Heft 1
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1983): Zu diesem Heft: Familienmedizin — Familienarzt. In: Familiendynamik 8(1), S. 1-2
Michael Wirsching (1983): Unmöglicher Auftrag: Psychosomatische Konsiliararbeit aus analytisch-systemischer Sicht. In: Familiendynamik 8(1), S. 3–16
abstract: Psychosomatische Konsiliararbeit bietet eine gute Chance zur Kooperation von Psychosozialer Medizin und Organmedizin. In der Praxis überwiegen jedoch die Schwierigkeiten. Aus einer analytisch-systemischen Sicht lassen diese sich als Widerstände gegen die Bedrohung des Gleichgewichtes eines bereits maximal belasteten Systems verstehen. Die Familientherapie liefert Hinweise für das Verstehen und für den konstruktiven Umgang mit solchen „Widerständen“. Allerdings ist die Konsiliartätigkeit nur die erste Phase eines langfristig angelegten Entwicklungsprozesses, der Psychosomatik und klinische Medizin gleichermaßen einschließt.
Bernd Frederich (1983): Der Hausarzt als Familienarzt. In: Familiendynamik 8(1), S. 17–31
abstract: Die herkömmliche Schulmedizin läuft theoretisch und praktisch Gefahr, den Menschen als Ganzes aus dem Auge zu verlieren. Sie konzentriert sich zu ausschließlich auf Symptome, auf das Kranke und zu wenig auf das auch vorhandene Gesunde und Intakte. An verschiedenen Beispielen wird gezeigt, daß dadurch auch Heilungschancen verpaßt oder mindestens vermindert werden. Besonders zwei Bereiche sollte der Arzt stärker berücksichtigen: die Lebensgeschichte und die aktuelle soziale, besonders die familiäre Situation seiner Patienten. Wieder werden dafür Belege gebracht. Allerdings kommt der Hausarzt an Grenzen seiner Kompetenz, wenn familientherapeutische Interventionen im engeren Sinn angezeigt wären. Sich eine neue Sicht anzueignen hat Konsequenzen für das Selbstverständnis des Arztes. Mit Überlegungen dazu schließt der Beitrag.
Eckard Sperling (1983): Beobachtungen in Familien mit chronischen Leiden. In: Familiendynamik 8(1), S. 32–47
abstract: Es werden die verschiedenen Stufen der Annäherung an Familien mit chronischen Leiden beschrieben, wobei dem subjektiven vor dem objektiven Zugang der Vorrang gegeben wird. Die Vielzahl der Möglichkeiten und Konstellationen mit chronischem Leiden wird eingegrenzt in übergreifende Themen wie die Lebenserwartung, die Sichtbarkeit der Beeinträchtigung, das Schmerzerleben und der Umgang mit der Sexualität. Schließlich werden Möglichkeiten von Kompensationen und Auslöser von Dekompensationen diskutiert, wobei die Organisation der beeinträchtigten Familie bewußt von der zu problematisierenden Organisation der umgebenden Umwelt abgehoben wird.
Helm Stierlin, Michael Wirsching, Bettina Haas, Florian Hoffmann, Gunther Schmidt, Gunthard Weber & Barbara Wirsching (1983): Familienmedizin mit Krebskranken. In: Familiendynamik 8(1), S. 48–68
abstract: Seit die Heidelberger Arbeitsgruppe erstmals vor ca. 2 Jahren in dieser Zeitschrift (Familiendynamik 6, 1981, 1—23) über die Familientherapie bei Krebskranken berichtete, ergaben sich neue Erfahrungen und Überlegungen. Eine prädiktive Studie vermochte an 63 wegen eines Knotens in der Brust an eine Chirurgische Klinik überwiesenen Patientinnen aufgrund eines 30- bis 50minütigen vor dem Probeschnitt durchgeführten Interviews signifikant vorauszusagen, welche Frauen eine maligne oder benigne Geschwulst hatten. Weiter erlaubte eine Untersuchung der Strukturen von 55 Familien mit chronisch psychosomatisch kranken Jugendlichen einen Vergleich mit den Strukturen von Familien mit krebskranken Angehörigen. Dabei zeigten sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Schließlich wird über den Fortgang eines familientherapeutischen Projektes berichtet, das 50 Familien von lungenkrebskranken Patienten erfaßte. Es ermöglichte die Erprobung systemischer Vorgehensweisen bei einer besonders belasteten Patientengruppe mit bisher ermutigenden Resultaten.
