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Emotionale Sicherheit in Paarbeziehungen

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In der vergangenen Woche ist Don R. Catheralls Buch Emotional Safety. Viewing Couples Through the Lens of Affect in der deutschen Übersetzung unter dem Titel Emotionale Sicherheit. Affektive Kommunikation in Paarbeziehung und Paartherapie im Carl-Auer-Verlag erschienen. Dieses Buch begleitet mich schon seit vielen Jahren in meiner paartherapeutischen Arbeit und meinen diesbezüglichen Weiterbildungsaktivitäten – Paaren, denen ich das Buch empfohlen habe, hat es geholfen, die eigenen Konfliktmuster besser zu verstehen und einzuordnen.

Umso mehr freut es mich, dass der Verlag meinen Vorschlag aufgegriffen hat, das ambitionierte Projekt einer deutschen Ausgabe anzugehen, dessen Ergebnis nun vorliegt. An dieser Stelle wird demnächst ausführlicher auf das Buch eingegangen werden. Für die deutsche Ausgabe habe ich ein Vorwort geschrieben, das Sie hier zur Einstimmung lesen können, hier noch ein Link zu einer Leseprobe des Verlages….

Vorwort von Tom Levold

Die Beschäftigung mit Affekten, Gefühlen und Emotionen in Paar- und Familienbeziehungen ist im systemischen Therapiediskurs lange vernachlässigt worden. Auch wenn die Bedeutung der affektiven Aspekte von Kommunikation in der praktischen Bearbeitung von Beziehungskonflikten auf der Hand liegt, hat sich das in den letzten Jahren nur allmählich verändert.

In den über 40 Jahren, in denen ich mit Paaren und Familien arbeite, ist mir die Erweiterung des systemischen Diskurses um die Ergebnisse der Bindungs- und Affektforschung in Praxis und Lehre immer besonders wichtig gewesen. Dieses Anliegen erhält mit diesem Band eine großartige praktische und konzeptuelle Unterstützung, und ich freue mich, dass der Carl-Auer Verlag sich entschieden hat, dieses Buch in einer deutschen Übersetzung herauszugeben.

Im Unterschied zu vormodernen Zeiten, als die (eheliche) Paarbeziehung in erster Linie wirtschaftliche und generative Funktionen zu erfüllen hatte – auch wenn dabei durchaus Liebesgefühle eine Rolle spielen konnten –, hat die Bedeutung einer gefühlsmäßigen Bindung und der damit verbundenen Intimität der Beziehung in den vergangenen Jahrzehnten einen immer größeren Stellenwert bekommen. Die Frage der emotionalen Qualität und Tragfähigkeit von Beziehungen wird dabei umso wichtiger, je weniger der äußere Rahmen wirtschaftlicher, sozialer, rechtlicher, religiöser und moralischer Vorgaben noch eine Rolle bei der Ausgestaltung von Paarbeziehungen spielt.

Das Gelingen von Paarbeziehungen hängt heutzutage also in großem Maße von der Kommunikation der Partner ab, die eben nicht nur sprachliche Verständigung über Bedürfnisse und Interessen umfasst, sondern ganz wesentlich auch affektive Kommunikation ist, welche entscheidenden Einfluss darauf hat, ob die Beziehung als wohltuend und erfüllend erlebt wird oder als Quelle von Kummer, Anspannung und Konflikt.

Don Catherall präsentiert ein Modell emotionaler Sicherheit in Paarbeziehungen, das er in seiner langjährigen paartherapeutischen Arbeit entwickelt und eingesetzt hat und welches sowohl Professionellen im Feld der Paartherapie und -beratung als auch interessierten Paaren selbst aufgrund seiner Klarheit und unmittelbaren Plausibilität eine große Hilfe bei der Analyse und Bewältigung von Konfliktsituationen bietet. Er bezieht sich dabei u. a. auf die affekttheoretischen Arbeiten von Silvan Tomkins, dem – leider hierzulande immer noch zu wenig bekannten – Begründer der modernen Affekttheorie, auf Donald Nathanson, der die Arbeiten von Tomkins für das psychotherapeutische Feld erschlossen hat, auf die bindungstheoretischen Arbeiten von John Bowlby sowie die paartherapeutischen Ansätze von Susan Johnson und John Gottman, deren spezifische Perspektiven er zu einem schlüssigen Konzept integriert.

