1983 ist ziemlich lange her. Ein Jahr später erschien Luhmanns umwälzendes Buch„Soziale Systeme“, das auch in der systemischen Therapieszene in der Folge allmählich zu einem Referenzwerk wurde. Allerdings war der Wandel von der Familientherapie zur Systemischen Therapie zu diesem Zeitpunkt schon eingeleitet. Im besagten Jahre 1983 erschien beispielsweise ein Aufsatz von Kurt Ludewig mit dem Titel„ Die therapeutische Intervention – Eine signifikante Verstörung der Familienkohärenz im therapeutischen System“ in einem von K. Schneider bei Junfermann herausgegebenen Sammelband„Familientherapie in der Sicht psychotherapeutischer Schulen“, der nun in der Systemischen Bibliothek zu lesen ist. Von Luhmann ist hier schon die Rede, von Maturana, der ganz wesentlich von Kurt Ludewig – nicht zuletzt durch dessen Übersetzung des„Baumes der Erkenntnis“ – im deutschsprachigen systemischen Diskurs bekannt gemacht wurde, noch nicht. Dieser Aufsatz sei zur Lektüre empfohlen, zeigt er doch, dass schon früh wesentliche Fragen diskutiert wurden, die auch heute noch nicht nur relevant, sondern in jeder Hinsicht anschlussfähig sind. Im Vorwort tastet Kurt Ludewig den damals noch ungewissen Rahmen der weiteren Entwicklung gewissermaßen aus:„Frau Welter-Enderlin warnt in ihrer Einleitung des Kongresssammelbandes zum Zürcher Symposium„Familientherapie“ 1979 vor der Gefahr, die Anwendung der systemisch-ökologischen Denkweise auf dem Gebiet der (Psycho)- Therapie zum Dogma zu erheben, bevor sie überhaupt aus ihrer vorwissenschaftlichen Phase herausgetreten sei. Wenige Zeilen später gibt sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass in einigen Jahrzehnten eine einheitliche Feldtheorie vorliegen möge, welche uns der Frage nach den menschlichen Bedingungen näher gebracht habe. Bereits in diesen beiden Bemerkungen offenbart sich die unsere Lage kennzeichnende Problematik, wenn wir uns als Therapeuten um eine ganzheitliche Sichtweise menschlichen Verhaltens bemühen: auf der einen Seite befinden wir uns auf der Suche nach einem Paradigma, das ein prozessorientiertes, holistisches Verständnis des komplizierten Gefüges sozialen Seins ermöglicht, auf der anderen Seite hegen wir aber dennoch die Hoffnung, eines Tages doch noch einen aufgeklärten Zustand zu erreichen, in dem das Beobachtete – das menschliche Verhalten – für den Beobachter eine erfassbare Konstanz gewonnen hat. Anders ausgedrückt: Wir bauen uns einen Weg, dessen Befolgung das Ziel sein soll, und erwarten dennoch, eines Tages ans Ende des Weges zu gelangen. Wir streben nach Ganzheit und hoffen zugleich auf Gerichtetheit“
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Die therapeutische Intervention
11. September 2007 | Keine Kommentare