Peter Steinglass (1983): Ein lebensgeschichtliches Modell der Alkoholismusfamilie. In: Familiendynamik 8(1), S. 69–91
abstract: Das wissenschaftliche wie das therapeutische Interesse an der Alkoholismusfamilie hat sich schneller entwickelt als familienbezogene Theorieansätze bereitgestellt werden konnten. Vor allem der Gesichtspunkt der familiären Entwicklung wurde in der Theoriebildung fast völlig außer acht gelassen, obwohl es sich gerade beim Alkoholismus um eine chronische, langdauernde Krankheit handelt. Der Autor stellt ein lebensgeschichtliches Modell vor, das sich auf die Konzepte „Alkoholismussystem“, Familienhomöostase und „Alkoholismusphasen der Familie“ stützt. Danach führt chronischer Alkoholismus zu Störungen des normativen Lebenszyklus der Familie. Diese Störungen sowie ihre therapeutischen Implikationen werden anhand von vier Fallgeschichten diskutiert. Zur Fundierung des Modells werden aktuelle Forschungsergebnisse über die Alkoholismusfamilie herangezogen.
Rosmarie Welter-Enderlin (1983): Rezension – Gottlieb Guntern: Social Change, Stress and Mental Health in the Pearls of the Alps. In: Familiendynamik 8(1), S. 92-93
Norbert Wetzel (1983): Rezension – Maurizio Andolfi & Israel Zwerling (Hrsg.): Dimensions of Family Therapy. In: Familiendynamik 8(1), S. 93-94
Eckard Sperling (1983): Rezension – Adrian Gaertner (Hrsg.): Sozialtherapie. Konzepte zur Prävention und Behandlung des psychosozialen Elends. In: Familiendynamik 8(1), S. 94-96
Jürgen Hargens (1983): Rezension – Karl-Herbert Mandel: Therapeutischer Dialog. Bausteine zur Ehe-, Sexual-und Familientherapie. In: Familiendynamik 8(1), S. 96-96
Ruth Kaufmann (1983): Rezension – Hans-Joachim von Schumann: Erotik und Sexualität in der zweiten Lebenshälfte. Leitfaden für Gesunde und Kranke sowie für deren Ärzte und Psychotherapeuten. In: Familiendynamik 8(1), S. 96-97
Jürgen Hargens (1983): Rezension – Paul Watzlawick (Hrsg.): Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus. In: Familiendynamik 8(1), S. 97-99
Heft 2
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1983): Zu diesem Heft: Systemtheoretische Entwicklungen in der Therapie. In: Familiendynamik 8(2), S. 101-101
Vernon E. Cronen, Kenneth M. Johnson & John W. Lannamann (1983): Paradox, Doppelbindung und Rückkoppelungsschleifen: Eine alternative theoretische Perspektive. In: Familiendynamik 8(2), S. 102–138
abstract: Dieser Aufsatz bringt eine neue Theorie der Reflexivität in Systemen von sozialer Bedeutung und Aktion. Es wird die Ansicht vertreten, Russells Theorie der Logischen Typen, auf der die frühen Arbeiten der Palo-Alto-Gruppe fußen, beruhe ihrerseits auf einer unangemessenen und veralteten Epistemologie. Eine Gleichsetzung von Reflexivität und Paradox wird verworfen. Reflexivität ist ein normales und notwendiges Element in den menschlichen Bedeutungssystemen. Neue begriffliche Instrumente werden angeboten, um problematische von unproblematischen Rückkoppelungen zu unterscheiden. Sie erscheinen in der Gestalt von Formeln, mit deren Hilfe die Regeln dargestellt werden können, die eine reflexive Beziehung konstituieren. Die Theorie enthält auch einige Vorschläge, um Bedingungen festzulegen, unter denen problematische Schleifen Auswirkungen auf die geistige Gesundheit einer Person haben können.
Klaus G. Deissler (1983): Die rekursive Kontextualisierung natürlicher Prozesse. In: Familiendynamik 8(2), S. 139–165
abstract: Der folgende Aufsatz gliedert sich in zwei Teile: Im ersten wird das Modell der „rekursiven Kontextualisierung“ vorgeschlagen, das erlaubt, ganzheitlich ablaufende Prozesse so zu interpunktieren, daß dem Therapeuten sinnvolle Betrachtungseinheiten zur Verfügung stehen, die er für verschiedene theoretische und praktische Fragestellungen nutzen kann. Es werden systemische, relationale, individual-psychologische und somatische Prozesse voneinander unterschieden und gleichzeitig in eine ganzheitliche Ordnung gebracht. Im zweiten Teil wird ein Beispiel für die praktische Anwendung des entworfenen Modells dargestellt. Es handelt sich hierbei um ein formalisiertes Verfahren zur „Protokollierung“ systemischer Familientherapiesitzungen. Die Art der Protokollierung, in die die Vorbereitung der Sitzung, der Therapieprozeß selbst, die Abschlußintervention und mögliche Nachträge zur Sitzung einbezogen sind, macht dieses Verfahren zu einem wertvollen Instrument bei der Einschätzung von Veränderungen sowohl bei der Familie als auch im therapeutischen Team.