Seit über zehn Jahren nutze ich dieses Buch für meine Arbeit mit Paaren (von denen viele auch selbst durch die Lektüre dieses Buches profitiert haben) und in meinen paartherapeutischen Weiterbildungsseminaren. Müsste ich eine Liste von zehn Büchern zur Paartherapie erstellen, die man auf jeden Fall gelesen haben sollte, hätte dieses Werk darin einen festen Platz.

Was ist mit dem Titel Emotionale Sicherheit gemeint? Als sowohl kulturell wie auch biologisch soziale Wesen sind wir, um überleben zu können, auf die Zugehörigkeit zu sozialen Systemen ebenso angewiesen wie auf die Anerkennung eines gewissen Status und Wertes innerhalb dieser Systeme. Zugehörigkeit und Wertschätzung stellen wichtige Aspekte des Funktionierens aller sozialen Systeme dar, spielen aber eine besondere Rolle im emotionalen Nahraum der Familie und der Paarbeziehung als Kontext für die individuelle Entwicklung und die Befriedigung elementarer Bedürfnisse.

In heutigen Paarbeziehungen, deren Gelingen – wie schon erwähnt – nicht zuletzt an der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse festgemacht wird, geht es deshalb um die Frage, ob und wie diese Bedürfnisse nach einer sicheren Bindung als Ausdruck von Zugehörigkeit und Status als Wertschätzung der eigenen Person wechselseitig erfüllt oder frustriert werden. Neben den vielen alltäglichen Konflikten um Geld, Erziehung, Haushalt, Sex, Aktivitäten etc., die Partner als mögliche Themen in einer Paartherapie vorbringen, sind es vor allem diese Grundthemen, die in der Dynamik der Paarbeziehung eine problematische Rolle spielen können.

In Paartherapien werden wir daher häufig mit einer Vielzahl von Anliegen und Konfliktthemen gleichsam auf der »Vorderbühne« der Paarbeziehung konfrontiert, deren Lösung dadurch erschwert wird, dass auf der »Hinterbühne« das Verhalten des Partners als Angriff auf die eigene Bindungssicherheit oder das eigene Selbstwertgefühl erlebt wird, vor dem man sich schützen muss. Auf diese Weise werden die Themen der Vorderbühne zu stellvertretenden Schlachtfeldern, die durch die ungelösten Probleme auf der Hinterbühne mit ständig neuer Energie versorgt werden, ohne in einen konstruktiven Lösungsbereich kommen zu können.

Das Gefühl einer sicheren Bindung wird z. B. infrage gestellt, wenn Zweifel am Engagement oder der Zuverlässigkeit des Partners auftauchen oder Unklarheit über die eigene Beziehungsmotivation besteht. Die – positive oder negative – Aktivierung des Bindungsgefühls ist mit Affekten wie Freude und Kummer sowie Vertrauen oder Misstrauen gegenüber dem Partner verbunden. Die Regulierung von Achtung und Missachtung in Paarbeziehungen ist mit dem Thema der Anerkennung und Wertschätzung in Bezug auf das Selbst und den anderen Partner als ganze Person verbunden und damit ausschlaggebend dafür, ob die Partner auf sich und den Anderen stolz sein können oder ob Scham und Beschämung durch Kritik, Vorwürfe und Entwertung im Vordergrund stehen.

Das Eingehen einer engen emotionalen Beziehung, in der man für den Anderen auf eine Weise sichtbar und erfahrbar wird, die der eigenen Kontrolle mehr oder weniger entzogen ist, macht verletzbar für Zurückweisung und Entwertung. Die Aussicht, beschämt zu werden, mobilisiert Abwehrstrategien (Skripte), die in der Ursprungsfamilie und in Auseinandersetzung mit früheren ähnlichen Erfahrungen entwickelt worden sind. Wenn diese Skripte auf der Vorderbühne immer wieder neu aufgeführt und reinszeniert werden, kann der paartherapeutische Blick auf die Hinterbühne und die zugrundeliegende Dynamik der Abwehr von Angst und Scham Paaren dabei helfen, neue Formen des Umgangs mit Konflikten zu finden, das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken und beider Selbstwertgefühl zu heben.

