe, immer neue »Krankheiten« und damit eben auch viele neue »Kranke« zu produzieren. Daher ließe sich nun mit Recht fragen: Wozu erneut eine Ausgabe der Familiendynamik zum Thema »Ängste«? Dieses Heft wird zeigen, dass auch wenn die Anzahl der diagnostizierten Angststörungen konstant bleibt, sich dennoch der Blick auf diese verändert hat. Dieser veränderte Blick ermöglicht wiederum neue (systemische) Behandlungsformen. Zugleich möchte das Heft folgendem Umstand Rechnung tragen: Neben der kassenfinanzierten Versorgung von Angststörungen im Rahmen (kognitiv-)verhaltenstherapeutischer, tiefenpsychologisch-fundierter und psychoanalytischer Ansätze ist die systemische Therapie bekanntlich gut etabliert. Sollte sie durch das »Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen« (IQWiG) in den nächsten Jahren positiv bewertet und in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden, stünde diese allen gesetzlich Versicherten als ein weiteres Psychotherapieverfahren zur Verfügung. Insofern ergibt eine – wenn auch stets kritisch zu reflektierende – Störungsorientierung der systemischen Therapie Sinn.“
Zum den themenbezogenen Beiträgen gibt es neben dem erwähnten Text von Allen Frances auch noch Beiträge von Christina Hunger, Jochen Schweitzer & Rebecca Hilzinger, Eli Lebowitz & Haim Omer sowie Wilhelm Rotthaus. Auf einen Theorie-Text von Till Jansen im letzten Heft der Familiendynamik reagieren Jürgen Kriz, Guido Strunk und Heiko Kleve mit kritischen Kommentaren.
Alle bibliografischen Angaben und abstracts des aktuellen Heftes finden Sie hier…