Mara Selvini Palazzoli (1983): Über die Familientherapie hinaus: Wie ein globales systemisches Konzept entsteht. In: Familiendynamik 8(2), S. 166–181
abstract: Seit Frühjahr 1981 hat die Autorin einen Supervisionsauftrag inne an einem territorial begrenzten öffentlichen psychiatrischen Dienst mit Sitz in einem Städtchen südlich von Mailand. Die Aufgabe bot ihr aus mehreren Gründen großen Anreiz: Psychiater und Psychologen des Teams hatten — ein seltener Zufall — ein und dieselbe theoretische (systemisch-relationale) Ausrichtung; in eigener teilzeitlicher Arbeitserfahrung in einer öffentlichen Organisation konnte sie hier ihre beiden bisher getrennt geführten Forschungen über Familien und über große Organisationen miteinander verschmelzen. Ziel war, ein seit 1973 bestehendes, nach den Grundsätzen der biologischen Medizin, mit Verabreichung von Psychopharmaka geführtes psychiatrisches Ambulatorium radikal auf eine systemisch-relationale Arbeitsweise hin umzustrukturieren. Es wird über einige der zahlreichen damit verbundenen Probleme berichtet, wie Einbezug von Sozialarbeiterin und Krankenpflegerinnen in die neue Arbeitsweise, konfliktfreier Umgang mit der zuständigen politischen Behörde, Festlegen von klaren, jedoch mehrfach abgestuften Arbeitszielen (z. B. Entscheidungen hinsichtlich der Wahl des für die Einführung einer Arbeit mit Familien geeignetsten Klienten). Auch war der ernsthaften Gefahr zu begegnen, in überbordender Begeisterung ein der primären psychiatrischen Beratung dienendes Ambulatorium in eine ausschließlich auf Familientherapie spezialisierte Institution umzufunktionieren. Ziel aller Anstrengung (die viel erfinderisches Vorgehen erfordert) war und bleibt, sämtliche Anliegen seitens der Benützer entgegenzunehmen und sie adäquat, jedoch in Kohärenz mit dem gewählten theoretischen Konzept zu beantworten. Die Gegenüberstellung der aus ihrer derzeitigen Tätigkeit in einer öffentlichen Institution gewonnenen Erkenntnisse mit jenen aus ihrer jahrelangen privaten familientherapeutischen Praxis und Forschung gibt der Autorin Anlaß zu einigen wichtigen Überlegungen und Infragestellungen.
Martin R. Textor (1983): Einflussreiche Familientherapeuten. In: Familiendynamik 8(2), S. 182–183
Ewald Johannes Brunner (1983): Rezension – Robert F. Bales & Stephen P. Cohen: SYMLOG. Ein System für die mehrstufige Beobachtung von Gruppen. In: Familiendynamik 8(2), S. 184-185
Marianne Krüll (1983): Rezension – Bösel, Monika: Lebenswelt Familie. Ein Beitrag zur interpretativen Familiensoziologie. In: Familiendynamik 8(2), S. 185-186
Jürgen Hargens (1983): Rezension – Gottfried Fischer: Wechselseitigkeit. Interpersonelle und gegenständliche Orientierung in der sozialen Interaktion. In: Familiendynamik 8(2), S. 186-186
Rosmarie Welter-Enderlin (1983): Rezension – Gottlieb Guntern (Hrsg.): Die Transformation von Humansystemen; ders.: Systemtherapie; Salvador Minuchin: Structural Family Therapy. Proceedings of the Ist International ISO Symposium, Brig, 10./11. Januar 1981. In: Familiendynamik 8(2), S. 187-188
Heft 3
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1983): Zu diesem Heft: Instrumente der Familientherapie. In: Familiendynamik 8(3), S. 197-197
Peggy Penn (1983): Zirkuläres Fragen. In: Familiendynamik 8(3), S. 198–220
abstract: Der Beitrag behandelt folgende Frage: Inwieweit kann ein theoretisches Modell mit den Prinzipien der doppelten Beschreibung, der Zirkularität und der Koevolution, dessen Schwerpunkt im Erkennen der zeitlichen Veränderungen von Familienkoalitionen und den dabei auftretenden Problemen liegt, zur Verbesserung familientherapeutischer Analysen und Interventionen beitragen? Die Konzepte der doppelten Beschreibung, der Koevolution und der Zirkularität stammen aus den Schriften Gregory Batesons und anderen Forschungsarbeiten und stellen eine Übersetzung rein erkenntnistheoretischer Überlegungen in pragmatische Begriffe der Familientherapie dar. Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie die Begriffe der Zirkularität und der koevolutionären Veränderungen — insbesondere Veränderungen der Familienstruktur — in einer Familientherapiesitzung praktische Anwendung finden, wird hier exemplarisch die von der Mailänder Arbeitsgruppe entwickelte Methode der zirkulären Befragung vorgestellt.
