Sabine Kirschenhofer und Verena Kuttenreiter, Sozialwissenschaftlerinnen und Therapeutinnen am Institut für Ehe- und Familientherapie in der Praterstraße in Wien und im Dozentenstab der ÖAS, sind zwei systemisch wie feministisch überaus versierte und belesene Kolleginnen. Im Eigenverlag hat das IEF nun ihre empirische Untersuchung über die Frage herausgebracht, in welcher Weise das soziale Geschlecht im paartherapeutischen Gespräch nicht nur sich bemerkbar macht, sondern im Zusammenspiel von (geschlechtsgemischten) Therapeutenpaaren und Klientenpaaren auf je individuelle und doch typische Weise geradezu erst hervorgebracht wird. Den Autorinnen gelingt es auf eindrucksvolle Weise, anhand weniger – für diese Veröffentlichung ausgewählter – Passagen erkennbar zu machen, wie produktiv eine mikroanalytische Studie von geschlechtsspezifischen Verhaltens- und Kommunikationsmustern für PaartherapeutInnen sein kann. Immerhin lässt sich erwarten, dass doing gender in Paartherapien ein hochrelevantes Thema darstellt. Es geht dabei aber nicht um Therapeutenschelte, vielmehr wird deutlich, dass das doing gender eine Gemeinschaftsleistung aller am Gespräch Beteiligten darstellt und keineswegs durch eine normative Orientierung (do not gender!) aufgehoben werden kann. Da die Autorinnen selbst Therapeutinnen sind, berücksichtigen sie ebenfalls, dass viele Interventionen therapeutisch durchaus effektiv und daher legitim sein können, obwohl sie gleichzeitig Geschlechtskonstruktionen verfestigen, an deren Auflösung man womöglich interessiert ist. Die Emanzipation von solchen Konstrukten ist also für sich allein noch längst nicht therapeutisch, der Geschlechterdiskurs und der therapeutische Diskurs gehen nicht ineinander auf, es gibt aber relevante Schnittmengen. Das Buch bietet vor diesem Hintergrund eine hervorragende Einladung an alle TherapeutInnen, sich mit ihren eigenen Beiträgen zur Aufrechterhaltung von Geschlechterkonstruktionen auseinanderzusetzen, gerade auch da, wo sie sich durchaus selbst als effektiv, allparteilich und empathisch erleben und die entsprechende positive Rückmeldung seitens ihrer Klienten erhalten.
Zur vollständigen Rezension
Die Wirksamkeit des Unsichtbaren. Konstruktion von Geschlecht in systemischen Paartherapien
24. Oktober 2007 | Keine Kommentare