Heute wäre Eckhard Sperling 95 Jahre alt geworden. Er gehörte mit Helm Stierlin und Horst-Eberhard Richter in den 70er Jahren zu den Pionieren der Familientherapie in Deutschland. Wie Richter gehörte er dabei eher zu den psychoanalytisch orientierten Familientherapeuten. Anlässlich seines Todes im Jahre 2007 veröffentlichte sein langähriger Mitarbeiter Günter Reich im Kontext einen ausführlichen Nachruf, der einen guten Überblick über den Werdegang und die Lebensleistung von Eckhard Sperling bietet.
Zum Verhältnis Sperlings zu den systemischen Entwicklungen der frühen 80er Jahre schreibt Reich: „Eckhard Sperling [war] in seinen Behandlungen sehr experimentierfreudig, nicht auf die engere psychoanalytische Technik festgelegt, oft sehr konfrontativ, manchmal sogar provozierend, manchmal mit direkten Aufgaben und Verschreibungen arbeitend, manchmal auch für Familien, Mitarbeiter und Schüler gleichermaßen irritierend. Er war neugierig gegenüber den im engeren Sinne systemischen Techniken, gleichzeitig entwickelte er eine zunehmende Skepsis gegenüber einer Art familientherapeutischer oder systemischer ,Einheitsmethode’, die nun auf alles und jeden anzuwenden sei. Die Neugier mündete in eine Einladung Luigi Boscolos 1983 nach Göttingen, vermittelt über Ingeborg Rücker-Embden-Jonasch. Es folgte ab der Mitte der 80er Jahre ein regelmäßiger Austausch mit der Heidelberger Gruppe, u. a. durch Workshops mit Gunter Schmidt, Fritz Simon und Gunthard Weber. Während die jüngeren in der Göttinger Arbeitsgruppe in der Praxis sehr von den systemischen Fragetechniken profitierten, sie auch mit dem analytisch geprägten Vorgehen kombinierten, blieben diese Eckhard Sperling, der einen das affektive Erleben fördernden und anregenden Therapiestil bevorzugte, immer fremd. Zudem war er immer skeptisch gegen alles, was nach ,Machbarkeit’ und vordergründigem Optimismus aussah, insbesondere gegenüber allem, was auf ihn denEindruck eines ,geschlossenem Systems’ machte. Systemische Therapie war ihm doch zu sehr ,System’. Einen guten Zugang fand er zu hypnotherapeutischen Techniken, insgesamt zu dem Ansatz von Milton Erickson.“
Lieber Tom,
vielen Dank dafür, dass Du immer wieder das systemagazin auch zum Forum machst für die Würdigung und Erinnerung an so verdienstvolle Menschen in unserem Feld wie hier z.B. Eckhard Sperling. Es freut mich auch deshalb sehr, weil ich Eckhard Sperling als außerordentlich neugierigen und kreativen Menschen kennenlernen durfte, der mit seinen Beiträgen auch immer viel Wertvolles dafür beigetragen hat, dass z.B. auch „Systemisches“ nicht eine „systemische Dogmatik“ abrutschte.
Wir haben in unserer Heidelberger Gruppe (in ganz kleinem Kreis damals) oft auch sehr lehrreiche Experimente mit ihm gemacht, die er uns vorschlug, mit reichhaltigen Gewinn auch im Sinne der Selbsterfahrung, so dass wir Konzepte der Mehrgenerationen-Familientherapie in seinem Sinne an uns selbst mit sehr hilfreichen Erfahrungen ausprobieren konnten (was natürlich mehr überzeugt als jeder Artikel).
Da viele Systemiker heute wahrscheinlich kaum mal von ihm gehört haben, finde ich es um so wichtiger, die Erinnerung lebendig zu halten. Wir alle stehen als „Zwerge auf den Schultern von Riesen“, Eckhard ist für mich einer von denen.
Herzliche Grüße Gunther Schmidt