Tedy Hubschmid (1983): Der Wohnungsgrundriß — ein diagnostisches und therapeutisches Instrument in der Familientherapie. In: Familiendynamik 8(3), S. 221–234
abstract: Ein Grundriß der Wohnung vermittelt dem Therapeuten wichtige Hinweise darüber, wie sich die Familie organisiert. Wenn eine Familie in der Sitzung am Wohnungs-Grundriß arbeitet, dann kommt die geschichtsträchtige, emotionsgeladene häusliche Atmosphäre im Therapieraum auf. Der Autor, der sich zu der Schule der strukturellen Familientherapie zählt, zeigt anhand von drei ausgewählten Beispielen, wie sich Familienstrukturen aus den gezeichneten Grundrissen herauslesen lassen. Ferner wird dargelegt, wie sich aus diesem diagnostischen Instrument praktische Ansatzpunkte für therapeutische Interventionen ergeben.
Kurt Ludewig, Karin Pflieger, Ulrich Wilken & Gabriele Jacobskötter (1983): Entwicklung eines Verfahrens zur Darstellung von Familienbeziehungen: Das Familienbrett. In: Familiendynamik 8(3), S. 235–251
abstract: Die Entwicklung des Familienbretts — ein Holzbrett mit Holzfiguren, die Familienmitglieder repräsentieren — stellt den Versuch dar, der systemorientierten Diagnostik und Therapie eine instrumentelle Grundlage zu geben. Die Familienmitglieder verleihen ihren Ansichten über ihre Familie eine konkrete Gestalt, sie treten somit in eine Metakommunikation untereinander und mit den Beobachtern ein. Dieses einfache Hilfsmittel erlaubt die unmittelbare Beobachtung des Familienprozesses sowie das Dokumentieren des dabei sichtbar gewordenen „Familienbildes“. Zudem wirkt sich dieses Bild im Sinne einer neuen „Realität“ auf die Familie rekursiv zurück und stößt mithin ihre weitere Evolution an. Die pragmatische Relevanz dieses Verfahrens wird statt an Maßstäben der Testtheorie an eigens hierfür auf gestellten kommunikationstheoretisch begründeten Kriterien bewertet. Hierzu werden die Ergebnisse von drei zu diesem Zweck durchgeführten empirischen Arbeiten vorgestellt.
Mara Selvini Palazzoli, Giuliana Prata & Susan E. Barrows (1983): Interview mit Mara Selvini Palazzoli und Giuliana Prata. In: Familiendynamik 8(3), S. 252–265
Jörg Kaspar Roth (1983): Systemische Familientherapie. Notizen zur Sommer-Konferenz von L. Boscolo und G. Cecchin, Mailand, vom 23. August bis 3. September 1982 in Tremezzo, Italien. In: Familiendynamik 8(3), S. 266-271
Manfred Enders (1983): Gedanken zur Tagung der DAF in Marburg. In: Familiendynamik 8(3), S. 272-274
Josef Duss-von Werdt (1983): Tagungsbericht: Die Welt ein schwingendes Gewebe. 2. Internationales ISO-Symposion Brig, 12./13. Februar 1983. In: Familiendynamik 8(3), S. 275-277
Marianne Krüll (1983): Rezension – Richard Bandler & John Grinder: The Structure of Magic, I. A Book about Language and Therapy; dies.: The Structure of Magic, II. A Book about Communication and Change; dies.: Frogs into Princes. Neuro-Linguistic Programming; dies.: Trance-Formations. Neuro-Linguistic Programming and the Structure of Hypnosis; dies.: Reframing. Neuro-Linguistic Programming and the Transformation of Meaning;Milton H. Erickson, Ernest L. Rossi & Sheila L. Rossi: Hypnose. Induktion — Psychotherapeutische Anwendung — Beispiele; Milton H. Erickson & Ernest L. Rossi: Hypnotherapie. Aufbau — Beispiele — Forschungen. In: Familiendynamik 8(3), S. 278-287
Heft 4
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1983): Zu diesem Heft: Zur Ethik der Familientherapie. In: Familiendynamik 8(4), S. 297-297