Der besondere Wert dieses Buches besteht darin, dass es die interaktiven Implikationen der Scham und anderer Affekte herausarbeitet, die trotz ihrer herausragenden Bedeutung auch von Professionellen nicht immer hinreichend erkannt werden, und sie in ein praktisches paartherapeutisches Konzept transformiert. Ich wünsche ihm eine große Verbreitung nicht nur unter systemischen Therapeuten.

Köln, im Dezember 2021

Don R. Catherall (2022): Emotionale Sicherheit. Affektive Kommunikation in Paarbeziehung und Paartherapie

Aus dem Amerikanischen von Ute Weber. Vorworte von Tom Levold und Donald L. Nathanson

397 Seiten, Kt.
ISBN: 978-3-8497-0386-8
Preis: 59,00 €

Verlagsinformationen:

Wenn sich ein Paar in Therapie begibt, bringt es einen Wust an Emotionen mit: Trauer, Scham, Wut, Verzweiflung, Angst, Enttäuschung, … Wer sich in einem solchen Dschungel von Gefühlen zurechtfinden will, braucht einen guten Kompass. Don R. Catherall stellt die Themen Bindung und Wertschät­zung in den Mittelpunkt der Paartherapie: Wer das Gefühl hat, dass das eine oder das andere bedroht ist, dem bzw. der fehlt es an emotionaler Sicherheit – mit den entsprechenden Konsequenzen. Paartherapie hat dann zum Ziel, diese Sicherheit (wieder) herzustellen. Das Modell der emotionalen Sicherheit hilft, die beteiligten Affekte und Emotionen in ihrem gesamten Spektrum zu erkennen, auszuhalten, einzuordnen und schließlich zu integrieren. Es ist nicht so sehr eine Behandlungsmethode als vielmehr eine Art, den therapeutischen Prozess zu reflektieren. Catheralls Ansatz ruht auf der reichen Erfahrung des Autors als Paartherapeut und als Professor an der Feinberg School of Medicine in Chicago.

Über den Autor:

Don R. Catherall, Ph. D., ist außerordentlicher klinischer Professor an der Feinberg School of Medicine an der Northwestern University in Evanston, Illinois.

Ein Kommentar

  1. Martin Rufer sagt:

    Lieber Tom

    Ohne Zweifel ein lesenswertes Buch, nicht zuletzt auch, weil es die Cracks der (angloamerikanischen) Paartherapieszene integriert, v.a. aber weil die Empfehlung mit Deinem Wissen, Können, d.h.Deiner Erfahrung als Paartherapeut verbunden ist. Trotzdem: der Markt ist nicht mehr zu überblicken. Dies umso mehr, als inzwischen Alles mit Allem verbunden wird, jeder Autor aber seine Mischung der Essenzen als „die beste“ zum Besten gibt und dem Zeitgeist entsprechend verkaufen will und kann. Stets liegt der Fokus auf einer (im guten Fall theoriebasierten) Methodik, dem Wissen um individuelle (verborgene) Muster, die in Paarbeziehungen aktiviert werden – zum Guten wie zum Schlechten.So weit so gut, insbesondere auch was die Orientierung an den KlientInnen als den ExpertInnen anbetrifft.
    Steht und fällt die Wirksamkeit, insbesondere in Paar-und Familientherapien, letztlich aber nicht in und mit der re-aktivierten Bindungs(un)sicherheit (Wertschätzungserfahrung) von uns TherapeutInnen (und damit verbunden auch das Vertrauen (!) in selbstorganisatorische Prozesse), von der man aber weiss, dass es um diese (sichere Bindungsmuster) in unserer community nicht zum Besten steht? Sind es zudem nicht die Allgemeinen Wirkfaktoren (Zielorientierung, therapeutische Bindung, Überzeugtheit, Feedback lesen usw.), um deren Bedeutsamkeit zwar inzwischen alle wissen, nur wenige aber diese auch wirklich händeln können, nicht zuletzt auch darum, weil die Ausbildungstools zunehmend voll gestopft sind mit (diagnostischen, methodischen, schulenspezfischen..) Wissenstools?

    Mit liebem Gruss
    Martin

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