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Erstes Heiratsangebot für Brigitte Mohnhaupt

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Lieber F.J. Wagner, Schlingel und Bewährungshelfer der Nation,
heute haben Sie in der Bild-Online einen Brief an Brigitte Mohnhaupt geschrieben, den ich an dieser Stelle einmal wiedergeben darf:
“Liebe Brigitte Mohnhaupt,
Ihr 3. Tag in Freiheit. Gutes Frühstück gehabt? Rührei oder geköpftes Ei? Ist Ihr Haar schon trocken, das Sie sich mit dem Badetuch gerubbelt haben? Na, dann nichts wie raus ins Leben. Menschen gucken ist herrlich und dabei einen Latte macchiato trinken. Die Menschen, die Sie ermordet haben, gucken sich die Radieschen von unten an. Es ist schön, in der Sonne zu sitzen, nicht wahr? Mittags unbedingt Sushi essen, das ist japanisch, roher Fisch, köstlich, gab es zu Ihrer Zeit nicht. Haben Sie schon ein Handy? Sie brauchen unbedingt eins, es ist so wahnsinnig bequem. Zu Ihrer Zeit, im Untergrund, musste man noch zur Telefonzelle. Wie so viel einfacher ist das Leben geworden.
Es ist Ihr 3. Tag in Freiheit und die verwundbare Stelle jeder Frau, auch einer Ex-Mörderin, sind ein neues Paar Schuhe. Frauen sind auf Schuhe verrückt. Die meisten Frauen von heute zahlen mit Kreditkarte. Sie, Ex-Mörderin, brauchen also Amex, EC, Master, Visa. Was brauchen Sie noch – natürlich einen Internet-Anschluss. Per Internet können Sie mit Freunden surfen, in Sekundenschnelle Botschaften schicken.
Wahrscheinlich sind Sie jetzt müde, Frau Mohnhaupt. Zu viele Eindrücke auf einmal.
Es ist unfassbar, dass eine Mörderin in unserem Land die Chance hat, glücklich zu werden.
Herzlichst
Ihr F. J. Wagner”

Ich höre schon Ihre Gegner schimpfen: Dreckschleuder, Stürmerhetze, Gröschmaz (größter Schmierfink aller Zeiten) usw. Und zugegeben, wenn ich Ihr Feind wäre, würde ich sicher auch so reden. Allerdings haben alle Ihre Kritiker wahrscheinlich Ihren Brief gar nicht genau genug gelesen. Sie halten für Zynismus, was eigentlich nur wahre Liebe ist. Es geht schließlich darum, dass jede Wahrheit einen Mutigen braucht, der sie ausspricht. Männer wie Sie zum Beispiel – oder meinetwegen auch Ihr Chef, wie heißt er doch gleich. Und das ist schon mutig, wie Sie sich an die gefährlichste Frau Deutschlands ranmachen. Einfach so. Der Wahrheit zuliebe. Wahre Liebe sozusagen. Toll. Und wie Sie sofort und ohne Umstände in die verwundbare Stelle von Ex-Mörderinnen treffen: Schuhe. Eine hinreißende Anmache. Auch das mit dem geköpften (!) Ei, ein herrlich subtiler Insider-Scherz. F.-J., geben Sie’s zu: Sie wissen genau, dass die meisten Frauen von heute statt einer Kreditkarte noch lieber einen Mann haben, der ihnen – nach einem Sushi macchiato – mit Amex, EC, Master oder Visa die Schuhe bezahlt, aus eigener Tasche. Ich wette, Sie haben damit Erfahrung! Und schon ganz andere Bräute abgeschleppt. So schlecht sehen Sie doch schließlich gar nicht aus. Und zwei Handys haben Sie doch sicher auch schon längst? Wie man mit Freunden surft und in Sekundenschnelle Botschaften schickt, wer sollte es Brigitte Mohnhaupt nach all diesen Jahren beibringen, wenn nicht Sie? Ihr Satz “Es ist unfassbar, dass eine Mörderin in unserem Land die Chance hat, glücklich zu werden” ist das schönste Heiratsangebot, das ich je gelesen habe. Und noch unfassbarer ist, dass so ein toller Mann wie Sie, F.J. Wagner, Frau Mohnhaupt glücklich machen will.
Aber bevor ich Sie frage, ob Frau Mohnhaupt denn schon auf Ihr Angebot geantwortet hat, merke ich, wie ich müde werde. Zu viele Eindrücke auf einmal.
Viel Glück wünscht dennoch herzlich
Ihr Tom Levold

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