Roger C. Sider & Colleen D. Clements (1983): Familien- oder Einzeltherapie? – Ethische Überlegungen zur Wahl der Modalität. In: Familiendynamik 8(4), S. 298–308
abstract: Es werden die ethischen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Entscheidung für den Behandlungsansatz bei Einzelpersonen oder bei ihren sozialen Bezugsgemeinschaften (Paar, Familie) untersucht. Trotz weitgehender Vernachlässigung in der Fachliteratur sind diese ethischen Fragen bedeutsam und vielschichtig. Als Untersuchungsrahmen wählen die Autoren einen allgemein-systemtheoretischen Ansatz. Dabei zeigen sich die gegenseitige Abhängigkeit sowie das Potential nicht-reduzierbarer Konflikte zwischen den Ebenen der Einzelperson und der ihrer sozialen Bezugsgemeinschaft als Kernpunkte der ethischen Problematik. Die Autoren skizzieren einen auf der allgemeinen Systemtheorie basierenden Ansatz für die Identifizierung und Berücksichtigung dieser etihschen Problemstellungen in der klinischen Praxis.
Fritz B. Simon (1983): Linearität und Puritanismus – Das Selbstverständnis des Therapeuten und die Verwirrung des »Kausalitäts«-Begriffs. Zur sozialen Logik von „Individuationsstörungen“. In: Familiendynamik 8(4), S. 309–312
abstract: Linearität und Linealität müssen unterschieden werden. Vermischt man die Bedeutung beider Begriffe, so resultiert daraus ein puritanisches Selbstverständnis des Therapeuten: wirksam ist nur, was mühsam ist.
Margaret S. Warner (1983): Aufrichtigkeit und »weiche Bedeutung« im Familiensystem. In: Familiendynamik 8(4), S. 313–340
abstract: Der Begriff der „Aufrichtigkeit“ wird häufig als irrelevant abgetan, wenn es um das Verständnis der Familie als System geht, da „Aufrichtigkeit“ als typisches lineares und intrapsychisches Konstrukt angesehen wird. Dieser Beitrag vertritt die gegenteilige Ansicht. Gerade in der familiären Kommunikation kommen viele „weiche“ Sinngebungen bzw. Bedeutungen besonderer Art zur Geltung. Diese Bedeutungen sind zwar dehnbar und stehen verschiedenen Interpretationen offen, doch auch ihr Gebrauch unterliegt sozialen Regeln. Aufrichtigkeitsregeln fungieren als soziale Übereinkünfte zur Eindämmung der Manipulationsmöglichkeiten „weicher“ Bedeutungen. Die gegenseitige Erwartung aufrichtiger (oder unaufrichtiger) Kommunikation unter Familienmitgliedern ist eine entscheidende Systemeigenschaft, die sowohl die auftretenden interpersonellen Strategien als auch die gesamte Beziehungsstruktur der Familie prägt. In diesem Beitrag wird eine Analyse weicher Bedeutung vorgestellt, die neue Wege zum Verständnis der reichhaltigen, wirren und manchmal paradoxen Kommunikation eröffnet, die typisch für Familien ist. Bevor die Analyse der familiären Kommunikation jedoch an Klarheit gewinnen kann, müssen einige Prämissen über Bord geworfen werden, die häufig unhinterfragt mit systemischer Familientheorie in Verbindung gebracht werden.
Fritz B. Simon (1983): Die Epistemologie des Nullsummen- und Nicht-Nullsummenspiels. Zur sozialen Logik von Individuationsstörungen. In: Familiendynamik 8(4), S. 341–363
abstract: Formale Unterschiede der Mittel- und Unterschichtsozialisation lassen sich mit spieltheoretischen Konzepten erfassen. Innerfamiliäre Interaktion folgt weitgehend dem Modell des Nicht-Nullsummenspiels, außerfamiliäre in schichtabhängig unterschiedlichem Maße dem des Nullsummenspiels. Wenn innerfamiliäre Interaktion nach den Regeln des außerfamiliären Kontextes interpretiert wird, entwickeln sich Strukturen, die denen von Familien mit anorektischen bzw. schizophrenen Mitgliedern entsprechen.